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Chronik Afghanistan

März 2010


Montag, 1. März, bis Sonntag, 7. März
  • Mutmaßliche Islamisten haben in Pakistan einen Nachschub-Konvoi für die NATO-Truppen im benachbarten Afghanistan angegriffen. Dabei sei ein Tankwagen mit Benzin explodiert, teilte ein Polizeisprecher am 1. März in Peshawar im Nordwesten des Landes mit. Die Angreifer hätten den Konvoi in der Nähe der Stadt mit Raketen und Gewehren angegriffen. "Durch den Angriff gab es ein großes Feuer und einer der Tanklaster explodierte." Der Fahrer habe sich retten können, der Beifahrer sei aber verletzt worden, sagte der Polizeisprecher.
  • Ein Selbstmordattentäter hat in Südafghanistan fünf Menschen mit in den Tod gerissen. Bei dem Anschlag nahe dem Flughafen der Stadt Kandahar kamen am 1. März ein Soldat der NATO-Schutztruppe ISAF und vier afghanische Zivilisten ums Leben, wie ein Militärsprecher erklärte. Der Selbstmordattentäter habe in einem Taxi nahe einer Brücke zwischen dem Flughafen und der Stadt gewartet, die von ISAF-Soldaten regelmäßig auf Sprengsätze kontrolliert werde. Als ein Militärkonvoi vorbeifuhr, habe der Attentäter seine Bombe gezündet. Ein Fahrzeug aus der Kolonne wurde durch die Wucht der Detonation von der Brücke herabgeschleudert. Die Nationalität des getöteten Soldaten wurde nicht bekanntgegeben, in Kandahar sind vor allem Kanadier stationiert.
  • Bei Kämpfen sind in Afghanistan am 1. März drei weitere NATO-Soldaten getötet worden. Zwei von ihnen kamen durch Granatenbeschuss im Westen ums Leben, wie die Internationale Afghanistantruppe (ISAF) mitteilte. Im Süden des Landes sei ein Soldat im Kampf erschossen worden, hieß es in der Erklärung.
    In einem weiteren Agenturbericht heißt es später am Abend: Ein britischer Soldat ist am 1. März im Süden Afghanistans bei einem Angriff von Aufständischen getötet worden. Das teilte das Verteidigungsministerium in London mit. Der Soldat sei im Bezirk Sangin in der Provinz Helmand zu Fuß auf Patrouille gewesen, hieß es weiter. Seit Beginn des Afghanistan-Einsatzes im Oktober 2001 kamen damit 267 britische Militärangehörige am Hindukusch ums Leben.
  • Das Auswärtige Amt zieht gegenüber dem Diesen Artikel weiter lesen ARD-Politikmagazin "Report Mainz" erstmals öffentlich eine Bilanz zur Justizreform in Afghanistan: Der Zustand der Gerichte "bleibt bisher in Teilen ungenügend", so das Außenministerium in einer Stellungnahme "Report Mainz" (1. März) gegenüber. Der Stand der Justizreform sei "unbefriedigend" und sie werde "noch etliche Jahre dauern". Nach Angaben des Ministeriums wurden in den vergangenen vier Jahren 446 afghanische Richteranwärter sowie junge Staatsanwälte und Anwälte mit deutschen Mitteln ausgebildet. Das entspricht knapp einem Zehntel der 4.500 afghanischen Richter und Staatsanwälte. Zudem finanzierte und organisierte Deutschland zweiwöchige Workshops "Faire Prozessführung". Daran nahmen bislang 2.038 afghanische Richter und Staatsanwälte teil. Seit 2004 hat das Auswärtige Amt insgesamt fast 11 Millionen Euro für Justizprojekte in Afghanistan bereitgestellt. Durchgeführt wird die Ausbildung vom Max-Planck-Institut, Heidelberg (MPI).
    Tilmann Röder, der MPI-Ausbildungsleiter in Afghanistan, schlägt im Interview mit "Report Mainz" Alarm: "Es fehlt eigentlich an Allem: An guter Infrastruktur und an Ausbildung." Tilmann Röder zufolge gibt es in vielen afghanischen Gerichten keine Gesetzestexte, keine Telefone und oft auch keine Heizung. Wie viele der mit deutschen Mitteln ausgebildeten Richter und Staatsanwälte noch im Dienst sind, könne nicht genau gesagt werden. Viele qualifizierte Juristen wechselten aufgrund der miserablen Bezahlung den Arbeitgeber und seien inzwischen im Dienst von Hilfsorganisationen.
  • Großbritannien hat den Diplomaten William Patey zu seinem neuen Botschafter in Afghanistan ernannt. Patey werde im Mai Mark Sedwill ablösen, der zur NATO wechsele, teilte das britische Außenministerium am 1. März in London mit. Patey ist derzeit Botschafter in Saudi-Arabien. 2005/2006 stand er an der Spitze der britischen Vertretung im Irak. In der Zeit vor dem Einmarsch der britischen und US-Truppen im Irak war Patey von 1999 bis 2002 Chef der Nahostabteilung im britischen Außenamt.
  • Die Zerstörung von Mohnfeldern gehört nicht mehr zu den Prioritäten des Anti-Drogen-Kampfs der USA in Afghanistan. Sein Land konzentriere sich mehr und mehr auf die Bekämpfung des Handels mit Drogen, sagte der Drogenbeauftragte im US-Außenministerium, David Johnson, am 1. März in Washington. Zudem gehe es verstärkt darum, den Afghanen mit dem Anbau von Lebensmitteln Alternativen zu ermöglichen.
  • Fernsehsender dürfen in Afghanistan nicht mehr live über Anschläge der radikalislamischen Taliban berichten. Mit dem Verbot solle verhindert werden, dass die Taliban die Informationen von dem Anschlagsort zu ihrem Vorteil nutzen, sagte Hakim Aschir, Leiter der Medienabteilung der afghanischen Regierung, am 2. März der Nachrichtenagentur AFP. "Wenn Journalisten sich an Anschlagsorte begeben, bringen sie sich selbst in Gefahr und helfen dem Feind mit Berichten über den Fortschritt von Polizeieinsätzen." Das Verbot geht den Angaben zufolge auf eine Direktive des afghanischen Geheimdienstes zurück, der sich dazu auf Nachfrage nicht äußern wollte.
  • Die pakistanische Armee hat nach eigenen Angaben einen Unterschlupf von Taliban-Rebellen und Kämpfern des Terrornetzwerks El Kaida ausgehoben und unter ihre Kontrolle gebracht. Die Aufständischen hatten sich demnach in mehr als 150 in den Fels geschlagenen Höhlen in der Bergregion Damadola im Stammesgebiet Bajaur an der Grenze zu Afghanistan versteckt, wie Generalmajor Tariq Khan am 2. März sagte. Die Höhlen wurden demnach im Zuge einer Offensive gegen die Rebellen in der Unruheregion entdeckt, die im Januar gestartet und nach Armeeangaben inzwischen erfolgreich beendet wurde.
  • Die USA und Kirgistan wollen einen Vertrag zur Nutzung der kirgisischen Luftwaffenbasis Manas verlängern, die für Washington eine wichtige Transitstation für den Einsatz in Afghanistan ist. Das Abkommen solle in den nächsten Wochen unterzeichnet werden, sagte der US-Sondergesandte für Afghanistan und Pakistan, Richard Holbrooke, am 2. März. Washington sei der Regierung des zentralasiatischen Landes "für ihre Unterstützung sehr dankbar", ergänzte er.
  • Fünf pakistanische Bauarbeiter sind am 4. März im Süden Afghanistans getötet worden. Wie die Polizei in Kandahar mitteilte, wurden die Männer auf ihrem morgendlichen Weg zur Arbeit von zwei Bewaffneten auf Motorrädern erschossen. Ein sechster Arbeiter überlebte verletzt. Die Pakistaner sollten im Auftrag einer japanischen Firma die Straße von Kandahar in den Bezirk Punjwai reparieren.
  • Der scheidende Leiter der UN-Mission in Afghanistan, Kai Eide, fordert zur Beilegung des bewaffneten Konflikts am Hindukusch Gespräche mit den Taliban. Es sei höchste Zeit für eine politische Lösung unter Einbeziehung der Aufständischen, sagte Eide am 4. März in Kabul in seiner letzten Pressekonferenz. Er räumte ein, dass er während seiner zweijährigen Amtszeit nicht alles erreicht habe, was er sich vorgenommen habe. Dieses Problem hätten aber auch alle anderen Parteien, die in Afghanistan arbeiteten, einschließlich der internationalen Truppen, fügte Eide hinzu. «Wir alle müssen zugeben, das wir mehr hätten erreichen können.» Angesichts der Konflikte in Afghanistan sei ein entscheidender Erfolg innerhalb von ein oder zwei Jahren nicht zu erreichen. Aber in diesem Jahr müsse es einen Fortschritt geben, um dem afghanischen Volk und der internationalen Gemeinschaft zu zeigen, dass eine Lösung des Konflikts greifbar sei.
    Eide betonte erneut, dass es sich bei seinem Ausscheiden aus dem Amt nicht um einen Rücktritt handele. Er habe ohnehin nie vorgehabt, länger als zwei Jahre Chef der UN-Mission in Afghanistan zu bleiben. Einen Zusammenhang mit der von seinem Stellvertreter Peter Galbraith ausgelösten Kontroverse um das Ergebnis der Präsidentenwahl wies Eide zurück. Der Amerikaner Galbraith hatte Eide vorgeworfen, nicht entschieden genug gegen die Betrugsfälle bei der Präsidentenwahl im August eingeschritten zu sein. Eide hat dies zurückgewissen.
  • In Pakistan ist nach Geheimdienstangaben ein weiterer ranghoher Taliban-Anführer aus Afghanistan festgenommen worden. Agha Jan Mohtasim sei in der Hafenstadt Karachi gefasst worden, hieß es am 4. März in Geheimdienstkreisen. Nähere Einzelheiten wurden zunächst nicht genannt.
    Mohtasim, der Anfang 40 sein dürfte, war unter dem Taliban-Regime, das bis 2001 in Afghanistan herrschte, Finanzminister. Er gilt als enger Vertrauter von Mullah Omar. Nach der Festnahme Baradars war spekuliert worden, dass Mohtasim sein Nachfolger werden könnte. Mohtasim wird nicht dem Flügel der Hardliner innerhalb der Taliban zugeordnet.
  • NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat Tschechien zu einem größeren Engagement in Afghanistan aufgerufen. Alle Bündnispartner sollten Experten für die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte zur Verfügung stellen, forderte Rasmussen am 5. März nach einem Gespräch mit dem tschechischen Ministerpräsidenten Jan Fischer in Prag. «Die Schulung der afghanischen Soldaten und Polizisten ist ausschlaggebend, wenn wir die Verantwortung schrittweise den Afghanen selbst übertragen wollen», sagte der NATO-Generalsekretär.
