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"Gezielt wirken"

Bundesregierung läßt Afghanistan-Krieg verlängern und wirbt für stärkere Beteiligung in Mali und Anschaffung von Kampfdrohnen

Bundesregierung lässt Afghanistan-Krieg verlängern und wirbt für stärkere Beteiligung in Mali und Anschaffung von Kampfdrohnen Von Rüdiger Göbel *

Großer Kriegstag im Bundestag. Die Bundeswehr wird sich für weitere 13 Monate am NATO-geführten Krieg in Afghanistan beteiligen. Das Parlament verlängerte am Donnerstag mit großer Mehrheit ein entsprechendes Mandat. Darüber hinaus verteidigte die Bundesregierung die massiven deutschen Rüstungsexporte in alle Welt. Die Bundeswehr wiederum soll mit bewaffneten Drohnen aufgerüstet werden. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) will die deutsche Militärhilfe für die Mali-Intervention ausweiten und französische Kampfjets in der Luft betanken.

»Was elf Jahre falsch war, wird im zwölften Jahr nicht richtig«, kritisierte der Bundesausschuß Friedensratschlag das neue Afghanistan-Kriegsmandat. Dieses sieht die weitere militärische Präsenz vor, wenn es die »Sicherheitslage« erlaubt, soll die Zahl der deutschen Soldaten von 4500 auf 3300 reduziert werden. In namentlicher Abstimmung sprachen sich 435 Abgeordnete für den entsprechenden Antrag der Bundesregierung aus. Es gab 111 Nein-Stimmen und 39 Enthaltungen. Als einzige stimmte die Fraktion Die Linke geschlossen dagegen.

Während Spiegel online mit der Schlagzeile »Bundestag beschließt Abzug 2014« dreist lügt, stellen Peter Strutynski und Lühr Henken vom Friedensratschlag klar: »Die heutige Bundestagsdebatte hat wieder einmal gezeigt, daß es der Bundesregierung nicht um eine Beendigung des Afghanistan-Kriegs und um den Abzug der deutschen Truppen geht.« Das neue Mandat »produziert keinen Abzug sondern leere Versprechen, Lügen und Schönfärbereien«. Die in Afghanistan verbleibenden Kampftruppen würden lediglich zu Ausbildungstruppen umfirmiert.

Acht Milliarden Euro haben die deutschen Steuerzahler für den Krieg in Afghanistan bisher berappen müssen. Eine weitere Milliarde wird er in diesem Jahr verschlingen. Der CDU-Politiker Andreas Schockenhoff machte sich in der Debatte für den Einsatz von Kampfdrohnen stark und damit für eine Verschärfung des Krieges.

Überhaupt soll die Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen ausgerüstet werden. Dafür plädierte Verteidigungsminister de Maizière gestern im Parlament: »Ich halte den Einsatz von Drohnen ethisch und unter Einhaltung der bestehenden Regeln für richtig.« Die unbemannten Flugkörper seien technisch sinnvoll und träfen Ziele präzise, behauptete der CDU-Politiker, gegenteilige Berichte über US-Angriffe in Pakistan oder Jemen offensichtlich ignorierend. »Wir können nicht sagen: ›Wir bleiben bei der Postkutsche‹, während alle anderen die Eisenbahn entwickeln«, verklärte de Maizière die gezielten Tötungen nach Vorbild der USA. Und weiter: Mit Drohnen würden Unbeteiligte weniger gefährdet, weil »Flächenwirkung« vermieden werde. »Wir verlangen von unseren Soldaten, daß sie gezielt wirken.«

Als einzige Partei im Bundestag wird sich wohl Die Linke gegen die Ausweitung der deutschen Kriegsbeteiligung in Mali aussprechen. »Die Bundesregierung ist dabei, deutsche Truppen in einen langwierigen Konflikt in der Sahelzone zu verstricken«, warnte der Entwicklungspolitiker der Fraktion, Niema Movassat, nach der Ankündigung de Maizières, Frankreich mit Flugzeugen für die Luftbetankung von Kampfjets zu unterstützen. Sein Fraktionskollege Wolfgang Gehrcke fragte, warum in Mali »Dschihadisten mit Bomben bekämpft« würden, während in Syrien »die gleichen Dschihadisten« Unterstützung in Form von Geld und Waffen erhielten.

