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Chronik des Krieges gegen Afghanistan

August 2003

August 2003
  • Die Prüfung der Bundesregierung, ob das militärische Engagement in Afghanistan erweitert werden solle, wird länger dauern als ursprünglich geplant. Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg sagte am 4. August, es handle sich um "eine E ntscheidung von weitreichender Bedeutung". Die Sicherheit der Soldaten haben oberste Priorität. "Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit". Im Juni war ein Erkundungsteam in Afghanistan. Am 11. Juli hatte Bundeskanzler Schröder erklärt, die Auswertung der Ergebnisse werde etwa einen Monat dauern. Nach derzeitigem Satnd wird die Regierung wohl erst im September entscheiden, "was wir verantwortlich leisten können", wie Steg sagte.
  • Der SPD-Außenpolitiker Gernot Erler sprach sich gegenüber der Berliner Zeitung vom 5. August für eine Ausweitung des Bundeswehr-Einsatzes über die afghanische Hauptstadt Kabul hinaus aus. Wenn die Bundesrepublik Mitte dieses Monats die Führung der internationalen Schutztruppe für Afghanistan (Isaf) abgebe, "können wir theoretisch bis zu 700 Mann dafür einsetzen", wurde der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion von der Berliner Zeitung zitiert. Nach Ansicht des verteidigungspolitischen Sprechers der Unions-Fraktion im Bundestag, Christian Schmidt (CSU), würde die Opposition eine solche Größenordnung aber nicht mittragen. "Ich habe nicht den Eindruck, dass wir wissen, welchen Befriedungseffekt diese Teams erzielen sollen", heißt es in der Berliner Zeitung. Beide, Erler und Schmidt forderten eine intensive politische Diskussion um die Ziele eines erweiterten Einsatzes, bevor der Bundestag darüber beschließen soll.
  • Nach einem Bericht in der Frankfurter Rundschau vom 6. August erwägt das Verteidigungsministerium einen Einsatz der Bundeswehr in Charikar, einem sicheren Ort in der Provinz Parwan. Hier würden Hilfsorganisationen ungestört arbeiten. Auch die örtlichen Behörden sind ausschließlich an Wiederaufbauarbeit und weniger an Militär interessiert. "Für die Sicherheit können wir selbst sorgen", wird der Vizegouverneur Khawja Atta Mohammad zitiert. Eine Entwicklungshelferin von der französischen Organisation Acted, Rebecca Heuberger, sagte: "Wir brauchen hier keine deutschen Soldaten", dies sei die "falsche Botschaft".
  • Am Rande eines Truppenbesuchs im bayerischen Volkach am 6. August sagte Verteidigungsminister Peter Struck, er werde vorschlagen, dass sich die Bundeswehr künftig über Kabul hinaus engagieren solle. Über Einsatzort und Truppenstärke sei aber noch nichts entschieden. - Am selben Tag bekräftigte die Regierung in Kabul ihren Wunsch, dass sich Deutschlands Truppe außerhalb der afghanischen Hauptstadt engagieren solle.
    Am 6. August landete ein Airbus aus Düsseldorf in Kabul. Es war der erste zivile Linienflug zwischen der Bundesrepublik und Afghanistan seit 1979. Künftig will LTU wöchentlich fliegen.
  • Ein Sprecher des afghanischen Außenministeriums sagte am 7. August, afghanische Regierungsstellen würden künftig rund 200 US-Berater zur Seite gestellt bekommen. Dies sei Teil eines von den USA vor kurzem zugesagten Hilfspakets von einer Mrd. US-Dollar. Die Stellen sollten bevorzugt mit Exil-Afghanen, aber auch mit ausländischen Experten besetzt werden. Geklärt werden müsse noch, ob die Berater offiziell Kabul oder Washington unterstehen. Ein afghanischer Regierungsbeamter übte anonym Kritik daran. Er warnte vor einer "Bush-Regierung i n Kabul".