    Die tschechische Regierung hatte kürzlich angekündigt, 55 weitere Soldaten nach Afghanistan schicken zu wollen. Für die Aufstockung des Truppenkontingents ist die Zustimmung des Parlaments nötig, die Parteien des linken Lagers sind strikt dagegen. Die Entsendung von bis zu 535 tschechischen Soldaten als Teil der Internationalen Afghanistan-Schutztruppe (ISAF) ist bereits beschlossen.
  • In Norden Afghanistans sind erneut deutsche Soldaten von Aufständischen angegriffen worden: Bei dem Feuergefecht sei ein Bundeswehrsoldat verletzt worden, teilte das Einsatzführungskommando der Bundeswehr am 5. März in Potsdam mit. Der Angriff habe sich etwa fünf Kilometer südwestlich von Kundus ereignet. Die Bundeswehrsoldaten erwiderten den Angaben zufolge das Feuer, zudem wurden sie aus der Luft unterstützt.
  • Um den Schutz von Zivilisten zu verbessern, hat die NATO für ihre Truppen in Afghanistan neue Richtlinien für die umstrittenen Nacht-Razzien erlassen. Diese dürften nur noch zusammen mit afghanischen Sicherheitskräften erfolgen, ordnete NATO-Kommandeur Stanley McChrystal am 5. März in Kabul an. Frauen dürften zudem nur noch von Frauen durchsucht werden. Beschlagnahmtes Eigentum muss registriert, alle zerstörten Gegenstände sollen ersetzt werden.
  • Weil er nicht ein zweites Mal in Afghanistan dienen wollte, ist ein britischer Soldat zu neun Monaten Haft verurteilt worden. Außerdem wurde der Gefreite Joe Glenton vom zuständigen Militärgericht in Colchester im Südosten des Landes zum einfachen Soldaten degradiert. Der 27-Jährige war der erste Brite, der sich weigerte, nach Afghanistan zu gehen. Ihm drohten ursprünglich bis zu zwei Jahre Haft. Sein Anwalt hatte in der Verhandlung geltend gemacht, dass Glenton seit einem ersten Afghanistan-Einsatz unter posttraumatischen Stresssymptomen leide.
    Glenton war 2006 neun Monate in Afghanistan im Einsatz. Im Jahr darauf verweigerte er einen erneuten Einsatz am Hindukusch und wurde Mitglied der Friedensinitiative "Stop The War" (Stoppt den Krieg). Er desertierte und setzte sich nach Asien und später dann nach Australien ab. Im Juni 2009 stellte er sich den britischen Militärbehörden. Seine Verurteilung zu neun Monaten Gefängnis wurde von "Stop The War" scharf kritisiert. "Nicht Joe Glenton sollte ins Gefängnis gehen, sondern die Politiker, die uns in die katastrophalen Kriege im Irak und in Afghanistan geführt haben", sagte ein Sprecher der Initiative.
  • Die Veröffentlichung geheimer Unterlagen zur Kundus-Affäre in den Medien wird voraussichtlich ein juristisches Nachspiel haben: Der Untersuchungsausschuss des Bundestags will Parlamentspräsident Norbert Lammert (CDU) auffordern, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen Geheimnisverrats in die Wege zu leiten. Auch Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) mahnte laut «Spiegel Online» vom 5. März in einem Brief an Lammert die Einhaltung des Geheimschutzes an und drohte mit Anzeigen gegen einzelne Ausschussmitglieder. Die öffentliche Diskussion über geheime Einsatzdetails und NATO-Regeln schädige «in nicht hinnehmbaren Maße die Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit der Bundesrepublik Deutschland als Mitglied und Partner in internationalen Organisationen».
    Hintergrund ist ein Artikel von «Spiegel Online», in dem aus geheimen Akten zitiert wurde. Dem Bericht zufolge sollen der ehemalige ISAF-Regionalkommandeur für Nordafghanistan, Brigadegeneral Jörg Vollmer, und der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos in Potsdam, Generalmajor Rainer Glatz, schon früh Hinweise auf zivile Opfer des Bombardements zweier Tanklastzüge bei Kundus am 4. September gehabt haben. Entsprechende Informationen eines Nachrichtenoffiziers sollen aber später aus dem militärischen Netz gelöscht worden sein.
    Der Bericht überraschte die Ausschussmitglieder während ihrer Sitzung am 4. März, in der Vollmer und Glatz eigentlich als Zeugen gehört werden sollten. Das Gremium entschied sich schließlich, die Vernehmungen auf eine Sondersitzung am 15. März zu verschieben.
  • Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat den Einsatz von Sprengfallen durch die Taliban in Afghanistan verurteilt. Die Verwendung von selbstgebastelten Sprengsätzen (IED) sei "absolut nicht hinzunehmen", hieß es in einer am 6. März veröffentlichten, ungewöhnlich scharf formulierten Erklärung des IKRK. Die improvisierten Sprengsätze beeinträchtigten das Leben der Zivilbevölkerung, die sich nicht mehr aus ihren Häusern traue. Auch würden Flüchtlinge an der Rückkehr in die Heimat gehindert, fügte das IKRK hinzu. Verletzte und Kranke könnten nicht transportiert werden.
  • Der neue Statthalter in der kürzlich eroberten Taliban-Hochburg Mardschah saß offenbar wegen eines Gewaltverbrechens in Deutschland mehrere Jahre im Gefängnis. Abdul Zahir soll 1998 seinen Stiefsohn niedergestochen haben und deshalb zu mehr als vier Jahren Haft verurteilt worden sein. Ein NATO-Sprecher erklärte am 6. März, es gebe keine Bestrebungen, Zahir deshalb wieder absetzen zu lassen. Die NATO unterstütze den Gouverneur der Provinz Helmand, der Zahir ausgewählt habe, erklärte Admiral Gregory Smith. Die afghanischen Behörden müssten über seine Zukunft entscheiden.
    Zahir bestreitet, ein Verbrechen begangen zu haben. «Ich war kein Mörder. Ich war kein Schmuggler. Ich habe kein Verbrechen begangen», sagte Zahir am Abend des 5. März der Nachrichtenagentur AP. Die Berichte über eine kriminelle Vergangenheit bezeichnete er als Lüge.
    Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft in Offenbach bestätigte, dass ein afghanischer Bürger mit dem Namen Abdul Z. 1998 wegen versuchten Totschlags zu vier Jahren und neun Monaten Haft verurteilt wurde. Ein Gewährsmann, der Zahir kennt, sagte der AP, dass es sich um ein und dieselbe Person handle. Auch ein Vertreter der USA in Kabul, der namentlich nicht genannt werden wollte, erklärte, dass Zahir in Deutschland verurteilt wurde.
  • Der umstrittene Luftschlag von Kundus sorgt für neuen Ärger. Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» vom 6. März soll das Verteidigungsministerium gezielt versucht haben, Informationen zurückzuhalten. Unter anderem sollen zwei hochrangige deutsche Militärs aus internen ISAF-Protokollen die Vermutung über zivile Opfer haben streichen lassen, um die Folgen des Angriffs mit bis zu 142 Toten herunterzuspielen. Nach Informationen des Magazins soll Malte Krause, Büroleiter des damaligen Verteidigungsministers Franz Josef Jung (CDU), wenige Stunden nach dem Anschlag um 11.32 Uhr eine Kurzmitteilung an den Sprecher Christian Dienst mit der Empfehlung geschrieben haben, den Umstand des Festfahrens auf der Sandbank zunächst wegzulassen. In ersten offiziellen Reaktionen waren die Tanklaster als Gefahr für das Bundeswehr-Camp in Kundus dargestellt worden.
  • Fast die Hälfte der afghanischen Kinder im schulpflichtigen Alter hat keinen Zugang zu Bildung: Zwar habe sich die Zahl der Kinder, die zur Schule gingen, seit dem Sturz der radikalislamischen Taliban versiebenfacht, sagte Präsident Hamid Karsai in Kabul laut AFP vom 6. März. Dennoch besuchten heute noch immer 42 Prozent der Kinder keine Schule. Rund fünf Millionen Kinder könnten wegen der Kämpfe nicht zur Schule gehen oder weil die radikalislamischen Taliban die Schulen geschlossen hätten. Anfang 2002, kurz nach dem Sturz der Taliban, besuchten weniger als eine Million Jungen die 3400 Schulen im Land, sagte Bildungsminister Mohammad Faruk Wardak. Damals wurden sie von 20.000 männlichen Lehrern unterrichtet. Heute gehen sieben Millionen Kinder zur Schule, 37 Prozent sind Mädchen. An den nun 12.500 Schulen arbeiten jetzt 30 Prozent Lehrerinnen. Laut Wardak gehen in 200 der 412 Bezirke Afghanistans Mädchen nicht zur Schule, entweder aus Angst vor den Taliban oder weil es sich um ländliche Gegenden handelt, in denen Mädchen traditionell nicht zur Schule geschickt werden. Den Angaben zufolge sind elf Millionen Afghanen Analphabeten.
  • Bei einem überraschenden Truppenbesuch in Afghanistan hat der britische Premierminister Gordon Brown die jüngste Offensive im Süden des Landes als "Symbol der Hoffnung" bezeichnet. Es sei wichtig, "sowohl den Frieden als auch den Krieg zu gewinnen", sagte Brown am 6. März bei seinem achtstündigen Besuch in der südafghanischen Provinz Helmand. Die britischen Soldaten würden solange in Afghanistan bleiben, bis ihre Arbeit erledigt sei. In diesem Zusammenhang hob Brown auch die Bedeutung der Ausbildung der afghanischen Polizei hervor.
  • Der deutsche General und Befehlshaber der NATO-Kommandozentrale im niederländischen Brunssum, Egon Ramms, hält den Einsatz der Deutschen in Afghanistan für unzureichend. "Die Deutschen handeln in Afghanistan nach dem Motto: Wasch' mir den Pelz, aber mach' mich nicht nass", sagte Ramms laut einem am 6. März vorab veröffentlichten Bericht des Nachrichtenmagazins "Spiegel".
  • Bei schweren Kämpfen zwischen rivalisierenden Milizen im Nordosten von Afghanistan sind mehr als 50 Menschen ums Leben gekommen. Die Polizei in der Provinz Baghlan sprach von einem Machtkampf zwischen Taliban und den Kämpfern der Hesb-i-Islami, die vom Warlord Gulbuddin Hekmatyar geführt wird. Dabei geht es um die Herrschaft in mehreren Dörfern, in denen die Zentralregierung kaum präsent ist.
    Die am 6. März aufgeflammten Kämpfe dauerten am 7. März weiter an. Beide Seiten beschossen sich mit schweren Maschinengewehren und Panzerfäusten. Der stellvertretende Polizeichef von Baghlan, Salmai Mangal, sagte, auf Seiten der Hesb-i-Islami gebe es mindestens 35 und auf Seiten der Taliban 15 Tote. Eine Einheit der Regierungstruppen halte sich bereit, um die Kämpfe zu beobachten und Opfern in der Zivilbevölkerung beizustehen. Schwerpunkt der Kämpfe waren fünf bis sechs Dörfer westlich des Bezirks Baghlan-i-Dschadid.
  • Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat realistische Zielmarken für einen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan angemahnt. In einem Interview mit dem «Tagesspiegel» (Sonntagausgabe, 7. März) bezeichnete es der CSU-Politiker als wichtig, dass der Beginn des Rückzugsprozesses «nicht ständig hinausgeschoben wird». Nötig sei «ein signifikanter Erfolg bei den Bemühungen, die Sicherheit in afghanische Hände zu legen». Der Minister kritisierte, über langfristige Strategien der militärischen Präsenz am Hindukusch sei noch viel zu wenig nachgedacht worden. «In diese Verantwortung könnten verstärkt Nachbarstaaten eingebunden werden. Die Allheilkraft der NATO hat Grenzen», sagte Guttenberg.
    Auf die Frage, ob der neue Ansatz bei der Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte verstärkt in die Fläche zu gehen, ein höheres Risiko für die Soldaten bedeute, antwortete Guttenberg: «Wir sollten uns davor hüten, diese Gefahren in Kategorien einzuteilen. Der bisherige Ansatz mit Patrouillen hat dazu geführt, dass Aufständische sozusagen an der Uhr ablesen konnten, wann und wo sie eine Patrouille angreifen konnten.» Auch der neue Ansatz setze Verteidigungsfähigkeit voraus. «Unsere Soldaten müssen von ihrer Waffe Gebrauch machen können. Das ist allerdings in der Vergangenheit von einigen nur schüchtern kommuniziert worden.»
  • Eine Woche nach Abschluss der NATO-Offensive in Südafghanistan hat Präsident Hamid Karsai die ehemalige Taliban-Hochburg Mardschah besucht. Bei einem Treffen mit rund 300 Einwohnern musste sich der Präsident am 7. März zahlreiche Beschwerden anhören. Die Gemeindevertreter prangerten die Tötung von Zivilisten bei den Kämpfen um Mardschah an und klagten über Hausdurchsuchungen. Diese sollten nur noch von afghanischen Soldaten vorgenommen werden, forderten die Stammesältesten. - Karsai wurde vom Kommandeur der Afghanistan-Schutztruppe ISAF, Stanley McChrystal, begleitet.
  • Im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet ist offenbar ein weiterer Taliban-Führer getötet worden. Maulvi Noor Mohammad sei am Abend des 6. März im Stammesgebiet Nord-Waziristan von Angehörigen eines Mannes erschossen worden, den Mohammad vor kurzem gefoltert und getötet habe, sagte ein Taliban-Kämpfer aus der Region am 7. März der Nachrichtenagentur AP. Ein Mitarbeiter des pakistanischen Geheimdiensts erklärte, Mohammad habe eine Gruppe von rund 400 Taliban-Kämpfern befehligt, die von Pakistan aus regelmäßig die NATO-Truppen in Afghanistan angegriffen hätten.
Montag, 8. März, bis Sonntag, 14. März
  • Bei einem Selbstmordanschlag auf ein Polizeigebäude im Osten Pakistans sind am 8. März in der Stadt Lahore mindestens 13 Menschen getötet worden. 61 Personen wurden bei der Explosion verwundet. Zu dem Anschlag bekannte sich zunächst niemand. Der Verdacht fiel aber auf die pakistanischen Taliban und mit ihnen verbündete militante Gruppen, die Ende vergangenen Jahres für eine Welle von Anschlägen verantwortlich waren, die mehr als 600 Menschen das Leben kosteten. Die Anschläge galten als Vergeltung für eine Militäroffensive gegen Aufständische an der Grenze zu Afghanistan.
  • US-Verteidigungsminister Robert Gates hat die Truppen nach ersten Erfolgen bei der Offensive gegen die Taliban auf weitere schwere Kämpfe eingeschworen. Bei einem unangekündigten Besuch in Afghanistan sagte er am 8. März, zwar seien die Signale ermutigend. Doch dürften die Menschen nicht zu ungeduldig werden und die Lage nicht zu optimistisch einschätzen.
    NATO-Kommandeur Stanley McChrystal erklärte, eine geplante Militäraktion zur Sicherung von Kandahar im Süden Afghanistans werde noch einige Zeit auf sich warten lassen. Zunächst müssten bis zum Frühsommer die zusätzlichen Kräfte eintreffen. Eineinhalb Wochen nach der Eroberung der ehemaligen Taliban-Hochburg Mardschah sagte McChrystal, diese Militäraktion hätte binnen einer Nacht beendet sein können. Doch habe das langsamere Vorgehen viele zivile Opfer verhindert. Nach Angaben des Militärs kamen bei den Kämpfen um die Stadt in der südlichen Provinz Helmand 19 afghanische Zivilpersonen ums Leben.
  • Nach Berichten vom 8. März übernahmen die Taliban die Kontrolle über mehrere Dörfer im Südosten Afghanistans. In der Provinz Baghlan hatte sich die Miliz Hesb-i-Islami des Warlords Gulbuddin Hekmatjar heftige Gefechte mit den Taliban geliefert, bei denen mindestens 50 Menschen getötet wurden. Auslöser der Kämpfe könnte die offensichtliche Bereitschaft Hekmatjars gewesen sein, sich an dem von der Regierung in Kabul initiierten Friedensprozess zu beteiligen. 70 Kämpfer hatten sich auf den Dörfer zurückgezogen und sich in der Nähe stationierten Regierungstruppen ergeben. «Wenn uns die Regierung schützt und unterstützt, werden wir mit den Taliban in Baghlan aufräumen», sagte einer der Milizkommandeure, der sich Nurullak nannte.
  • Auf einer Stammesversammlung Ende April wollen die Afghanen über die Wiedereingliederung der Taliban und Verhandlungen mit den Aufständischen beraten. Präsident Hamid Karsai sagte am Montag bei auf einer Pressekonferenz mit US-Verteidigungsminister Robert Gates in Kabul, zu der sogenannten Friedens-Dschirga in Kabul würden Vertreter aus allen Teilen des Landes und allen Gesellschaftsschichten erwartet.
    Karsai hat allen Taliban ein Angebot zur Aussöhnung gemacht, die die Verbindungen zu Al Kaida und anderen Terrororganisationen kappen und sich zur Verfassung bekennen. Der Präsident arbeitet an einem Plan, zehntausenden Mitläufern Arbeitsplätze, Ausbildung und andere wirtschaftliche Anreize anzubieten. Dagegen dürfte es schwierig werden, die Taliban-Führer an den Verhandlungstisch zu holen. Sie haben etwa den Abzug der ausländischen Truppen zur Vorbedingung gemacht.
  • Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad will am 10. März nach Afghanistan reisen. Das teilte ein Sprecher des Außenministeriums in Teheran am 9. März mit. Ahmadinedschad bemüht sich seit Jahren um eine Ausweitung des iranischen Einflusses in der Region. Die USA werfen Teheran vor, in Afghanistan ein doppeltes Spiel zu spielen und ungeachtet öffentlicher Sympathiebekundungen für die Regierung in Kabul heimlich die aufständischen Taliban zu unterstützen. Der Iran hat diese Anschuldigungen stets zurückgewiesen.
  • US-Verteidigungsminister Robert Gates hat auf dem afghanischen Luftwaffenstützpunkt Kandahar mit den dortigen Kommandeuren über die Großoffensive gegen die Taliban im Süden des Landes gesprochen. Die US-Truppen seien in Kandahar in einer Gegend stationiert, "die noch einmal wichtig werden wird", sagte der Pentagonchef mit Blick auf eine mögliche neue Offensive. Sie würden wieder einmal die "Speerspitze" sein, sagte Gates vor Soldaten (AFP, 9. März).
  • Der Kommandeur der US-Streitkräfte in Europa hat Kritik am Engagement der europäischen NATO-Verbündeten in Afghanistan geübt. Die Alliierten seien bislang bei der Entsendung von Ausbildern für afghanisches Sicherheitspersonal hinter den Erfordernissen zurückgeblieben, sagte General James Stavridis am 9. März bei einer Anhörung im Senat in Washington. Von den angeforderten 1278 Ausbildern seien bislang nur 541 bereitgestellt worden, kritisierte der General.
  • Die afghanische Polizei verhinderte nach Militärangaben einen Selbstmordanschlag von Taliban im Osten des Landes. Sicherheitskräfte hätten zwei in Burkas gekleidete Attentäter in ein leer stehendes Regierungsgebäude in der Stadt Chost verfolgt, sagte Armeegeneral Mohammed Asrar am 8. März der Nachrichtenagentur AFP. Einer der beiden habe einen Sprengstoffgürtel gezündet und vier Polizisten verletzt, bevor beide Attentäter erschossen worden seien. Nach Angaben eines weiteren Generals lieferten sich die Sicherheitskräfte über zwei Stunden lang ein Feuergefecht mit den Angreifern.
    Die Taliban erklärten im Internet, fünf ihrer Kämpfer hätten ein Gebäude in Chost gestürmt, das von ausländischen und örtlichen Geheimdiensten genutzt werde. Einer der "Märtyrer" habe sich in die Luft gesprengt, die anderen vier seien geflohen, hieß es in der Mitteilung weiter, die das auf Überwachung islamistischer Webseiten spezialisierte US-Unternehmen SITE zitierte.
  • Bei einem Selbstmordanschlag auf NATO-Truppen im Osten von Afghanistan sind zwei Soldaten ums Leben gekommen. Der Angriff ereignete sich nach Militärangaben im Bezirk Ali Schir in der Provinz Chost am 9. März. Dort unterhält die NATO einen Stützpunkt nahe der Grenze zu Pakistan.
    Die Taliban bekannten sich zu diesem Selbstmordanschlag. Ein Kämpfer in einer afghanischen Polizeiuniform sei auf den Stützpunkt vorgedrungen und habe seine Sprengstoffweste gezündet, sagte Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid am 0. März telefonisch der Nachrichtenagentur AP. Die NATO machte keine Angaben zur Nationalität der Getöteten, doch sind in der betroffenen Region fast ausschließlich US-Soldaten stationiert.
  • Der Abzug von US-Truppen aus Afghanistan könnte nach Ansicht von Verteidigungsminister Robert Gates schon vor dem von Präsident Barack Obama avisierten Termin im Juli 2011 beginnen. Dies hänge von den Bedingungen vor Ort ab, erklärte Gates am 10. März beim Besuch eines Ausbildungsstützpunkts bei Kabul. Demnach soll die Übertragung der Sicherheitskontrolle auf afghanische Soldaten und Polizisten spätestens im Juli kommenden Jahres beginnen. Je nach Lage könnte dieser Prozess jedoch schneller oder langsamer verlaufen.
    Der afghanische Verteidigungsminister Abdul Rahim Wardak erklärte, sein Land fühle sich beschämt, dass es zu seiner Verteidigung immer noch ausländische Truppen benötige, und könne eine vollständige Übernahme der Sicherheitsbefugnisse kaum abwarten. Bis zum dafür vorgesehen Zeitpunkt sollen die afghanischen Streitkräfte auf 171.000 und die Polizei auf 134.000 Mann aufgestockt werden.
