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Chronik Afghanistan

August 2009


Samstag, 1. August bis Sonntag, 9. August
  • Der Kommandeur der internationalen Schutztruppe in Afghanistan, Stanley McChrystal, sagte am 3. August in einem Interview mit „Spiegel Online“, er sei besorgt über die Lage im Raum Kundus und verlange von der Bundeswehr mehr Einsätze gegen die radikal-islamischen Taliban. Die Taliban wollten im Norden eine Enklave aufbauen und würden dabei aus dem Süden unterstützt.
  • Bei einem Bombenanschlag sind am 3. August in der westafghanischen Provinz Herat zwölf Menschen getötet und 26 verletzt worden, als der am Straßenrand versteckte Sprengsatz explodierte. Ziel des Attentats sei der Bezirkspolizeichef gewesen, der bei der Detonation schwer verwundet wurde.
  • In einem Internet-Interview hat der der Al-Kaida-Vize-Chef Ajman Al-Sawahri US-Präsident Obama Bedingungen für eine Waffenruhe gestellt. Das Angebot an Obamas Vorgänger George W. Bush sei noch immer auf dem Tisch. Obama müsse aber zumindest die US-Truppen aus allen Ländern des Islam abziehen. Der Westen dürfe zudem nicht länger "korrupte und abtrünnige Regime in der muslimischen Welt" unterstützen und alle inhaftierten Moslems freilassen.
  • Am 4. August haben die Taliban das Diplomatenviertel in Kabul mit Raketen beschossen. Niemand wurde getötet, es gab lediglich einige Sachschäden. Die afghanische Regierung schätzt die Sicherheitslage in Afghanistan als äußerst schlecht ein. Wie aus einer von Innenministerium und Militär erstellten Karte hervorgeht, die der Nachrichtenagentur Reuters am 5. August vorlag, drohen in fast der Hälfte des Landes Angriffe durch Taliban oder andere Aufständische. 133 von 356 Distrikte gelten demnach als hochgefährdet. Mindestens 13 von ihnen befinden sich den Aufzeichnungen zufolge sogar unter feindlicher Kontrolle.
  • Am 5. und 6. August wurden bei zwei Anschlägen in der Provinz Helmand fünf Zivilisten und fünf Polizisten getötet. Die Anschläge zeigen die Eskalation der Gewalt insbesondere in Südafghanistan, wo heftige Kämpfe zwischen den Taliban und dem US-Militär toben.
  • Bei Gefechten nahe der nordafghanischen Stadt Kundus wurde am 8. August ein deutscher Soldat verwundet. Die Bundeswehrsoldaten seien etwa vier Kilometer nordwestlich vom Flughafen Kundus mit Handwaffen beschossen worden, gefolgt von einem Feuergefecht mit den Aufständischen.
Montag, 10. August, bis Sonntag, 16. August
  • Am 10. August warnt Isaf-Chef US-General Stanley McChrystal, dass die Taliban ihren Einfluss über ihre traditionellen Hochburgen im Süden und Osten des Landes hinweg auf den Norden und den Westen des Landes ausgeweitet hätten. Die erneute Welle von Anschlägen zeigt, dass die Taliban aggressiv gegen die internationalen Truppen vorgehen. In Kundus sprengte sich ein Selbstmordattentäter neben einem Konvoi belgischer und afghanischer Soldaten in die Luft. In der Stadt Pule Alam griffen Taliban-Kämpfer mehrere Regierungsgebäude an, darunter unter Anderem den Amtssitz des Gouverneurs, und töteten nach Angaben einer Hilfsorganisation mindestens fünf Polizisten.
  • Vier ausländische und mindestens drei afghanische Soldaten wurden am 11. August bei neuen Angriffen vor der Präsidentenwahl in Afghanistan getötet. Drei US-Soldaten starben im Süden Afghanistans, im Osten des Landes wurde ein polnischer Soldat getötet. Außerdem wurden in der östlichen Provinz Ghasni nach Angaben der Polizei bis zu acht afghanische Soldaten bei einem Angriff auf ihren Versorgungskonvoi getötet. Auch die Zahl an getöteten Zivilisten hat zugenommen. In der nordafghanischen Provinz Tachar wurden nach einer Reihe von Angriffen auf Kandidaten und Wahlhelfer zwei Stammesälteste erschossen und drei weitere verletzt. In der Provinz Kandahar starben vier Zivilisten, 16 weitere wurden verletzt, als am Straßenrand verborgene Sprengsätze nahe zwei Autos explodierten.
  • Der frühere afghanische Präsident Burhanuddin Rabbani überstand am 13. August nur knapp einem Taliban-Überfall in Kundus, als seine Wagenkolonne mit Panzerabwehrraketen beschossen wurde.
  • Am 15. August sprengte sich ein Selbstmordattentäter vor dem Nato-Hauptquartier in Kabul in die Luft und tötete dabei mindestens sieben Menschen und verletzte knapp 100, darunter ISAF-Soldaten und Regierungsmitarbeiter. Die Taliban bekannten sich zu dem Anschlag. Ziel sei die nahe gelegene US-Botschaft gewesen, der Angreifer habe aber nicht bis dorthin vordringen können, sagte ein Sprecher der Taliban.
Montag, 17. August, bis Sonntag, 23. August
  • Der frühere Miliz-Chef Abdul Raschid Dostum kehrte am 17. August aus dem türkischen Exil nach Afghanistan zurück, auf Einladung des afghanischen Präsidenten Hamid Karzais. Das Wahlbündnis wird von der UN und den USA stark kritisiert, da Dostum Kriegsverbrechen während der afghanischen Bürgerkriegsjahre vorgeworfen werden. Die Rückkehr Dostums ist ein deutliches Zeichen des Endspurts im afghanischen Präsidentschaftswahlkampf, der laut Gesetz zwei Tage vor der Abstimmung beendet werden muss. Der amtierende Präsident Karzai geht Umfragen zufolge mit einem Stimmenanteil von 45 Prozent als klarer Favorit in die Abstimmung am 20. August. Dennoch wird es wahrscheinlich eine Stichwahl sechs Wochen später geben, in der Karzai auf seinen größten Konkurrenten der mehr als 30 Kandidaten, den früheren Außenminister Abdullah Abdullah, treffen wird.
  • Am 17. August haben die Taliban die Hauptstadt Kabul mit Raketen beschossen. Eine schlug auf dem Gelände des Präsidentenpalastes ein, eine zweite Rakete traf das nahe gelegene Polizeipräsidium. Verletzt wurde niemand. Auch die Bundeswehr wurde im Problem-Distrikt Chahar Darreh nahe Kundus mit Panzerfäusten beschossen.
  • US-Präsident Barack Obama hat bei einer Rede am 17. August betont, dass der Afghanistan-Krieg es wert sei, geführt zu werden. Der Krieg gegen die Taliban sei notwendig, um al-Kaida Rückzugsgebiete zu nehmen. Auch ein längerer Kampfeinsatz sei möglicherweise notwendig.
