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Chronik Afghanistan

Dezember 2006


Freitag, 1. Dezember, bis Sonntag, 3. Dezember
  • Der frühere Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Walther Stützle, hält eine militärische Bewältigung des Afghanistan-Konflikts für unmöglich. "Afghanistan ist mit Durchhalteparolen nicht zu lösen", sagte Stützle dem «Kölner Stadt-Anzeiger» (Ausgabe vom 1. Dez.). "Man muss sich endlich darauf verständigen, was eigentlich das Ziel in Afghanistan ist. Das ist völlig offen", sagte er. Die Ziele seien seit 2001 mehrfach verschoben worden, monierte Stützle. Von dem im Dezember 2001 gesetzten Ziel, die Afghanen in die Lage zu versetzen, ihre eigene Sicherheit zu gewährleisten, habe man sich weit entfernt. "Also wird man das mit den Afghanen nach gründlicher Vorbereitung in der Allianz ordentlich besprechen müssen. Dann wird man sich einen Zeitplan geben und den Afghanen sagen müssen: Wir gehen raus", sagte Stützle. Vor allen Dingen werde es Zeit, dass die politischen Führungsköpfe in den Hauptstädten endlich auf die Beurteilungen der Militärs hören. Diese erklärten, die Sache sei militärisch nicht zu lösen. "Das weiß man ja eigentlich auch. Aber es hört ja keiner zu", klagte Stützle, der von 1998 bis 2002 Staatssekretär war.
  • Der Anbau von Opium in Afghanistan ist in diesem Jahr um 61 Prozent gewachsen. Nach Angaben der US-Regierung sind in dem zentralasiatischen Land mittlerweile 172.600 Hektar mit Mohnpflanzen bewirtschaftet. Insbesondere in den Unruheprovinzen Helmand und Urusgan sind laut US-Drogenbehörde viele neue Felder entstanden. Dort wuchsen die Mohnplantagen um 132 Prozent, in den restlichen 31 Provinzen nur um durchschnittlich 18 Prozent.
    "2006 war ein Rekordjahr der Drogenvernichtung, deswegen ist die Nachricht, dass der Anbau gestiegen ist, sehr enttäuschend", teilte der Direktor der US-Behörde, John Walters mit. Die wachsende Drogenindustrie sei eine Bedrohung für die innere Stabilität Afghanistans.
    Afghanistan wird nach US-Angaben somit im nächsten Jahr 5.644 Tonnen Opium produzieren können. Wenn das gesamte Opium zu Heroin verarbeitet würde, wären es 664 Tonnen reines Heroin. 2001, als noch die Taliban an der Macht waren, standen nur 1.685 Hektar zur Verfügung, das ist rund hundertmal weniger als 2006.
    Die Taliban hatten damals den Mohnanbau als Sünde bezeichnet, nach ihrem Fall aber ihre Taktik geändert. Jetzt werde mit dem Drogenanbau und -handel der anti-westliche Kampf gefördert, teilte die US-Behörde weiter mit. Insbesondere in Helmand und Urusgan sind die Taliban wieder auf dem Vormarsch und liefern sich fast täglich Kämpfe mit den NATO-Soldaten. (AFP, 2. Dez.)
  • Fünf Jahre nach der Petersberger Konferenz in Bonn über die Zukunft Afghanistans hat die neue afghanische Botschafterin in Deutschland, Maliha Zulfacar, einen Prioritätenwechsel der internationalen Gemeinschaft bei der Befriedung ihres Landes gefordert. "Afghanistan braucht nicht nur militärische Stabilität, sondern eine wirtschaftliche Perspektive", sagte Zulfacar, die seit zwei Wochen als Botschafterin in Berlin akkreditiert ist. Sie warb um verstärkte Investitionen ausländischer Firmen. "Mein Land braucht neue Perspektiven und greifbare Veränderungen." Dann sei auch die Unterstützung für die Zentralregierung im gesamten Land größer. (AFP, 3. Dez.)
