Das westliche Bild Afghanistans ist von Wunschdenken geprägt
Die Politik des Westens trägt eher zur Konfliktverschärfung bei
Am 9. Februar erschien in der Frankfurter Rundschau eine der gründlicheren Analysen über die Lage in Afghanistan und die unangemessene Politik des Westens. Der Autor, Michael Lüders, ist Islam-Experte und lebt als Publizist in Hamburg. Wir dokumentieren einen Teil seiner Analyse. Der vollständige Bericht ist auf der Dokumentationsseite der FR einzusehen (www.fr-aktuell.de).
Von Michael Lüders
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Vordergründig scheint alles zum Besten. Die Amerikaner haben die Taliban
besiegt, Osama bin Laden ist auf der Flucht. Derweil besorgen die Europäer die
Friedenssicherung in Afghanistan, jedenfalls in Kabul und Umgebung - nach Dirty
Harry nun also die Minima Moralia. So viel guter Wille war selten: Allein die
Bundesregierung wird in den nächsten fünf Jahren mindestens 100 Millionen Euro
in den Wiederaufbau eines Landes investieren, das vor dem 11. September kaum
jemanden interessierte. Ein Gesinnungswandel, der Unterstützung verdient, weil er
Teilen der Not leidenden Bevölkerung zugute kommt und dem Land nach 22
Kriegsjahren erstmals eine Friedensperspektive eröffnet.
Allerdings reicht der Einfluss der Interimsregierung unter Hamid Karsai kaum über
die Hauptstadt hinaus, und daran dürfte sich auf absehbare Zeit nur wenig ändern.
Außerhalb Kabuls liegt die Macht in den Händen alter wie neuer Kriegsherren und
Kommandeure, die Wegezoll erheben, plündern, töten, ihr eigenes Faustrecht
anwenden. Nicht einmal die wichtigste Straßenverbindung von Kabul über
Dschalalabad und den Khaiber-Pass nach Pakistan ist gegenwärtig sicher. ...
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Seit dem Abzug der Sowjets 1989 wurde Afghanistan heimgesucht von Milizen-
und Clankämpfen, häufig entlang ethnischer und religiöser Trennungslinien. Die
Taliban versuchten, das Land unter paschtunischer Vorherrschaft zu einen und
scheiterten an ihrer rückständigen Stammesideologie, die sie als "islamisch"
ausgaben. Entgegen der in westlichen Medien und in der Politik vorherrschenden
Auffassung verdankt sich die erstaunlich schnelle Niederlage der Taliban nur zum
Teil amerikanischen Bomben, auch nicht unbedingt dem "Volkswillen", dem Hass
auf ihre jahrelange Schreckensherrschaft.
Ausschlaggebend war vielmehr eine der wenigen Konstanten im afghanischen
Endlos-Krieg: der Wechsel lokaler Kommandeure auf die Seite der jeweiligen
Sieger, gegen gute Bezahlung und klare Versprechen. Eine Faustregel besagt,
dass die "Eroberung" einer afghanischen Provinz etwa eine Million Dollar kostet.
Der Usbekengeneral Dostam soll gar 250 Millionen Dollar von den Amerikanern
erhalten haben für seine (wiederholt mörderischen) Verdienste im Kampf gegen die
Taliban. Die Milizionäre "aufgekaufter" Kriegsgegner haben zumeist nichts zu
befürchten und können in ihre Heimatdörfer zurückkehren - wie auch geschehen
nach dem Fall der letzten Taliban-Hochburgen in Kundus und Kandahar.
Die relative Waffenruhe im Land, die Abwesenheit offener Gewalt jenseits von
Banditentum, verdankt sich daher weniger der Einsicht aller Beteiligten, die
Regierung Karsai sei ein Retter in der Not. Vielmehr wissen die Kriegsherren, allen
voran Dostam und der ehemalige Präsident Rabbani, dass es im Augenblick
unklug wäre, sich offen gegen den Willen von Amerikanern und Europäern zu
stellen.