    Gates beobachtete auf dem Stützpunkt Pul-i-Tscharchi unter anderem eine simulierte Minenräumung. Anschließend wurde er darauf angesprochen, dass auch der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad am Mittwoch Kabul besuchte. Dies sei zweifellos «ein gefundenes Fressen für alle Verfechter von Verschwörungstheorien», entgegnete der US-Verteidigungsminister. Er begrüße es, wenn Afghanistan gute Beziehungen zu seinen Nachbarn unterhalte. Allerdings sollten diese Nachbarn auch die Regierung von Präsident Hamid Karsai fair behandeln.
  • Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad griff bei seinem Besuch in Kabul den Vorwurf von Gates auf, Teheran treibe in Afghanistan ein «doppeltes Spiel», indem es einerseits gute Beziehungen zu Kabul propagiere und andererseits die Taliban unterstütze. Die iranische Regierung hat stets zurückgewiesen, dass sie die radikalen Islamisten ausrüste. Anschuldigungen dieser Art seien Teil der anti-iranischen Kampagne der USA, erklärte Ahmadinedschad. Es seien vielmehr die USA, die ein «doppeltes Spiel» in Afghanistan trieben, betonte der iranische Präsident. Sie bekämpften dort Terroristen, die sie selbst geschaffen hätten. Zu Zeiten der sowjetischen Besatzung des Landes am Hindukusch hatten die USA die Aufständischen einschließlich der Taliban mit Waffen beliefert.
  • Bei zwei Raketenangriffen der US-Streitkräfte in den pakistanischen Stammesgebieten sind am 10. März zwölf Aufständische getötet worden. Nach Angaben der Sicherheitskräfte feuerte eine US-Drohne in einem Dorf nahe Miranshah in Nord-Waziristan an der Grenze zu Afghanistan zunächst vier Raketen ab. Dabei wurden ein Stützpunkt von Aufständischen und ein Fahrzeug getroffen, acht Kämpfer wurden getötet. Bei dem zweiten Angriff nur kurze Zeit später kamen demnach vier weitere Aufständische ums Leben. Sie wurden getroffen, als sie gerade die Leichen des ersten Angriffs bergen wollten.
  • Die USA haben den Iran zu einer "konstruktiven Rolle" in Afghanistan aufgefordert. Die Zukunft Afghanistans habe eine "regionale Dimension", sagte Außenamtssprecher Philip Crowley am 10. März in Washington nach einem Besuch des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad in Kabul. In der Vergangenheit hätten die USA und der Iran "konstruktiv zusammengearbeitet", wenn es um Afghanistan gegangen sei. In jüngster Zeit sei es jedoch seltener zu einer solchen Kooperation gekommen, räumte Crowley ein. Ahmadinedschad hatte die Präsenz der NATO-Truppen im Nachbarland kritisiert. US-Verteidigungsminister Robert Gates, der sich zur selben Zeit in Kabul aufhielt, warf Teheran vor, Rebellen in Afghanistan zu unterstützen.
  • Das US-Repräsentantenhaus hat mit großer Mehrheit den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan abgelehnt. 356 Abgeordnete, stimmten am 10. März gegen eine entsprechende Resolution des Demokraten Dennis Kucinich, 65 unterstützten das Anliegen. Die Resolution forderte Präsident Barack Obama auf, 30 Tagen nach ihrer Annahme die Truppen abzuziehen, spätestens aber bis Ende Dezember. Die Zustimmung von Vertretern des linken Flügels der Demokraten zeigt die Zerissenheit der Partei Obamas in der Frage.
  • Der afghanische Präsident Hamid Karsai ist bereit für Gespräche mit dem Taliban-Chef Mullah Omar. Dass Mitglieder der internationalen Staatengemeinschaft damit Probleme haben, findet Karsai unverständlich, sollten Gespräche dem Frieden in Afghanistan voranbringen. Beim Thema Verhandlungen mit den Taliban gebe es «Verwirrung unter unseren Alliierten», sagte Karsai am 11. März in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad. «Es gibt einen Mangel an Koordination zwischen den Verbündeten.» Seine Regierung habe Kontakte zu hochrangigen Taliban. «Wir sind bereit, mit ihnen, inklusive Mullah Omar, auf der Basis der afghanischen Verfassung zu reden. Für Frieden wollen wir mit jedem Afghanen sprechen, und wenn die Internationale Gemeinschaft damit ein Problem hat, dann sollte sie kommen und das erklären.» Karsai bietet den Taliban im Rahmen der Verfassung seit längerem erfolglos Gespräche an. Die Aufständischen lehnen Verhandlungen offiziell ab, solange ausländische Truppen in Afghanistan sind.
  • Zwei Selbstmordattentäter haben am 12. März in der ostpakistanischen Kulturmetropole Lahore mindestens 48 Menschen mit in den Tod gerissen. «Der Tod von 30 Zivilisten und 18 Soldaten ist bestätigt», sagte ein Armeeoffizier, der anonym bleiben wollte. Nach Angaben der Polizei wurden rund 100 weitere Menschen verletzt. Es war der zweite Anschlag in der einst ruhigen Kulturmetropole binnen vier Tagen und der schwerste jemals in der Stadt. Die pakistanischen Taliban bekannten sich in einem Anruf beim privaten Fernsehsender Geo zu der Bluttat. Ziel des Doppel-Anschlags in dem Garnisonsviertel war ein Militärkonvoi. Ein Polizeisprecher sagte, die beiden Attentäter hätten sich innerhalb von 15 Sekunden auf einem belebten Markt in der Nähe einer Armee-Basis in die Luft gesprengt. Ihre Köpfe seien gefunden worden. Am Abend explodierten außerhalb des Stadtzentrums sechs weitere kleine Sprengsätze. Es wurde jedoch niemand ernsthaft verletzt.
  • Nur einen Tag nach dem verheerenden Doppelanschlag in Lahore hat sich in Pakistan am 12. März erneut ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt und mindestens 12 Menschen mit in den Tod gerissen. Weitere 54 Menschen wurden bei der Attacke in einer belebten Straße in Mingora, der größten Stadt im Swat-Tal im Nordwesten des Landes, nach Krankenhausangaben verletzt. Der Selbstmordattentäter brachte seinen Sprengsatz zur Explosion, nachdem Sicherheitskräfte ihn stoppen wollten, wie die Polizei mitteilte. Der Attentäter, der zu Fuß unterwegs war, hatte vor, in ein Regierungsgebäude einzudringen.
  • Bei einem Bombenanschlag in Afghanistan sind am 13. März mindestens sechs Menschen ums Leben gekommen. Die Zivilisten waren nach Angaben des afghanischen Innenministeriums mit einem Fahrzeug in Tirin Kot, der Hauptstadt der zentralafghanischen Unruheprovinz Urusgan, unterwegs, als ein selbstgebauter Sprengsatz am Straßenrand explodierte. Ein weiterer Insasse wurde demnach bei dem Anschlag verletzt.
  • Bei einer Serie von Explosionen in der südafghanischen Stadt Kandahar sind mindestens 27 Menschen getötet worden. Aktuellen Erkenntnissen zufolge seien mindestens 27 Menschen getötet und mehr als 50 weitere verletzt worden, sagte am Abend des 13. März der Chef der Gesundheitsbehörden von Kandahar, Abdul Kajoom Pukhla, der Nachrichtenagentur AFP. Alle Ärzte und Sanitäter seien zum Dienst einberufen worden, die Bevölkerung wurde im Fernsehen zu Blutspenden aufgerufen. Nach Angaben aus Polizeikreisen handelte es sich offenbar um Selbstmord-Attentate der Taliban.
  • Der neue UN-Gesandte für Afghanistan, Staffan de Mistura, hat am 13. März in Kabul seinen neuen Posten angetreten. Er wolle für mehr Stabilität und eine Ankurbelung der Wirtschaft sorgen, zugleich aber auch die Souveränität Afghanistans achten, sagte der schwedisch-italienische Karrierediplomat nach seiner Ankunft vor Journalisten. "Das afghanische Volk hat sehr gelitten und schwierige Zeiten gemeistert. Es verdient internationale Unterstützung, aber vor allem eine bessere Zukunft", sagte De Mistura. "Die UNO wird ihren Teil dazu beitragen."
Montag, 15. März, bis Sonntag. 22. März
  • Nach der Anschlagsserie mit 35 Toten im Süden Afghanistans will die afghanische Regierung Kandahar künftig besser schützen. Die Anordnung von Präsident Hamid Karsai solle dafür sorgen, dass die Sicherheit in der Stadt verstärkt werde, sagte Innenminister Mohammed Hanif Atmar am 15. März in Kandahar vor Journalisten, nachdem er Angehörigen von Anschlagsopfern kondoliert hatte. Der Provinzgouverneur Turjalai Wisa hatte am 14. März mehr Truppen gefordert, um Angriffe der Taliban besser abzuwehren.
  • Privat angeheuerte Spione haben sich einem Zeitungsbericht zufolge an der Suche nach den Verstecken mutmaßlicher Islamisten in Afghanistan und Pakistan beteiligt. Wie die "New York Times" am 15. März unter Berufung auf namentlich nicht genannte Militärvertreter und Geschäftsleute in Afghanistan und den USA berichtete, wurden sie von einem Beamten des US-Verteidigungsministeriums angeworben. Vorher hatten sie demnach für Sicherheitsfirmen gearbeitet, die frühere Agenten des US-Geheimdienstes CIA und Angehörige von Spezialeinheiten der US-Armee beschäftigten.
  • Zu der Bewertung der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe bezüglich des Bundeswehr-Einsatzes in Afghanistan erklärt der Vorsitzende des Deutschen BundeswehrVerbandes, Oberst Ulrich Kirsch, am 15. März: "Wir begrüßen diese eindeutige Aussage, dass es sich in Afghanistan um einen nichtinternationalen bewaffneten Konflikt - im Sprachgebrauch eine Art Guerillakrieg - handelt." Damit werde insbesondere klar, dass der Maßstab für die rechtliche Bewertung sich vorrangig aus den Vorschriften des Völkerstrafgesetzbuches ergebe. Kirsch: "Für die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz bedeutet das eine größere Rechtssicherheit." Die Bewertung der Bundesanwaltschaft entspreche einer der zentralen Forderungen des Deutschen BundeswehrVerbandes. Im Fall von Oberst Klein hofft der Verband auf eine schnelle Entscheidung.
  • Im Norden Afghanistans haben sich Bundeswehrsoldaten ein mehrstündiges Gefecht mit Aufständischen geliefert. Wie das Einsatzführungskommando in Potsdam am 15. März mitteilte, wurde eine deutsche Patrouille rund sechs Kilometer westlich des Regionalen Wiederaufbauteams (PRT) in Kundus mit Gewehren und Panzerfäusten beschossen. Die Soldaten und zur Verstärkung gerufene Einheiten hätten das Feuer erwidert. Deutsche Soldaten wurden den Angaben zufolge nicht verletzt. Während des mehrere Stunden dauernden Schusswechsels seien insgesamt drei Transportpanzer vom Typ Fuchs getroffen worden, hieß es. Die Schwere der Schäden war zunächst nicht bekannt.
  • Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands, Nikolaus Schneider, will noch in diesem Jahr Deutschlands Soldaten in Afghanistan besuchen. "Ich finde es wichtig, dass die Soldaten auch die Erfahrung machen, wir reden nicht nur über sie, wir reden mit ihnen", sagte Schneider dem "Weser-Kurier" (Ausgabe vom 17. März). Aus diesem Grund werde er nach Afghanistan fliegen, um "ein Gefühl für die Situation der Bundeswehr" zu entwickeln. Die entscheidende Frage aus Sicht der Kirche sei, welche Rolle die Soldaten in einer Lehre von einem gerechten Frieden spielen könnte.
  • Bei einem Bombenanschlag im unruhigen Nordwesten Pakistans ist ein Tanklaster mit Nachschub für die NATO-Truppen im benachbarten Afghanistan zerstört worden. Nahe dem Dorf Parangsum im Stammesbezirk Khyber explodierte nach Behördenangaben am 17. März ein Sprengsatz, der am hinteren Teil des Fahrzeugs angebracht war. Der mit 40.000 Liter Treibstoff beladene Tanker sei daraufhin in einen "Feuerball" aufgegangen. Verletzte gab es demnach nicht.
  • Am 16. März wurden zwei britische Soldaten in der Unruheprovinz Helmand getötet. Die zwei britischen Soldaten starben nach Angaben des Verteidigungsministeriums in London bei einem Bombenanschlag. Damit sind seit Beginn des Einsatzes 2001 242 britische Soldaten in Afghanistan ums Leben gekommen.
  • Am 16. März ermordeten Aufständische einen Regierungsvertreter im Osten des Landes.
  • Am 16. März sind bei einem US-Drohnenangriff laut pakistanischem Militär mindestens sechs islamistische Aufständische getötet worden. Der US-Geheimdienst CIA und die US-Armee in Afghanistan hatten ihre Drohnenangriffe in Pakistan in den vergangenen Monaten intensiviert. Die an Afghanistan grenzenden Stammesgebiete sind ein wichtiges Rückzugsgebiet für El-Kaida-Kämpfer und Taliban. Bei den US-Drohnenangriffen kommen immer wieder auch Zivilisten ums Leben.
  • Bei zwei US-Drohnenangriffen in den pakistanischen Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan sind am 17. März mindestens sieben mutmaßliche Aufständische getötet worden. Das verlautete aus Kreisen des Militärs und der Sicherheitskreise.
    Der erste Drohnenangriff habe sich in der Umgebung eines Dorfes in der an Afghanistan grenzenden Region Nord-Waziristan gegen zwei Fahrzeuge von Aufständischen gerichtet, sagte ein ranghoher Vertreter des pakistanischen Militärs unter Berufung auf Dorfbewohner. Durch den Angriff mit fünf Raketen seien fünf Aufständische getötet worden.
    Bei einem weiteren US-Drohnenangriff in Nord-Waziristan wurden etwa eine Stunde später mindestens zwei Aufständische getötet, wie aus pakistanischen Sicherheitskreisen verlautete. Bei dem Angriff wurden demnach zwei Raketen auf einen Lieferwagen abgefeuert.
  • Afghanische Sicherheitskräfte haben am 17. März einen Selbstmordanschlag auf das Büro einer Hilfsorganisation vereitelt. Beide Attentäter wurden bei dem Angriff in der südafghanischen Stadt Laschkar Gah erschossen, bevor sie ihre Sprengstoffwesten zünden konnten, wie ein Sprecher der Provinzregierung in Helmand berichtete. Nach Darstellung der Behörden stürmten die beiden Selbstmordattentäter das Büro der Hilfsorganisation International Relief and Development. Der erste Mann wurde sofort von Wächtern erschossen. Der andere Terrorist starb in einem Feuergefecht mit den Sicherheitskräften. Ein ausländischer Mitarbeiter der Organisation sei verletzt worden, sagte Sprecher Dawud Ahmadi. Lakschar Gah liegt nahe der Stadt Mardschah, die vor kurzem Ziel einer Offensive von NATO- und afghanischen Soldaten gegen die Taliban war.
  • Die Gläubigerstaaten des Pariser Clubs haben Afghanistan seine Schulden vollständig erlassen. Es gehe um Verbindlichkeiten in Höhe von 1,026 Milliarden Dollar (746 Millionen Euro), teilte der Club in Paris am 17. März mit. Demnach wurden 585 Millionen Dollar an bilateralen Schulden gestrichen sowie weitere 441 Millionen Dollar, die Afghanistan über Internationale Organisationen aufgenommen hatte. Afghanistan habe im Gegenzug zugesichert, die freiwerdenden Mittel für die Bekämpfung der Armut und die Umsetzung einer nachhaltigen Wirtschaftspolitik einzusetzen, erklärter der Pariser Club.
    Der Gläubigerklub war 1956 in der französischen Hauptstadt gegründet worden; er vermittelt zwischen verschuldeten Staaten und ihren Geldgebern und hilft bei der Umschuldung beziehungsweise Entschuldung. Das Gremium hat 19 ständige Mitglieder, darunter Deutschland, Japan und die USA. An den Verhandlungen können von Fall zu Fall weitere Staaten teilnehmen.
  • Nach Anschlägen mit dutzenden Toten in Kandahar im Süden Afghanistans haben die US-Streitkräfte nach Angaben der NATO bereits mit der Verstärkung der Sicherheit in der Provinz begonnen. "Anstatt ein genaues Datum zu nennen, wann die militärische Offensive startet, sage ich jetzt, dass dieser Prozess bereits begonnen hat", sagte Afghanistan-Kommandeur Stanley McChrystal am 17. März in einer Telefonkonferenz in Kabul. Der Einsatz werde "in den kommenden Wochen und Monaten" aufgestockt, fügte er hinzu. Derzeit würden vor allem wichtige Straßen und Bezirke in der Provinz gesichert.
  • Ein ranghoher Al-Kaida-Führer ist nach Angaben aus US-Regierungskreisen vermutlich bei einem Raketenangriff in Pakistan getötet worden. Hussein Al Jemeni sei offenbar bei einem Angriff in der Stadt Miram Schah in Nord-Waziristan getötet worden, sagte ein Gewährsmann der Nachrichtenagentur AP in Washington. Al Jemeni gilt als wichtiger Stratege und Sprengstoffexperte der Al Kaida und wird mit einem Bombenanschlag auf eine CIA-Stellung in Afghanistan in Verbindung gebracht. Dabei wurden im Dezember sieben Mitarbeiter des US-Geheimdienstes sowie ein jordanischer Agent getötet. CIA-Direktor Leon Panetta erklärte, die intensivierten Angriffe hätten Al-Kaida-Anführer Osama bin Laden und andere Terroristen tiefer in ihre Verstecke getrieben. Al Kaida und Taliban in den pakistanischen Stammesregionen seien erheblich unter Druck. «Von all den Geheimdienstinformationen, die wir bekommen, ist es recht klar, dass sie Schwierigkeiten haben, irgendeine Form von Kommandogewalt und Kontrolle aufzubieten, dass wir sie durcheinanderbringen. Und dass wir sie wirklich in die Flucht jagen», sagte er laut AP vom 18. März der «Washington Post».
  • Einen Monat nach ihrer Niederlage in der ehemaligen Taliban-Hochburg Mardschah haben die Aufständischen in Afghanistan eine Terrorkampagne gestartet. Ziel ist es, die Bevölkerung einzuschüchtern und von einer Zusammenarbeit den Regierungssoldaten und den US-Truppen abzuhalten. Mindestens ein Mann, der mit der Regierung in Kabul sympathisiert haben soll, wurde geköpft. Es gibt Berichte von weiteren Morden. Bewohner von Mardschah fanden an ihren Haustüren Zettel vor, in denen sie gewarnt wurden, mit den internationalen und afghanischen Truppen zusammenzuarbeiten, berichtet AP am 18. März. Derselben Quelle zufolge gilt Mardschah als Test dafür, ob es afghanischen und internationalen Truppen gelingen kann, die Taliban dauerhaft zu vertreiben und danach eine effiziente und für die Bewohner akzeptable Stadtverwaltung einzusetzen.
    [In diversen Internet-Blogs wird seit geraumer zeit diskutiert, ob die "Stadt" Mardschah nicht eher ein kleines Dorf mit wenigen Lehmhütten ist, auf keinen Fall aber könne es sich um eine 80.000 Bewohner beherbergende Stadt handeln. Träfen diese skeptischen Meinungen zu, dann müsste die Mardschah-Offensive - von der es seltsamerweise auch keine wirklichen Bilder gibt!) - ein groß angelegtes Täuschungsmanöver der US-Streitkräfte sein, das einen militärischen Erfolg suggerieren soll, um damit die "neue" Afghanistan-Strategie Obamas zu rechtfertigen. Dazu würde auch die nächste Meldung passen.Anm: AGF]
  • Nach dem Vorbild ihrer Offensive gegen die Taliban im Süden Afghanistans will die NATO laut einem Bundeswehrgeneral noch in diesem Jahr auch im deutschen Kommandobereich im Norden massiv gegen die Rebellen vorgehen. "Es wird sicherlich eine Operation geben dort oben in Kundus", sagte am 18. März der Chef des ISAF-Stabes im Hauptquartier der Internationalen Schutztruppe in Kabul, Bruno Kasdorf. "Ich will nicht sagen, in dem Ausmaß und in dem Umfang, wie wir das jetzt unten in Helmand sehen. Aber sicher etwas Ähnliches." Die Lage in Kundus sei problematisch, sagte Kasdorf der ARD. Nach dem geplanten Einsatz werde sich die Lage aber hoffentlich deutlich verbessern. In der Südprovinz Helmand führen NATO- und afghanische Truppen derzeit eine Großoffensive, um die Rebellen aus der Region zu vertreiben. Der US-Oberkommandierende Stanley McChrystal hatte bereits angekündigt, anschließend gegen die Rebellen in Kandahar vorgehen zu wollen.
  • Das Verteidigungsministerium hat offenbar bewusst versucht, die Vorgänge rund um das tödliche Bombardement auf zwei Tanklaster in Nordafghanistan zu verschleiern. Der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, bestätigte am 18. März vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss die Existenz einer «Gruppe 85» im Ministerium. Sie soll einem Medienbericht zufolge den Vorfall gezielt vertuscht haben. Schneiderhan erklärte auf Nachfrage des Grünen-Verteidigungsexperten Omid Nouripour, er habe von der Existenz der Gruppe und von ihrem Auftrag gewusst. Er sei nicht in die Gruppe eingebunden gewesen. Zuvor hatte «Spiegel Online» berichtet, dass im Ministerium «eigens eine Arbeitsgruppe aus mindestens fünf Beamten gegründet wurde, um die Ermittlungen der NATO» zu dem tödlichen Bombardement auf die zwei entführten Tanklaster zu beeinflussen. Wie «Spiegel Online» unter Berufung auf interne Dokumente berichtete, sollte die «Gruppe 85» - laut Schneiderhan identisch mit der sogenannten «Wichert-Runde» - durch eine Kommunikationsstrategie im Fall Kundus ein «positives Bild auch des Erfolgs» möglich machen und Kritik an der Bundeswehr gezielt verhindern. Die «Abteilung für die Vertuschung» (»Spiegel Online») wurde demnach schon am 9. September ins Leben gerufen, fünf Tage nach dem Luftangriff. Geleitet wurde sie dem Bericht zufolge vom mittlerweile entlassenen Staatssekretär Peter Wichert. Damals war noch der CDU-Politiker Franz Josef Jung als Minister im Amt.