  • Kämpfer der Taliban haben nach eigenen Angaben im Süden Afghanistans einen von der NATO gecharterten Hubschrauber abgeschossen. Die Taliban hätten den Hubschrauber "mit einem einzigen Raketenschlag" abgeschossen, sagte ein Mann, der sich in einem Anruf bei der Nachrichtenagentur AFP am 3. Dez. als Taliban-Sprecher ausgab.
    Ein Sprecher der NATO-geführten ISAF-Truppe sagte hingegen, der am Samstag von Kandahar abgeflogene Transporthubschrauber habe wegen schlechten Wetters notlanden müssen und werde gesucht. Weitere Details wurden zunächst nicht bekannt.
  • Bei einem gegen die NATO-geführte Afghanistan-Schutztruppe ISAF gerichteten Anschlag hat ein Selbstmordattentäter im Süden des Landes zwei Zivilisten mit in den Tod gerissen. Dreizehn weitere afghanische Zivilisten seien verletzt worden, als der Attentäter sein Sprengstoffauto in der Stadt Kandahar in der Nähe eines ISAF-Konvois zur Explosion brachte. Das teilte das afghanische Innenministerium am 3. Dez. mit. Ob es auch unter den ISAF-Soldaten Opfer gab, ist nicht bekannt.
  • Die Grünen haben deutliche Kurskorrekturen in der deutschen und internationalen Afghanistan-Politik verlangt. "Politische Lösungen müssen im Vordergrund stehen, militärische Mittel müssen verhältnismäßig eingesetzt werden", verlangte Bundestags-Fraktionschef Fritz Kuhn am 3. Dez. beim Bundesparteitag in Köln. In ihrem Beschluss "Perspektiven für Afghanistan" forderten die Grünen eine Priorität für den Wiederaufbau des Landes. Grundsätzlich bekannten sie sich darin aber zu einer Fortsetzung auch des militärischen Engagements in Afghanistan im Rahmen der internationalen ISAF-Mission. Deren Ausweitung auf den Süden des Landes wurde allerdings abgelehnt.
Montag, 4. Dezember, bis Sonntag, 10. Dezember
  • Soldaten der NATO-geführten internationalen Schutztruppe haben in der südlichen Unruheprovinz Helmand nach eigenen Angaben mindestens 70 Taliban-Kämpfer getötet. Wie ein Sprecher der ISAF-Truppen am 4. Dez. in Kandahar mitteilte, wurde eine Patrouille am Vorabend im Bezirk Musa Kala von einer großen Zahl Aufständischer angegriffen. Hubschrauber und Kampfjets seien den Soldaten zu Hilfe gekommen, die Kämpfe zogen sich demnach über fast vier Stunden hin. Dabei seien etwa "70 bis 80 Aufständische" getötet worden. Über mögliche Opfer unter den ISAF-Soldaten machte der Sprecher keine Angaben.
  • Auf eine Patrouille der Bundeswehr in Afghanistan ist in der Nacht zum 4. Dez. ein Anschlag verübt worden. Deutsche Soldaten seien aber nicht verletzt worden, erklärte das Verteidigungsministerium in Berlin. Fahrzeuge der Bundeswehr seien kurz vor Mitternacht mit Handfeuerwaffen beschossen worden. Ein Dingo-Fahrzeug sei auch getroffen worden. Es habe aber weiter fahren können, da die Auswirkungen des Beschusses "nicht groß" gewesen seien, sagte ein Ministeriumssprecher.
  • In Afghanistan wird möglicherweise ein deutscher Staatsangehöriger vermisst. Das Auswärtige Amt und die deutsche Botschaft in Kabul bemühten sich zusammen mit der Afghanistan-Schutztruppe ISAF seit Montagabend (4. Dez.) um Aufklärung, sagte ein Sprecher des Ministeriums am 5. Dez. der AFP in Berlin. Zu Berichten, wonach ein deutscher Journalist oder eine Journalistin aus einem Taxi heraus von einer bewaffneten Gruppe nördlich von Kandahar im besonders gefährlichen Süden Afghanistans entführt worden sein könnte, wollte sich das Auswärtige Amt nicht äußern.
