Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Chronik Afghanistan

Februar 2008


Freitag, 1. Februar, bis Sonntag, 3. Februar
  • Die US-Regierung hat Deutschland aufgefordert, sich massiv an Kampfeinsätzen im besonders gefährlichen Süden Afghanistans zu beteiligen. In einem ungewöhnlich scharf formulierten Brief an seinen deutschen Kollegen Franz Josef Jung verlangt US-Verteidigungsminister Robert Gates eine Verstärkung des Nato-Kontingents um 3200 Soldaten, wie die "Süddeutsche Zeitung" am 1. Februar berichtete. Daran solle sich auch Deutschland beteiligen. Jungs Sprecher Thomas Raabe bestätigte den Eingang des Briefs. Schreiben vergleichbaren Inhalts gingen laut Raabe auch an andere NATO-Partner. Auf dem anstehenden informellen Treffen der Verteidigungsminister der Allianz in Vilnius würden neben weiteren wichtigen Feldern auch die laufenden Operationen und das NATO-Engagement in Afghanistan auf der Agenda stehen. Der Druck der USA dürfte die Debatte über das Engagement der Bundeswehr am Hindukusch neuerlich entfachen, schrieb das Blatt.
  • Die Bundesregierung lehnt einen Kampfeinsatz der Bundeswehr in Südafghanistan ab. Das teilte Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) in Berlin mit. "Ich denke, wir leisten unseren Beitrag weiter so, wie es das Bundestagsmandat vorsieht", sagte Jung am 1. Jan. Das Mandat schließt einen dauerhaften Kampfeinsatz der Bundeswehr in Südafghanistan aus. Jung bestätigte, dass ihn sein US-Kollege Robert Gates gebeten habe, Soldaten der Bundeswehr für Kampfeinsätze in Südafghanistan zur Verfügung zu stellen. Doch sei diese Anforderung auch an andere NATO-Staaten gegangen. Jung verwies darauf, dass die Bundeswehr im Norden Afghanistans besonders engagiert sei. "Ich denke, dass es weiterhin bei unserem Schwerpunkt bleiben muss", sagte der Minister. Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und der Bundeswehrverband lehnen die Entsendung deutscher Kampftruppen nach Südafghanistan ab. Die "Süddeutsche Zeitung" hatte berichtet, Gates fordere in einem Schreiben an Jung eine Verstärkung des NATO-Kontingents um 3.200 Soldaten, woran sich auch Deutschland beteiligen solle.
  • Die Internationale Schutztruppe für Afghanistan (ISAF) besteht derzeit nach Angaben der NATO aus rund 41.700 Soldaten aus 39 Ländern. Deutschland ist mit etwas mehr als 3.000 Soldaten der drittgrößte Truppensteller hinter den USA und Großbritannien. Das Oberkommando über die ISAF, die die afghanische Regierung seit 2003 dabei unterstützt, Sicherheit und Stabilität wiederherzustellen, hat US-General Dan McNeill. Es handelt sich um den ersten und größten NATO-Einsatz außerhalb Europas. Die Truppensteller im Einzelnen mit der ungefähren Anzahl ihrer Soldaten von Anfang Dezember:
    • USA 15.038
    • Großbritannien 7753
    • Deutschland 3155
    • Italien 2358
    • Kanada 1730
    • Niederlande 1512
    • Frankreich 1292
    • Türkei 1219
    • Polen 1141
    • Australien 892
    • Spanien 763
    • Dänemark 628
    • Rumänien 537
    • Norwegen 508
    • Bulgarien 401
    • Belgien 369
    • Schweden 350
    • Tschechien 240
    • Ungarn 219
    • Kroatien 211
    • Litauen 196
    • Portugal 163
    • Griechenland 143 v Albanien 138
    • Estland 125
    • Mazedonien 125
    • Lettland 96
    • Jordanien 90
    • Finnland 86
    • Neuseeland 74
    • Slowakei 70
    • Slowenien 66
    • Aserbaidschan 22
    • Island 10
    • Luxemburg 9
    • Irland 7
    • Österreich 3
    • Schweiz 2
    • Georgiens Entsendung steht noch aus
    (AFP, 1. Februar 2008)
  • Belgien will vier Kampfflugzeuge für die Afghanistan-Schutztruppe ISAF bereitstellen. Die Regierung in Brüssel beschloss am 1. Feb., im September vier Maschinen vom Typ F-16 und das dazugehörige Personal nach Afghanistan zu verlegen. Die Zahl belgischer Soldaten in der ISAF werde damit kurzzeitig von 360 auf 480 steigen, teilte das Verteidigungsministerium mit. Bis zum Jahresende dürfte sie allerdings auf 260 fallen, weil andere Einheiten abgezogen werden sollen. Die F-16-Flugzeuge sollen ein Geschwader der niederländischen Streitkräfte ergänzen. Den Haag hat angekündigt, im Laufe des Jahres zwei ihrer sechs Kampfflugzeuge aus Afghanistan abzuziehen.
  • NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer hofft trotz der ablehnenden Berliner Haltung weiter auf ein stärkeres Engagement Deutschlands in Afghanistan. "Ich hoffe, dass Deutschland positiv auf die Forderung Kanadas nach einer Verstärkung der Präsenz antwortet", sagte er am Abend des 1. Feb. nach einem Treffen mit dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy in Paris. Allerdings sei er Realist, schränkte er ein, und betonte, dass die Bundeswehr schon viel leiste. Als "wenig hilfreich" bezeichnete de Hoop Scheffer den eindringlichen Brief von US-Verteidigungsminister Robert Gates, in dem dieser von Berlin die Ausdehnung des Bundeswehreinsatzes auf den umkämpften Süden des Landes verlangt. "Wir müssen mehr tun, aber es hilft nicht, dies öffentlich zu tun. Dadurch wird der Erfolg, den wir in Afghanistan haben, nur verdeckt."
  • Die Afghanistan-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik, Citha Maass, hat der Bundesregierung empfohlen, der Forderung des amerikanischen Verteidigungsministers Robert Gates, deutsche Kampftruppen nach Südafghanistan zu entsenden, nicht nachzukommen. "Mich überrascht dieser Brief nicht", sagte sie der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung" (Ausgabe vom 2. Jan.) zu dem entsprechenden Brief, den Gates an seinen deutschen Amtskollegen Franz Josef Jung (CDU) geschrieben hat. "Nur der undiplomatische Ton von Gates ist etwas ungewöhnlich. Wir sollten uns im Norden verstärkt engagieren und damit demonstrieren: Wir meinen es ernst mit der Bündnissolidarität. Die Behauptung, im Norden sei es ruhiger, entspringt außerdem einer falschen Lageanalyse. Wir müssen mit mehr Druck im Norden rechnen, je mehr im Süden gegen Aufständische vorgegangen wird. Die Eingreiftruppe im Norden wird verstärkt eingesetzt werden müssen. Wenn wir die Truppe im Norden ausdünnen, wird die Lage dort noch instabiler. Die Entsendung deutscher Kampftruppen nach Südafghanistan ist nicht im deutschen Sicherheitsinteresse."
  • Die Bundeswehr ist laut Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) in der Lage, professionell ausgerüstete Einheiten als schnelle Eingreiftruppe in den Norden Afghanistans zu schicken. "Ich schicke keinen Soldaten in eine so riskanten Einsatz, wie es in Afghanistan der Fall ist, wenn er nicht gut ausgerüstet und ausgebildet ist", sagte Jung der "Welt am Sonntag" (3. Feb.). Berichte, der Bundeswehr fehle die richtige Ausrüstung für diesen von der NATO erbetenen, aber von der Bundesregierung noch nicht beschlossenen Einsatz nannte Jung "ärgerlich".