  • Am 18. August gab es erneut einen Selbstmordanschlag auf ausländische Truppen in Kabul. Dabei wurden sieben Menschen getötet und 52 weitere verletzt. Ziel des Anschlags mit einer Autobombe sei ein Militärkonvoi der westlichen Streitkräfte gewesen, sagte ein Polizeisprecher.
  • Der früheren Sprecher der radikal-islamischen Taliban in Pakistan, Maulvi Omar, wurde am 18. August festgenommen. Omar war ein enger Gehilfe von Pakistans Taliban-Chef Baitullah Mehsud, der Anfang des Monats vermutlich bei einem Luftangriff der US-Armee getötet wurde. Mehsuds Tod wurde bisher noch nicht offiziell bestätigt. Pakistanische Medien berichteten, es gäbe momentan innerhalb der pakistanischen Taliban einen Streit um seine Nachfolge.
  • Am 19. August besetzten Taliban-Kämpfer eine Bank in Kabul und lieferten sich stundenlange Schießereien mit der Polizei. Nach offiziellen Angaben wurden alle drei Angreifer getötet. Für den Wahltag am 20. August hat die Regierung in- und ausländischen Medien die Berichterstattung über Anschläge verboten, damit die Bevölkerung nicht von der Stimmabgabe abgehalten wird.
  • SPD-Kanzlerkandidat und Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte in einem Interview am 20. August, dass er davon ausgehe, dass die Bundeswehr bis 2019 aus Afghanistan abgezogen sein wird. Besonders wichtig seien Fortschritte bei der Ausbildung und Ausstattung der afghanischen Armee und Polizei. Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung sagte der ARD, die Bundeswehr solle nach der Präsidentenwahl in unverminderter Stärke in Afghanistan bleiben.
  • Unter massiven Sicherheitsvorkehrungen fand am 20. August die afghanische Präsidentenwahl statt. Die befürchtete große Anschlagswelle der Taliban blieb aus. In der südafghanischen Stadt Kandahar gingen kurz vor Öffnung der Wahllokale mehrere kleine Raketen nieder, wahrscheinlich wurden vier Menschen verletzt. In der Hauptstadt Kabul blieben Geschäfte und Büros geschlossen, Polizisten und drei mutmaßliche Taliban-Kämpfer lieferten sich außerdem einen heftigen Schusswechsel, bei dem zwei der Attentäter ums Leben kamen. In der nördlichen Provinz Baghlan töteten Taliban bei einem Angriff auf eine Polizeiwache den Chef des Distrikts. In der Stadt Gardes verfehlten nach offiziellen Angaben zwei Selbstmordbomber auf Motorrädern ihre Ziele und verletzten niemanden, als sie sich in die Luft sprengten. Aus den Städten Kandahar, Laskar Gah, Ghasni und Kundus wurden Raketenangriffe gemeldet. Im Hauptquartier der nördlichen Provinz Takhar explodierte eine Bombe, die nach Polizeiangaben aber nur Sachschaden anrichtete. Trotz der Gefahr von Anschlägen war die Wahlbeteiligung ersten Berichten zufolge hoch. Behörden, Vereinte Nationen und unabhängige Beobachter meldeten aus allen Landesteilen eine rege Beteiligung an der zweiten Präsidentenwahl seit dem Sturz der Taliban in 2001.
  • Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich verärgert über die Kritik am Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr geäußert. "Es ist nicht hilfreich, in einer für die deutschen Soldaten sehr schwierigen Situation, den Sinn des Einsatzes in Frage zu stellen», sagte sie in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Ausgabe vom 21. Aug.). Die Kanzlerin distanzierte sich vom früheren CDU-Verteidigungsminister Volker Rühe, der den Einsatz ein Desaster genannt hatte. Sie stimme weiterhin dem Satz zu, dass Deutschlands Sicherheit auch am Hindukusch verteidigt werde, sagte Merkel. Die Attentäter vom 11. September seien in Afghanistan ausgebildet worden, später die Attentäter von London und Madrid und auch die sogenannten Sauerland-Gruppe, die Anschläge in Deutschland geplant hatte. Ziel des internationalen Einsatzes sei es, Afghanistan in die Lage zu versetzen, selbst für seine Sicherheit sorgen zu können. Das sei noch nicht der Fall.
  • Im Norden Afghanistans gerieten erneut deutsche Soldaten unter Beschuss. Die Ausbilder waren mit einer afghanischen Patrouille unterwegs, die 55 Kilometer östlich des Ortes Meymaneh von Aufständischen angegriffen wurde, wie das Einsatzführungskommando der Bundeswehr mitteilte. Die Patrouille habe das Feuer erwidert und die Angreifer verfolgt. Drei Aufständische seien in Gewahrsam genommen worden. Afghanische oder deutsche Soldaten seien nicht verletzt worden. (AP, 20. Aug.)
  • Überschattet von Anschlägen ist in Afghanistan am 20. Aug. der künftige Präsident des Landes gewählt worden. Bei den Gewalttaten im ganzen Land kamen mindestens 26 Menschen ums Leben, wie die Sicherheitsbehörden in Kabul mitteilten. Bei den Opfern handele es sich um neun Zivilpersonen, neun Polizisten und acht afghanische Soldaten. Anschläge gab es auch im Norden, wo deutsche Soldaten stationiert sind. Nach der Schließung der Wahllokale begann am Abend die Auszählung der Stimmen unter schwierigen Bedingungen.
    Aus allen Landesteilen wurde im Laufe des Tages ein schleppender Wahlverlauf gemeldet. Erst am Nachmittag sei die Beteiligung etwas reger geworden, hieß es. Die Behörden verlängerten die Abstimmung kurzfristig um eine Stunde. Dennoch wurde dem Wahlleiter zufolge höchstens eine Beteiligung von 40 bis 50 Prozent der 15 Millionen registrierten Wähler erzielt.
  • Der UN-Sicherheitsrat hat Afghanistan Anerkennung für die Abhaltung der Präsidentschaftswahlen gezollt. Wie der britische UN-Botschafter John Sawers am 20. Aug. erklärte, verurteilte das Gremium zugleich die Versuche von Aufständischen, den Urnengang durch Anschläge zu behindern.
  • Die Präsidenten- und Provinzwahlen in Afghanistan sind in den meisten Landesteilen ohne die befürchteten großen Anschläge vonstatten gegangen. Dennoch kamen bei einzelnen Gewalttaten dutzende Menschen ums Leben. Politiker zeigten sich weitgehend zufrieden mit dem Verlauf des Urnengangs, zu dessen Boykott die radikalislamischen Taliban aufgerufen hatten.
    Neun Zivilisten, neun Polizisten und acht Soldaten seien getötet worden, teilten Innenminister Hanif Atmar und Verteidigungsminister Abdul Rahim Wardak mit. 28 weitere Menschen seien verletzt worden. Insgesamt wurden demnach 153 Gewalttaten gemeldet. Fünf Selbstmordattentate seien vereitelt worden.