  • In Afghanistan ist am 5. Dez. ein britischer Soldat bei Kämpfen mit Taliban getötet und ein weiterer verletzt worden. Der Vorfall ereignete sich bei einem Einsatz von britischen und afghanischen Truppen gegen Taliban-Kämpfer in der Provinz Helmand im Süden Afghanistans, teilte das britische Außenministerium mit. Damit erhöht sich die Zahl der in Afghanistan seit 2001 getöteten Soldaten auf 42. Großbritannien hat rund 5.600 Soldaten in Afghanistan stationiert, davon ungefähr 4.300 im Süden des Landes.
  • Bei einem Selbstmordanschlag auf eine US-Sicherheitsfirma in der südafghanischen Stadt Kandahar sind am 5. Dez. acht Menschen getötet worden. Fünf afghanische Sicherheitskräfte und drei Ausländer seien ums Leben gekommen, sagte ein Sprecher des afghanischen Innenministeriums. Alle hätten für die US-Firma USPI (US Protection and Investigation) gearbeitet. Die Nationalitäten der Ausländer nannte der Sprecher nicht.
  • Mit dem Bau einer von der Bundesregierung finanzierten Straße hat das bislang größte deutsche Wiederaufbauprojekt im umkämpften Süden Afghanistans begonnen. Nach dpa-Informationen sind nach den Vermessungsingenieuren seit dem 6. Dez. die Bauarbeiter im Einsatz. Die Straße wird 4,5 Kilometer lang, für die Baukosten sind eine Million Euro veranschlagt. Die Straße soll 27 Kilometer westlich der Stadt Kandahar beginnen und nach Süden in den Distrikt Pandschwai führen. Sie soll an die Schnellstraße angebunden sein, die von Kabul nach Kandahar und weiter nach Herat führt. Die Kosten trägt das Auswärtige Amt, umgesetzt wird das Projekt von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit. Eine afghanische Firma baut die Straße mit Arbeitern aus der Region. Zeitweise wird auch ein deutscher Bauingenieur auf der Baustelle sein. Pandschwai ist in den vergangenen Monaten immer wieder Schauplatz schwerer Kämpfe zwischen der Internationalen Schutztruppe ISAF und den Taliban gewesen.
    Der Wunsch nach einer Straße war laut dpa von der Bevölkerung an die ISAF herangetragen worden. Zur Sicherung des deutschen Bauprojekts gegen Angriffe wurden in den Dörfern der Region Männer rekrutiert.
  • Mit rund 20 Millionen Euro wird Deutschland im kommenden Jahr die Ausbildung der Polizei in Afghanistan weiter unterstützen. Das beschloss das Kabinett am 6. Dez. in Berlin, wie Vize-Regierungssprecher Thomas Steg nach der Sitzung mitteilte. Bislang sind seinen Angaben zufolge etwa 70 Millionen Euro allein von deutscher Seite dafür geflossen. Die Bundesrepublik hatte Anfang 2002 im Rahmen der internationalen Arbeitsteilung die Führungsrolle beim Wiederaufbau der afghanischen Polizei übernommen. Seitdem konnten rund 17 000 Polizisten der mittleren Dienstgrade ausgebildet werden. Laut Steg befinden sich derzeit 41 Beamte im Einsatz, die neben Kabul auch in den Außenstellen Kundus, Faisabad und Mazar-i-Sharif tätig sind.
  • Bei einem Selbstmordanschlag auf einen NATO-Konvoi im Süden Afghanistans sind am 7. Dez. 15 Menschen getötet oder verletzt worden, wie ein Polizeisprecher mitteilte. Es handelte sich bei den Opfern offenbar um Zivilisten. Nach NATO-Angaben wurden bei dem Anschlag in Kandahar keine Soldaten der Allianz getötet oder verwundet.