    Bei einem Anschlag auf die Bezirksverwaltung von Deschu wurden am 7. August sieben Afghanen erschossen. Die Opfer, sechs Soldaten und der Fahrer einer US-Hilfsorganisation, seien von etwa 40 Bewaffneten morgens im Schlaf überrascht worden. Hinter dem Angriff werden Taliban vermutet.
    Bei seiner nächsten Station seiner Sommerreise durch rund 20 Bundeswehrstandorte erneuerte Peter Struck am 7. August in Augsburg seine Ansicht, dass Deutschland sein militärisches Engagement in Afghanistan ausweiten müsse. Dazu sei allerdings eine neue UN-Resolution und die Neudefinition der Isaf-Aufgaben notwendig. In der kommenden Woche wolle Struck darüber mit dem afghanischen Präsidenten Karsai in Kabul sprechen.
    Wie die Organisation "Reporter ohne Grenzen" (RSF) am 7. August in Berlin mitteilte, sind in Afghanistan zwei Journalisten wegen Gotteslästerung in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden. Die Journalisten Sayeed Mahdawi und Ali Reza Payamsie hatten in der Wochenzeitschrift "Aftab" die reaktionäre Ausrichtung und Funktionalisierung des Islam durch konservative Führer kritisiert. Die Zeitschrift war daraufhin geschlossen worden, die Journalisten sind untergetaucht. Die Todesstrafe sei von einem islamischen Gelehrten-Rat gefällt und vom Obersten Gericht des Landes bestätigt worden.
  • Präsident Bush fand außergewöhnlich lobende Worte für das deutsche Engagement in Afghanistan. Auf seiner Farm in Texas sagte er am 8. August, die Hilfe Deutschlands sei weit umfangreicher als noch vor sechs Monaten erwartet. Deshalb wolle er Bundeskanzler Schröder danken. Bush sprach auch von einem Beispiel, wie sich Dinge verändern.
  • Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung haben sich Kanzleramt und Verteidigungsministerium darauf geeinigt, etwa 1.000 Bundeswehrsoldaten im rund 200 km nördlich von Kabul gelegenen Kundus stationieren zu wollen. Dort würde dann ein regionales Wiederaufbautgeam der USA abgelöst werden. Die endgültige Entscheidung werde möglicherweise nach dem Besuch Strucks in Kabul am 11. August fallen. Kundus gilt als relativ sicher. Die Region steht unter dem Einfluss des amtierenden afghanischen Verteidigungsministers Fahim. Dennoch: Als paschtunische Enklave ist Jundus umgeben von tadschikischen und usbekischen Milizen. Dort wurde eine der letzten großen Schlachten des Afghanistan-Krieges 2001 geschlagen. Kundus war auch Schauplatz eines Massakers an gefangenen Taliban-Kämpfern. Quelle: SZ, 09.08.2003)
  • Am Wochenende 9. und 10. August wurden neue Gewaltauseinandersetzungen in Afghanistan gemeldet. Rund 40 mutmaßliche Taliban-Kämpfer hätten in der südlichen Provinz Helmand sechs afghanische Soldaten und einen einheimischen Mitarbeiter einer US-Hilfsorganisation getötet, sagte ein Sprecher der UN am 10. August in Kabul. Bei weiteren Angriffen wurden Menschen verletzt. Im Norden Afghanistans verstärkten Kämpfer der gestürzten Taliban-Regierung ihre Angriffe auf US-geführte Truppen und deren afghanische Verbündete, berichtete Reuters.
  • Am 11. August übergaben Deutschland und die Niederlande das Kommando der Internationalen Sicherheitstruppe ISAF in Afghanistan an die NATO. Es ist für die NATO der erste Einsatz außerhalb Europas in ihrer Geschichte. Bei der Übergabe des Kommandos hat die afghanische Regierung in Person des afghanischen Außenministers Abdullah Abdullah erneut darauf gedrungen, die Präsenz der Truppe auf das ganze Land auszuweiten.