  • Die Vereinten Nationen haben vor einem Scheitern des internationalen Einsatzes in Afghanistan gewarnt. Der Koordinator der UN-Friedenstruppen, Alain Le Roy, sprach sich am 18. März vor dem Sicherheitsrat in New York für konkrete Schritte mit dem Ziel aus, die Verantwortung für die Sicherheit den Afghanen zu übertragen. Es müsse sichergestellt werden, dass «Afghanisierung» nicht nur ein Schlagwort sei, sagte Le Roy. Wenn dies nicht geschehe, sei der Einsatz der Staatengemeinschaft in Afghanistan vom Scheitern bedroht. Der afghanische UN-Botschafter Sahir Tanin sagte dem Rat, das Konzept der «Afghanisierung» habe im kommenden Jahr in allen Regionen Priorität.
  • Zum ersten Mal seit Inkrafttreten des Völkerstrafgesetzbuchs im Juni 2002 werden einem Zeitungsbericht zufolge zwei Soldaten der Bundeswehr beschuldigt, ein Kriegsverbrechen begangen zu haben. Der Anfangsverdacht, dass bei dem Luftangriff von Kundus im September 2009 gegen das Völkerstrafgesetzbuch verstoßen wurde, habe sich "auf niedriger Stufe" bestätigt, zitiert die "Stuttgarter Zeitung" in ihrer Ausgabe vom 19. März einen Sprecher der Bundesanwaltschaft. Deshalb sei jetzt gegen Oberst Georg Klein und seinen Flugleitoffizier ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Die Bundesanwaltschaft habe Klein und den Flugleitoffizier als Beschuldigte zur Vernehmung in der kommenden Woche vorgeladen, berichtete die Zeitung zudem unter Berufung auf Regierungskreise.
    Der Sprecher der Bundesanwaltschaft habe zu diesem Punkt keine Angaben gemacht. Er erklärte laut "Stuttgarter Zeitung" jedoch, dass seine Behörde derzeit noch mit einem weiteren Fall befasst sei, in dem Bundeswehrsoldaten eines Kriegsverbrechens verdächtigt würden. Im Juli 2009 sei es zu zivilen Opfern gekommen, nachdem ein Kleinlaster in Afghanistan von Soldaten beschossen worden war. Der Fall sei von einer saarländischen Staatsanwaltschaft zur Prüfung nach Karlsruhe geleitet worden.
  • Der ehemalige UN-Sondergesandte für Afghanistan hat Pakistan vorgeworfen, durch eine Reihe von Festnahmen führender Taliban Friedensgespräche mit den Aufständischen blockiert zu haben. In einem Interview mit der britischen BBC gab Kai Eide am 19. März an, während seiner Zeit in Afghanistan auch mit Taliban-Anführern verhandelt zu haben. Demnach sprach der norwegische Diplomat erstmals "im vergangenen Frühling" mit Vertretern der Islamisten. Dieser Prozess sei jedoch abrupt unterbrochen worden, nachdem die pakistanischen Behörden einen ranghohen Militärführer und andere Vertreter der Aufständischen festgenommen hätten.
  • Die afghanische Regierung hat Deutschland und andere Truppensteller eindringlich vor einer Festlegung auf ein Datum für den Abzug der Soldaten aus Afghanistan gewarnt. «Wenn wir heute, bevor wir die Voraussetzungen geschaffen haben, von einem Abzugsdatum sprechen, dann ist das ein falsches Signal», sagte der Nationale Sicherheitsberater von Präsident Hamid Karsai, Rangin Dadfar Spanta, in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa am 19. März in Kabul. Den Afghanen werde bedeutet, dass man abziehen werde, bevor das Land auf eigenen Beinen stehen könne. An die Taliban würde damit die Botschaft ausgesandt, «dass es eine Exit-Strategie gibt, und ihr könnt in ein, zwei Jahren machen, was ihr wollt - wir gehen auf jeden Fall». Der frühere Außenminister, der lange in der Bundesrepublik lebte, sagte: «Ich verstehe die Sorgen der Friedensbewegung und auch der Bevölkerung Deutschlands. Aber ich warne vor einer frühzeitigen Festlegung auf einen Abzug, bevor wir in der Lage sind, uns selber zu verteidigen.» Die deutsche Abzugsdebatte mache ihm «ernsthafte Sorgen». Die Diskussion dürfe nicht populistisch, sondern müsse sachlich geführt werden. Ein verfrühter Abzug «bedeutet, dass wir alle Errungenschaften - Bildung, Pressefreiheit, Gesundheitsversorgung, Frauenrechte, Menschenrechte - wieder verlieren werden». Die Taliban würden an die Macht zurückkehren. Afghanistan würde wieder zum sicheren Hafen islamistischer Terrorgruppen. «Man sollte nicht so blauäugig sein, dass die Europäer sich in ihren Wohlstandsinseln einigeln können, ohne Schaden vom Terrorismus zu nehmen», sagte Spanta. «Ich möchte noch mal ganz klipp und klar sagen: Der Hauptfeind des islamistischen Terrors ist nicht der einfache afghanische Bauer (...). Der Hauptfeind ist die Demokratie, das sind Menschenrechte, Frauenrechte, der Lebensstil, den Sie in ihren Ländern führen. Das ist keine theoretische Debatte. Die (Taliban) bekämpfen uns, weil wir aus ihrer Sicht die westliche Dekadenz vertreten. Die hassen uns, weil wir sagen, die Frauen haben ein Recht auf Bildung. Aber die Heimat der Frauen- und Menschenrechte liegt doch auf Ihrem (dem europäischen) Kontinent.»
  • Belgien hat die Verlängerung seiner Militärpräsenz in Afghanistan um ein Jahr bis Ende 2011 beschlossen. Wie das Außenministerium in Brüssel am 19. März bekannt gab, bleibt es bei der Zahl von 626 Soldaten. Es soll künftig aber mehr Gewicht auf die Ausbildung afghanischer Militärs gelegt werden.
  • Das US-Verteidigungsministerium erwägt die Entsendung von 2500 Soldaten in den unter deutschem Kommando stehenden Norden Afghanistans. Die zusätzlichen Truppen sollten die erstarkenden Taliban-Rebellen in der Region bekämpfen, verlautete am 19. März aus Kreisen des Pentagon in Washington. Die US-Militärführung berate derzeit mit dem Regionalkommando der Bundeswehr darüber, Einheiten aus dem Süden Afghanistans in den Norden des Landes zu verlegen. Zu einer möglichen Verstärkung sollen demnach auch Ausbilder für die afghanischen Sicherheitskräfte gehören.
  • Die Bundesregierung hat sich einem Zeitungsbericht zufolge noch nicht auf Entschädigungen für die Opfer des Bombardements in Nord-Afghanistan festgelegt. Das berichtet der Bremer «Weser-Kurier» (Ausgabe vom 20. März) in einer Vorabmeldung (19. März). Danach wurden die Verhandlungen zwischen dem Bremer Rechtsanwalt Karim Popal und dem Verteidigungsministerium nach drei Stunden unterbrochen und auf den 31. März verschoben. Popal vertritt eine Gruppe von Betroffenen in Afghanistan. Er bezeichnete die Gespräche als «sehr konstruktiv und zielorientiert». Die Bundeswehr prüft laut Bericht derzeit die medizinische Versorgung eines Afghanen, der bei dem Luftschlag schwer verletzt wurde. Verhandelt wird zudem über die Finanzierung von Hilfsprojekten für die afghanischen Hinterbliebenen im Rahmen von sechs bis sieben Millionen Euro. Diese Projekte bestehen aus vier Teilen: ein Waisenhaus mit Schule und Kindergarten, ein Genossenschaftsprojekt für Frauen mit Milchproduktion und Viehzucht, ein Landbeschaffungsprojekt sowie eine Teppichknüpferei.
  • Bei einem Luftangriff auf Verstecke und Trainingslager militanter Moslems hat die pakistanische Armee laut dpa vom 20. März an der Grenze zu Afghanistan mindestens 32 Menschen getötet. Bei den meisten Toten in der Nordwest Provinz handele es sich um Islamisten, hieß es in Sicherheitskreisen. Die pakistanische Armee plant weiter Schläge gegen die islamistischen Kämpfer in der Region, die zu hunderten vor einer Militäroffensive im benachbarten Süd-Waziristan geflohen sind.
  • Am Abend des 20. März ist die Stadt Dschalalabad in der Provinz Nangarhar nördlich von Chost von zwei Explosionen erschüttert worden. Verletzt wurde niemand. Die Täter hätten während der Nowruz-Feiern Angst verbreiten wollen, sagte ein Polizeisprecher.
  • Zum siebten Jahrestag des Irak-Kriegs haben am 20. März mehrere tausend Friedensaktivisten vor dem Weißen Haus in Washington ihrem Unmut über Präsident Barack Obama Luft gemacht. Mindestens acht Personen, darunter die als «Peace Mom» bekanntgewordene Soldatenmutter Cindy Sheehan, wurden verhaftet, wie die Polizei mitteilte. Sheehan hatte zu Beginn der Demonstration Obama vorgeworfen, die Kriege im Irak und Afghanistan weiterzuführen. «Verhaftet den Kriegsverbrecher», rief sie zu verhaltenem Beifall der Kundgebungsteilnehmer aus. Die Menge war kleiner als bei den Demonstrationen zum Jahrestag der Irak-Invasion 2006 und 2007, zu denen Zehntausende gekommen waren.
    Ralph Nader, Verbraucherschutzanwalt und dreimaliger Präsidentschaftskandidat, warf Obama vor, das Gefangenenlager Guantánamo nicht wie versprochen geschlossen zu haben. Der einzige Unterschied zum Vorgänger George W. Bush sei: «Obamas Reden sind besser.» Andere Aktivisten gaben sich noch versöhnlicher. «Präsident Obama! Wir lieben Dich aber wir müssen dir sagen: Deine Hände werden blutig! Beende das jetzt!», stand auf dem Plakat von Shirley Allan. «Er muss wissen, dass es inakzeptabel ist», sagte die Aktivistin. «Ich bin wirklich enttäuscht.»
    Auch in anderen Städten fanden Kundgebungen zum Jahrestag des Irak-Kriegs statt. Auch in San Francisco und Los Angeles waren die Teilnehmerzahlen kleiner als in den Vorjahren.
  • Ein Selbstmordattentäter hat bei einem Anschlag auf eine Patrouille in Südafghanistan am 21. März zehn Zivilpersonen mit in den Tod gerissen. Sieben weitere Menschen wurden nach Behördenangaben verletzt. Der Anschlag ereignete sich auf einer Brücke in Gereschk in der Provinz Helmand. Bei den meisten Todesopfern handelt es sich nach Angaben eines Behördensprechers um Händler, die am Straßenrand ihre Waren verkauften.