  • Die Staatsanwaltschaft München hat das Ermittlungsverfahren gegen zwei Bundeswehr-Soldaten, die in Afghanistan mit Totenschädeln posiert hatten, eingestellt. Es liege keine strafbare Störung der Totenruhe vor, erklärte Oberstaatsanwalt Rüdiger Hödl am 7. Dez. Der Totenkopf und unzählige andere menschliche Knochenteile hätten im Jahr 2003 auf einem lehmigen Gelände gelegen, auf dem die afghanische Bevölkerung seit Jahren schon Lehm für ihre Häuser abbaue. Nur wenn der Totenschädel von einem Friedhof gestammt hätte, "wäre ein dort verübter beschimpfender Unfug strafbar", erklärte Hödl. Eine Ordnungswidrigkeit wegen Belästigung der Allgemeinheit wäre inzwischen verjährt.
    Die Staatsanwaltschaft Kiel hat im Fall der Totenschädel-Fotos aus Afghanistan ebenfalls kein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Für den Vorwurf der Störung der Totenruhe gegen einen in Bad Segeberg stationierten Hauptfeldwebel habe es keine Anhaltspunkte gegeben, sagte Oberstaatsanwalt Uwe Wick am 7. Dez. der Nachrichtenagentur AP. Eine Straftat hätte nur dann vorgelegen, wenn die Bundeswehr-Soldaten unbefugt den Körper eines Verstorbenen entfernt oder eine Beisetzungsstätte zerstört, beschädigt oder damit Unfug betrieben hätten, erläuterte der Staatsanwalt und fügte hinzu: "Der Hauptfeldwebel und seine Begleiter haben jedoch selbst keine Skelettteile ausgegraben, sondern lediglich offen herumliegende Knochen aufgenommen."
  • Angesichts der Gewalt in Afghanistan haben die Vereinten Nationen die internationale Gemeinschaft und die Regierung in Kabul zu stärkeren Anstrengungen aufgerufen. Der Weltsicherheitsrat fordere unter anderem eine Reformierung des Sicherheitssektors, erklärte der UN-Sonderbeauftragte Tom Koenigs am 7. Dez. in Kabul. Er bezog sich auf den Bericht einer Sicherheitsratsdelegation, der am Donnerstag auch in New York vorgestellt werden sollte. Bei einem Besuch in Afghanistan im November habe die Delegation das sinkende Vertrauen der Bevölkerung in den Wiederaufbau registriert, sagte Koenigs. Dafür seien auch Mängel in der Organisation des Sicherheitsbereichs verantwortlich. Gefordert werde unter anderem die Stärkung der Streitkräfte und Reformen im Innenministerium, dem die Polizei untersteht. Am Wiederaufbauplan für Afghanistan halte der Sicherheitsrat aber fest. "Wir haben kein Strategie-Problem. Wir haben ein Problem der Umsetzung", sagte Koenigs.
  • Der neue NATO-Oberbefehlshaber in Europa, Bantz J. Craddock, hat am 7. Dez. sein Amt angetreten. Der US-General übernahm die Nachfolge von seinem Landsmann General James Jones, der in den Ruhestand geht. "Dieses Bündnis ist stärker und wichtiger für unsere kollektive Sicherheit denn je", sagte Craddock bei seiner Amtseinführung im militärischen Hauptquartier der NATO in Belgien. Der 57-Jährige war zuletzt Befehlshaber des US-Oberkommandos Süd und damit unter anderem für das US-Gefangenenlager Guantanamo zuständig. Davor arbeitete er als Berater des scheidenden US-Verteidigungsministers Donald Rumsfeld.
    Als NATO-Oberbefehlshaber wird Craddock unter anderem für die 32.000 Soldaten der Afghanistan-Schutztruppe ISAF und für die 16.000 Mann starke KFOR-Mission im Kosovo verantwortlich sein. "Sie kommen zu einer bedeutsamen Zeit für unser Bündnis", sagte NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer bei der Amtseinführung Craddocks in Casteau.