    Soldaten der US-geführten Koalitionstruppen in Afghanistan (nicht zu verwechseln mit ISAF) haben bei einem Gefecht in der Südprovinz Paktia einen mutmaßlichen Taliban-Kämpfer ersc hossen und drei andere gefangen genommen, teilte ein US-Sprecher am 11. August mit.
  • Der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen, Winfried Nachtwei, plädierte der Süddeutschen Zeitung gegenüber am 12. August für eine zügige Ausweitung des Afghanistan-Einsatzes. Nachtwei war erst am 10. August von einer viertägigen Reise aus Afghanistan zurückgekehrt.
  • Am 13. August schaltete sich Bundeskanzler Schröder in die Diskussion um ein stärkeres Engagement in Afghanistan und in Irak ein. Er ließ durchblicken, dass er für die Ausweitung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan über Kabul hinaus ist ("politisch richtig"), während nicht gleichzeitig Bundeswehr im Irak stationiert werden könne. Die Stationierung von NATO-Truppen im Irak sei heute eine "spekulative" Frage.
    In der Provinz Helmand im Süden Afghanistans sind bei einem Bombenanschlag auf einen Bus am 13. August mindestens 15 afghanische Zivilisten getötet worden. Die Behörden gehen davon aus, dass die Bombe eigentlich für einen anderen Anschlag vorgesehen war und aus Versehen schon im Bus detonierte.
    Bei einem Überfall mutmaßlicher Taliban-Kämpfer im Südosten des Landes (Provinz Khost) töteten afghanische Grenztruppen am 13. August nach eigenen Angaben 16 Taliban. Auch seien fün Grenzsoldaten ums Leben gekommen. Es sei der größte Angriff in der Region seit dem Sturz des Taliban-Regimes im Dezember 2001 gewesen. Die Kämpfe hätten am 12. August begonnen und bis in die Nacht zum 13. August angehalten.
    Bei Kämpfen rivalisierender Gruppen in der zentralafghanischen Provinz Urusgan kamen nach Angaben aus Kabuler Regierungskreisen vom 13. August 25 Menschen ums Leben.
  • In der Nacht zum 17. August sind der Flughafen der ostafghanischen Provinzhauptstadt Khost und die dort stationierten US-geführten Koalitionstruppen unter schweren Raketenbeschuss geraten. Über Opfer wurde zunächst nichts bekannt.
    In der Nacht zum 17. August haben rund 400 Rebellen in Barmal in der Provinz Paktika stundenlang ein Polizeirevier besetzt gehalten. Bei einem anschließenden Feuergefecht wurden nach Behördenangaben mindestens 22 Personen getötet (15 bis 20 Rebellen, 7 Polizisten).
    In der Provinz Kandahar trat am Wochenende ein neuer Gouverneur, Jusuf Paschtun, sein Amt an. Karsais Sprecher in Kabul wertete die reibungslose Amtsübergabe als ein Zeichen für die wachsende Legitimität der afghanischen Regierung.
    Mehrere Abgeordnete von SPD und den Grünen sprachen sich am Wochenende (16./17. August) gegen die Ausweitung des Afghanistan-Einsatzes aus. Vorbehalte äußerte auch die FDP. Dagegen verlautete aus der bayerischen Statskanzlei, dass Edmund Stoiber sogar für einen Bundeswehreinsatz im Irak sei, falls es ein NATO- oder UN-Mandat geben sollte.
  • In der Nacht zum 18. August sind drei afghanische Soldaten bei einem Angriff mutmaßlicher Taliban in der südafghanischen Stadt Turwa getötet worden. Die Taliban hätten ein Regierungsgebäude in Brand gesetzt. Über Opfer auf der Taliban-Siete wurde nichts gesagt.
    Bei einem Angriff auf einen alliierten Stützpunkt in Sormat, 120 km südlich von Kabul, am 18. August ist niemand verletzt worden.
