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Kommando Spezialkräfte (KSK) wieder zurück in Afghanistan

Unklarheit über Auftrag und Dauer des Einsatzes - SPIEGEL: "Die Deutschen sollen sich um einen eigenen Sektor kümmern"

Der "Spiegel" berichtet am 23. Mai 2005 über die neue Mission des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr in Afghanistan. Vor einer Woche begann die Verlegung der Elitetruppe - die Aufgabe ist nicht eben einfach und sie gibt Anlass zu politischen Spekulationen.
Im Folgenden zitieren wir aus dem Spiegel-Bericht und dokumentieren ein paar Fragen, die Wolfgang Kuhlmann (FriedensTreiberAgentur) daran knüpft sowie einen Kommentar aus der Tageszeitung "junge Welt" vom 23. Mai 2005. Ansonsten fand der Vorgang in der überregionalen Presse keine besondere Resonanz.



A u s z u g aus "DER SPIEGEL": "Geheimer Auftrag für die Deutschen"

Ein Voraustrupp des deutschen Eliteverbandes Kommando Spezialkräfte (KSK) ist am Pfingstwochenende zu einem neuen Auftrag nach Afghanistan aufgebrochen, die Hauptkräfte sollen in Kürze nachfolgen. Die Bundeswehr-Einheit steht offenbar vor ihrem bisher umfangreichsten Einsatz, der unter größter Geheimhaltung vorbereitet wurde.

Ein Teil der Spezialkräfte soll in Badakhshan, einer Provinz im Nordosten des Landes, den Schutz der dort stationierten deutschen Isaf-Soldaten gewährleisten, die in der Provinzhauptstadt Faizabad ein Wiederaufbauteam betreiben. Isaf steht für "International Security Assistance Force" - eine Truppe mit einem Mandat der Uno.

Schwerpunkt des neuen KSK-Einsatzes aber ist der Kampf im südöstlichen Teil des Landes, im Grenzgebiet zu Pakistan, wo Taliban und al-Qaida seit einigen Wochen eine Frühjahrsoffensive gegen die Amerikaner gestartet haben. Die Deutschen sollen sich diesmal von Anfang an um einen eigenen Sektor kümmern, in dem sie auch die sogenannte Coordinating Authority haben, womit sie ihre Ziele weitgehend selbst bestimmen. Gefangene sollen möglichst an afghanische Sicherheitskräfte übergeben werden. Beim letzten Einsatz, der vor eineinhalb Jahren endete, hatte es eine interne Weisung gegeben, mutmaßliche Terroristen nicht zu verhaften, um sie nicht an die Amerikaner ausliefern zu müssen, die wegen ihres Umgangs mit Kriegsgefangenen international scharf kritisiert werden. Der Einsatz im Rahmen des Kriegs gegen den Terrorismus (Operation Enduring Freedom) soll bis zur Parlamentswahl in Afghanistan im September, maximal aber sechs Monate dauern. (...)

Auszug aus: Der Spiegel, 23. Mai 2005


KSK zurück an die Hindukusch-Front

Im Zuge der Ausweitung des deutschen "Kolonialreiches" in Afghanistan ist ein KSK-Kommando abermals dem Rest der Truppe einen Schritt voraus. es ist bereits vor Ort:

Ein Teil der Spezialkräfte soll in Badakhshan, einer Provinz im Nordosten des Landes, den Schutz der dort stationierten deutschen Isaf-Soldaten gewährleisten, die in der Provinzhauptstadt Faizabad ein Wiederaufbauteam betreiben. Isaf steht für "International Security Assistance Force" - eine Truppe mit einem Mandat der Uno.

Der Rest der KSKler ist aber im Südosten:

Schwerpunkt des neuen KSK-Einsatzes aber ist der Kampf im südöstlichen Teil des Landes, im Grenzgebiet zu Pakistan, wo Taliban und al-Qaida seit einigen Wochen eine Frühjahrsoffensive gegen die Amerikaner gestartet haben. Die Deutschen sollen sich diesmal von Anfang an um einen eigenen Sektor kümmern, in dem sie auch die sogenannte Coordinating Authority haben, womit sie ihre Ziele weitgehend selbst bestimmen. Gefangene sollen möglichst an afghanische Sicherheitskräfte übergeben werden.

Und "so nebenbei" erfährt man etwas über die Rolle der KSK bei ihrem ersten Kriegseinsatz in Afghanistan an der Seite der amerikanischen Waffenbrüder

Beim letzten Einsatz, der vor eineinhalb Jahren endete, hatte es eine interne Weisung gegeben, mutmaßliche Terroristen nicht zu verhaften, um sie nicht an die Amerikaner ausliefern zu müssen, die wegen ihres Umgangs mit Kriegsgefangenen international scharf kritisiert werden.

Das ist ja sehr interessant. Doch wenn es solch eine Anweisung wirklich gab, warum hat die Bundesregierung - sonst doch stets um Menschenrechte bis zum Kriegführen besorgt - dieses sie entlastende Moment nicht öffentlich gemacht, als der Einsatz Seit' an Seit' noch in vielen Medien kritisch hinterfragt wurde?

Und was haben die KSKler mit "mutmaßlichen Terroristen" dann gemacht: freigelassen? Und wie erfuhr man, daß es "Mutmaßliche" waren? Wer soll all dieses glauben?

Der Einsatz im Rahmen des Kriegs gegen den Terrorismus (Operation Enduring Freedom) soll bis zur Parlamentswahl in Afghanistan im September, maximal aber sechs Monate dauern.