  • Die Internationale Afghanistan-Schutztruppe (ISAF) hat sich optimistisch über die Sicherheitslage in dem Land geäußert. Es werde immer deutlicher, dass die Aufstandsbewegung eingedämmt sei, sagte ISAF-Sprecherin Claudia Foss am 3. Feb. auf einer Pressekonferenz in Kabul. Die Äußerungen der Sprecherin im Rang eines Oberstleutnants stehen im Gegensatz zu Forderungen an die Adresse der deutschen Regierung, ihren Militärbeitrag in Afghanistan zu verstärken. Von allen Angriffen des vergangenen Jahres entfielen 70 Prozent auf eine Fläche von nur zehn Prozent des Landes, sagte Foss. Es gebe keine Hinweise darauf, dass sich der Aufstand der Taliban ausbreite.
  • NATO und USA erhöhen ihren Druck auf Berlin, den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan zu erweitern. Sie fordern, deutsche Soldaten sollten auch im umkämpften Süden des Landes aktiv werden. Nach US-Verteidigungsminister Robert Gates machte sich NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer in der "Bild am Sonntag" (3. Feb.) für zusätzliche Einsatzgebiete stark. Verteidigungsminister Franz Josef Jung wies dies zurück. Es wäre ein großer Fehler, den Norden zu vernachlässigen, sagte Jung der "Welt am Sonntag".
Montag, 4. Februar, bis Sonntag, 10. Februar
  • Kampfeinsätze der Bundeswehr sollen nach Worten des SPD-Außenpolitikers Hans-Ulrich Klose in ganz Afghanistan möglich sein. Der Vizevorsitzende des Auswärtigen Ausschusses sagte der "Bild"-Zeitung (4. Feb.), Deutschland sollte die schnelle Eingreiftruppe übernehmen und sie stark genug machen, dass sie im Notfall im ganzen Land eingesetzt werden kann. Es könne durchaus Situationen geben, in denen Kämpfe auch im Süden unvermeidbar seien, so Klose. Die Bundesregierung lehnt eine Ausweitung des Mandats strikt ab.
  • Bei Angriffen afghanischer und ausländischer Truppen auf Wohnhäuser mutmaßlicher Talibankämpfer sind am 4. Feb. nach Polizeiangaben zehn Menschen getötet worden, darunter Frauen und Kinder. Allein bei einem Angriff auf ein Haus im Bezirk Bakwa in der westafghanischen Provinz Farah kamen neun Menschen ums Leben. Unter den Toten waren zwei Frauen und zwei Kinder, wie Polizeichef Chan Agha sagte. Der mutmaßliche Talibankämpfer Mullah Manan, dem die Aktion galt, entkam. In der Provinz Helmand in der Nähe der Stadt Laschkar Gah stürmten ausländische Truppen das Haus eines weiteren Taliban-Verdächtigen. Der Mann wurde nach Angaben von Polizeichef Mohammad Hussein Andiwal getötet, seine achtjährige Tochter verletzt.
  • Afghanistan droht nach Ansicht des Internationalen Instituts für Strategische Studien (IISS) der Zerfall, sollten die NATO-Truppen es nicht schaffen, die radikalislamischen Taliban zu besiegen. Nach dem im London am 5. Feb. veröffentlichten Bericht zur militärischen Situation gibt es immer mehr Hinweise, dass die Aufständischen sich vom umkämpften Süden in die nördlichen Provinzen bewegen. Laut dem IISS-Bericht muss sich die internationale Gemeinschaft für lange Jahre Afghanistan verpflichten, um die Taliban zu besiegen.
  • Polen wird Kanada zwei Hubschrauber für den NATO-Einsatz im umkämpften Süden Afghanistans zur Verfügung stellen. Das erklärte der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski am 4. Feb. in Ottawa. Der kanadische Ministerpräsident Stephen Harper hatte einen verstärkten Einsatz der NATO-Partner in der Provinz Kandahar zuvor zur Bedingung für den langfristigen Verbleib der 2.500 kanadischen Soldaten im Süden des Landes gemacht. Polen stellt bislang 1.200 Soldaten im Osten Afghanistans. Die Regierung in Warschau hatte jedoch bereits zugesagt, 400 zusätzliche Soldaten und acht dringend benötigte Hubschrauber nach Afghanistan zu entsenden. Ob die zwei der acht Hubschrauber nun direkt unter kanadischem Kommando stehen würden, war zunächst unklar.
  • Angesichts des Streits in der NATO um den Afghanistan-Einsatz warnt der Leiter der Münchener Sicherheitskonferenz, Horst Teltschik, vor einem Scheitern der gesamten Mission. Er befürchte, dass es über das Thema Afghanistan am Wochenende bei der Sicherheitskonferenz zum Krach komme, sagte Teltschik der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse" (5. Feb.). "Die NATO-Partner müssen sich fragen, ob sie sich nicht auf ein Abenteuer eingelassen haben, das am Ende das Bündnis in seinen Grundfesten erschüttert." Es sei möglich, dass der Afghanistan-Einsatz scheitere, sagte Teltschik. "Die Befürchtung ist leider berechtigt." Die NATO-Partner müssten gemeinsam entscheiden, ob sie Mut und Kraft hätten, lange genug zu bleiben, fügte Teltschik hinzu. "Derzeit sehen alle noch eine Chance, Afghanistan zu befrieden." Dann müssten die Partner aber auch die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellen. "Es ist völlig klar, dass das internationale Engagement nicht ausreichend ist ­, also auch das deutsche nicht." Auch ein deutscher Einsatz im Süden des Landes müsse erwogen werden. "Wenn sich herausstellt, dass der Schlüssel zur Befriedung Afghanistans im Süden liegt, muss auch die Bundeswehr dort einen größeren Beitrag leisten", sagte Teltschik.
    Für eine Entsendung von deutschen Truppen in den Süden Afghanistans plädierte auch der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr und ehemalige Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, Klaus Naumann. Er sagte der "Bild"-Zeitung: "Lasten, Risiken und Verantwortung werden solidarisch und gemeinsam getragen, Sonderrollen gibt es nicht." Wenn die NATO im Süden scheitere, dann sei auch die relative Ruhe im Norden Afghanistans vorbei. Naumann äußerte zudem die Sorge, dass der Einfluss Deutschlands im Bündnis "gegen Null" tendieren werde, wenn sich die Bundeswehr weiterhin den Aufgaben im Süden entziehe.
  • Bei einem Bombenanschlag im Süden Afghanistans ist ein Soldat der US-geführten Koalitionsstreitkräfte getötet worden. Zwei weitere wurden bei der Explosion des am Straßenrand versteckten Sprengsatzes in der Provinz Helmand am 5. Feb. verletzt, wie die Streitkräfte am 6. Feb. mitteilten. Über die Nationalität der Opfer war zunächst nichts bekannt. Die Soldaten waren gemeinsam mit einheimischen Truppen auf Patrouille.
  • Der Drogenanbau in Afghanistan geht nach Angaben der Vereinten Nationen auch in diesem Jahr nicht zurück. Vor allem im Süden und Südwesten des Landes werde weiterhin in großem Umfang Mohn angebaut, heißt es in einem am 6. Feb. veröffentlichten Bericht. Zudem erwartet das UN-Büro für Drogen und Kriminalität (UNODC) in Wien eine verstärkte Produktion von Cannabis. Die Herstellung von Opium werde in diesem Jahr ähnlich umfangreich sein wie 2007, heißt es in dem Bericht. Ohne sofortige Gegenmaßnahmen könnte Mohn in den nächsten Wochen auch in Provinzen in der Mitte und im Norden des Landes ausgesät werden. Dem UNODC zufolge wurden im vergangenen Jahr 193.000 Hektar für den Opiumanbau genutzt, 17 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Günstiges Wetter mit reichlich Niederschlägen dürfte der diesjährigen Ernte zuträglich sein, heißt es in dem Report weiter.
