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Obama will Krieg "richtig ausstatten"

USA präzisieren Afghanistan-Strategie

Das Ziel der neuen US-Strategie für Afghanistan und Pakistan ist die Ausschaltung der Terrororganisation Al Qaida als Gefahr für die USA und die Welt, verkündete Präsident Obama.

Washington/Prag (dpa/AFP/ND). Die USA und ihre Alliierten wollten Afghanistan nicht die Zukunft diktieren, sondern sicherstellen, dass die radikal-islamischen Taliban nicht wieder das Land übernehmen und Terroristen einen sicheren Hafen bieten, sagte US-Präsident Barack Obama am Freitag in Washington. Er kündigte eine weitere Aufstockung der US-Truppen sowie die Verstärkung der zivilen und wirtschaftlichen Hilfe für Afghanistan an. Allerdings müsse die Korruption in dem Land stärker als bisher bekämpft werden.

Die Lage in Afghanistan sei zunehmend düster, sagte Obama. 2008 sei das tödlichste Jahr für die alliierten Truppen seit Kriegsbeginn 2001 gewesen. Inzwischen sei Pakistan zu einem sicheren Rückzugsgebiet für die Taliban und Al Qaida geworden. Dies müsse beendet werden, diese Region dürfe nicht weiter zu dem gefährlichsten Ort der Welt bleiben.

Nach Medienberichten plant Obama eine deutliche personelle und finanzielle Ausweitung des US-Engagements in Afghanistan und Pakistan. So sollen zusätzlich zu den bereits angekündigten 17 000 US-Soldaten weitere 4000 Mann nach Afghanistan entsandt werden, berichtete die »Washington Post« unter Berufung auf Regierungskreise. Die zusätzlichen 4000 Soldaten sollen demzufolge ab Herbst dieses Jahres als Ausbilder und Berater der afghanischen Streitkräfte eingesetzt werden. Außerdem sollen die monatlichen Ausgaben für den Einsatz in Afghanistan von derzeit rund zwei Milliarden Dollar über das Jahr um etwa 60 Prozent steigen, berichtete die Zeitung weiter. Im Februar hatte Obama bereits die Ausweitung des Truppenkontingents in Afghanistan um 17 000 Soldaten auf mehr als 50 000 angeordnet.

»Der Präsident hat entschieden, dass er diesen Krieg richtig ausstatten wird«, sagte ein namentlich nicht genannter Regierungsvertreter der »Washington Post«.

Die Außenminister der EU begrüßten die Afghanistan-Strategie von Obama. Bei einem Treffen im tschechischen Hluboká nad Vltavou zeigten sie sich bereit, die zivilen Anstrengungen für den Wiederaufbau zu verstärken. Die EU-Kommission stellte mehr Geld für Kabul in Aussicht. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte, die neue US-Strategie habe sich »ja doch den europäischen Vorstellungen des Einsatzes dort in Afghanistan sehr angenähert«.

In Moskau begann eine internationale Konferenz zur Lage in Afghanistan. Zum Auftakt bot der russische Außenminister Sergej Lawrow der NATO eine Vertiefung der Zusammenarbeit an.

* Aus: Neues Deutschland, 28. März 2009


"Amerikanisierung des Krieges"

US-Präsident Obama stellt "neue Strategie" bei der Besatzung Afghanistans vor

Von Knut Mellenthin **


Barack Obama hat am Freitag in einer Rede im Weißen Haus seine »neue Strategie« für die Aufstandsbekämpfung in Afghanistan vorgestellt und erläutert. Erstmals wird das nordwestpakistanische Grenzgebiet ausdrücklich als Teil des afghanischen Kriegsschauplatzes definiert. Der US-Präsident will an den Angriffen auf pakistanisches Gebiet mit Raketen unbemannter Flugkörper festhalten. Die pakistanische Regierung hatte zuvor am Donnerstag erneut erklärt, daß diese nicht nur die Souveränität des Landes verletzen würden, sondern zudem politisch äußerst kontraproduktiv seien.

Zusätzlich zu der von Obama schon angekündigten Verstärkung der US-Truppen um 17000 Mann will der Präsident weitere 4000 Soldaten als Ausbilder und Einsatzberater der einheimischen Armee nach Afghanistan schicken. Danach wird Washingtons Truppenstärke dort rund 60000 Mann betragen – doppelt soviel wie die übrigen NATO-Kräfte zusammen. Die Dominanz der USA in der Aufstandsbekämpfung und Besatzungspolitik wird durch diese Verstärkung noch deutlicher werden. US-Medien sprechen von einer »Amerikanisierung des Krieges«. Auch im Süden des Landes, wo bisher britische, kanadische und niederländische Einheiten relativ eigenständig tätig waren, wird das US-Militär künftig die Führung übernehmen.

Die Zahl der amerikanischen »Zivilisten« in Afghanistan soll um mindestens 50 Prozent auf 900 verdoppelt werden. Neben Regierungsangestellten wird es sich vielfach um Personal von Privatfirmen handeln, die auch »Sicherheitsaufgaben« übernehmen. Die afghanischen Streitkräfte sollen bis 2011 auf 134000 Mann verdoppelt werden. Auch die Polizei soll ähnlich stark ausgebaut werden.

Aufgrund der »neuen Strategie« wird für das laufende Jahr mit einer Steigerung der amerikanischen Militärausgaben in Afghanistan um 60 Prozent gerechnet. Derzeit liegen sie bei zwei Milliarden Dollar monatlich. Hinzu kommt eine noch nicht abzuschätzende Erhöhung der als »nicht militärisch« deklarierten Ausgaben.

Unter dem Slogan »Keine Blankoschecks« sollen die Regierungen Afghanistans und Pakistans noch mehr als bisher unter Druck gesetzt, auf die US-Ziele verpflichtet und in Abhängigkeit gehalten werden.

** Aus: junge Welt, 28. März 2009

Strategiewechsel?

Von Roland Etzel ***

Barack Obama hat gestern seine »umfassende neue Politik gegenüber Afghanistan und Pakistan« verkündet und es dabei an eindringlichen Worten nicht fehlen lassen. Er will eine »klarer fokussierte Strategie«, »Al Qaida zersprengen und besiegen« und dergleichen mehr.

Selbst wohlmeinende Zuhörer werden sich die Frage gestellt haben, was denn jetzt das Neue war außer der Person, die es verkündete. Vielleicht dies: Gefragt seien, so Obama, nicht nur amerikanische Streitkräfte, sondern auch Ausbilder und Agrarexperten. Diese simple Erkenntnis hat lange gebraucht, vermutlich zu lange, um der prinzipiellen Unglaubwürdigkeit eines US-Präsidenten in dieser Frage noch etwas entgegensetzen zu können. Vielleicht gab es ja auch – zumindest bei den immer weniger werdenden Freunden der USA am Hindukusch – die Hoffnung, der neue Präsident werde für die Tausenden von seiner Armee »nebenbei« getöteten Zivilisten um Entschuldigung bitten. Vergeblich.

Aber das wäre für US-Politik etwas gänzlich Ungewohntes. Es hieße, eigenes Handeln ganz selbstverständlich an elementaren Grundsätzen des Völkerrechts messen zu lassen, und in der Konsequenz die Frage nach der Legitimität der Okkupation Afghanistans zu stellen. Damit ist absehbar nicht zu rechnen.

*** Aus: Neues Deutschland, 28. März 2009 (Kommentar)




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