  • Afghanistan steht nach Ansicht der Vereinten Nationen an einem Scheideweg. Wie der Leiter einer Kommission des Sicherheitsrats, der japanische UN-Botschafter Kenzo Oshima, am 7. Dez. in New York mitteilte, gibt es derzeit keine Garantie, dass das Land nicht wieder zum Schauplatz eines größeren Konflikts wird. Vor allem die Sicherheitslage gebe Anlass zur Besorgnis. "Nur wenige werden bestreiten, dass Afghanistan jetzt an einem Scheideweg ist", sagte Oshima. Die afghanische Wirtschaft wachse zwar, und es gebe auch viel versprechende Ansätze bei der Entwicklung und Stärkung der demokratischen Institutionen, andererseits verstärkten aber auch die Taliban, die Al Kaida und andere extremistische Gruppen besonders im Süden und Osten des Landes ihre Angriffe, die Opiumproduktion und der Drogenhandel nehme zu, und Korruption sei weit verbreitet, erklärte Oshima. Die Ausweitung des Aufstands der extremistischen Gruppen gefährde zusammen mit der Korruption und Fehlern der Regierung den Aufbau des Landes. Oshima rief die afghanische Regierung auf, die vereinbarten Ziele die Verringerung der Armut und den Ausbau der Stromversorgung zügig umzusetzen. An die internationale Gemeinschaft appellierte er, die Regierung in Kabul verstärkt zu unterstützen, damit es weiter Fortschritte gebe. Oshima mahnte, niemand könne aber derzeit sagen, ob das Land nicht trotz dieser Anstrengungen wieder in einen größeren Konflikt geraten werde. Aber die afghanische Regierung und die internationale Gemeinschaft hätten auch eine vernünftige Strategie, um die Herausforderungen zu meistern.
  • Im Zusammenhang mit den Skandal-Fotos aus Afghanistan ermittelt die Bundeswehr nur noch gegen elf Tatverdächtige. Das teilte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Thomas Raabe, am 8. Dez. in Berlin mit. Vor wenigen Tagen waren es noch 17 Tatverdächtige. Allerdings hatte die Staatsanwaltschaft im Fall der vermeintlichen Totenschändung das Verfahren gegen zwei beschuldigte Bundeswehr-Soldaten eingestellt. Zudem seien im Zuge der Ermittlungen aus einigen Verdächtigen nunmehr Zeugen geworden, sagte Raabe.
  • Mit einer emotionalen Ansprache hat sich der noch amtierende US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld von den Mitarbeitern des Pentagons verabschiedet. Zehn Tage vor seinem endgültigen Ausscheiden aus dem Amt sagte Rumsfeld am 8. Dez. in Washington, er wolle die Geschichte über seine Arbeit entscheiden lassen. Er hoffe, die Bewertung werde besser ausfallen als die der örtlichen Presse.
  • Im NATO-Streit um Einsätze der Bundeswehr im gefährlichen Süden Afghanistans deutet sich nach Informationen des Hamburger Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" ein Kurswechsel an. So erwäge die Bundeswehrführung, dem ISAF-Kommandeur, dem britischen General David Richards, mehr Deutsche zu unterstellen, berichtet das Magazin am 9. Dez. vorab. Diese Truppen sollen notfalls auch in den umkämpften Süden ausrücken können. Hintergrund ist, dass von den derzeit fast 3.000 Bundeswehrsoldaten etwa ein Drittel unter nationalem Kommando steht, was von der NATO als Einschränkung ihrer Einsatzmöglichkeiten gesehen werde. Zu diesen Truppen gehören den Angaben zufolge unter anderem Flugzeugmechaniker und die begehrte Sondereinheit mit der Aufklärungsdrohne «Luna», aber auch rund 200 Fernmelder, die auf das Abhören gegnerischer Funk- und Telefonverbindungen spezialisiert sind. In Berlin werde nun erwogen, einen Teil dieser Truppen unter das Kommando des britischen Generals zu stellen. Laut Bundestagsmandat ist Haupteinsatzort der Bundeswehr der Norden Afghanistans, in anderen Landesteilen können deutsche Soldaten "zeitlich und im Umfang begrenzt" eingesetzt werden.