Diese Warlords werden Karsai so lange unterstützen, wie der Preis stimmt und sie
Rücksicht nehmen müssen. Ist die politische und mediale Karawane erst einmal
weitergezogen, weil die Anti-Terror-Allianz ein anderes Land ins Visier genommen
hat, sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Dann erst kommt die Stunde
der Wahrheit. Hier zu Lande gilt der Sturz der Taliban als ein Sieg über die
Finsternis des islamischen Fundamentalismus, der die westliche Zivilisation
bedroht, nicht allein in Form von Terror. Machtpolitik wird verklärt als menschliche
Mission: lächelnde Frauen, die ihre Burka, den vergitterten Schleier, abgelegt
haben. Solche Bilder, in fast allen Zeitungen zu sehen, legen den Eindruck nahe,
der Anti-Terror-Krieg sei das Werk von Gleichstellungsbeauftragten. Kürzlich reiste
eine deutsche Ministerin nach Kabul und erklärte die Förderung afghanischer
Frauen zu einem Hauptanliegen ihrer Entwicklungspolitik. Dagegen ist
selbstredend nichts einzuwenden, im Gegenteil. Aber gerade die Frauenfrage zeigt,
wie sehr das westliche Bild Afghanistans von Wunschdenken geprägt ist.
Die afghanischen Frauen gehörten, neben den ethnischen und religiösen
Minderheiten, zu den am meisten von den Taliban heimgesuchten
Bevölkerungsgruppen. Doch die bei uns vorherrschende Auffassung, nun seien die
Frauen "befreit" und sähen einer glänzenden Zukunft entgegen, ist schlichtweg
absurd. Paschtunisches Stammesdenken verbannt Frauen seit Jahrhunderten aus
der Öffentlichkeit und zwingt sie unter einen Ganzkörperschleier. Die Taliban haben
die Entrechtung der Frau in den Rang einer Ideologie erhoben, nicht jedoch
"erfunden." Deswegen wagen nur wenige Frauen, die Burka abzulegen, selbst in
Kabul. Auf dem Land ist daran ohnehin nicht zu denken, auch in Pakistan sind
paschtunische Frauen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, außer Haus
grundsätzlich verschleiert und haben kaum die Möglichkeit, einer Arbeit
nachzugehen.
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Die Dämonisierung der Taliban dient der zusätzlichen Legitimation des
amerikanischen Militäreinsatzes, hilft aber nicht, die Probleme Afghanistans zu
lösen. Um beim Beispiel der Frauen zu bleiben: Die in Pakistan ansässige
afghanische Frauengruppe Rawa berichtet, im Herrschaftsbereich der Nordallianz
würden Frauen genauso entrechtet wie zuvor unter den Taliban, inklusive
Zwangsheirat, Vergewaltigungen und der Steinigung von Ehebrecherinnen. Davon
ist bei uns wenig zu erfahren - es passt politisch und medial nicht so recht ins Bild.
Mit dem Petersberg-Abkommen vom 5. Dezember wurde die Nordallianz, ein loses
Bündnis marodierender Anti-Taliban-Milizen, die Bodentruppe der Amerikaner, in
den Rang einer Staatsmacht erhoben. Der politische Wille im Westen besagt:
Jetzt wird alles gut. Auf die Bomben folgt der Wiederaufbau, wir umarmen unsere
neuen afghanischen Freunde so lange mit Geld und gutem Willen, bis sie dankbar
und selig lächelnd die Waffen strecken.
Wunschdenken, wie gesagt. Afghanistan ist erst der Anfang im weltweit geführten
Kampf gegen den Terror, der die westliche Politik in den nächsten Jahren
maßgeblich bestimmen wird. Unabhängig von allen völkerrechtlichen und
moralischen Erwägungen - rechtfertigt der Tod von etwa 3.500 Menschen in
Amerika am 11. September den Tod von mindestens ebenso viel afghanischen
Zivilisten seit Beginn der amerikanischen Bombenangriffe? - zeigt bereits der
Einsatz in Afghanistan, dass militärische Gewalt neue Probleme schafft, die noch
sehr viel gefährlicher und unberechenbarer sind als die alten.