Wir werden sehen, es wird länger dauern. Oder sollte die Wahl Wunder wirken?

Alle eventuell noch in Afghanistan tätigen wirklich zivilen Hilfsorganisationen müssen sich vor dem Bundeswehreinsatz fürchten:

In Berlin gilt der neue Auftrag des KSK als geheime Kommandosache, auch weil damit die Friedens- mit der Kriegsmission enger verbunden wird. Selbst die Obleute der Fraktionen, Anfang des Jahres grob informiert, "kennen den genauen Auftrag und den militärischen Befehl nicht", so einer der Vertrauensleute.

Sie werden durch diese militärische Durchdringung ziviler Aufgaben unweigerlich für den afghanischen Widerstand noch ein Stück ununterscheidbarer von den militärischen Besatzungskräften und zu Zielen avancieren. Das kann tödliche Folgen haben.
Soviel auch vom Vertrauen des kriegführenden militärisch-industriellen Komplexes in der BRD zum Parlament. Man fragt sich, wer hier wen kontrolliert.

Wolfgang Kuhlmann in seinem Newsletter der "FriedensTreiberAgentur": http://friedenstreiberagentur.de/


Krieg im deutschen Sektor

Von Frank Brendle

Die Phase des Reue-Zeigens ist vorbei: Zwei Wochen nach dem 8. Mai dreht die deutsche Militärmaschinerie wieder richtig auf. Das »Kommando Spezialkräfte« (KSK) steht nach Berichten von Spiegel online kurz vor seinem »bisher umfangreichsten Einsatz«. Ein Voraustrupp des Elitekommandos sei bereits am Pfingstwochenende nach Afghanistan geflogen.

Die Ausweitung der deutschen Besatzungstätigkeit deutete Kriegsminister Peter Struck schon vor Wochen an. Noch in diesem Jahr solle die Bundeswehr mit der Ausbildung afghanischer Antidrogeneinheiten beginnen. Drogenbarone könnten das als Herausforderung betrachten, so der SPD-Politiker, so daß mit einer zunehmenden Gefährdung der deutschen Truppen zu rechnen sei. »Wir sind vorbereitet«, verkündete Struck in der Berliner Zeitung, ohne sich genauer auszulassen.

Im Hintergrund steht offenbar die wachsende Unzufriedenheit der amerikanischen »Führungsmacht« mit der afghanischen Regierung. Erst an diesem Wochenende berichtete die New York Times, die US-Regierung werfe der Regierung in Kabul vor, bei der Drogenbekämpfung mangelnde Bereitschaft und »keine starke Führung« zu zeigen. Auch deutsche Militärs in den von der Bundeswehr besetzten Stützpunkten im Norden des Landes forderten in der Vergangenheit ein entschiedeneres Vorgehen gegen den Drogenanbau. Eine Drogenbekämpfung nach US-Muster ist allerdings, wie das Beispiel Kolumbien zeigt, vorrangig eine militärische Auseinandersetzung, bei der die Zivilbevölkerung die Hauptopfer bringen muß, sich aber auch zur Wehr setzen könnte. Der Schwerpunkt des anstehenden Kampfauftrages soll nach Informationen von Spiegel online allerdings im Südosten Afghanistans liegen. Dort waren die deutschen Kämpfer bis zu ihrem vorübergehenden Abzug vor eineinhalb Jahren schon einmal, um sich an der Jagd auf Osama bin Laden zu beteiligen. Taliban-Kämpfer sind in dem Gebiet heute noch stark präsent, seit Wochen befinden sich die US-Besatzer dort unter verstärktem Beschuß und haben offensichtlich Verstärkung angefordert.

Auf eine offizielle Erläuterung des Einsatzes braucht man indes nicht zu warten. Das Kommando Spezialkräfte ist eine Elitetruppe, deren Einsätze als geheime Kommandosache behandelt werden – selbst gegenüber dem Bundestagsverteidigungsausschuß. Laut Spiegel sind die Obleute der Bundestagsfraktionen nur sehr grob über den Einsatz unterrichtet, ohne den genauen Auftrag und den militärischen Befehl zu kennen.

Daß es sich aber um nichts anderes als um einen »robusten« Kampfbefehl handeln kann, steht nicht zu bezweifeln: »Für etwas anderes ist diese Einheit gar nicht ausgebildet«, so der Europaabgeordnete Tobias Pflüger gegenüber junge Welt. Geheimgehalten wird auch die Stärke der entsendeten Kampftruppe. Falls sich Struck an den Bundestagsbeschluß zur Mission »Enduring Freedom« hält, kann er 100 Mann seiner »Spezialkräfte« nach Afghanistan schicken. Zu kontrollieren ist das nicht, wie auch die Zahl der Opfer, Erschossenen und Gefangenen Verschlußsache ist.

Die Rückkehr der deutschen Spezialkräfte auf den Kriegsschauplatz ist mit einer Kompetenzerweiterung verbunden: Fiel ihnen bei ihrem ersten Einsatz überwiegend die Rolle von Hilfstruppen der USA zu, so sollen sie nun nach Spiegel-Informationen einen eigenen Sektor erhalten, in dem sie selbst Feldherrenvollmachten ausüben können. Diese Anerkennung der militärischen »Qualifikation« durch die USA deutet darauf hin, daß die Bundeswehr auf ihrem Weg zur weltweit anerkannten Militärmacht wieder einen Schritt weiter gekommen ist.

Aus: junge Welt, 23. Mai 2005


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