  • Bei einer Bombenexplosion im Süden Afghanistans sind zwei Übersetzer der NATO-geführten Afghanistan-Schutztruppe ISAF ums Leben gekommen. Die beiden Afghanen seien am 8. Dez. in einem ISAF-Konvoi in der Unruheprovinz Urusgan unterwegs gewesen, als am Straßenrand ein ferngezündeter Sprengsatz explodiert sei, teilte die NATO am 9. Dez. mit. Soldaten seien nicht verletzt worden. Für ähnliche Anschläge in der Vergangenheit waren radikalislamische Taliban-Rebellen verantwortlich gemacht worden.
  • Bei einem NATO-Luftangriff in Afghanistan sind nach Angaben der Polizei vier Zivilisten getötet worden. Die NATO habe ein Haus zwischen den Orten Daulat Schah und Alischang, 80 Kilometer östlich von Kabul, bombardiert, in dem sie Taliban-Kämpfer vermutete, sagte Polizeisprecher Abdul Karim Omeriar am 10. Dez. Ein weiterer Zivilist sei verletzt worden. Die internationale Afghanistan-Truppe ISAF wollte lediglich bestätigen, dass es in der Gegend am 9. Dez. einen "Zusammenstoß mit einer kleinen Zahl Aufständischer" gegeben habe. Berichte über zivile Opfer lägen aber nicht vor, sagte ISAF-Sprecher Dominic Whyte. Ende Oktober hatte die ISAF eingeräumt, sie habe bei einem Einsatz im Süden Afghanistans zwölf Zivilisten getötet.
Montag, 11. Dezember, bis Sonntag, 17. Dezember
  • Bei einer Anti-Terror-Operation der US-geführten Koalitionstruppen sind in der ostafghanischen Provinz Chost vier mutmaßliche Rebellen und ein 13 Jahre altes Mädchen getötet worden. Das alliierte Bündnis teilte am 12. Dez. mit, Aufständische hätten sich auf einem Grundstück verschanzt. Als die Soldaten sie aufforderten, sich zu ergeben, hätten die Rebellen das Feuer eröffnet. Ein acht Jahre altes Mädchen sei bei dem Gefecht verletzt worden.
  • Nach dem Tod eines 13-jährigen Mädchens im Osten Afghanistans hat Präsident Hamid Karsai am 12. Dez. Kritik an den Operationen der NATO-geführten Truppen in dem Land geübt. "Die Menschen sind sehr wütend über die getöteten Zivilisten", sagte Karsai nach einem Sicherheitstreffen mit dem Kommandanten der Internationalen Schutztruppe in Afghanistan (ISAF), David Richards, und den Botschaftern der USA, Kanadas, Großbritanniens und der Niederlande. Auf der Konferenz, die erstmalig in Kandahar stattfand, sei über die zivilen Opfer gesprochen worden. Die Opfer schmerzten die afghanische Bevölkerung. "Wir sind zu Recht wütend und beunruhigt", sagte Karsai.
  • Bei einem Selbstmordanschlag im Süden Afghanistans sind am 12. Dez. mindestens sechs Menschen ums Leben gekommen. Bei dem Attentat vor dem Haus des Gouverneurs in der Unruheprovinz Helmand seien vier Sicherheitskräfte und zwei Zivilisten getötet worden, teilte die Polizei mit. Weitere acht Menschen seien verletzt worden. Es ist das achte Selbstmordattentat in drei Wochen im Süden des Landes, wo die radikalislamischen Taliban um ihre Vormachtstellung kämpfen.