    Er basiert auf Befragungen in 469 afghanischen Dörfern. In rund jedem dritten Ort erklärten die Bauern, sie wollten in diesem Jahr Mohn anbauen. Im Süden waren es sogar 85 Prozent. In etwa jedem dritten Dorf hieß es, Drogenhändler hätten bereits einen Vorschuss für die erwartete Ernte gezahlt. Laut UN lassen sich mit Mohn schätzungsweise 3.500 Euro pro Hektar verdienen - deutlich mehr als beispielsweise mit Reis, Mais oder Baumwolle erzielt werden könnte.
    Cannabis wollen den Angaben zufolge Bauern in 18 Prozent der Dörfer anbauen. Im vergangenen Jahr waren es 13 Prozent gewesen.
  • Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe, hat eine Entsendung deutscher Truppen in den Süden Afghanistans ausgeschlossen. "Eine Ausweitung in den Süden kommt nicht in Frage", sagte der SPD-Politiker am 6. Feb. im ARD-Morgenmagazin. "Das ist Konsens in fast allen Parteien." Aus seiner Sicht gebe es auch in der Bevölkerung keine Mehrheit dafür. Robbe rechnet damit, dass Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung am Nachmittag ein klares Signal für die Entsendung eines Kampfverbandes der Bundeswehr in den Norden Afghanistans geben wird. "Ich gehe davon aus, dass nicht ein anderer NATO-Partner in die Lücke einspringen wird, die von den Norwegern gerissen wurde. Insofern stehen die Deutschen hier in der Verantwortung", sagte der Wehrbeauftragte. "Ich gehe davon aus, dass der Minister heute ankündigen wird, dass dieser Kampfauftrag übernommen wird."
  • US-Außenministerin Condoleezza Rice hat die Forderung nach einem stärkeren Afghanistan-Engagement der NATO-Partner bekräftigt. Einige Verbündete seien in deutlich gefährlicheren Landesteilen im Einsatz als andere, "und wir sind der festen Überzeugung, dass diese Last innerhalb der Allianz geteilt werden sollte", sagte Rice am 6. Feb. auf dem Weg von Washington nach London. Gleichzeitig betonte sie, der Beitrag, den bestimmte Staaten leisten, solle nicht abgewertet werden. Rice will im Laufe des Tages mit dem britischen Premierminister Gordon Brown und Außenminister David Miliband zusammenkommen. Die USA wollen ihre europäischen Verbündeten zur Aufstockung ihrer Truppen in Afghanistan bewegen, wo die Angriffe islamistischer Untergrundkämpfer auf Regierung und internationale Truppen im vergangenen Jahr stark zugenommen haben.
  • Deutschland wird einen Kampfverband mit voraussichtlich etwa 200 Soldaten nach Afghanistan schicken. Das teilte Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) am 6. Feb. in Berlin mit. Deutschland werde damit der Bitte der NATO entsprechen und im Sommer eine sogenannte schnelle Eingreiftruppe (Quick Reaction Force/QRF) in Nord-Afghanistan stationieren. Einen Einsatz der Bundeswehr im umkämpfteren Süden Afghanistans lehnte Jung ab. Allerdings verwies er auf das geltende Bundestagsmandat, wonach die Bundeswehr in Notfällen auch dort begrenzt eingesetzt werden kann. Wo Freunde in Not gerieten, werde geholfen, sagte der Minister. Die Mandatsobergrenze der Bundeswehr für die Internationale Schutztruppe ISAF von 3500 Soldaten werde aber eingehalten. Die Bundeswehr wird mit der Bereitstellung des Kampfverbandes an die Stelle von Norwegen treten, das seit rund zwei Jahren eine 250 Mann starke Eingreiftruppe stellt. Jung kündigte ferner an, dass die Bundeswehr ihre Lufttransport-Kapazität im Norden Afghanistans von sechs auf acht Transall-Flugzeuge erhöhen werde.
  • "Die Bundesregierung verstrickt Deutschland endgültig in den völkerrechtswidrigen Krieg in Afghanistan", erklärt der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Oskar Lafontaine, am 6. Feb. zur Entscheidung der Bundesregierung, weitere deutsche Kampftruppen als Quick Reaction Force nach Afghanistan zu entsenden. "Mit dem geplanten Einsatz von Kampfverbänden der Bundeswehr holt die Bundesregierung wider alle Vernunft den Terror ins Land. Ohne parlamentarische Befassung treibt sie die Spirale der Gewalt in Afghanistan voran: Deutsche Soldaten sollen ab Sommer unmittelbar in den Anti-Terror-Krieg in Afghanistan eingreifen, in dem bisher schon Tausende unschuldiger Zivilisten ermordet worden sind. Ein solcher Einsatz überdehnt das ISAF-Mandat und löst nicht ein Problem in Afghanistan. Mit der Entsendung dieser Kampftruppe öffnet die Bundesregierung, ob sie will oder nicht, die Tür für Kampfeinsätze in ganz Afghanistan. Die Bundesregierung muss die Bundeswehr aus Afghanistan abziehen. Afghanistan braucht keine Soldaten, sondern Vermittler, zivile Wiederaufbauhelfer und funktionierende staatliche Institutionen wie Polizei, Justiz und Verwaltung."
  • Die Bevölkerung im Norden Afghanistans ist mit der Arbeit der internationalen Truppen und Entwicklungsorganisationen in ihrer Region überraschend zufrieden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Freien Universität Berlin, die am 6. Feb. vorgestellt wurde. Rund drei Viertel der Befragten gaben an, dass sich die Sicherheitslage im Nordosten des Landes seit 2005 deutlich verbessert habe. 80 Prozent führten dies vor allem auf die Präsenz ausländischer Truppen zurück. Die Berliner Sozialwissenschaftler hatten im ersten Halbjahr 2007 mehr als 2.000 Haushalte in 77 Gemeinden in Kundus und Takhar befragt. Die beiden Provinzen im Nordosten des Landes gehören zum Einsatzgebiet der 3.300 Bundeswehrsoldaten, die sich bislang vor allem um den Wiederaufbau kümmerten. Wie Verteidigungsminister Franz Josef Jung am Mittwoch mitteilte, wird die Bundesregierung im Sommer jedoch erstmals auch eine Kampftruppe nach Afghanistan schicken.
    Nach Ansicht der befragten Nordafghanen trägt die Präsenz der ausländischen Einsatzkräfte nicht nur zu mehr Sicherheit bei, sondern auch zu einer besseren Versorgungslage und Infrastruktur. Die Mehrheit der Gemeinden hat der Studie zufolge bereits von internationalen Entwicklungsprojekten profitiert. Zwei Drittel der Befragten berichteten von Trinkwasser- oder Straßenbauprojekten in ihrer Gemeinde, knapp die Hälfte von Schulprojekten.
    Die Forscher gehen davon aus, dass die Arbeit der internationalen Hilfsorganisationen weitgehend akzeptiert wird. "Die Präsenz von ausländischen Entwicklungsorganisationen wird nicht als unziemliche Einmischung in Alltag, Gebräuche und Kultur wahrgenommen", sagte Projektleiter Christoph Zürcher. So habe die überwältigende Mehrheit der Befragten der Aussage zugestimmt, dass Schulbildung auch für Mädchen einen positiven Einfluss auf die Entwicklung der Gemeinde habe. Allerdings werteten 43 Prozent der Befragten die Präsenz ausländischer Truppen als Bedrohung für lokale Gepflogenheiten und islamische Werte.