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Nach dem 11. September hatte sich Pakistan uneingeschränkt auf die Seite
Washingtons im Kampf gegen die Taliban und das Al-Qaeda-Netzwerk gestellt. Auf
amerikanischen Druck ließ Islamabad die Taliban fallen, die jahrelang vom
pakistanischen Inlandsgeheimdienst ISI unterstützt wurden, finanziell und
militärisch.
Die Nordallianz, nunmehr in Kabul an der Macht, ist anti-pakistanisch eingestellt,
die Militärregierung unter Pervez Musharraf hat folglich ihren politischen Hinterhof in
Afghanistan eingebüßt. Als Gegenleistung erwartet Islamabad amerikanischen
Druck auf Indien in der Kaschmirfrage, aus der sich Washington bislang allerdings
heraushält.
Seit Beginn der neunziger Jahre führen militante islamistische Gruppen einen
Guerillakrieg gegen die indische Armee in dem von beiden Seiten beanspruchten
Kaschmir, aktiv unterstützt vom pakistanischen Militär. Die Armee, die einzige
funktionierende Institution in Pakistan, braucht den Dauerkonflikt mit Indien, um
ihre dominante Rolle in Staat und Gesellschaft zu legitimieren. Der Terroranschlag
radikaler Islamisten auf das indische Parlament Mitte Dezember war eine Art
"Vorwärtsverteidigung" nationalistisch gesinnter Militärkreise in Pakistan, um
Washington in eine Vermittlerrolle hineinzuzwingen. War schon Kabul verloren,
sollte wenigstens Kaschmir gewonnen werden.
Der Schuss ging gewissermaßen nach hinten los: Indien beschuldigte nunmehr
Pakistan, den Terrorismus zu fördern, und Präsident Musharraf blieb keine andere
Wahl, als die radikalen Mudschaheddin-Gruppen zu verbieten.
Innerhalb von nur drei Monaten hat Pakistan also seinen politischen Einfluss in
Afghanistan weitgehend eingebüßt und eine schwere strategische Niederlage im
Dauerkonflikt mit Indien erlitten. Nichts Geringeres als die Legitimation der Armee
steht auf dem Spiel, und sie wird handeln. Indem sie zum Beispiel unzufriedene
paschtunische Stämme, Kriegsherren und Kommandeure in Afghanistan gegen die
Interimsregierung in Kabul aufwiegelt, in der die Paschtunen, die
Bevölkerungsmehrheit, nur unzureichend vertreten sind. Die Zeichen stehen
eindeutig auf Sturm. Der Preis für den Sturz der Taliban ist die Gefahr
zunehmender Spannungen zwischen Indien und Pakistan sowie eine neue Runde
im innerafghanischen Machtkampf.
Was folgt nun daraus? Den Terror militärisch nicht zu bekämpfen, aus Angst vor
den Unwägbarkeiten? Das Al-Qaeda-Netzwerk ist ohne Anwendung von Gewalt
nicht zu zerschlagen, daran besteht kein Zweifel. Aber Washington verbindet, und
darin liegt die Gefahr, den Kampf gegen den Terrorismus mit machtpolitischen
Eigeninteressen, nicht zuletzt mit schlichten Rachemotiven. Das religiös
anmutende Sendungsbewusstsein eines Anti-Terror-Einsatzes, den das Weiße
Haus als "Grenzenlose Gerechtigkeit" bezeichnet, wird zudem den Hass auf die
Allmacht und Selbstgefälligkeit des Westens in weiten Teilen der islamischen Welt
schüren und eine neue Generation von Gewalttätern hervorrufen - nicht heute, nicht
morgen, aber in fünf bis zehn Jahren.