  • In der afghanischen Provinz Helmand ist ein britischer Soldat ums Leben gekommen. Das Verteidigungsministerium in London erklärte am 12. Dez., der Soldat sei während eines Einsatzes erschossen worden. Er sei mit einem Hubschrauber zum Stützpunkt Bastion gebracht worden, wo ihn die Ärzte für tot erklärt hätten. Großbritannien hat etwa 6.000 Soldaten in Afghanistan stationiert, die meisten von ihnen in Helmand. Seit der US-geführten Invasion in Afghanistan sind dort 43 britische Soldaten getötet worden.
  • NATO-Soldaten haben in der südafghanischen Stadt Kandahar einen zivilen Motorradfahrer erschossen. Er habe sich am 12. Dez. auf seinem Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit einem Sicherheitsposten genähert, erklärte das Militärbündnis am 13. Dez. Eine Aufforderung zum Anhalten habe er nicht beachtet. Daraufhin hätten die Soldaten einen Warnschuss abgegeben, der aber abgeprallt sei und den Mann getroffen habe.
  • Begleitet von neuen Vorwürfen gegen die alte Bundesregierung ist der Geheimdienste-Untersuchungsausschuss des Bundestages zu einer weiteren Sitzung zusammengekommen. Im Mittelpunkt der Anhörung stand am 14. Dez. der Fall Khaled el Masri. Der Deutsch-Libanese war Anfang 2004 vom US-Geheimdienst CIA nach Afghanistan verschleppt und dort mehrere Monate wegen Terrorverdachts festgehalten worden. Die Koalition wollte die Affäre mit der Vernehmung von Ex-Außenminister Joschka Fischer (Grüne) und dem ehemaligen Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier (SPD) abschließend behandeln. Der Ausschussvorsitzende Siegfried Kauder (CDU) bezeichnete den Erkenntnisstand als "schon recht abgerundet". Überraschungen seien nicht mehr zu erwarten. Die Opposition sah dagegen weiteren Aufklärungsbedarf.
  • Pakistan hat nach eigenen Angaben in diesem Jahr mehr als 500 Kämpfer der Taliban festgenommen. Die meisten Verdächtigen seien an Afghanistan überstellt worden, sagte das Außenministerium in Islamabad am 14. Dez. Die Erklärung ist offenbar eine Reaktion auf die Vorwürfe des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai, der erklärt hatte, Pakistan gewähre den Extremisten Schutz und Unterstützung. Beobachter vermuteten, Karsai wolle auf diese Weise die Aufmerksamkeit der USA auf sich ziehen, die derzeit ganz auf die Lage im Irak konzentriert seien.
  • In der afghanischen Stadt Kandahar sprengte sich am 14. Dez. ein Selbstmordattentäter in die Luft und riss vier Menschen mit in den Tod. Der Gouverneur der Provinz Sabul, Dilber Dschan Arman, erklärte, weitere 23 Zivilpersonen und zwei Polizisten seien verletzt worden. Der Attentäter zündete seinen Sprengsatz auf einer belebten Hauptstraße, als gerade ein Polizeifahrzeug vorbeifuhr.
  • Der frühere Außenminister Joschka Fischer (Grüne) hat nach eigenen Angaben nicht schon vor Juni 2004 von der Verschleppung des Deutsch-Libanesen Khaled El Masri durch den US-Geheimdienst CIA erfahren. Der damalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) habe ihn nicht über sein Gespräch mit dem damaligen US-Botschaft Daniel Coats informiert, sagte Fischer am 14. Dez. vor dem Untersuchungsausschuss zum Anti-Terror-Kampf in Berlin. Schily hatte damals offiziell als erstes Regierungsmitglied von der Entführung und Inhaftierung in Afghanistan erfahren. Fischer wollte es nicht bewerten, weshalb ihn Schily nicht informiert habe. Er habe von dem Gespräch Schily-Coats aus der Presse im Dezember 2005 erfahren. El Masri war Ende 2003 verschleppt und Ende Mai 2004, kurz vor dem Gespräch Schilys, wieder freigelassen worden.
