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"Task-Force London" ohne Merkel-Befehl

Guttenberg, Westerwelle und kein klarer Kurs

Von René Heilig *

Das Wappen kommt aus Mecklenburg-Vorpommern und gehört dem Flugabwehr-Raketen-Geschwader 2 der Deutschen Luftwaffe. Es ist zur Zeit in Afghanistan zu bestaunen und beschreibt ein deutsches Problem, das bis zur Londoner Afghanistan- Konferenz, die am 28 Januar beginnt, nicht zu lösen ist.

Die FlaRak-Gruppen 21 und 24, die zu dem Geschwader gehören, sind im Nordosten der Republik stationiert. Sie sollen mit ihren »Patriot«-Raketen die Hauptstadt beschützen. Was von Afghanistan aus kompliziert ist. Doch dorthin wurden vor einigen Wochen 29 Raketensoldaten verlegt. Sie spielen Ausbilder für 300 Kameraden der afghanischen Garnison Support Unit. Die haben in ihrem Leben nichts mit Raketen zu tun gehabt. Warum auch? Sie sollen ja nur lernen, Militär- und Industrieanlagen gegen die immer dreister werdenden Angriffe sogenannter Aufständischer zu schützen.

Beachten Sie auch die Meldungen vom 07. bis 11. Januar in unserer tagesaktuellen Afghanistan-Chronik



Dass die Bundeswehr für den Ausbildungsjob deutsche Raketensoldaten abstellt, zeigt einen Teil der deutschen Misere. Man fegt bereits die Kasernen leer, um genügend Soldaten für den Kriegseinsatz in Afghanistan zu finden.

Ohne die Probleme im Detail zu kennen, steuert Außenminister und Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) gegen eine Zusage zusätzlicher Soldaten. Doch das macht er nicht sehr geschickt, selbst wenn man berücksichtigt, dass Westerwelle seinen Boykott der für Ende Januar in London anberaumten Afghanistan-Konferenz – so sie eine reine Truppensteller-Konferenz werden sollte – zurückgezogen hat.

Doch es gibt ja nicht nur ihn als Außenminister. Seit seinem Antritt im Verteidigungsressort demonstriert auch CSU-Mann Karl Theodor zu Guttenberg, wie man Außenpolitik betreibt. Und das nicht nur, wenn er englisch parliert. Guttenberg und dessen Ministerium wissen offenbar besser einzuschätzen, wie nachdrücklich die Forderung der USA nach mehr Bundeswehrsoldaten für Afghanistan ist. Pragmatischer als Westerwelle sagt er, dass die Forderung nach weiteren 2500 Bundeswehrsoldaten zu den bereits 4200 in Afghanistan stationierten unrealistisch ist. 1000 würde er abnicken – und sich zur Not 2000 abhandeln lassen. Dazu sollte Deutschland erweitere Polizeiausbildung und Entwicklungshilfe anbieten.

Ob das die USA befriedigt, ist offen. Denn auch dort registriert man den tiefen und über das Afghanistan-Problem hinausgehenden Politik-Konflikt zwischen Westerwelle und zu Guttenberg. Und dass die Kanzlerin, die anfänglich Motor zur Einberufung der Londoner Konferenz war, bislang keine Position bezogen hat, reizt die US-Verantwortlichen zu zusätzlichen Versuchen der Einflussnahme.

Die deutsche Afghanistan-Politik ist in einer innen- wie außenpolitischen Sackgasse. Noch ist nicht einmal klar, wer die Bundesrepublik in London vertritt. Westerwelle als Außenminister ist gesetzt. Guttenberg als dessen »zweiter Mann«? Unvorstellbar. Fragt sich, ob die Kanzlerin selbst aufbrechen will. Das geht nur, wenn daheim Einigkeit am Kabinettstisch erzielt wurde. An dem auch der (wenig ambitionierte, doch wichtige) Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) sowie der bei Polizeiexport kompetente Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sitzen.

Nächste Woche treffen sich Diplomaten in Abu Dhabi zur Vorbereitung der Londoner Konferenz. Es wird spannend sein zu beobachten, wer den deutschen Vertreter, Botschafter Bernd Mützelburg, mit welchem Konzept ausstattet.

* Aus: Neues Deutschland, 9. Januar 2010


CSU fordert Zeitkorridor für Truppenabzug

Unionsparteien diskutieren über Afghanistan. Krieg soll künftig »nicht-internationaler Konflikt« genannt werden

Aus dem Wildbad Kreuth kam am Freitag (8. Jan.) die Forderung nach einer »klaren Abzugsperspektive « für die Bundeswehr vom Hindukusch. Die Londonder Afghanistan- Konferenz müsse »einen zeitlichen Korridor für den Abzug der deutschen und internationalen Truppen« aufzeigen, formulierte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich dann aber möglichst unklar. Spekulationen über eine Aufstockung des deutschen Kontingents um 2 500 Soldaten nannte der Unionspolitiker zum Abschluß der Klausurtagung seiner Partei in Kreuth immerhin »völlig abwegig«.

Nach Angaben der CSU wird derzeit innerhalb der Regierung geprüft, ob die Kämpfe in Afghanistan künftig als »nicht-internationaler bewaffneter Konflikt« eingeordnet werden sollten. Damit würde die Regierung sich auch offiziell der zuletzt von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) getroffenen Bezeichnung von »kriegsähnlichen Zuständen« annähern. Friedrich sagte, solch eine Neubewertung habe aber »juristische Nebenwirkungen«, die untersucht werden müßten. Welche konkreten Folgen die Umbenennung des Krieges für die deutschen Soldaten und ihre Befugnisse haben könnte, sagte er nicht. Der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold kritisierte das Vorhaben. Das Kabinett könne nicht einfach die Substanz der Mandate verändern, warnte er im Kölner Stadtanzeiger (Samstagsausgabe). Unverständnis kam auch von der Linkspartei. »Guttenbergs Vorstoß zur offiziellen Umbenennung des Afghanistan-Einsatzes soll nicht die Transparenz verbessern, sondern die Legitimation der Gewalt erleichtern«, erklärte der verteidigungspolitische Sprecher der Linksfraktion, Paul Schäfer.

Die Bundesregierung hat unterdessen angekündigt, den Bundestag vor der Afghanistan-Konferenz am 28. Januar in London über die »gemeinsame Haltung« zu unterrichten. Das sei »selbstverständlich«, meinte Vizeregierungssprecher Christoph Steegmans.

** Aus: junge Welt, 9. Januar 2010


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