  • Bei einem Bombenanschlag während der Feiern zum Neujahrsfest in Afghanistan sind am 21. März zwei Zivilpersonen getötet worden. Vier weitere wurden nach Angaben der Polizei in er Provinz Chost verletzt, als in der Nähe eines Schreins ein am Straßenrand versteckter Sprengsatz detonierte.
  • Eine Versammlung von Stammesführern soll in den kommenden Monaten eine Lösung für den Konflikt in Afghanistan finden. Das kündigte Vizepräsident Mohammed Kassim Fahim am 21. März in einer Rede aus Anlass des afghanischen Neujahrsfestes an. Die sogenannte «Friedens-Dschirga» werde Ende April oder Anfang Mai stattfinden, erklärte Fahim. Fahim erklärte, die Versammlung solle die Aufständischen mit der Regierung versöhnen. Und mit der Hilfe des Volkes könne es eine «erfolgreiche, historische Dschirga» werden. Er hoffe, dass dieses Jahr zu einem Jahr der friedlichen Stabilität werde, sagte der Vizepräsident ohne aber die Taliban beim Namen zu nennen.
    Der afghanische Präsident Hamid Karsai ist auf die Unterstützung Fahims für eine Einigung mit den Taliban angewiesen. Dieser hatte sich bislang aber eher ablehnend geäußert. Fahim ist tadschikischer Abstammung und war früher auch schon einmal Verteidigungsminister. Karsai und die Führung der Taliban gehören dem Volk der Paschtunen an.
  • In der Taliban-Hochburg Nord-Waziristan erschossen Extremisten am 21. März drei mutmaßliche Spione des US-Geheimdienst CIA. Unter den Opfern sei ein früherer Taliban-Kommandeur, verlautete aus pakistanischen Geheimdienstkreisen. In den vergangenen Monaten wurden Dutzende Menschen als angebliche Kollaborateure der Amerikaner hingerichtet, die in den Stammesgebieten regelmäßig Extremisten mit Drohnen - unbemannten Flugzeugen - angreifen. Bei der Auswahl der Ziele sind sie auf einheimische Helfer angewiesen.
  • Bei einem Bombenanschlag in der südwestpakistanischen Provinz Baluchistan starben zwei Polizisten und ein Zivilist. Wie die Polizei am 21. März mitteilte, wurden 16 weitere Menschen verletzt, als der Sprengsatz in der Provinzhauptstadt Quetta explodierte. Ziel des Anschlags sei eine Polizeipatrouille gewesen. [In Baluchistan kämpfen Separatisten seit Jahren mit Waffengewalt für mehr Autonomie. Teile der Region, die an die afghanischen Provinzen Helmand und Kandahar grenzt, gelten aber auch als Rückzugsraum für Taliban-Kämpfer und El-Kaida-Terroristen.]
  • Bei US-Raketenangriffen im Nordwesten Pakistans sind am 21. März nach Angaben aus Geheimdienstkreisen mindestens vier Menschen getötet worden. Getroffen wurden ein Haus und ein Fahrzeug in der Stammesregion Nord-Waziristan an der Grenze zu Afghanistan. Zur Identität der Toten lagen zunächst keine Angaben vor. In der Region sind Taliban-Kämpfer aktiv, die von dort aus Angriffe in Afghanistan starten.
Montag, 22. März, bis Sonntag, 28. März
  • Nach der geplanten Schließung des umstrittenen Gefangenenlagers in Guantanamo erwägt die US-Regierung angeblich, Terrorverdächtige aus aller Welt auf dem Militärstützpunkt im afghanischen Bagram zu internieren. Wie die "Los Angeles Times" am 22. März unter Berufung auf US-Regierungsvertreter berichtet, stoßen entsprechende Pläne jedoch auch innerhalb der Regierung auf Widerstand. Der Oberbefehlshaber der NATO-Truppen in Afghanistan, General Stanley McCrystal, ist laut dem Bericht ebenfalls entschieden gegen die Überlegungen. Befürchtet werde, dass eine Erweiterung des Gefängnisses in Bagram die Bemühungen um eine Stabilisierung Afghanistans erschweren werde.
    Wie die Zeitung weiter schreibt, stehen Washington nur wenige Standorte zur Verfügung, wo Ausländer ohne Zugang zum US-Gerichtssystem inhaftiert und verhört werden könnten. Als Alternative bliebe sonst nur noch, die Verdächtigen an andere Länder auszuliefern oder sie zu töten. Bereits im vergangenen Jahr hätten US-Sondereinheiten einen mutmaßlichen El-Kaida-Verbindungsmann in Somalia bei einem Hubschrauberangriff getötet statt ihn gefangenzunehmen, weil sie nicht wussten, wo sie ihn internieren sollten, berichtet das Blatt.
  • Ein Litauer vertritt die Europäische Union ab dem 1. April als Sonderbeauftragter in Afghanistan. Die EU-Außenminister ernannten den früheren Chefdiplomaten des Baltenlandes, Vygaudas Usackas, am 22. März offiziell in Brüssel. Zugleich übernimmt der Litauer von dem Deutschen Hans-Jörg Kretschmer die Leitung der europäischen Delegation in Kabul.
  • Beim Absturz eines Militärhubschraubers der NATO ist am 23. März im Süden Afghanistans ein türkischer Soldat getötet worden. Wie ein Sprecher des Gouverneurs der Provinz Wardak mitteilte, wurden drei weitere Soldaten schwer verletzt. Demnach setzten zwei Hubschrauber des türkischen Wiederaufbauteams (PRT) zur Landung auf ihrem Stützpunkt in Wardak an. Einer landete sicher, der andere prallte gegen einen Hügel. Die drei Verletzten wurden mit einem Hubschrauber zur Behandlung in die Hauptstadt Kabul gebracht.
  • Der neue Chef der UN-Mission in Afghanistan unterstützt nach eigenen Angaben die Friedensgespräche der Regierung in Kabul mit Verbündeten der Taliban. Die Gespräche seien hilfreich, sagte Staffan de Mistura am 23. März. Er sei außerdem zuversichtlich, das Präsident Hamid Karsai den Wahlprozess reformiere, damit die Parlamentswahl im September nicht ähnlich umstritten verlaufen werde wie die Präsidentenwahl im vergangenen Jahr.
    In Treffen mit Vertretern der Regierung in seiner ersten Woche als Missionschef sei ihm versichert worden, dass die afghanische Wahlkommission konstruktiv umgebildet werde. «Lasst uns offen sein», sagte de Mistura. «Wir sind nicht in der Schweiz. Wir sind in Afghanistan, deshalb wird die Wahl voraussichtlich immer noch nicht perfekt sein.» Doch sie müsse glaubwürdig und allumfassend sein, damit alle Afghanen das Gefühl hätten, daran teilzuhaben.
    Karsais Treffen mit Taliban-Vertretern sollte ein Schritt zur nationalen Versöhnung sein, wie Präsidentensprecher Hamed Elmi am Montag in Kabul mitteilte. Ein Sprecher der vom früheren Ministerpräsidenten Gulbuddin Hekmatyar geführten Gruppe Hisb-i-Islami sagte, das Treffen habe am Morgen des 22. März stattgefunden, und es sollten weitere folgen. Die afghanische Regierung will vor allem einfache Taliban-Kämpfer dazu bewegen, die Waffen niederzulegen.
  • Die Bundesanwaltschaft forciert offenbar das Ermittlungsverfahren im Fall des von deutscher Seite veranlassten Luftangriffs von Kundus in Afghanistan. Nach Informationen von «Spiegel online» sollen keine zwei Wochen nach der offiziellen Eröffnung des Verfahrens der Bundeswehroberst Georg Klein und sein damaliger Flugleitoffizier bei der Bundesanwaltschaft aussagen. Ein Sprecher der Karlsruher Ermittlungsbehörde wollte die Meldung am 23. März auf Anfrage nicht bestätigen. In einer Erklärung der Bundesanwaltschaft heißt es nur, sie sei nach eingehender juristischer Prüfung des ihr vorliegenden Materials zu dem Zwischenergebnis gelangt, dass es sich bei den Kämpfen in Afghanistan um einen «nichtinternationalen bewaffneten Konflikt im Sinne des Völkerstrafgesetzbuches» handelt. Damit sei die Zuständigkeit der Karlsruher Behörde gegeben. Die Bundesanwaltschaft habe daher ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Verstoßes gegen das Völkerstrafgesetzbuch eingeleitet. Dies sei unter anderem deswegen unabdingbar gewesen, weil nur ein förmliches Ermittlungsverfahren die Möglichkeit biete, Zeugenvernehmungen durchzuführen sowie den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren. Den Informationen von «Spiegel online» zufolge haben die Bundesanwälte neben Klein und seinem Flugleitoffizier auch einen an dem Befehl beteiligten Geheimdiensthauptmann sowie einen Hauptfeldwebel als Zeugen vorgeladen. Beide gehörten zur geheimen «Task Force 47», die zur Hälfte aus Elitesoldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) bestehe. Ihre Vernehmungen hätten bereits begonnen.
  • Bei einem den USA zugeschriebenen Raketenangriff im pakistanischen Grenzgebiet zu Afghanistan sind nach Angaben aus Geheimdienstkreisen am 23. März drei Menschen getötet worden. Die beiden Raketen trafen ein Haus in Miran Schah im Stammesgebiet von Nord-Waziristan, wie zwei Gewährsleute erklärten. Über die Identität der Todesopfer war zunächst nichts bekannt. In der Region sind Extremisten des Hakkani-Netzwerks mit Verbindungen zu Al Kaida angesiedelt, das für Angriffe auf NATO-Soldaten in Afghanistan verantwortlich gemacht wird.
  • Bei einem Angriff pakistanischer Regierungstruppen auf einen Stützpunkt von Aufständischen im Grenzgebiet zu Afghanistan sind am 24. März mindestens 14 Menschen getötet worden. Die Streitkräfte setzten bei dem Einsatz in der Stammesregion Orakzai auch Kampfflugzeuge ein, wie die Behörden mitteilten. In den eigenen Reihen sei ein Soldat verletzt worden, sagte ein Sprecher.
  • Der afghanische Präsident Hamid Karsai ist am 24. März in Peking mit seinem chinesischen Kollegen Hu Jintao zusammengetroffen. Beide wollten «internationale und regionale Themen von gemeinsamem Interesse» besprechen, sagte Hu vor dem Termin in der Großen Halle des Volkes. Auf der Tagesordnung dürften Sicherheitsfragen und chinesische Investitionen in Afghanistan stehen. China ist inzwischen einer der großen Investoren am Hindukusch. Er schätze die Unterstützung Chinas, erklärte Karsai. Vor seinem Besuch war sein Sicherheitsberater Rangin Dadfar Spanta für drei Tage in die Volksrepublik gereist, wie das afghanische Außenministerium mitteilte. Nach Angaben aus Peking traf Spanta mit Außenminister Yang Jiechi zusammen.