    Der schwerste Zwischenfall wurde aus dem Norden gemeldet: Aufständische stürmten die Kleinstadt Baghlan aus mehreren Richtungen und verhinderten dort die Öffnung der Wahllokale. Bei den heftigen Kämpfen wurden nach Angaben der Provinzpolizei 30 Aufständische getötet. Die Abstimmung wurde anschließend nachgeholt.
    Auch in der Provinz Herat kam es zu Zwischenfällen. Aufständische stürmten drei Wahllokale und zündeten die Urnen an. In der Provinz Kundus wurde ein Angriff auf ein Wahllokal vereitelt. In Kabul lieferten sich Sicherheitskräfte und Aufständische einen zweistündigen Schusswechsel nahe einer Polizeistation. Dabei wurden mindestens zwei Menschen getötet.
    Das afghanische Volk habe es trotz "Raketen, Bomben und Einschüchterungen" gewagt, wählen zu gehen, sagte Präsident Hamid Karsai nach Schließung der Wahllokale in Kabul. Es sei ein "guter Tag für das Land" gewesen. 95,5 Prozent der landesweit 6500 Wahllokale waren laut Wahlkommission geöffnet. Rund 300.000 einheimische und ausländische Sicherheitskräfte waren aufgeboten, um die Wahllokale abzusichern.
    Auch die USA lobten den Mut der Afghanen. "Wir hatten eine offenbar erfolgreiche Wahl in Afghanistan - trotz der Bemühungen der Taliban, sie zu stören", sagte US-Präsident Barack Obama im US-Rundfunk. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erklärte, die Afghanen hätten gezeigt, dass sie "Stabilität und Entwicklung" für ihr Land wünschten.
    Die "zynische Rechnung" der Taliban, die Wahlen mit allen Mitteln zu verhindern, sei nicht aufgegangen, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Trotz der Anschlagsdrohungen hätten sich vielerorts Schlangen vor den Wahllokalen gebildet.
    Die Stimmenzählung nach der Präsidentenwahl in Afghanistan ist nach Angaben der Wahlkommission beendet. Voraussichtlich 40 bis 50 Prozent der Wahlberechtigten hätten sich an dem Urnengang beteiligt, teilte die Kommission am 21. Aug. mit.
  • Das Lager von Amtsinhaber Hamid Karsai beanspruchte den Sieg bei der Präsidentenwahl ebenso für sich wie das Team seines Herausforderers Abdullah Abdullah. Karsai liege nach seinen bisherigen Informationen weit vorn, sagte der Chef seines Wahlkampfteams, Din Mohammed, am 21. Aug. gegenüber AFP. Abdullah-Sprecher Sajed Aka Fasil Sanscharaki sagte, nach seinen Informationen aus den Wahllokalen habe Abdullah 63 Prozent geholt, Karsai dagegen nur 31.
    Die afghanische Wahlkommission (IEC) forderte die Teams der Kandidaten auf, bei ihren Äußerungen "vorsichtig" und "geduldig" zu sein. Es sei Aufgabe der Wahlkommission, die Ergebnisse zu verkünden, sagte ein IEC-Sprecher am 21. Aug.
  • Nach den Wahlen in Afghanistan haben Taliban einen Lastwagen attackiert, der Stimmzettel transportierte, und dabei einen Wahlhelfer getötet. Wie die Polizei mitteilt, griffen die Rebellen das Fahrzeug, das Wahlunterlagen aus dem nordafghanischen Dorf Siagird nach Masar-i-Scharif bringen sollte, am Abend des 20. Aug. mit einer Panzerabwehrrakete an. Der Lastwagen sei dadurch in Brand geraten; ein Wahlhelfer sei ums Leben gekommen. Der Vorfall ereignete sich demnach direkt vor Masar-i-Scharif. Diese Region, in der auch Bundeswehr-Soldaten stationiert sind, gilt als vergleichsweise ruhig.
    Die Wahlkommission teilte mit, dass vom Beginn der Vorbereitungen bis zur Wahl am Donnerstag elf Wahlhelfer getötet wurden. Die Behörde machte jedoch keine Angaben dazu, wie sie zu Tode kamen.
  • Beim mutmaßlichen Angriff einer unbemannten US- Drohne in Pakistan sind mindestens 12 Menschen getötet worden. Der Angriff erfolgte in den Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan. Nach pakistanischen Angaben vom 21. Aug. wurde das Haus einer Flüchtlingsfamilie von zwei Raketen getroffen. Anschließend hätten Taliban-Kämpfer Posten der Sicherheitskräfte angegriffen. Es sei zu stundenlangen Feuergefechten gekommen. Nord-Waziristan gilt als Hochburg der Taliban und der mit ihnen verbündeten El-Kaida-Terroristen.
    Einen Tag nach einem mutmaßlichen US-Raketenangriff im Nordwesten Pakistans sind weitere Leichen aus dem Trümmern geborgen worden. Die Gesamtzahl der Toten erhöhte sich bis Samstagmittag (22. Aug.) auf 21, wie die Behörden mitteilten. Örtlichen Stammesführern zufolge befanden sich unter den Opfern auch sechs Kinder.
    Der Angriff hatte offensichtlich dem afghanischen Taliban-Führer Siradsch Hakkani gegolten, der dort seine Hochburg hat. Ob Hakkani getroffen wurde, blieb unklar. Er wird für zahlreiche Anschläge in Afghanistan verantwortlich gemacht. Sein Vater Dschalaludin Hakkani, ein ranghoher Taliban der ersten Stunde, soll enge Verbindungen zum Terrornetzwerk Al Kaida haben.
    Die USA werden für mehr als 40 Luftangriffe seit Jahresbeginn in den nordwestlichen pakistanischen Stammesgebieten verantwortlich gemacht. Bei einem solchen Angriff am 5. August wurde allem Anschein nach der pakistanische Taliban-Führer Baitullah Mehsud getötet.
  • Als Sieg für die Demokratie in Afghanistan hat die Europäische Union die Präsidenten- und Provinzratswahlen gewürdigt. Nun müsse die Auszählung der Stimmen mit größter Transparenz erfolgen, forderte die außenpolitische EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner am 22. Aug. in Brüssel. Es sei sicherzustellen, dass die gewählten Kandidaten während ihrer Amtszeit die volle Unterstützung der Öffentlichkeit genössen. - Die EU hat für die Wahl ein Beobachterteam unter der Leitung von Philippe Morillon nach Afghanistan entsandt. Der französische Parlamentarier Morillon hat vor rund 15 Jahren als General die UN-Truppen während des Krieges in Bosnien-Herzegowina befehligt.
  • SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier will im Falle eines Sieges bei der Bundestagswahl einen "konkreten Fahrplan" für den Abzug der deutschen Soldaten aus Afghanistan aushandeln. Er werde "als Kanzler darauf drängen, dass wir mit der neuen afghanischen Regierung eine klare Perspektive für Dauer und Ende des militärischen Engagements erarbeiten", sagte der Außenminister dem Nachrichtenmagazin "Spiegel" (22. Aug.). Dabei sollten konkretere Zielvorgaben als bisher für die schrittweise Übernahme der Verantwortung durch die afghanische Polizei und Armee festgelegt werden. Jetzt schon ein Datum für den Abzug der Bundeswehr festzulegen, nannte Steinmeier aber unverantwortlich, weil das "nur die Taliban ermuntern würde, sich bis dahin auf die Lauer zu legen". Er warf zugleich Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) vor, bloß für "zehn Jahre weiter so" zu plädieren. Die CDU solle ihr "bedenkliches Hickhack" in der Abzugsdebatte beenden, sagte Steinmeier weiter mit Blick auf die Forderung von Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU), in zwei Jahren den Abzug der deutschen Soldaten einzuleiten. Deutschland könne sich nicht einseitig aus der internationalen Zusammenarbeit zurückziehen, hob der Außenminister im Deutschlandfunk hervor.
    Gegen einen übereilten Abzug wandte sich FDP-Chef Guido Westerwelle. "Es geht in Afghanistan vor allem darum, unsere Sicherheit hier in Deutschland zu verteidigen - gegen Terroristen, die uns auch schon deshalb ans Leder wollen, weil bei uns Männer und Frauen gleichberechtigt sind," sagte Westerwelle der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (Ausgabe vom 23. Aug.).
  • Gut zwei Wochen nach dem vermuteten Tod des pakistanischen Taliban-Führers Baitullah Mehsud hat die radikalislamische Miliz einen Nachfolger bestimmt. Mehsuds bisheriger Stellvertreter Hakimullah Mehsud sei zum neuen Führer ernannt worden, sagten ranghohe Kommandeure am 22. Aug. der Nachrichtenagentur AP. Sein Vorgänger war allem Anschein nach am 5. August bei einem US-Raketenangriff getötet worden. Ein 42-köpfiger Rat der Taliban habe Hakimullah am Vortag (21. Aug.) einstimmig ernannt, da Baitullah erkrankt sei, sagte ein enger Vertrauter von Maulvi Faqir Mohammad, einem weiteren Stellvertreter Baitullahs.
    Hakimullah galt bereits zuvor als aussichtsreicher Nachfolger von Baitullah. Der 28-Jährige hatte den Ruf, der skrupelloseste unter Baitullahs Stellvertretern zu sein. Er befehligte bisher die Taliban in drei Stammesregionen. Nach Angaben der Behörden stand er hinter mehreren Anschlagsdrohungen auf ausländische Botschaften. Hakimullah bekannte sich auch zu dem Anschlag auf das Luxushotel Pearl Continental in Peshawar im Juni, bei dem mindestens elf Menschen getötet wurden. Auf ihn ist ein Kopfgeld von 10 Millionen Rupien (84.000 Euro) ausgesetzt.
  • Im vergleichsweise ruhigen Norden Afghanistans sind bei einem Bombenanschlag sechs einheimische Polizisten getötet worden. Der am Straßenrand versteckte Sprengsatz tötete nahe der Stadt Baghlan den Kommandeur einer Spezial-Polizeieinheit der Provinz Baghlan und fünf weitere Polizisten, wie das Innenministerium am 23. Aug. mitteilte.
  • Nahe Kundus in Afghanistan ist erneut eine Patrouille der Bundeswehr von Aufständischen angegriffen worden. Wie die Bundeswehr am 23. Aug. mitteilte, wurde bei dem Angriff am Tag zuvor eines der gepanzerten Fahrzeuge beschädigt, mit denen die Gruppe unterwegs war. Soldaten seien aber nicht verletzt worden. Die Patrouille, die afghanische Behörden beim Transport von Wahlunterlagen unterstützte, setzte die Fahrt den Angaben zufolge fort und erreichte die örtliche Polizeistation. Die Wahlunterlagen seien vollständig ausgeliefert worden.
  • Vorwürfe von Wahlbetrug im großen Stil haben nach den Präsidenten- und Provinzwahlen in Afghanistan am Wochenende (22./23. Aug.) Enttäuschung und Sorge ausgelöst. Die afghanische Beschwerde-Kommission erhielt nach Angaben vom Sonntag bereits 225 Eingaben wegen Unregelmäßigkeiten im Wahlablauf, auch Wahlbeobachter erhoben den Vorwurf massiver Fälschungen.
    Die Beschwerden beträfen Gewalt, Einschüchterungen von Wählern und Manipulationen an den Urnen, sagte Kommissionspräsident Grant Kippen. Klagen gab es demnach auch wegen Beeinflussung des Wahlvorgangs und weil die Methode zur Verhinderung mehrfacher Stimmabgabe versagt haben soll: Die angeblich vorerst nicht abwaschbare Tinte, mit der die Zeigefinger der Wähler gekennzeichnet wurden, ließ sich demnach rasch entfernen. 35 Beschwerden wurden als besonders wichtig eingestuft, haben also potenziell Einfluss auf die Ergebnisse der Wahlen.
    Die afghanische Stiftung Freie und Faire Wahlen in Afghanistan (FEFA) erhob ihrerseits schwere Betrugsvorwürfe. FEFA-Beobachter berichteten Stiftungsleiter Nader Nadery zufolge von Einschüchterungen, mehrfacher Stimmabgabe, von Urnengängen Minderjähriger, Betrug und manipulierten Urnen. Sie beklagten, Wahlhelfer seien nicht neutral gewesen und dass manche Wahllokale vorzeitig geschlossen hätten. So seien etwa 650 für Frauen reservierte Wahllokale geschlossen geblieben. Zwei Wählern in Kandahar trennten Aufständische nach FEFA-Angaben je einen mit Tinte gekennzeichneten Finger ab.
  • Die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechtert sich nach Einschätzung von US-Generalstabschef Admiral Mike Mullen immer mehr. Das internationale Terrornetzwerk El Kaida ist nach Einschätzung von US-Generalstabschef Mike Mullen zu neuen Anschlägen in den USA in der Lage. El Kaida sei nahezu acht Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001 noch immer "befähigt" und "darauf fixiert", Attentate in den USA zu verüben, sagte Mullen dem TV-Sender NBC am 23. Aug. Dazu habe El Kaida auch die finanziellen Möglichkeiten und die Ausbildungskapazitäten.
    Die Lage in Afghanistan sei "ernst" und verschlechtere sich, sagte Mullen. Die aufständischen Taliban hätten ihr militärisches Potenzial erhöht. Daher sei der Kampf gegen den Extremismus in Afghanistan umso dringlicher. Es stimme ihn nachdenklich, dass der Rückhalt für den US-Militäreinsatz in Afghanistan Umfragen zufolge abgenommen habe. US-Präsident Barack Obama hat den Militäreinsatz in Afghanistan zu einer Priorität seiner Politik erklärt. Die US-Truppenkontingente dort sollen in diesem Jahr um 21.000 Soldaten aufgestockt werden.