    Bei der Schaffung von Infrastruktur vertraut die Mehrheit der Befragten nicht auf den afghanischen Staat: So berichteten nur fünf Prozent der Haushalte von einem positiven Beitrag zur Bereitstellung von Trinkwasser. Immerhin 34 Prozent gaben an, dass die Regierung zur Verbesserung der Schulbildung beigetragen habe. "Die Afghanen sind der Meinung, dass der Staat bislang relativ wenig für sie getan hat", erklärte Zürcher. Für einen erfolgreichen Staatsaufbau sei es aber wichtig, dass der Staat als Anbieter von Infrastruktur und Konfliktlösungs-Möglichkeiten akzeptiert werde. (http://www.sfb-governance.de/news/C1_Pressekonf.html)
  • Die Forderung von US-Verteidigungsminister Robert Gates nach Entsendung deutscher Truppen in den umkämpften Süden Afghanistans wird von den Bundesbürgern mehrheitlich abgelehnt. Eine am 6. Feb. veröffentlichte forsa-Umfrage für den Nachrichtensender n-tv ergab, dass 85 Prozent die Meinung vertreten, Deutschland sollte dieser Forderung nicht nachkommen. Zwölf Prozent der 1.001 Befragten sprachen sich hingegen dafür aus - Männner doppelt so häufig wie Frauen.
  • Unmittelbar vor dem NATO-Treffen in Litauen an diesem Donnerstag (7. Feb.) haben die USA und Großbritannien die Partnerländer zu einem stärkeren Engagement in Afghanistan aufgerufen. Die USA glaubten sehr stark, dass es im Kampf gegen die extremistischen Taliban eine bessere Verteilung der Lasten "auf die gesamte Allianz geben muss", sagte US-Außenministerin Condoleezza Rice am 6. Feb. in London.
    Ihre Gespräche mit Premierminister Gordon Brown in der Downing Street wurden von hunderten Teilnehmern einer Anti-Kriegs-Demonstration mit lautstarken Protesten begleitet.
  • Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung hat bei einem Treffen mit seinen NATO-Kollegen das deutsche Engagement in Afghanistan gegen die scharfe Kritik der USA verteidigt. "Ich habe noch einmal sehr deutlich unseren Beitrag dargestellt, unsere Verantwortung für den Norden, aber auch unsere Unterstützung, die wir für Gesamtafghanistan leisten", sagte Jung am 7. Feb. nach Gesprächen in Vilnius. Die USA und Kanada warnten indes vor einer Spaltung der NATO, wenn die Risiken in Afghanistan nicht fairer verteilt würden.
    Der kanadische Verteidigungsminister Peter Gordon MacKay bekräftigte in Vilnius seine Forderung nach mehr Soldaten für den umkämpften Süden Afghanistans, wo das 2.500 Mann starke kanadische Kontingent schwere Verluste erlitten hat. Indirekt warf MacKay NATO-Partnern wie Deutschland, die den Einsatz ihrer Truppen auf den vergleichsweise ruhigen Norden Afghanistans beschränken, mangelnde Solidarität vor: "Wir brauchen einen 'Einer-für-alle'-Ansatz, und das schließt natürlich die Teilung der Lasten im Süden ein", sagte MacKay. "Wir wollen vermeiden, dass eine Zwei-Klassen-NATO entsteht."
    MacKay schloss sich damit einer Warnung von US-Verteidigungsminister Robert Gates an, der noch vor seiner Abreise nach Litauen am Mittwochabend erklärt hatte: "Ich bin sehr besorgt, dass aus der Allianz ein zweigeteiltes Bündnis wird, in dem manche Partner bereit sind, für den Schutz der Menschen zu kämpfen und zu sterben und andere nicht."" Bislang seien außer den US-Soldaten nur die Kanadier, Briten, Australier, Niederländer und Dänen "wirklich draußen an der Front und kämpfen", kritisierte Gates während einer Anhörung im US-Senat.
  • US-Außenministerin Condoleezza Rice und ihr britischer Kollege David Miliband sind am 7. Feb. überraschend zu einem Truppenbesuch und politischen Gesprächen mit Präsident Hamid Karsai nach Afghanistan gereist. Rice lobte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz die von der NATO und der afghanischen Regierung erzielten Fortschritte im Land. Die Bekämpfung der aufständischen Taliban und der Wiederaufbau des Landes könnten aber nicht über Nacht gelingen, warnte Rice. Miliband und Rice flogen gemeinsam von London aus nach Kabul und anschließend weiter nach Kandahar im Süden des Landes, wo es immer wieder zu heftigen Kämpfen zwischen NATO-Truppen und Kämpfern der Taliban kommt. Dort trafen sie während ihrer dreistündigen Visite auf einem NATO-Flugplatz rund 200 Soldaten verschiedener Nationen, bevor sie am Nachmittag zu einem Treffen mit Karsai zurück in die Hauptstadt flogen.
    Karsai verteidigte dabei die Fortschritte seiner Regierung. Wirtschaft, Bildung, Freiheiten und Menschenrechte hätten sich in seiner Amtszeit verbessert, erklärte Karsai. Afghanistan würde sich über mehr Aufmerksamkeit und Hilfe der internationalen Gemeinschaft freuen, sei aber kein vergessenes Land, sagte Karsai. Damit spielte er auf einen zuvor in London veröffentlichten Bericht an, in dem die Gefahr betont wurde, dass Afghanistan zu einem gescheiterten Staat werden könnte, wenn die NATO ihre Anstrengungen nicht intensiviere.
    Rice wiederholte denn auch die von den USA vehement vertretene Forderung nach mehr Truppen für den Süden des Landes: "Es geht hier nicht um eine überwältigende Zahl von Soldaten, die gebraucht wird." Die 26 NATO-Mitgliedsländer könnten und sollten diese zusätzlichen Truppen aufbringen, forderte Rice. Zuvor sagte sie, dass der unangekündigte Blitzbesuch keine Spitze gegen europäische Staaten sei, die eine Entsendung von Kampftruppen in den Süden Afghanistans verweigern.
  • Im NATO-Streit über den deutschen Afghanistan-Einsatz hat der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), die Haltung der Bundesregierung verteidigt. Mit mehr Truppen und Lufttransportern für den Einsatz in Südafghanistan wäre die Bundeswehr überfordert, sagte Robbe dem Berliner "Tagesspiegel" (8. Feb.). Schon jetzt könnten die deutschen Soldaten in Afghanistan "manche Aufträge nur deswegen wahrnehmen, weil wir uns auf die logistische Unterstützung der Verbündeten verlassen können". Bei den Hubschrauberkapazitäten zum Beispiel seien die Grenzen des Möglichen erreicht. "Ich sehe nicht, wie die Bundeswehr hier in der Lage wäre, zusätzliche Hilfe anzubieten."
    Die kanadische Regierung entsandte am 7. Feb. eine ranghohe Delegation nach Frankreich, um über eine mögliche französische Verstärkung im Süden Afghanistan zu verhandeln. Dies bestätigte ein Sprecher von Premierminister Stephen Harper in Ottawa. Nach kanadischen Medienberichten geht es bei den Gesprächen um die Entsendung von 700 französischen Soldaten. Kanada hatte zuvor mehrere Regierungschefs der NATO-Mitglieder darüber informiert, dass Kanada seine 2500 Soldaten in Afghanistan Anfang 2009 abziehen werde, wenn das atlantische Bündnis nicht 1000 Soldaten als Verstärkung zur Verfügung stelle.
  • Der ehemalige Oberbefehlshaber der NATO-Streitkräfte Mitteleuropa und Bundeswehrgeneral Helge Hansen hat Deutschland Drückebergerei in Afghanistan vorgeworfen. "Wir sind politisch-moralisch eigentlich verpflichtet, das Risiko zu teilen mit unseren Verbündeten. Und das Risiko im Norden ist unverhältnismäßig viel geringer als das Risiko im Süden", sagte Hansen am 8. Feb. im Westdeutschen Rundfunk. Im Norden werde der Aufbau nur hin und wieder durch Attentate gestört, während im Süden von Pakistan "ständig Taliban eindringen, Straßen sperren, Orte besetzen und damit auch den friedlichen Aufbau, den Bau von Schulen, von Krankenhäusern und die Versorgung mit Wasser und Elektrizität stören", erklärte Hansen. Deshalb müsse im Süden militärisch gekämpft werden, um Aufbauhilfe überhaupt erst zu ermöglichen. Die seit Jahren im Süden eingesetzten Nationen "erwarten zu Recht, dass das Risiko dort unten aufgeteilt wird", sagte der General a.D. Die Bundesregierungen seien selbst schuld, dass ein Kampfeinsatz der Bundeswehr im Bundestag kaum durchsetzbar sei. Sie hätten der Öffentlichkeit jahrelang weisgemacht, dass "wir da unten sind als bewaffnetes THW, Gutes tun, humanitäre Hilfe leisten und eigentlich nicht im militärischen Einsatz sind".