* Aus: junge Welt, Freitag, 1. Februar 2013


Vom Hindukusch nach Afrika

Das Afghanistan-Mandat wird verlängert und der Mali-Einsatz ausgeweitet

Von Markus Drescher **


Der Bundestag beschloss am Donnerstag die Verlängerung des Mandats für den Bundeswehreinsatz in Afghanistan. Schon bald muss er sich mit dem nächsten Einsatz deutscher Soldaten im Ausland beschäftigen, der Ausweitung des deutschen Engagements im Mali-Krieg.

Deutschland kann offenbar nicht mehr ohne. Wenn Ende 2014 - so der Plan - die meisten Soldaten aus Afghanistan abgezogen sind, könnte der nächste Bundeswehrkampfeinsatz im Ausland schon laufen. In Mali.

Nach dem Einsatz der drei Transallmaschinen, die derzeit afrikanische Soldaten in die malische Hauptstadt Bamako transportieren, und der Zusage für Lastwagen, Stiefel und Uniformen für ECOWAS-Truppen wird das deutsche Engagement in der westafrikanischen Krisenregion bald auch die Luftbetankung von französischen Flugzeugen und eine Ausbildungsmission umfassen.

In der »Süddeutschen Zeitung« hatte Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) erklärt, derzeit werde noch an der notwendigen »Zertifizierung« der deutschen Betankungssysteme für die französischen Flugzeuge gearbeitet. »Ich denke, im Februar können wir so weit sein«, so de Maizière.

Guido Westerwelle (FDP) erwartet, dass es noch im Februar ein Bundestagsmandat für die deutsche Beteiligung an der Ausbildung malischer Truppen geben wird. Das Mandat könne »zügig, mutmaßlich schon in der nächsten Sitzungswoche des Deutschen Bundestages« in der zweiten Februarhälfte beschlossen werden, erklärte der Außenminister vor einem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel.

Laut de Maizière müsste dann auch die Unterstützung der französischen Luftwaffe Bestandteil des Mandats sein. »Denn wir würden bei der Luftbetankung so nah an die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene sogenannte Einsatzschwelle kommen, dass wir wohl mandatieren sollten.«

Mit der schrittweisen Ausweitung des Einsatzes in Mali befürchtet die Linkspartei, die Bundesrepublik steuere auf eine längere Mission in Afrika zu. »Die Notsituation, mit der Frankreich seinen Kriegseinsatz ursprünglich begründete, ist längst vorbei. Der vermeintliche Vorstoß der Islamisten Richtung Bamako ist gestoppt«, so Sevim Dagdelen, Sprecherin der Bundestagslinksfraktion für Internationale Beziehungen. Für Flüge von Bamako in den Norden Malis brauchten die französischen Kampfjets keine Luftbetankung, die erst im März beginnen soll. »Offensichtlich geht es also um ein langfristiges Engagement auch über Mali hinaus. Per Salamitaktik wird Deutschland nach Afghanistan nun auch in Afrika in einen entgrenzten Krieg gegen den Terror geführt, ohne dass dies öffentlich kommuniziert oder die Ziele definiert würden.«

Das Ziel für die Bundeswehr in Afghanistan steht hingegen scheinbar fest: der Abzug. Am Donnerstag beschloss der Bundestag ein neues Mandat für den Einsatz am Hindukusch, das eine Reduzierung der Truppenstärke von derzeit 4500 auf 3300 Soldaten bis Ende Februar 2014 vorsieht. Von 585 Abgeordneten stimmten 435 für, 111 gegen das Mandat. 39 enthielten sich. Die Linkspartei stimmte als einzige Fraktion geschlossen dagegen.

Unklar ist, wie es dann am Hindukusch weitergehen soll. De Maizière erklärte, dass die Bundeswehr auch nach 2014 »in angemessener Weise« beratend in Afghanistan bleiben werde. In welchem Ausmaß hänge von den Beratungen innerhalb der NATO und den Entscheidungen der USA ab, die das weitaus größte Truppenkontingent stellen. »Es ist ein großer Unterschied, ob die Amerikaner 3000 oder 20 000 Soldaten in Afghanistan lassen.«

Dass der Afghanistan-Einsatz mit einem Erfolg endet, glauben die Bundesbürger nicht. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der dpa sagten nur neun Prozent der Befragten, dass sie mit einem erfolgreichen Abschluss rechnen.

** Aus: neues deutschland, Freitag, 01. Februar 2013

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