Montag, 24. August, bis Montag, 31. August
  • In den Stammesgebieten im Nordwesten Pakistans haben Unbekannte einen afghanischen Journalisten erschossen. Der 40-Jährige sei aus Afghanistan kommend mit einem Bus auf dem Weg nach Peshawar gewesen, als Aufständische das Fahrzeug nahe der Stadt Jamrud im Bezirk Khyber stoppten, teilte ein Behördenvertreter am 24. Aug. in Jamrud mit. Sie zerrten den Journalisten demnach aus dem Bus und erschossen ihn. Der Journalist arbeitete unter anderem für den afghanischen Fernsehsender Schamschad.
  • Ein verheerender Anschlag mit mindestens 36 Toten hat am 25. Aug. die Bekanntgabe der ersten Ergebnisse der Präsidentenwahl in Afghanistan überschattet. Der schwere Anschlag ereignete sich in der südafghanischen Stadt Kandahar. Neben den fast 40 Todesopfern sind mindestens 64 Verletzte zu beklagen, wie die Polizei mitteilte. Nach Behördenangaben detonierten fünf Autobomben gleichzeitig vor dem Gebäude einer japanischen Baufirma, die viele Pakistaner beschäftigt. Das Firmengebäude sei völlig zerstört worden, berichtete ein Reporter der AP. Dutzende umliegende Gebäude seien beschädigt worden.
    Ebenfalls im Süden Afghanistans wurden bei einer Bombenexplosion vier US-Soldaten getötet, wie eine Sprecherin der Streitkräfte mitteilte.
  • Wie die Wahlkommission am 25. Aug. mitteilte, liegen Amtsinhaber Hamid Karsai und der frühere Außenminister Abdullah Abdullah gleichauf. Nach Auszählung von rund zehn Prozent der Stimmen kamen demnach beide auf etwa 40 Prozent. Den ersten Ergebnissen zufolge kam Karsai nach Auszählung von 524.000 gültigen Stimmen aus 22 der 34 Provinzen auf 40,6 Prozent, während Abdullah 38,7 Prozent für sich verbuchen konnte. Angesichts von nur zehn Prozent ausgezählten Stimmen sind allerdings noch weitreichende Veränderungen möglich. Nach Angaben der Wahlkommission wurden bislang in der Provinz Kandahar weniger als zwei Prozent der Stimmen ausgezählt, in Helmand noch gar keine. Beide Provinzen sind das Herzland der Paschtunen, zu deren Volksgruppe Karsai gehört. Sein Stimmenanteil könnte daher noch deutlich ansteigen.
    Abdullah erklärte unmittelbar vor Bekanntgabe der ersten Ergebnisse, es habe massiven Wahlbetrug gegeben. Wenn dies ignoriert werde, würde für die nächsten fünf Jahre ein System legitimiert, das «alle Institutionen zerstört und alle Gesetze gebrochen hat». Beobachter befürchten, dass es bei Protesten seiner Anhänger zu Ausschreitungen kommen könnte, falls Abdullah nicht mindestens in die Stichwahl kommt. Sechs weitere Präsidentschaftskandidaten prangerten in einer gemeinsamen Erklärung ebenfalls massive Unregelmäßigkeiten an.
  • Die Bundeswehr hat wegen einiger Fälle von Schweinegrippe ihre Afghanistan-Flüge für Zivilisten stark eingeschränkt. Wie ein Sprecher des Einsatzführungskommandos in Potsdam am 25. Aug. der AP sagte, sind über das Wochenende 25 Fälle am Stützpunkt in Masar-i-Sharif aufgetreten. Inzwischen habe sich die Zahl auf fünf reduziert. Die Quarantäne-Bestimmungen müssten aber aufrechterhalten werden, «um den Einsatz nicht zu gefährden». Das betreffe vor allem Reisen von Journalisten mit der Bundeswehr.
  • Bei einem Bombenanschlag der Taliban am nordafghanischen Bundeswehr-Standort Kundus ist am 26. Aug. der Chef der Provinz-Justizbehörde getötet worden. Ein Sprengsatz sei am Morgen in dem Wagen von Kari Dschahangir in Kundus-Stadt explodiert, als der Behördenchef auf dem Weg zur Arbeit gewesen sei, sagte Provinz-Polizeichef Abdul Rasak Jakubi der Deutschen Presse-Agentur dpa. Dschahangir sei der einzige Insasse des Autos gewesen, das bei der Detonation in Brand geraten sei. Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid sagte, Kämpfer der Aufständischen hätten die Bombe in dem Wagen versteckt und ferngezündet.
  • Die Verantwortung für den verheerenden Anschlag vom Vortag in der südafghanischen Stadt Kandahar wiesen die Taliban inzwischen zurück. «Wir waren an dem Anschlag gestern abend in Kandahar-Stadt, bei dem Dutzende unserer unschuldigen Menschen getötet wurden, nicht beteiligt», sagte Taliban-Sprecher Kari Jussif Ahmadi der Deutschen Presse-Agentur dpa am 26. Aug. «Wir verurteilen den Angriff scharf.» Die Zahl der Toten bei dem schwersten Anschlag in Afghanistan seit Monaten stieg unterdessen weiter an.
    Das afghanische Innenministerium teilte am 26. Aug. mit, 43 afghanische Zivilisten seien getötet und 65 weitere verletzt worden. Ein Hotel und zwölf Wohnhäuser seien bei dem «anti-islamischen Angriff» in der früheren Taliban-Hochburg am Dienstagabend vollständig zerstört worden. Der Polizeikommandeur der afghanischen Südregion, Gholam Ali Wahdat, sagte, der Sprengstoff sei in einem Lastwagen versteckt gewesen. Die Behörden hatten zunächst von mehreren Autobomben gesprochen. Präsident Hamid Karsai, die Vereinten Nationen und die USA verurteilten den Anschlag.
  • Wegen fehlender Überfluggenehmigungen kann die Bundeswehr ihre AWACS-Aufklärungsflugzeuge nicht über Afghanistan einsetzen. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Thomas Raabe, sprach am 26. Aug. in Berlin von einem «ärgerlichen Vorgang». Er bestätigte einen Bericht der «Süddeutschen Zeitung», wonach Aserbaidschan und Turkmenistan die Überfluggenehmigung verweigern. Die AWACS-Aufklärer sollten von Konya in der Türkei aus den Luftraum in Afghanistan überwachen. Raabe sagte, derzeit setzten die USA ihre AWACS-Flugzeuge ein. Es gebe aber einen Mehrbedarf. Denn der Luftverkehr über Afghanistan werde sich demnächst verdrei- bis verfünffachen. «Der Ball liegt bei der NATO», erklärte Raabe. Sie suche nach alternativen Flugrouten. «Wir sind guter Dinge, dass möglichst schnell eine Lösung erreicht wird.»