Ob gewollt oder ungewollt, der Anti-Terror-Einsatz schafft gefährliche Instabilitäten.
Die nächsten Kriegsziele sind, allen Dementis zum Trotz, deutlich abzusehen:
Somalia und Jemen. In beiden Ländern wurden amerikanische Marines Opfer von
Terroranschlägen aus dem Umfeld Osama bin Ladens: 1993 in Mogadischu, im
Rahmen eines UN-Einsatzes zur Bekämpfung der Hungersnot in Somalia, durch
den Abschuss zweier Hubschrauber. Und im Oktober 2000 explodierte eine Bombe
an der Bordwand des Zerstörers USS Cole im Hafen von Aden. Der Tod von
insgesamt 35 Marines verlangt aus amerikanischer Sicht Vergeltung. In Somalia
werden vor allem die äthiopische Armee und "gekaufte" lokale Milizen den
Bodenkampf gegen einen weithin unsichtbaren Feind führen, über dessen
Größenordnung nichts bekannt ist. Nach Beendigung dieser Mission dürften auch
die letzten Ansätze einer staatlichen Infrastruktur in Somalia zerstört sein,
kriminelle Milizen als politische Stellvertreter westlicher Interessen fungieren sowie
die regionalen Spannungen anwachsen, vor allem zwischen Äthiopien und Eritrea.
Nicht minder absurd ein Angriff auf Jemen. Die Regierung in Sanaa kontrolliert nur
Teile des Landes, die tatsächliche Macht liegt in den Händen von Stammesführern.
Der jemenitische Präsident Ali Abdallah Salih, der eindeutig dem pro-westlichen
Lager zuzurechnen ist, würde eine Militärintervention in seinem Land politisch nicht
überleben. Die Zentralmacht wäre diskreditiert und geschwächt. Nutznießer wären
die islamischen Fundamentalisten, die zweitstärkste Partei im Parlament, sowie
die Stämme, die jeden Einfluss Sanaas auf ihre Interessen ablehnen. Die Gefahr
ist groß, dass der Kampf gegen den Terror in Jemen "herrschaftsfreie Räume"
schafft, für die Zentralmacht endgültig verloren. Ein besseres Refugium könnten
sich die "Glaubenskämpfer" um bin Laden kaum wünschen, zumal die
unzugängliche Bergwelt Jemens eine ideale Basis ist, um den Guerillakrieg nach
Saudi-Arabien zu tragen, die wichtigste Ölquelle der westlichen Welt.
Der GAU wäre allerdings ein Militärschlag gegen Irak. Saddam Hussein habe
bislang nicht deutlich gemacht, dass er sich gegen den Terrorismus stelle, erklärte
der US-Vize-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz kürzlich in einem Interview mit
der New York Times. Bagdad bleibe daher im Blickfeld der USA. Demzufolge reicht
im Anti-Terror-Kampf offenbar schon eine unbefriedigende Rhetorik als Kriegsgrund.
Spätestens ein Angriff auf Irak dürfte in der arabisch-islamischen Welt eine
Explosion auslösen.
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Die Konzeptionslosigkeit amerikanischer Politik im Nahen und Mittleren Osten
jenseits von militärischer Präsenz und Kriegsführung wird sich bitter rächen.
Überall fehlen dem Westen verlässliche Akteure für eine demokratische
Transformation und somit für eine dauerhafte Konfliktentschärfung. Das Programm
der politischen Eliten in der arabisch-islamischen Welt heißt Selbstbereicherung
und Machterhalt, gelegentlich gepaart mit Ideologie, mal nationalistischer, mal
islamistischer Färbung. Ihr politisches Überleben wird wesentlich durch die USA,
die stärkste Regionalmacht in der Region, garantiert, am sichtbarsten durch ihre
Militärpräsenz in den Golfstaaten.