  • Islamische Extremisten haben eine Mädchenschule südlich von Kabul niedergebrannt, wie die afghanischen Behörden am 22. August berichteten. Die Abu-Sofian-Zeltschule sei bereits die zweite in Brand gesteckte Mädchenschule in der Region innerhalb von zwei Wochen gewesen. Unter der Taliban-Herrschaft war der Schulbesuch für Mädchen verboten. Auch nach dem Sturz des Regimes gibt es in Teilen der afghanischen Gesellschaft weiter Widerstand gegen Schulbildung für Mädchen.
    In Koalitionskreisen haben sich am 22. August Stimmen zu Wort gemeldet, die einer Ausdehnung des Bundeswehreinsatzes auf Kundus nur dann zustimmen wollen, wenn der Einsatz im Rahmen von Isaf geschehe. Dies berichtete die Frankfurter Rundschau am 23. August. Genannt wurden Christian Ströbele (Grüne), Gert Weiskirchen (SPD) und Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul.
  • In der afghanischen Hauptstadt Kabul wurden zwei Kinder durch die Explosion einer Tretmine getötet. Wie die Polizei am 23. August mitteilte, hatten die neun und zehn Jahre alten Kinder in der zerstörten Altstadt von Kabul, die ein Frontgebiet war, Schrott gesammelt und waren dabei am Freitag auf die Mine getreten.
  • Zwei Agenturmeldungen von ein und demselben Ereignis?
    Version A (AP): Bei neuen Gefechten im Süden Afghanistans sind bis zu 16 Regierungssoldaten und sieben mutmassliche Taliban-Kämpfer getötet worden. In der Provinz Sabul griffen Kämpfer am 23. August einen Militärlastwagen an und töteten fünf Soldaten, wie Gouverneur Hafisullah Chan einen Tag später bestätigte. Ein Taliban-Vertreter sprach von zwölf toten Regierungssoldaten. Bereits zuvor waren in der Provinz Urusgan je vier Soldaten und vier Taliban-Kämpfer getötet worden. Bei dem Gefecht im Bezirk Dai Tschupan in Sabul wurden laut Chan auch drei Taliban-Anhänger getötet. Taliban-Sprecher Mohammed Hanif erklärte hingegen, auf Seiten der Miliz habe es keine Opfer gegeben. Die Kämpfer hätten 17 Maschinengewehre aus dem Lastwagen entwendet und die Leichen der Soldaten zurückgelassen. Geleitet habe den Angriff ein ehemaliger Taliban-Befehlshaber in der Grenzregion Spinboldak, Abdul Rahim. Rahim wird von der afghanischen Regierung gesucht. Hanif ist der Sprecher des ebenfalls gesuchten Taliban-Kommandeurs Mullah Dadullah, der vermutlich mit Rahim zusammenarbeitet.
    Version B (AFP): Bei Gefechten im Südosten Afghanistans sind mindestens drei mutmaßliche Taliban-Kämpfer und fünf Regierungssoldaten getötet worden. Die Soldaten seien am Samstag (23. August) im Bezirk Schah Dschoj in der Provinz Sabul in einen Hinterhalt geraten, gab Gouverneur Hafisullah Haschim am Sonntag bekannt. Die Einheit sollte eine rund tausend Mann starke Truppe verstärken, die in dem Bezirk gegen mutmaßliche Taliban eingesetzt wurde. Zuvor hatte es laut Haschim Berichte gegeben, dass sich Taliban-Kämpfer in der Region neu formierten. Die Provinzen Sabul und Kandahar hätten daraufhin Soldaten entsandt. Auch US-Truppen seien an dem Einsatz beteiligt gewesen.
  • Trotz prekärer Sicherheitslage und Terrorwarnungen plant die Bundesregierung eine Ausweitung und Verlängerung des Bundeswehr-Einsatzes in Afghanistan. Verteidigungsminister Peter Struck sagte in der "Welt am Sonntag" vom 24. August, die Regierung werde den Bundestag um ein Mandat bis Dezember 2004 bitten und erwarte auch die Zustimmung zur Ausweitung des Einsatzes auf die Region Kundus. Dagegen lehnte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok, die Entsendung deutscher Soldaten nach Kundus ab.