  • In der NATO wächst die Ungeduld über die schleppenden Fortschritte in Afghanistan. Bei Beratungen der NATO-Verteidigungsminister mit ihrem afghanischen Kollegen Abdul Rahim Wardak am 8. Feb. wurde nach Angaben aus Delegationskreisen scharfe Kritik an der weitverbreiteten Korruption und der Menschenrechtslage in Afghanistan laut. Auch Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung mahnte bei dem Treffen in Vilnius, die Regierung in Kabul müsse zum Wiederaufbau ihren Beitrag leisten. Zu der 2006 auf der internationalen Afghanistan-Konferenz in London beschlossenen Wiederaufbau-Strategie zählten "Sicherheit, ökonomische Entwicklung, aber auch gute Regierungsführung", sagte Jung vor Journalisten. "Hier muss, insbesondere im regionalen Bereich, noch das eine oder andere verbessert werden."
    In der Sitzung übte nach Angaben aus Delegationskreisen vor allem der britische Verteidigungsminister Des Browne "massive Kritik an der Korruption in Afghanistan". Die Niederlande empörten sich über das Todesurteil gegen einen Journalisten wegen Beleidigung des Islams. "Die afghanische Regierung wird mit der Vollstreckung eines solchen Urteils sehr vorsichtig sein", sagte der afghanische Verteidigungsminister Wardak nach der Sitzung vor Reportern.
    Der 23-jährige Parwez Kaambachsch war Ende Januar zum Tode verurteilt worden, weil er einen aus dem Internet ausgedruckten Bericht über Polygamie an Journalismus-Studenten verteilt hatte. Darin wurde die Frage aufgeworfen, warum Männer vier Frauen haben können, Frauen aber nicht vier Ehemänner. Gegen das Todesurteil legte der Journalist Berufung ein, die endgültige Entscheidung liegt bei Präsident Hamid Karsai.
    Die afghanische Regierung wiederum erwartet von der NATO ein stärkeres Engagement bei der Ausbildung einheimischer Sicherheitskräfte. "Wir bekommen noch nicht das, was wir wirklich brauchen", erklärte Verteidigungsminister Wardak in Vilnius. Die NATO hat sich zum Ziel gesetzt, 70.000 afghanische Soldaten auszubilden. Die afghanischen Streitkräfte verfügen nach Angaben des Militärbündnisses heute über 50.000 Mann. Wardak zufolge fehlt es ihnen aber vor allem an Ausrüstung: "Als ich Mudschahedin-Kommandeur war, hatte ich sehr viel bessere Waffen als heute", sagte er.
  • Die konservative Minderheitsregierung in Kanada hat im Parlament eine Verlängerung des Kampfeinsatzes in Afghanistan bis 2011 beantragt. Ministerpräsident Stephen Harper verband die Vorlage am 8. Feb. mit der Vertrauensfrage - bei einer Abstimmungsniederlage könnte es somit vorgezogene Neuwahlen geben. Die Regierung sieht sich schon lange einem wachsenden Druck ausgesetzt, die 2.500 kanadischen Soldaten abzuziehen. Diese sind nicht nur Teil der Afghanistan-Schutztruppe ISAF, sondern unterstützen auch den Kampfeinsatz "Operation Enduring Freedom" (OEF) unter Führung der USA. Seit Beginn des Einsatzes Ende 2001 kamen 78 kanadische Soldaten und ein Diplomat ums Leben. Die Vorlage der Regierung macht die Verlängerung des Mandats davon abhängig, dass die NATO mehr Truppen und Ausrüstung nach Afghanistan schickt, um die kanadischen Kräfte in der südlichen Provinz Kandahar zu unterstützen. Die Verlängerung des Mandats soll aus Sicht der Regierung die letzte sein. Es sei das Ziel, die Truppen 2011 abzuziehen, sagte der Fraktionschef der Konservativen Partei, Peter Van Loan. Die oppositionellen Liberalen sind gegen die Verlängerung des Einsatzes. Die Abstimmung im Parlament wird für März erwartet.
  • Zum Auftakt der internationalen Sicherheitskonferenz in München hat US-Verteidigungsminister Robert Gates am 8. Feb. die NATO-Verbündeten eindringlich vor dem Scheitern des Afghanistan-Einsatzes gewarnt. Ein Fehlschlag der Mission wäre "eine direkte Bedrohung der Sicherheit der Europäer", sagte Gates mit Blick auf das Terrornetzwerk El Kaida und andere radikalislamische Gruppen im Land am Hindukusch. Er wende sich "an die Europäer, nicht an die Regierungen, um ihnen zu erklären, dass ihre Sicherheit an einen Erfolg in Afghanistan geknüpft ist", betonte Gates. Afghanistan sei nicht nur Ausgangsbasis für die Anschläge in den USA im Jahr 2001 gewesen, es sei auch "ganz klar, dass El Kaida und andere" eine Rolle bei den Terror-Anschlägen in Europa gespielt hätten.
  • Umfrage: Eine große Mehrheit der Deutschen lehnt eine Ausweitung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr auf den Süden des Landes ab. In einer am 9. Feb. veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid für "Focus" sprachen sich 84 Prozent dagegen aus. Nur zwölf Prozent waren dafür. Auch für den derzeitigen Einsatz gibt es der Umfrage zufolge nur wenig Rückhalt in der Bevölkerung. 63 Prozent vertraten die Auffassung, der Einsatz sei nicht im Interesse Deutschlands. Nur 31 Prozent äußerten sich gegenteilig. Drei Viertel der Befragten lehnten die von der Bundesregierung für den Sommer geplante Entsendung einer Kampftruppe mit rund 200 Soldaten in den Norden Afghanistans ab. TNS Emnid befragte am 6. und 7. Februar 1.001 repräsentativ ausgewählte Erwachsene.
  • Experten der Bundesregierung planen laut einem Bericht des "Spiegel" vom 9. Feb. eine massive Ausweitung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan. Die Truppenstärke solle von derzeit rund 3.500 auf bis zu 4.500 Soldaten erhöht werden, berichtete das Hamburger Nachrichtenmagazin. Gedacht sei auch daran, das Einsatzgebiet zu erweitern und nach Westen auszudehnen. Dazu solle die Provinz Badghis, die bisher zur Westregion unter italienischem Kommando gehöre, dem deutschen Sektor im Norden zugeschlagen werden. Wie der "Spiegel" weiter berichtet, wird auch erwogen, die Verlängerung des Mandates für die internationale Afghanistan-Schutztruppe ISAF vom Herbst auf den Juni vorzuziehen. Das bisher auf ein Jahr befristete Mandat solle auf 15 oder 18 Monate ausgedehnt werden. Dahinter stehe die Absicht, den Militär-Einsatz in Afghanistan aus dem bevorstehenden Bundestagswahlkampf herauszuhalten. Die Maßnahmen wolle Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beim NATO-Gipfel Anfang April in Bukarest verkünden, um Forderungen der USA nach einem Kampfeinsatz der Bundeswehr im umkämpften Süden Afghanistans abzuwehren.
  • Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung hat Spekulationen zurückgewiesen, die Bundeswehr plane eine Anhebung der Obergrenze für die in Afghanistan eingesetzten Soldaten um 1.000. Jung sagte auf der Sicherheitskonferenz am 9. Feb. in München. Es gebe ein "klares Mandat des Bundestages mit einer Obergrenze von 3.500". Darin sei auch die Begrenzung des Einsatzes auf den Norden festgelegt sowie die Laufzeit von einem Jahr. Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Jürgen Trittin, hatte auf der Sicherheitskonferenz an Jung die Frage gerichtet, ob bei der nächsten Mandatsverlängerung im Oktober die Obergrenze auf 4.500 Soldaten angehoben und die Laufzeit des Mandats auf 18 Monate ausgedehnt werden solle. Jungs Sprecher sagte, dies sei "reine Spekulation". "Wir haben ein gültiges Mandat", betonte er.
  • Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier hat vor einem neuen atomaren Wettrüsten gewarnt. Abrüstung sei kein Thema von gestern, sondern eine "Überlebensfrage von Morgen", sagte der SPD-Politiker am 9. Feb. auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Die Vereinten Nationen müssten ihren Druck auf Iran aufrecht erhalten und gegebenenfalls erhöhen. Iranische Atomwaffen "um unserer eigenen Sicherheit willen und um Israels Sicherheit willen" verhindert werden. Immer mehr Staaten seien in der Lage, sich Atomwaffen zu bauen. "Wenn es nicht gelingt, diesen gefährlichen Trend zu stoppen, droht eine neue Rüstungsspirale mit absehbaren Folgen", sagte der Bundesaußenminister.
    In Afghanistan sehe er für die Bundeswehr "wenig Sinn, die gute Arbeit im Norden zu gefährden, indem wir uns an vielen Einsatzorten verstreuen", sagte Steinmeier weiter. Mancher scharfe Diskussionsbeitrag erscheine ihm etwas befremdlich. Die Bundesregierungen hätten schon viel Kraft gebraucht, die deutsche Öffentlichkeit von Auslandseinsätzen zu überzeugen, und die deutschen Kapazitäten seien begrenzt. Deutschland stelle das drittgrößte Kontingent in dem geschundenen Land und brauche sich nicht zu verstecken. "Wir werden unsere Mission in Afghanistan gemeinsam erfolgreich zu Ende bringen", erklärte Steinmeier.
    Hier geht es zur ganzen Rede Steinmeiers: "Ich sehe keinen Sinn darin...".
  • Tausende Demonstranten haben am 9. Feb. weitgehend friedlich gegen die Münchner Sicherheitskonferenz protestiert. Am Demonstrationszug des "Aktionsbündnisses gegen die NATO-Sicherheitskonferenz" beteiligten sich nach Angaben der Polizei rund 1.800 Teilnehmer. Die Organisatoren sprachen von 8.000 bis 10.000 Demonstranten. Der Zug wurde von starken Polizeikräften begleitet. Bei der Startkundgebung am Marienplatz hatten die Redner scharfe Kritik an den Teilnehmern der Konferenz und der deutschen Regierung geübt. Organisator Claus Schreer vom Aktionsbündnis hatte die Polizei aufgerufen, die Teilnehmer der Sicherheitskonferenz festzunehmen. Sie seien verantwortlich für Angriffskriege und Folter, sagte Schreer. Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, kritisierte den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan und für die innere Sicherheit. "Unsere Sicherheit wird weder am Hindukusch verteidigt noch mit mehr Olivgrün auf unseren Straßen", sagte sie. (Berichte über die Proteste hier: "Dieser Dialog wird mit schweren Waffen geführt".)
  • US-Verteidigungsminister Robert Gates hat einigen europäischen NATO-Partnern vorgeworfen, sich vor Kampfeinsätzen in Afghanistan zu drücken und die anderen um so mehr bluten zu lassen. Zugleich lobte er den deutschen Beitrag im weniger umkämpften Norden Afghanistans: Die Deutschen sollten ihre "hervorragenden Job im Norden weitermachen", sagte Gates am 10. Feb. auf der Münchner Sicherheitskonferenz. "In der NATO sollten nicht einige Verbündete den Luxus haben, sich nur für stabilisierende und zivile Operationen zu entscheiden und damit andere Verbündete zu zwingen, eine unangemessen große Last beim Kämpfen und Sterben zu tragen", sagte Gates. Ein zweigeteiltes Bündnis "mit solchen, die kämpfen, und solchen, die nicht kämpfen", würde "die Allianz zerstören", warnte der US-Verteidigungsminister.
    Hier geht es zur ganzen Rede von Gates: "Wir haben gelernt ...".
  • Wegen einer Terrordrohung ist am 10. Feb. die norwegische Botschaft in Kabul geschlossen worden. Das Außenministerium in Oslo erklärte, die Vertretung bleibe bis auf weiteres geschlossen. Einzelheiten zur Drohung nannte sie nicht. Die norwegische Verteidigungsministerin Anne-Grete Strom-Erichsen hatte am 8. Feb. erklärt, Norwegen werde im März 200 weitere Soldaten nach Afghanistan schicken. In einem Dokument vom 20. Januar listete das afghanische Innenministerium 15 Orte in Kabul auf, die Ziel von Aufständischen werden könnten, darunter auch die norwegische Botschaft. Ebenfalls genannt wurden die Botschaften von Schweden, Belgien, Indien, der Türkei, Finnland, und Indonesien sowie Regierungsgebäude und drei Hotels. Im Januar war bei einem Anschlag auf das Hotel Serena in Kabul ein norwegischer Journalist getötet worden.
Montag, 11. Februar, bis Sonntag, 17. Februar
  • Bundeskanzlerin Angela Merkel will am Afghanistan-Mandat der Bundeswehr vorerst nichts ändern. "Wir haben vor wenigen Monaten ein Mandat für den Einsatz im Bundestag verabschiedet, das bis Oktober gilt und Bestand hat. Daran wird nichts geändert", sagte die CDU-Chefin dem «Hamburger Abendblatt» (Ausgabe vom 11. Feb.). Die Forderung der USA, Bundeswehr-Einheiten in den gefährlichen Süden Afghanistans zu schicken, wies sie zurück. "Wir sind mit unserer Verantwortung im Norden stark engagiert", sagte Merkel. Den Norden Afghanistans zu stabilisieren und aufzubauen sei eine große Herausforderung. "Es ist nicht so, dass da nichts los ist", erklärte die Kanzlerin.
  • Mit der Forderung der USA und Kanadas nach mehr deutschen Soldaten für Afghanistan steht der großen Koalition eine heftige Kontroverse über die Ausweitung des Bundeswehr-Einsatzes ins Haus. Der zum linken SPD-Flügel zählende Außenpolitiker Niels Annen sprach in der "Berliner Zeitung" (11. Feb.) von einer "abenteuerlichen Debatte". "Ich sehe keine Bundestagsmehrheit für eine Ausweitung des Bundeswehreinsatzes", sagte er. Anstatt immer mehr Soldaten zu fordern, wäre eine selbstkritische Überprüfung der NATO-Strategie erforderlich. Zudem habe die Bundeswehr die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit für Auslandseinsätze erreicht.
    Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Ulrike Merten (SPD), sagte dagegen am Rande der Sicherheitskonferenz in München dem Bericht zufolge: "Die bisherige Mandatsobergrenze von 3500 Soldaten ist relativ knapp bemessen." Eine Ausweitung etwa auf 4500 Soldaten halte sie für vernünftig. Auch der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, sprach sich in der "Berliner Zeitung" für eine personelle Aufstockung aus.
  • In Südafghanistan sind beim Hantieren mit einer Mine fünf Aufständische im Hause eines Mullahs ums Leben gekommen. Der Geistliche, zwei seiner Söhne und zwei weitere Männer seien in Helmand durch die Explosion getötet worden, teilte die Polizei am 11. Feb. mit. Auch die Frau des Geistlichen und eine Tochter seien verletzt worden. Die getöteten Jungen seien unter 15 Jahre alt gewesen. Die Männer hätten einen Anschlag vorbereitet und mit den radikalislamischen Taliban zusammengearbeitet.