    Auch die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Ulrike Merten (SPD), nannte die Verzögerung «mehr als ärgerlich». Der Bundestag hatte dem von der NATO geforderten Einsatz von vier Maschinen am 2. Juli in einem Schnellverfahren zugestimmt.
    Inzwischen sind die AWACS-Flugzeuge wieder aus der Türkei auf ihre Stammbasis Geilenkirchen bei Aachen zurückgekehrt.
  • Bei der Präsidentschaftswahl in Afghanistan hat Amtsinhaber Hamid Karsai seinen Vorsprung auf seinen schärfsten Konkurrenten, den früheren Außenminister Abdullah Abdullah, ausgebaut. Nach Auszählung von rund 17 Prozent der Stimmen liegt Karsai bei 42,3 Prozent der Stimmen, teilte die Wahlkommission am 26. Aug. mit. Abdullah kommt demnach auf 33,1 Prozent. Die anderen Präsidentschaftskandidaten sind bereits weit abgeschlagen.
  • Ein Helikopter der US-Streitkräfte hat eine Klinik im Osten Afghanistans angegriffen, in der ein verletzter Taliban-Kommandeur behandelt wurde. Bei dem Krankenhaus kam es am 26. Aug. zu stundenlangen Gefechten von US- und afghanischen Soldaten gegen Aufständische, wie die Behörden mitteilten. Dabei wurden nach unterschiedlichen Angaben bis zu zwölf Extremisten getötet. Nach US-Angaben vom 27. Aug. wurden vor dem Angriff alle Zivilpersonen aus dem Gebäude gebracht. Sieben Aufständische seien festgenommen worden.
    Nach unterschiedlichen Angaben wurden bis zu zwölf Aufständische getötet und sieben weitere verletzt.
  • Der August könnte der bislang verlustreichste Monat für die US-Streitkräfte in Afghanistan werden: Mit dem Tod eines Soldaten bei einem Überfall im Süden des Landes am 27. Aug. stieg die Zahl der Todesopfer am Donnerstag auf 44. Das sind ebenso viele wie im Juli, dem bislang tödlichsten Monat für die US-Truppen seit Beginn des Einsatzes im Herbst 2001. Derzeit sind mehr als 60.000 amerikanische Soldaten in Afghanistan stationiert, so viele wie nie zuvor.
  • Mit einer «Richtlinie zur Aufstandsbekämpfung» will der Kommandeur der Internationalen Afghanistan-Schutztruppe ISAF seine Soldaten auf einen neuen Kurs einschwören. «Verdient Euch die Unterstützung der Menschen, und der Krieg ist gewonnen, unabhängig davon, wie viele Militante getötet oder gefangen werden», heißt es in dem am 27. Aug. veröffentlichten Papier von US-General Stanley McChrystal. «Wir müssen ganz anders denken und handeln, um Erfolg zu haben.» 95 Prozent der Zeit müssten darauf verwendet werden, Beziehungen zu den Menschen aufzubauen. «Richtet Euer Augenmerk auf die Menschen, nicht auf die Militanten.»
    McChrystal betont in der am 26. Aug. erlassenen Richtlinie: «Wir werden nicht einfach dadurch gewinnen, dass wir Aufständische töten.» Die Soldaten müssten die Art und Weise ändern, in der sie denken, handeln und operieren. «Wir müssen die Menschen verstehen und Dinge durch ihre Augen sehen. Es sind ihre Ängste, Frustrationen und Erwartungen, die wir ansprechen müssen», heißt es in dem Papier weiter. «Wir werden den Afghanen zum Sieg verhelfen, indem wir sie sichern, sie vor Bedrohung, Gewalt und Missbrauch schützen, und indem wir in einer Art und Weise operieren, die ihre Kultur und Religion respektiert.» Das internationale Engagement habe die Erwartungen der Afghanen bislang nicht erfüllt.
  • Ein Selbstmordattentäter hat sich am 27. Aug. an einem pakistanischen Kontrollpunkt nahe der Grenze zu Afghanistan in die Luft gesprengt und mindestens 18 Sicherheitskräfte mit in den Tod gerissen. Dutzende weitere Menschen wurden verwundet. Der Grenzposten bei Torkham am Khyber-Pass liegt an der wichtigsten Nachschubroute für die in Afghanistan stationierten NATO-Truppen.
  • Die Situation für Zivilisten in Afghanistan ist nach Ansicht von Amnesty International (AI) so gefährlich wie nie zuvor seit dem Sturz der radikalislamischen Taliban 2001. Die Gefahr für Millionen Afghanen steige stetig an und sei derzeit so hoch wie noch nie, erklärte die Menschenrechtsorganisation. Die Gruppen, die die afghanische Regierung bekämpften, demonstrierten eine "systematische Geringschätzung" der Menschen, die ihre Zukunft durch den Gang an die Wahlurnen und nicht durch Kugeln aufbauen wollten. (AFP, 28. Aug.)
    AI forderte außerdem eine Untersuchung von Kämpfen um eine Klinik in der ostafghanischen Provinz Paktika, in der ein verwundeter Taliban-Kommandeur behandelt wurde. Bei den stundenlangen Auseinandersetzungen zwischen Taliban und Sicherheitskräften waren am 26. Aug. (siehe oben) zwölf Kämpfer und ein US-Soldat getötet worden. In der Klinik lagen zahlreiche Zivilisten. Die afghanische Regierung und die internationale Gemeinschaft hätten viel für den Schutz der Afghanen während der Präsidentschaftswahlen getan, erklärte die Organisation. Sie müssten nun jedoch auch beweisen, dass sie "den Rechtsstaat respektieren und jegliche Gewalt aufklären und wenn nötig bestrafen".
  • Bundespräsident Horst Köhler hat eine breite öffentliche Diskussion über die Stellung der Bundeswehr in der Gesellschaft und den Afghanistan-Einsatz angemahnt. Aufgabe der Politik sei es, den Einsatz der Bevölkerung noch besser zu vermitteln und zu erklären, sagte er am 28. Aug. nach einem Besuch des Jägerregiments 1, das sich derzeit im Gefechtsübungszentrum des Heeres in Letzlingen in Sachsen-Anhalt auf den Einsatz vorbereitet. «Die Soldatinnen und Soldaten haben unser aller Anerkennung, Respekt und unseren Dank verdient», sagte der Bundespräsident. Seiner Ansicht nach aber herrscht noch vielfach ein «freundliches Desinteresse», das sich noch nicht gewandelt habe in «ein auch sorgenvolles Interesse». - Köhler äußerte sich zuversichtlich zum Afghanistan-Einsatz der internationalen Truppen. Er halte es heute für verfrüht und falsch zu sagen, die verbündeten Kräfte könnten sich dort nicht erfolgreich betätigen.