  • Afghanistan will nach den Worten von Justizminister Abdul Rahim Karimi kommunistische Parteien verbieten. Die Aktivitäten politischer Parteien sollen bis zur Annahme eines Parteiengesetzes eingeschränkt werden, sagte Karimi am 24. August in Kabul. Kommunistische Parteien würden verboten. Nach dem neuen Parteiengesetz dürfen politische Parteien die Souveränität des Landes nicht gefährden. 23 Jahre Krieg in Afghanistan gingen auf das damalige kommunistische Regime zurück, sagte der Minister.
    In der Provinz Sabul wurden nach Angaben des örtlichen Geheimdienstchefs am 24. August zwei mutmaßliche Taliban festgenommen. Etwa 100 Soldaten und Polizisten waren in Patrouillen im Bezirk Dai Chupan im Einsatz, wo am Wochenende mindestens fünf Regierungssoldaten getötet wurden.
    Das Erkundungsteam zur Prüfung eines erweiterten Engagements der Bundeswehr in Afghanistan ist am 24. August aus Kundus zurückgekehrt. Das Team, das unter anderem aus Mitarbeitern des Verteidigungs- und des Entwicklungsministeriums sowie des Auswärtigen Amtes bestand, traf am Abend in Berlin ein, teilte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos mit. Die Mitarbeiter sollen nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums einen gemeinsamen Bericht verfassen, der anschließend dem Kabinett vorgelegt wird.
  • Mehrere hundert Soldaten haben im Südosten Afghanistans auf der Suche nach Guerillakämpfern und Waffenlagern mehr als 80 Personen festgenommen, wie Behörden am 25. August mitteilten. Die in den vergangenen vier Tagen in der Provinz Paktika durchgeführten Razzien seien eine Reaktion auf die Angriffe mutmaßlicher Taliban-Kämpfer, die vergangene Woche zwei Polizeistationen überrannten und zahlreiche Polizisten töteten, erklärte ein Polizeisprecher.
  • Die Bundesregierung will den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr auf Kundus ausweiten und dazu die Truppe um 250 Mann aufstocken. Dies teilte Bundeskanzler Gerhard Schröder am 27. August nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts mit. Wünschenswert für die Ausweitung ist laut Schröder ein erweitertes UN-Mandat für die multinationale Afghanistan-Schutztruppe ISAF. Das Kabinett will in der nächsten Woche entscheiden. Die Friedensbewegung äußerte sich ablehnend zu dem Beschluss. (Vgl. die Dokumentation auf unserer Seite "Sicherheitskabinett der Bundesregierung für Ausweitung des Afghanistan-Einsatzes".)
    Afghanische und US-Truppen töteten bei Kämpfen um einen Bergpass im Südosten Afghanistans rund ein Dutzend mutmaßliche Taliban, teilte am 27. August der Geheimdienstchef der Provinz Sabil, Chalikk Hotak, mit.