  • Pakistanische Sicherheitskräfte haben im Südwesten des Landes einen der ranghöchsten Talibanführer, Mullah Mansur Dadullah, verwundet und festgenommen. Dadullah und vier weitere Aufständische wurden in der Nähe des Dorfes Gowal Ismail Zai in der Provinz Belutschistan im Grenzgebiet zu Afghanistan gefangengenommen, wie der Polizeichef der Provinz, Saud Gohar, am 11. Feb. mitteilte. Der Geheimdienst habe über seinen Aufenthaltsort Bescheid gewusst. In der afghanischen Hauptstadt Kabul begrüßte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums die Festnahme. Von den Taliban gab es zunächst keine Bestätigung. Dadullah sei am frühen Morgen des 11. Feb. verwundet und festgenommen worden, sagte der Polizeichef weiter. Er habe Widerstand geleistet. "Wir wussten von unseren geheimdienstlichen Quellen, wo Dadullah sich aufhielt. Er hat sich in einem Haus in dem Dorf versteckt", sagte der Polizeichef weiter. Mansur Dadullah soll einer der fünf Taliban sein, die im vergangenen Jahr im Austausch des gekidnappten italienischen Journalisten Daniele Mastrogiacomo freigepresst wurden.
  • In Afghanistan sind 500 Bereitschaftspolizisten mit Körperschutz, Polizeihelm und Ausrüstung aus Deutschland ausgestattet worden. Wie das Bundesinnenministerium am 11. Feb. in Berlin mitteilte, werden in einem nächsten Schritt 25 Experten der Bundes- und Landespolizeien zwischen März und August die Fortbildung der afghanischen Bereitschafts- und Grenzpolizeiverbände fortsetzen. Dann sollen weitere 1.400 Mann mit diesen Führungs- und Einsatzmitteln vollständig ausgestattet werden.
    Aufbauend auf dem bisherigen deutschen Engagement ist seit dem 15. Juni 2007 die europäische Polizeimission EUPOL Afghanistan eingesetzt. Sie soll zu einer Stärke von 195 Polizei- und Rechtsstaatsexperten anwachsen. Deutschland stellt nicht nur das größte nationale Kontingent der Mission, sondern setzt zusätzlich bilateral Polizeiberater und -trainer für Projekte ein, deren Realisierung durch die europäische Polizeimission erbeten wird.
  • Die SPD steht auch einer möglichen späteren Ausweitung des Afghanistan-Engagements skeptisch gegenüber. Die im derzeitigen Mandat festgelegte Obergrenze von 3500 Soldaten solle "auch in Zukunft der Maßstab sein", sagte Parteichef Kurt Beck am 11. Feb. in Berlin. Die im vergangenen Oktober beschlossene Truppen-Obergrenze von 3500 Soldaten "ist und bleibt Grundlage unseres Afghanistan-Einsatzes", hieß es in einem Beschluss des SPD-Präsidiums. Schwerpunkt des Bundeswehr-Engagements werde weiterhin die Nordregion sein. "Für die SPD kommt ein Einsatz im Süden Afghanistans, wie er derzeit in der Öffentlichkeit diskutiert wird, nicht in Frage." Beck sagte zugleich, seine Partei sperre sich nicht dagegen, mehr personellen Aufwand für zusätzliche Ausbildungsleistungen zu betreiben. Dies habe die SPD bereits in der Vergangenheit deutlich gemacht.
  • Die Bundesregierung bekräftigte am 11. Feb., dass am derzeitigen Mandat nichts geändert werde. Noch keine Entscheidung gibt es demnach zu Dauer und Inhalt des im Herbst 2008 zu beschließenden neuen Mandats. "Dazu gibt es noch keine Festlegung", sagte ein Regierungssprecher. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnte erneut eine Entsendung von Bundeswehr-Einheiten in den vergleichsweise gefährlicheren Süden des Landes ab. "Wir sind mit unserer Verantwortung im Norden stark engagiert", sagte sie dem "Hamburger Abendblatt". Der Bundestag habe vor wenigen Monaten ein Mandat für den Einsatz verabschiedet, das bis Oktober gelte. "Daran wird nichts geändert", betonte Merkel. Das gemeinsame Ziel, "dem Aufbau in Afghanistan noch stärker ein afghanisches Gesicht zu geben", werde auch beim NATO-Gipfel in Bukarest im April intensiv diskutiert.
    Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums wies Berichte zurück, wonach an einem neuen Vorschlag für das nächste Bundestagsmandat gearbeitet werde. "Wir haben ein Mandat, das eine klare Obergrenze von 3500 Soldaten vorsieht. Dabei bleibt es", sagte er in Berlin. "Es gibt bei niemandem in der Bundesregierung die Absicht, daran etwas zu ändern", bekräftigte auch der Regierungssprecher. Hintergrund sind Berichte über Überlegungen, wonach die Höchstzahl der eingesetzten Soldaten auf 4500 Mann steigen solle. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts bestätigte indes Berichte, wonach das nächste Mandat länger als zwölf Monate dauern könnte, damit es nicht unmittelbar nach der Bundestagswahl 2009 ausläuft. (AFP, 11. Feb.)
  • Der Kommandeur der ISAF im niederländischen Brunssum, General Egon Ramms, hat mehr Truppen für den NATO-Einsatz in Afghanistan gefordert. Wegen Kräftemangels hätten Einsatzkräfte bereits eroberte Gebiete wieder an die Taliban abgeben müssen mit erheblichen negativen Konsequenzen für die Bevölkerung, sagte Ramms im Deutschlandradio Kultur am 12. Feb. Mit den Soldaten, die derzeit vor Ort seien, sei die Situation zu verwalten, aber es sei eine längere Einsatzdauer erforderlich. Außerdem sei der uneingeschränkte Einsatz von Soldaten aus allen Nationen ein wesentliches Instrument für die militärische Führung. Für eine Aufstockung der Truppe müsse aber nicht nur Deutschland zur Verantwortung gezogen werden, erklärte der General. Der Aufruf von US-Verteidigungsminister Robert Gates auf der Münchner Sicherheitskonferenz sei an alle NATO-Staaten gegangen.
  • Bei der Explosion einer am Straßenrand versteckten Bombe sind im Osten Afghanistans vier afghanische Sicherheitsleute getötet worden. Die Männer, die für die US-Streitkräfte arbeiteten, waren am 12. Feb. mit ihrem Fahrzeug über die Sprengfalle gefahren. Der Vorfall ereignete sich nach Angaben der Polizei vom 13. Feb. im Bezirk Schinkaj in der Provinz Chost. Einer der Fahrzeuginsassen wurde bei der Explosion verletzt.
  • Bei einem Feuergefecht in Afghanistan sind ein italienischer Soldat getötet und ein weiterer verwundet worden. Das teilte das Verteidigungsministerium in Rom am 13. Feb. mit. "Bewaffnete feindliche Elemente" hätten rund 60 Kilometer von Kabul entfernt auf die Italiener geschossen, erklärte das Ministerium. Die Soldaten seien im Einsatz gewesen, um beim Aufbau Afghanistans zu helfen, sagte Ministerpräsident Romano Prodi. "Er wurde plötzlich getötet, verräterisch, es gab keinen Kampf", sagte Prodi in Rom vor Journalisten. Der Soldat gehörte zu einer in Treviso stationieren NATO-Einheit, die auf Wiederaufbaueinsätze in Kriegsgebieten spezialisiert ist. Italien trägt mit rund 2.000 Soldaten im Rahmen des ISAF-Einsatzes der NATO die Verantwortung für Teile Westafghanistans. Der Einsatz stehe nicht infrage, betonte Prodi.