  • Bei einem Bombenanschlag in Afghanistan ist eine Korrespondentin des US-Rundfunksenders CBS schwer verletzt worden. Die Journalistin Cami McCormick wurde laut CBS am 28. Aug. verwundet, als das Militärfahrzeug, in dem sie mitfuhr, südlich von Kabul von einem Sprengsatz getroffen wurde. Sie wurde in einem Feldlazarett behandelt, wo sie sich nach einer Operation in stabilem Zustand befand, wie eine CBS-Sprecherin in New York mitteilte.
  • Nie seit Beginn des Afghanistan-Einsatzes Ende 2001 sind in einem Monat so viele US-Soldaten getötet worden wie im August. Am 28. Aug. kam ein Soldat bei einer Bombenexplosion in Afghanistan ums Leben, wie ein US-Militärvertreter mitteilte. Damit seien allein in diesen Monat 46 Angehörige der US-Streitkräfte am Hindukusch ums Leben gekommen.
    Wie aus einer Zählung der unabhängigen Website icasualties.org hervorgeht, starben seit Jahresbeginn insgesamt mindestens 300 ausländische Soldaten in Afghanistan. In gesamten Vorjahr waren es demnach 294 gewesen. (AFP, 29. Aug.)
  • Bei einem Überraschungsbesuch in Afghanistan hat Großbritanniens Premierminister Gordon Brown die Entsendung weiterer britischer Soldaten angedeutet. Er wolle die Ausbildung afghanischer Soldaten und Polizisten beschleunigen, sagte Brown bei einem Truppenbesuch in der Provinz Helmand am 29. Aug. Dazu müsste das britische Kontingent nach Einschätzungen von Beobachtern aufgestockt werden. Neben zusätzlicher Ausrüstung sollen im Herbst 200 weitere Spezialisten an den Hindukusch verlegt werden, sagte Brown. Derzeit sind 9000 britische Soldaten in Afghanistan stationiert. Bisher kamen 207 Briten ums Leben.
  • US-Präsident Barack Obama wird die Bundesregierung nach der Bundestagswahl laut einem Bericht des "Spiegel" (29. Aug.) zur Entsendung weiterer Truppen nach Afghanistan auffordern. US-Diplomaten hätten dies führenden CDU-Politikern bereits angekündigt. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hatte demnach bereits im vergangenen Jahr die Obergrenze des Afghanistan-Mandats von 3500 auf 6000 Soldaten erhöhen wollen. Aus Rücksicht auf die CSU und die Landtagswahl in Bayern habe er es aber bei maximal 4500 Soldaten bewenden lassen. Dieses Mandat läuft im Dezember aus.
    Laut "Spiegel" hat die Bundeswehr in Afghanistan mit schweren Ausrüstungsmängeln zu kämpfen. Mehr als die Hälfte ihrer rund 700 geschützten Fahrzeuge am Hindukusch seien zeitweise nicht einsatzbereit, berichtete das Magazin unter Berufung auf interne Berichte des Verteidigungsministeriums. Wegen eines Mangels an Ersatzteilen müssten sogar Transportflugzeuge vom Typ Transall ausgeschlachtet werden. Für Hubschrauber gebe es nicht genug Piloten, für die Übertragung geheimer Informationen fehlten geeignete Computer und Funkgeräte.
  • Im Norden Afghanistans sind erneut deutsche Soldaten der NATO-Truppe ISAF angegriffen worden. Wie das Einsatzführungskommando in Potsdam mitteilte, wurden am 29. Aug. gegen 17.20 Uhr MESZ etwa 15 Kilometer südwestlich des Feldlagers in Kundus mehrere Angehörige des Regionalen Wiederaufbauteams (PRT) mit Handfeuerwaffen und Panzerabwehrwaffen beschossen. Die deutschen Soldaten blieben demnach unverletzt und erwiderten das Feuer. Über mögliche Opfer auf gegnerischer Seite liegen bisher keine Informationen vor.
  • Die Auszählung zu den Präsidentschaftswahlen in Afghanistan wird zunehmend von Betrugsvorwürfen überschattet. Der Kommission für Wahlbeschwerden (ECC) liegen nach eigenen Angaben mehr als 2000 Eingaben vor, von denen 450 so schwerwiegend sind, dass sie den Ausgang der Wahl beeinflussen könnten. Bei der Auszählung der Stimmen konnte Amtsinhaber Hamid Karsai seinen Vorsprung ausbauen. Er kommt nach Auszählung der Stimmen aus 35 Prozent der Wahllokale laut Angaben der Wahlkommission vom 29. Aug. auf 46,3 Prozent der Stimmen, sein schärfster Konkurrent Abdullah Abdullah auf 31,4 Prozent. Damit konnte Karsai seinen Vorsprung auf den früheren Außenminister Abdullah ausbauen, er liegt aber noch immer deutlich unter der 50-Prozent-Marke. Hat keiner der beiden Politiker im ersten Durchgang die absolute Mehrheit erreicht, wird eine Stichwahl nötig. Ein vorläufiges Endergebnis soll am 3. September veröffentlicht werden.
    Abdullah kündigte angesichts der Berichte über Wahlfälschungen in der britischen Zeitung "Daily Telegraph" an, er werde alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um den "staatlich verordneten" Betrug zu bekämpfen. Ein Scheitern der Wahl würde auch das Scheitern Afghanistans bedeuten, denn das "Regime, dass diesen massiven Wahlbetrug zu verantworten hat", sei nicht legitimiert.
    Die USA wiesen Berichte zurück, wonach sie sich für eine Stichwahl stark gemacht hätten, um die Legitimität der Wahlen zu erhöhen. Über eine Stichwahl würden die afghanischen Behörden entscheiden, erklärte die US-Botschaft in Kabul. Anders als berichtet seien auch keine Kandidaten zu einer Beteiligung an einer Koalitionsregierung ermutigt worden. (AFP, 30. Aug.)
  • An der pakistanischen Grenze sind Öllaster, die Nachschub für die NATO-Truppen in Afghanistan transportierten, offenbar Ziel eines Anschlags geworden. Unter einem der Lastwagen habe es eine große Explosion gegeben, erklärte die Polizei am 30. Aug. rund 25 Öltanker und Lastwagen gingen in Flammen auf. Die Lastwagen warteten in einer Schlange an dem seit zwei Tagen geschlossenen Grenzübergang Chaman im Südwesten Pakistans. Eine verkohlte Leiche sei gefunden worden, bei der es sich wahrscheinlich um den Fahrer des Öltankers gehandelt habe. Bei einem Feuergefecht zwischen den Extremisten und pakistanischen Sicherheitskräften nach dem Anschlag sei mindestens ein Soldat verwundet worden.