Ausgerechnet Saudi-Arabien jedoch, eine Brutstätte des islamistischen Terrors
und Hauptfinanzier islamistischer Strömungen von Marokko bis Indonesien, sieht
sich keinem nennenswerten Druck ausgesetzt, seinen destabilisierenden
Ideologie-Export zu unterbinden. Die "Grenzenlose Gerechtigkeit" endet, wo
wirtschaftliche und strategische Interessen beginnen.
Wirksam ist der Terror nur zu bekämpfen, sofern ihm der gesellschaftliche
Nährboden entzogen wird. Das bedeutet nichts Geringeres, als die Erneuerung der
arabisch-islamischen Welt konstruktiv zu begleiten. Darin läge eine der größten,
wenn nicht die größte Herausforderung westlicher Politik in den kommenden
Jahren und Jahrzehnten. Gemeint ist nicht die Fortsetzung bisheriger Interessen-
und Machtpolitik mit anderen Mitteln. Erforderlich ist vielmehr eine grundsätzliche
Neuorientierung, angefangen mit der grundsätzlichen Bereitschaft, die
arabisch-islamische Welt als gleichberechtigt anzusehen, nicht allein als
strategische Verfügungsmasse. Im Schatten eines omnipotenten Westens, der
seine Spielregeln diktiert, fällt es den gemäßigten und den säkularen Kräften in der
Region sehr schwer, ihrerseits Gehör zu finden. Gegenwärtig verfügt jedes Regime
über den Freibrief, im Namen des Anti-Terror-Kampfes nach Belieben gegen
Oppositionelle vorzugehen oder die eigene Repression als Anti-Terror-Maßnahme
darzustellen, von Algerien über Israel bis nach Indien und Malaysia.
Solche Überlegungen sind in der hiesigen Öffentlichkeit nicht unbedingt populär.
Die vorherrschende Meinung besagt: Die Terroranschläge in Amerika waren ein
Angriff auf das westliche Wertesystem. Deswegen befinde sich der Westen im
Krieg mit dem radikalen Islam, der seinerseits zum Heiligen Krieg, zum Dschihad,
gegen die Ungläubigen aufgerufen habe. Die einzige Antwort auf die terroristische
Bedrohung sei uneingeschränkte Solidarität mit Amerika und, wenn nötig, Bomben,
Bomben und nochmals Bomben.
Allenthalben wabert der unselige "Kampf der Kulturen". Der Spiegel veröffentlichte
kürzlich eine Titelgeschichte, gewidmet den "Intellektuellen", die "im Kampf gegen
den islamischen Terror mit neuem Selbstbewusstsein für die Werte der freien Welt"
eintreten. Auf ihren Schultern ruht schwere Last, denn "die unverschleierte Würde
des Westens", seine "geistige Tradition ist es wert, verteidigt zu werden - auch
gegen den Islam". Gegen den Islam, wohlgemerkt. Nicht etwa gegen den
islamischen Fundamentalismus, nein, die Gefahr liegt offenbar in der Religion an
sich, den Glaubensinhalten von weltweit 1,3 Milliarden Menschen.
Wer so denkt, offenbart eine Mentalität, die dem propagandistischen Weltbild
islamischer Fundamentalisten gegenüber dem Westen ebenbürtig ist. Eine solche
Haltung ist zynisch, weil sie diejenigen mit Verachtung straft, die, oftmals unter
Lebensgefahr, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit einfordern, gleichermaßen bedroht
von den Geheimdiensten und den Mordaufrufen islamistischer Terroristen, wie etwa
in Algerien. Nicht nur der Terrorismus bedroht die offene Gesellschaft, das große
Freiheitsangebot des Westens. Sie ist auch gefährdet durch unsere eigene
Selbstgefälligkeit, die Attitüde des Siegers. Die Unfähigkeit, uns selber auch nur
ansatzweise aus der Perspektive der anderen zu sehen. Gerade so, als wären die
Nationalsozialisten Muslime gewesen.
Aus: Frankfurter Rundschau, 9. Februar 2002
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