  • Der geplanten Erweiterung des Bundeswehreinsatzes auf den Norden Afghanistans stehen zahlreiche Hilfsorganisationen kritisch gegenüber, wobei die Argumentationen sehr unterschiedlich sind. Problematisch ist ihrer Ansicht nach vor allem eine mögliche Vermischung zwischen humanitärer Hilfe und militärischer Zielsetzung. Das ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa)(im Internet am 28.08.03). Es bestehe die Gefahr, dass die humanitäre Hilfe durch die Militärpräsenz gefährdet werde, sagte z.B. der Sprecher von Caritas International, Matthias Schüth, in Freiburg. Die Leiterin der Diakonie-Katastrophenhilfe in Stuttgart, Hannelore Hensler, bezeichnete die Ausweitung des Militäreinsatzes auf die Region Kundus als "kein geeignetes Mittel, Frieden und Stabilität in dieses Land zu bringen". Folge des Bundeswehreinsatzes könne ein erhöhtes Sicherheitsrisiko für die zivilen Helfer sein. Künftig kämen auch sie als Anschlagsopfer in Betracht. Die Deutsche Welthungerhilfe äußerte sich kritisch zum geplanten Einsatzort Kundus. Mit der Hauptstadt Kabul zähle Kundus zu den sichersten Gebieten, sagte der Sprecher der Organisation, Uli Post, in Bonn. Hilfe sei gerade in gefährdeten Regionen dringend benötigt. Nach Ansicht von Stefan Recker, der in Kundus für die Welthungerhilfe den Bau von Brunnen und Bewässerungsanlagen leitet, sollte sich die Bundeswehr auf Gebiete konzentrieren, die Hilfsorganisationen nur schwer oder gar nicht erreichen könnten. Nach Einschätzung des Vorsitzenden von Shelter Germany, Udo Stolten, ist die Gegend um Kundus zwar relativ sicher. "Allerdings kann es schnell zu Konflikten kommen, wenn sich die Leute nicht in kulturellen Begebenheiten auskennen", sagte Stolten in Braunschweig. Die Internationale Dachorganisation Shelter Now ist seit 1988 in Afghanistan engagiert und betreibt derzeit fast 20 Hilfsprojekte rund um Kabul. Die internationale Schutztruppe ISAF sei notwendig, sagte der Leiter des Friedensdorfs International, Ronald Gegenfurtner, in Dinslaken. Die Frage sei aber, warum ein Einsatz überhaupt erforderlich wurde. "Wenn all die Gelder, die in den vergangenen 20 Jahren für Militärmittel ausgegeben wurden, in die humanitäre Hilfe beziehungsweise Gemeinschaftsarbeit geflossen wären, ohne die Menschen zu bevormunden, müsste man sich heute keine Gedanken machen", sagte Gegenfurtner.
    Der Koordinator der Bundesregierung für die deutsch- amerikanischen Beziehungen, Karsten Voigt, erhofft sich von der geplanten Ausweitung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan eine positive Auswirkung auf die Beziehungen zu den USA. "Es ist das deutliche Signal an die Amerikaner, dass die Deutschen ihre nach dem 11. September 2001 gegebenen Versprechen halten, sich im Kampf gegen den internationalen Terrorismus stark zu engagieren", sagte Voigt dem "Handelsblatt" (Ausgabe vom 28. August 2003). Zugleich werde in Washington mit dieser Entscheidung das Verständnis dafür wachsen, dass sich Deutschland in Irak nicht beteilige.
    Mit Verspätung ist Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul am 28. August zu einem eintägigen Besuch in der afghanischen Hauptstadt Kabul eingetroffen. Auf dem Flug von Termes in Usbekistan nach Kabul war in ihrer Transall-Maschine ein Radarwarn-Empfänger ausgefallen, der vor feindlichen Angriffen warnen kann. Die Maschine kehrte nach Termes zurück. In Kabul waren Gespräche mit dem afghanischen Übergangspräsidenten Hamid Karsai und Mitgliedern seiner Regierung geplant. Außerdem wollte sich die SPD- Politikerin über Fortschritte beim Wiederaufbau, bei der Förderung von Frauen, der Unterstützung von kleinen und mittelständischen Unternehmen und der Berufsausbildung informieren. Die Entwicklungsministerin wollte darüber hinaus erkunden, in welcher Form sich Deutschland beim Wiederaufbau Afghanistans außerhalb der Hauptstadt beteiligen kann. Jetzt schon gibt es Entwicklungszusammenarbeit mit Deutschland in zehn Provinzen außerhalb Kabuls.