    Die Polizei teilte am 31. Aug. mit, die meisten Lastwagen hätten gepanzerte Fahrzeuge für die Truppen in Afghanistan geladen gehabt. Die Lastwagen hätten sich an dem Grenzübergang in der südwestpakistanischen Provinz Baluchistan gestaut, nachdem afghanische Fahrer die Strecke aus Protest gegen verschärfte Grenzkontrollen der Pakistaner blockiert hatten.
    Die Strecke durch Chaman ist die wichtigste nach der über den Khyber-Pass im Nordosten Pakistans. Besonders auf der Route über den Khyber-Pass werden die Konvois immer wieder von Aufständischen angegriffen. Zur Entlastung der gefährlichen Strecken durch Pakistan wird neuerdings auch eine Versorgungsroute für die Truppen aus Tadschikistan genutzt, die durch das Einsatzgebiet der Bundeswehr in Nordafghanistan führt. Auch auf der nördlichen Route ist es nach Angaben der Bundeswehr bereits zu Angriffen der Taliban gekommen.
  • Das Verteidigungsministerium ist einem «Spiegel»-Bericht entgegengetreten, die Bundeswehr sei in Afghanistan schlecht ausgerüstet. Ministeriumssprecher Thomas Raabe sagte am 31. Aug. in Berlin, das Magazin berufe sich auf Erfahrungsberichte, von denen einer aus dem vergangenen Jahr stamme und andere aus den Jahren davor. Der Eindruck, der so vermittelt werde, sei nicht richtig. Die Bundeswehr verfüge in Afghanistan über eine «sehr gute Ausrüstung».
    «Der Spiegel» hatte berichtet, dass mehr als die Hälfte der rund 700 geschützten Fahrzeuge am Hindukusch zeitweise nicht einsatzbereit seien. Wegen eines Mangels an Ersatzteilen müssten sogar «Transall»-Transportflugzeuge ausgeschlachtet werden. Für Hubschrauber gebe es nicht genug Piloten, für die Übertragung geheimer Informationen fehlten geeignete Computer und Funkgeräte. Auf dem Dach des gepanzerten Fahrzeuges vom Typ «Dingo» seien Maschinengewehre installiert, mit denen man nur in Fahrtrichtung schießen könne. Raabe zufolge gibt es derzeit rund 900 gepanzerte Fahrzeuge der Bundeswehr in Afghanistan, rund 100 seien seit Jahresbeginn hinzugekommen. Die Einsatzbereitschaft sei mit 86 Prozent sehr hoch. Bei den Hubschraubern betrage sie 80 Prozent. Auch sei eine ganze Reihe von «Dingos» «ganz anders einsatzfähig» als vom «Spiegel» beschrieben. Gerade in Gefechten der jüngsten Zeit habe der «Dingo» sehr gut bestanden.
  • Pakistanische Soldaten haben bei Gefechten im Swat-Tal laut Militärangaben vom 31. Aug. mindestens 45 Taliban-Kämpfer getötet. Nach einem Selbstmordanschlag in der Stadt Mingora, bei dem am Vortag (30. Aug.) 17 Polizeirekruten getötet wurden, durchkämmten Soldaten demnach die Gegend nach Aufständischen und stießen an einigen Orten auf Widerstand. Dabei wurden einem Militärsprecher zufolge 30 Taliban getötet. Die Gefechte hätten bis zum frühen Montagmorgen gedauert. Bei weiteren Razzien der Sicherheitskräfte in der Region seien innerhalb von 24 Stunden 15 Taliban und zwei Soldaten ums Leben gekommen.
  • An der Grenze zu Afghanistan im Südwesten des Landes wurde der Übergang Chaman unterdessen nach einem Anschlag am Vortag wieder geöffnet. Dort waren Tanklaster, die Nachschub für die NATO-Truppen in Afghanistan transportierten, ins Visier mutmaßlicher Taliban-Kämpfer geraten.
  • Der Oberbefehlshaber der US- und NATO-Truppen in Afghanistan, Stanley McChrystal, hat einen Strategiewechsel für den Einsatz am Hindukusch gefordert. Nötig seien auch mehr Entschlossenheit und eine bessere Koordination, erklärte McChrystal am 31. Aug. "Die Lage in Afghanistan ist ernst, doch ein Erfolg ist zu schaffen", erklärte McChrystal. Die Einschätzungen des Oberbefehlshabers, der seinen Posten Mitte Juni antrat, zur derzeitigen Lage in dem Land am Hindukusch waren mit Spannung erwartet worden. McChrystal legte den Bericht dem US-Regionalkommandeur für Afghanistan und den Irak, General David Petraeus, zur Stellungnahme vor. Später soll er an das Pentagon und die NATO-Führung weitergeleitet werden.
    Ein Sprecher der NATO-Truppe ISAF widersprach Medienberichten, denenzufolge in dem Bericht zusätzliche Soldaten für Afghanistan angemahnt werden. Es gilt aber dennoch als wahrscheinlich, dass die USA bald auf eine Truppenverstärkung dringen werden. US-Präsident Barack Obama hat bereits die Entsendung zusätzlicher 21.000 US-Soldaten nach Afghanistan angeordnet, derzeit sind in dem Land etwa 62.000 US-Soldaten im Einsatz.
  • Bei zwei Bombenanschlägen im Süden Afghanistans sind zwei US-Soldaten der ISAF getötet. Die Anschläge auf die Fahrzeuge der Soldaten hätten sich an zwei unterschiedlichen Orten ereignet, teilte die NATO am 31. Aug. mit, ohne Einzelheiten zu nennen.
  • 2009 ist für die ausländischen Truppen das blutigste Jahr seit dem Sturz der Taliban vor acht Jahren. In den ersten acht Monaten wurden nach Angaben der unabhängigen Internetseite icasualties.org mehr als 300 ausländische Soldaten in Afghanistan getötet, im ganzen Jahr 2008 waren es 294 Soldaten.
  • Nach den Präsidentschaftswahlen in Afghanistan liegt weiter Amtsinhaber Karsai in Führung. Nach den von der afghanischen Wahlkommission veröffentlichten Teilergebnissen erreichte er 45,9 Prozent der ausgezählten Stimmen. Sein schärfster Konkurrent, der ehemalige Außenminister Abdullah Abdullah, erreichte demnach 33,3 Prozent.
  • Erneut sind in Afghanistan zwei britische Soldaten getötet worden. Wie das britische Verteidigungsministerium am 31. Aug. mitteilte, befanden sich die beiden Soldaten am Morgen zu Fuß auf Patrouille in der Nähe des Bezirks Laschkar Gah in der Provinz Helmand.
  • In Afghanistan haben sich die Verluste unter britischen Soldaten in jüngster Zeit gehäuft, allein im Juli gab es 22 Opfer. Die Gesamtzahl der getöteten Briten am Hindukusch stieg inzwischen auf 210 und liegt damit höher als im Irak. Dies hat in Großbritannien die Zustimmung zum Afghanistan-Einsatz drastisch sinken lassen.


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