    China betrachtet unter anderem die Anwesenheit der NATO-Truppen in Afghanistan und damit an der gemeinsamen Grenze mit Sorge. Weitere Themen dürften der islamische Extremismus in der chinesischen Region Xinjiang, der Drogenschmuggel und das zunehmende Engagements Indiens in Afghanistan sein. Die Regierung hat erklärt, Separatisten in Xinjiang seien in Afghanistan ausgebildet worden. Ein chinesisches Unternehmen will unter anderem für drei Milliarden Dollar Kupfervorkommen in Afghanistan erschließen.
  • Afghanistan und China bauen ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit aus. Bei einem Besuch des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai in Peking unterzeichneten beide Seiten am 24. März entsprechende Abkommen. Der chinesische Präsident Hu Jintao erklärte vor einem Treffen mit Karsai, auf der Agenda stünden «internationale und regionale Themen von gemeinsamem Interesse». China ist inzwischen einer der großen Investoren am Hindukusch.
    Vor Karsais Besuch war Sicherheitsberater Rangin Dadfar Spanta für drei Tage in die Volksrepublik gereist, wie das afghanische Außenministerium mitteilte. Nach Angaben aus Peking traf Spanta mit Außenminister Yang Jiechi zusammen.
  • Bei einem Bombenanschlag im Süden Afghanistans sind am 24. März zwei NATO-Soldaten getötet worden. Weitere Einzelheiten teilte das Militärbündnis zunächst nicht mit. In diesem Monat wurden bislang schon 30 NATO-Soldaten in Afghanistan getötet, zumeist bei der Explosion von Sprengsätzen, die Aufständische am Straßenrand versteckt hatten.
  • Mutmaßliche Taliban-Kämpfer haben am 24. März im nordafghanischen Kundus einen Hubschrauber mit deutschen Soldaten an Bord beschossen. Nach Angaben der Bundeswehr wurde niemand verletzt. An Bord des Hubschraubers einer privaten Transportfirma befanden sich demnach zwei deutsche Soldaten des Regionalen Wiederaufbauteams von Kundus sowie Mitglieder der ISAF-Truppen. Der Hubschrauber habe nach dem Beschuss notlanden müssen.
  • Der frühere Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hat kurz vor seiner Anhörung im Kundus-Untersuchungsausschuss erneut die Vorgänge um den verheerenden Luftangriff in Afghanistan verteidigt. Es sei aus seiner Sicht "alles richtig gelaufen", sagte Jung dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (24. März). Jung kündigte an, vor dem Gremium des Bundestages am 25. März in einer 45-minütigen Erklärung zu den Vorgängen um das Bombardement Stellung nehmen zu wollen, bei dem am 4. September 2009 bis zu 142 Menschen getötet wurden. Als Konsequenz aus den Vorgängen war Jung von seinem späteren Amt als Bundesarbeitsminister zurückgetreten.
  • Erwartungen an die afghanische Regierung, die Taliban-Führung zum Niederlegen ihrer Waffen zu bringen, sind nach Worten von US-Verteidigungsminister Robert Gates verfrüht. Vor einem Ausschuss des US-Repräsentantenhauses sagte Gates am 24. März, er halte Verhandlungen zwischen beiden Seiten für notwendig, um eines Tages Frieden nach Afghanistan zu bringen. Damit die Verhandlungen aber auch funktionierten, müsse die afghanische Regierung in einer Position der Stärke sein und die Taliban müsse überzeugt sein, dass ihre Sache verloren sei, sagte Gates. Er fügt hinzu: «Ich glaube nicht, dass wir schon so weit sind.»
  • Der neue UN-Gesandte für Afghanistan, Staffan de Mistura, hat Vertreter der Hesb-i-Islami-Miliz, der zweitgrößten Rebellengruppe des Landes, getroffen, um Möglichkeiten für Friedensgespräche auszuloten. Mistura habe Mitglieder der Miliz von Mudschahedin-Führer Gulbuddin Hekmatjar in Kabul getroffen und sich deren Standpunkte angehört, teilte die UN-Vertretung am 25. März in der afghanischen Hauptstadt mit. Die Begegnung habe in Abstimmung mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai stattgefunden. Details über die Gespräche wurden nicht mitgeteilt.
  • Die Vereinten Nationen haben die Abschaffung eines umstrittenen Amnestie-Gesetzes in Afghanistan verlangt, das mutmaßliche Kriegsverbrecher vor Strafverfolgung schützt. Das Gesetz gebe Anlass zu "echter Besorgnis", sagte die Afghanistan-Beauftragte der UN-Menschenrechtskommissarin, Norah Niland, am 25. März in Kabul. Pauschale Amnestien seien nicht nur in Afghanistan problematisch. Aber ein Land, das gerade aus einer Krise herauskomme, müsse sich mit seiner Vergangenheit beschäftigen. Daher fordere das UN-Menschenrechtskommissariat genauso wie Menschenrechtsorganisationen und die afghanische Zivilgesellschaft eine Rücknahme des Gesetzes.
  • Die pakistanischen Streitkräfte verschärfen ihr Vorgehen gegen Islamisten in der Stammesregion Orakzai. Bei Luftangriffen in der an der Grenze zu Afghanistan gelegenen Region kamen am 25. März nach Geheimdienstangaben 61 »mutmaßliche Extremisten« ums Leben. Ziele waren nach Angaben örtlicher Behörden eine Moschee, eine Schule und ein Religionsseminar. Dem Angriff gingen Informationen voraus, wonach sich in dem Seminar eine Gruppe von Taliban-Führern getroffen haben soll.
  • Bei Gefechten und einem mutmaßlichen US-Raketenangriff sind im pakistanischen Grenzgebiet zu Afghanistan am Wochenende (27./28. März) 14 Menschen ums Leben gekommen. Zehn Aufständische wurden von Regierungstruppen getötet, als sie einen Militärstützpunkt in der Stammesregion Orakzai angriffen, wie ein Behördensprecher am Sonntag mitteilte. Eine den USA zugeschriebene Drohnenattacke in Nordwasiristan kostete nach Angaben aus Geheimdienstkreisen am Samstag vier Menschen das Leben. Die Raketen trafen zwei Häuser, wie zwei Gewährsleute erklärten.
  • Sechs Stunden dauerte die erste Visite des US-Präsidenten Barack Obama in Afghanistan. Obama landete am 28. März mit dem Präsidentenflugzeug bei Dunkelheit am Abend auf dem im Norden der afghanischen Hauptstadt gelegenen US-Luftwaffenstützpunkt. Dort wurde er von NATO-Kommandeur Stanley McChrystal und US-Botschafter Karl Eikenberry empfangen, bevor er in einen Hubschrauber schließlich zu Karsai gelangte.
    Obama verlangte von Karsai, doch eine »entschlossenere Korruptionsbekämpfung auch in den eigenen Reihen« vorzunehmen sowie »mehr Engagement für den zivilen Aufbau« zu zeigen.
    Anschließend hielt Obama auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Bagram eine Rede vor 2500 US-Soldaten. Bis zur Beendigung des seit acht Jahren andauernden Krieges müssten »noch einige schwierige Tage überstanden« werden, sagte er. Es werde »auch Rückschläge« geben, doch würden die USA »nicht einfach abziehen«, sie würden letztlich gewinnen. »Wir werden unseren Job erledigen.«
Montag, 29. März, bis Mittwoch, 31. März
  • Ungeachtet zunehmender Kritik am Aufbau der afghanischen Polizei hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am 29. März in Kundus ein weiteres Ausbildungszentrum eröffnet. In gewohntem Zweckoptimismus sprach der CDU-Politiker von einem »weiteren Baustein« im zivilen Aufbau des Landes. Berichte deutscher Polizisten, die vom Hindukusch zurückkehren, zeichnen ein ganz anderes Bild. Es sei zu beobachten, wie teure High-Tech-Ausrüstung »in Abstellräumen des Innenministeriums oder in Polizeihauptquartieren angehäuft wird und verrottet, sobald sich die internationalen Polizeiausbilder zurückziehen«, heißt es in der März-Ausgabe der Gewerkschaftszeitschrift Deutsche Polizei, herausgegeben von der GdP.
    Ähnlich sieht das offenbar die britische Regierung, wie die britische Tageszeitung The Independent am 28. März berichtete. Die Ausbildung afghanischer Polizisten durch die Besatzer ist nach Einschätzung des britischen Außenministeriums bislang derart desolat und ergebnislos verlaufen, daß die Abzugspläne Makulatur werden. Das in London erscheinende Blatt zitierte aus internen Regierungsunterlagen, denen zufolge die afghanische Polizei von »Korruption, Desertion und Drogenmißbrauch« gekennzeichnet sei.
  • Beim Absturz eines Militärhubschraubers im Süden Afghanistans sind nach Polizeiangaben 14 Menschen verletzt worden. Unter den Verwundeten seien ausländische und afghanische Soldaten, sagte der stellvertretende Polizeichef der Provinz Sabul, Dschilani Farah, am 29. März. Die NATO-Truppe ISAF bestätigte, daß es bei einem Hubschrauberabsturz Verletzte gegeben habe, nannte aber keine Zahlen. Die Ursache des Absturzes werde untersucht.
  • US-Außenministerin Hillary Clinton hat an Kanada appelliert, den für nächstes Jahr geplanten Abzug seiner Soldaten aus Afghanistan zu überdenken. Die USA würden es begrüßen, wenn die kanadischen Truppen über das Jahr 2011 hinaus in Afghanistan präsent blieben, sagte Clinton am Abend des 29. März in einem Interview des kanadischen Fernsehsenders CTV. »Die Truppen könnten dann vom Kämpfen stärker zur Ausbildung übergehen und logistische Aufgaben übernehmen«, schlug die US-Außenministerin vor. Die kanadische Regierung hatte im November angekündigt, ihre rund 2900 Soldaten in Südafghanistan bis Sommer 2011 abzuziehen.
  • Für bevorstehende Osterwochenende wurden am 31. März bundesweit 70 bis 80 Aktionen angekündigt. Hauptthemen sind die Abschaffung der Atomwaffen und die Beendigung des Afghanistan-Krieges. Die Friedensbewegung fordert den Abzug der Bundeswehr und die Umwidmung der Gelder für zivile Projekte nach den Bedürfnissen derafghanischen Bevölkerung. (Weitere Berichte siehe unser Ostermarsch-Dossier!)
  • Eine auf einem Fahrrad versteckte Bombe hat am 31. März in Südafghanistan mindestens 13 Menschen in den Tod gerissen. 45 Menschen wurden laut Polizei bei dem Anschlag verletzt, darunter zahlreiche Kinder. Das Attentat wurde nördlich von Laschkar Gah in der Provinz Helmand verübt. Ein Sprecher der Provinzregierung sagte, Menschen hätten sich in der Gegend versammelt gehabt, um kostenloses Saatgut zu erhalten. Die Verteilung gehöre zu einem Regierungsprogramm, um Bauern vom Schlafmohnanbau abzuhalten. Niemand bekannte sich zunächst zu dem Anschlag.


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