  • Bei den heftigsten Gefechten seit Monaten sind im Süden Afghanistans zahlreiche Taliban-Kämpfer getötet worden. US-Bomber griffen in der Nacht zum 29. August zwei vermutete Stellungen der Taliban in den Bergen der Provinz Sabul an, wie ein afghanischer Geheimdienstoffizier der Nachrichtenagentur AP sagte. Ein US-Soldat kam nach Militärangaben bei dem nächtlichen Angriff ums Leben. Die US-Angriffe begannen bereits am Abend des 28. August und hätten bis gegen 04.00 Uhr morgens gedauert, sagte Chalil Hotak, der Geheimdienstchef der Provinz. Mindestens zwei amerikanische Kampfflugzeuge und zwei Hubschrauber seien daran beteiligt gewesen, hieß es. Anschließend hätten rund 500 Regierungssoldaten die Stellungen der Taliban angegriffen, die sich in den Bergen verschanzt hätten. Hotak gab die Zahl der getöteten Taliban-Kämpfer mit 35 an, was zunächst aber nicht bestätigt wurde. Die Kämpfe dauerten auch am 29. August noch an.
    Der geplante deutsche Einsatz in Kundus wird sich nach Angaben von Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) von den Wiederaufbauteams der USA in Afghanistan unterscheiden. Geplant sei ein Nebeneinander von Bundeswehr und zivilen Wiederaufbauhelfern, sagte sie am 29. August im Deutschlandfunk. Das sei anders als das US-Konzept, bei dem Militärs die Vorherrschaft hätten.
  • Afghanische und US-amerikanische Truppen sind im Süden Afghanistans weiter auf heftigen Widerstand einer größeren Gruppe von Taliban-Kämpfern gestoßen. Der afghanische Geheimdienstchef der Südprovinz Sabul, Chalil Hotak, sagte am 31. August Reuters, die US-Streitkräfte würden Kampfhubschrauber, Kampfflugzeuge sowie Artillerie einsetzen, um die Stellungen der Tabilan-Kämpfer zu zerstören. Allein am Tag davor seien 14 Anhänger des gestürzten Regimes der radikal-islamischen Taliban getötet worden. Seit Montag belaufe sich die Zahl der getöteten Taliban-Kämpfer auf über 90. Hotak sagte weiter: "Die Kämpfe eskalieren heute." Die Taliban leisteten trotz heftigen Bombardements hartnäckig Widerstand. Der von den Taliban für die Provinz Sabul ernannte Mullah Abdul Dschabar sagte am Morgen des 31. August Reuters per Satelliten-Telefon, man habe dem Gegner schwere Verluste beigebracht. Die Taliban könnte ihre Stellungen leicht behaupten. Ein US-Hubschrauber sei am Donnerstag abgeschossen worden. Die Kämpfe wurden als die schwersten seit dem Sturz der Taliban-Regierung Ende 2001 bezeichnet. Etwa 1.000 Taliban-Kämpfer sollen sich in der Provinz Sabul aufhalten.
    Nach Kämpfen mit Taliban-Rebellen in der afghanischen Provinz Paktika sind nach Militärangaben am 31. August zwei US-Soldaten gestorben. Bei einem Feuergefecht in der an Pakistan angrenzenden Provinz waren zunächst drei US-Soldaten verletzt worden, wie das US-Zentralkommando in Doha mitteilte. Zwei von ihnen erlagen später in einem Militärkrankenhaus ihren Verletzungen.
    Geldmangel könnte die Vorbereitung der Parlamentswahl in Afghanistan verzögern. Der für Oktober geplante Start der Registrierung von Wählern müsse möglicherweise hinausgeschoben werden, wenn die Geberländer nicht rechtzeitig die dafür benötigten Finanzmittel zur Verfügung stellten, erklärte UN-Sprecher Manoel de Almeida e Silva am 31. August in Kabul. Die Registrierung der etwa zehn Millionen Wähler kostet nach Schätzungen der Vereinten Nationen rund 80 Millionen Dollar (73 Millionen Euro). Der Registrierungsprozess soll im Oktober beginnen und mindestens bis März dauern. Die Wahl ist für Juni angesetzt.


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