  • Ein Gipfeltreffen führender Koalitionspolitiker soll nach Informationen der "Frankfurter Rundschau" die Veränderung des Bundeswehrmandats in Afghanistan vorbereiten. Wie das Blatt in seiner Ausgabe vom 14. Feb. berichtet, werden dazu die Fraktionsvorsitzenden von Union und SPD, Volker Kauder (CDU) und Peter Struck, mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) zusammentreffen. Koalitionskreise hielten es für ausgeschlossen, dass die aktuelle Obergrenze von 3.500 Soldaten gehalten werden könne. Gerechnet werde mit einer Aufstockung um mindestens 500 Mann.
  • In der Debatte über den deutschen Afghanistan-Einsatz haben am 14. Feb. alle Bundestagsfraktionen das Engagement für die dortige Polizeiausbildung katastrophal genannt. Ziel der Kritik war im Parlament auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble. Er komme seit Monaten einer Einladung des Auswärtigen Ausschusses nicht nach, beklagten SPD-Abgeordnete. Der CDU-Parlamentarier Bernd Schmidbauer sagte, die Situation der Polizeiausbildung werde immer schlechter, seitdem die EU die Verantwortung dafür übernommen habe.
    Hier geht es zur ganzen Debatte im Bundestag: Aktuelle Stunde.
  • Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat von der Europäischen Union mehr Engagement im Polizeieinsatz in Afghanistan gefordert. Deutschland habe 60 Polizeibeamte für die Mission EUPOL angeboten. "Aber die EU hat im Augenblick davon 18 angefordert", sagte Schäuble am 15. Feb. in Hamburg. Insgesamt habe die EU derzeit statt der geplanten 195 Beamten nur 50 vor Ort im Einsatz. Solange nicht auch aus anderen Ländern mehr Einsatzkräfte kämen, würden auch nicht mehr Deutsche angefordert. "Wir wären auch bereit, unseren Einsatz in Afghanistan zu verdoppeln, wenn die EU bereit ist, statt 195, die sie irgendwann als Ziel hat, das Doppelte zu machen", sagte der CDU-Politiker. Deutschland könnte 120 Beamte zur Verfügung stellen. Schäuble betonte, die Zuständigkeit für den Einsatz deutscher Polizisten in Afghanistan liege nicht bei ihm: "Die Polizeiausbildung in Afghanistan ist eine europäische Mission." Damit wies der Innenminister Kritik zurück, die anlässlich der Bundestagsdebatte zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan laut wurde. Die Innenminister der Union beklagten auch, dass es nicht besser funktioniere, sagte Schäuble. "Zum Sündenbock eignen wir uns nicht."
  • In der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen gibt es offenbar die Bereitschaft, die Zahl der deutschen Soldaten in Afghanistan deutlich zu erhöhen. Aus Regierungs- und Fraktionskreisen verlautete laut "Süddeutscher Zeitung" vom 15. Feb., denkbar sei eine Erhöhung um 500 auf dann 4000 oder sogar mehr als 5000 Soldaten. Am 19. Feb. ist ein Treffen der Koalitionsspitzen von Union und SPD mit Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) geplant, wie der Sprecher des Außenministeriums bestätigte. Dort solle es jedoch nicht um eine Aufstockung des Mandats gehen. "Es geht nicht darum, das bestehende Mandat zu ändern", sagte der Außenamtssprecher mit Blick auf das Treffen am Dienstag. Es gehe vielmehr um einen Positionsabgleich. Dabei soll vor allen Dingen über die Geltungsdauer des kommenden Bundeswehrmandats in Afghanistan für die Schutzgruppe ISAF gesprochen werden, das im Oktober 2008 verlängert werden muss. Derzeit gibt es Überlegungen, wonach das nächste Mandat länger als zwölf Monate dauern könnte, damit es nicht unmittelbar nach der Bundestagswahl 2009 ausläuft. Auch die Entwicklungen auf dem westlichen Balkan sollen eine Rolle bei dem Treffen spielen. In der Bundesregierung und den Spitzen der Fraktionen werde eine mögliche Verlängerung des Afghanistan-Mandats befürwortet, heißt es in dem Bericht der "SZ". Als Argument nannten führende Vertreter aus Regierung und Bundestag, dass eine so wichtige Frage nicht vor der Bildung einer neuen Regierung entschieden werden dürfe oder möglicherweise noch von dem scheidenden Parlament. Im Gespräch sei eine Verlängerung von sechs, vielleicht aber auch nur von drei Monaten.
  • Beim härtesten Winter seit 30 Jahren sind in Afghanistan nach Behördenangaben bisher fast 1000 Menschen ums Leben gekommen. Mehr als 130.000 Tiere seien in der Kälte verendet und hunderte Häuser durch den heftigen Schneefall zerstört, teilte die Behörde für Katastrophenschutz am 15. Feb. in Kabul mit. "926 Menschen sind bisher gestorben, über 200 wurden durch Schneestürme oder Lawinen verletzt", sagte ein Behördensprecher. Besonders stark betroffen seien die westliche Provinz Herat und die benachbarten Provinzen nahe der iranischen Grenze. Im Westen Afghanistans sollen Behördenangaben zufolge die Hälfte der Dörfer von der Außenwelt abgeschnitten sein, der Schnee liegt demnach bis zu zwei Meter hoch.
  • Die Bundesregierung erwägt nach Informationen des Magazins "Spiegel" einen Ausstieg aus der US-geführten Anti-Terror- Operation "Enduring Freedom" in Afghanistan. Erste Sondierungen bei der US-Regierung hätten ergeben, dass Washington dafür verstärktes deutsches Engagement im Süden des Landes verlangen würde, meldet das Magazin am 16. Feb. Die Bundesregierung dementierte den Bericht. Es gebe keine Überlegung, die Mandate für die Beteiligung an der ISAF- und der OEF-Mission zu verändern, sagte ein Sprecher in Berlin.
  • Bei einem der blutigsten Selbstmordanschläge in Afghanistan seit dem Sturz der Taliban vor sechs Jahren sind nach offiziellen Angaben mindestens 80 Menschen getötet worden. Dutzende weitere Menschen seien bei dem Anschlag in der Taliban-Hochburg Kandahar verletzt worden. Das sagte der Provinzgouverneur Assadullah Chalid am 17. Feb. Der Attentäter habe sich während eines Hundekampfes inmitten einer großen Zuschauermenge in die Luft gesprengt, sagte der Gouverneur. Die in Afghanistan beliebten Hundekämpfe waren unter den radikal-islamischen Taliban verboten. Die Behörden gingen davon aus, dass der frühere Kommandeur Hadschi Hakeem Dschan Ziel des Anschlags war, der bis 1995 gegen die Taliban gekämpft hatte. Er sei unter den Toten, hieß es.
    In den Krankenhäusern seien 60 Leichen gezählt worden, sagte der Gouverneur. Weitere 20 Tote seien von Verwandten weggebracht worden. Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums bezifferte die Zahl der Verletzten auf über 90. Der einzige ähnlich blutige Anschlag der vergangenen Jahre war im November in der Provinz Baghlan verübt worden. Damals waren unter den 80 Toten zahlreiche Schulkinder und sechs Parlamentsabgeordnete.
  • Die Bundesregierung verurteilte das "feige Attentat". "Wir teilen die Trauer und Bestürzung des afghanischen Volkes", sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier am 17. Feb. in Berlin. Mit dem Anschlag sollten Angst und Terror unter der Zivilbevölkerung verbreitet werden. "Die für die mörderische Tat Verantwortlichen sollen wissen: Die internationale Gemeinschaft wird sich in ihrem Einsatz für das afghanische Volk nicht beirren lassen."


Zurück zur Kriegschronik

Zu weiteren Beiträgen über Afghanistan

Zurück zur Homepage