  • Vor dem Geheimdienst-Untersuchungsausschuss haben Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und sein Vorgänger Joschka Fischer (Grüne) das Vorgehen der Bundesregierung im Anti-Terror-Kampf verteidigt. "Wir haben den USA keine blinde Gefolgschaft geleistet", hob Steinmeier bei seiner ersten Vernehmung vor dem Gremium am 14. Dez. in Berlin hervor. Vorwürfe wie der, die Bundesregierung habe Beihilfe bei der Verschleppung des Deutsch-Libanesen Khaled El Masri geleistet oder "komplizenhaft weggeschaut", nannte der frühere Kanzleramtschef "infam". Steinmeier führte aus, weshalb Fälle wie der El Masris im Zusammenhang mit der Bedrohungslage nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA gesehen werden müssten. So schnell wie möglich hätten Informationen gesammelt werden müssen, ob weitere Anschläge drohten. Doch hob Steinmeier hervor, dass dies "niemals ein Freibrief für Entführung und Folter" gewesen sei. Vom Fall El Masri, der Ende Dezember 2003 an der mazedonischen Grenze festgenommen und später vom US-Geheimdienst CIA in ein Gefängnis ins afghanische Kabul gebracht worden war, erfuhr Steinmeier nach eigenen Angaben im Juni 2004 erstmals. Es seien keine Informationen von deutschen Behörden über El Masri an die USA weitergegeben worden: "Deutschland hat keine Beihilfe zur Verschleppung eines deutschen Staatsangehörigen geleistet."
    Ähnlich wie zuvor Fischer verteidigte sich Steinmeier gegen den Vorwurf, die Bundesregierung sei zu wenig hartnäckig im Fall El Masri in den USA vorgegangen. Steinmeier sagte dazu, wenn die Bundesregierung die USA mit dem Vorwurf einer Entführung konfrontieren wollten, dann sollten dafür genügend Indizien zusammengetragen sein. Auch Fischer hatte diesen Punkt hervorgehoben und auf seine eigenen, "desillusionierenden" Bemühungen in seinen Gesprächen mit den USA und Mazedonien über den Anti-Terror-Kampf verwiesen.
    Grünen-Ausschussmitglied Hans-Christian Ströbele hielt der Regierung vor, Steinmeier habe bereits Mitte Januar 2005 eine Bestätigung aus US-Geheimdienstkreisen erhalten, dass El Masri tatsächlich monatelang in Afghanistan inhaftiert war. Darüber seien das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) und das Parlament unzutreffend informiert worden.
  • Der Chef der US-Landstreitkräfte, Peter Schoomaker, hält eine Truppenaufstockung für notwendig. Zudem müsse es uneingeschränkte Einsatzmöglichkeiten der Reservekräfte geben, sagte er am 14. Dez. bei einer Expertenanhörung in Washington. Um auf die Bedürfnisse im Kampf gegen den Terrorismus reagieren zu können, müssten jetzt Entscheidungen getroffen werden. Derzeit seien 125.000 Landstreitkräfte im Irak und in Afghanistan. Es gebe insgesamt 40 Prozent weniger aktive Soldaten als in den 70-er Jahren. Die Landstreitkräfte, die etwa 507.000 Soldaten umfassen, hatten bereits eine vorübergehende Erlaubnis zur Aufstockung um 30.000 Soldaten erhalten. Schoomaker forderte eine dauerhafte Genehmigung für die Aufstockung sowie eine weitergehende Verstärkung um 6.000 bis 7.000 Soldaten pro Jahr. Die US-Militärführung fordert bereits seit einigen Wochen eine Aufstockung.
  • Die Schädelfotos während ihres Einsatzes in Afghanistan werden nach Informationen der "Bild"-Zeitung für sieben Bundeswehrsoldaten disziplinarrechtliche Folgen haben. Das berichtete die Zeitung am 15. Dez. unter Berufung auf einen internen Bericht der Bundeswehr. Den Soldaten drohen laut "Bild" Degradierung, Beförderungsstopp sowie ein Kürzung des Soldes. Vier weitere Mannschaftsdienstgrade kommen demnach dagegen ohne Verfahren davon. Ihnen werde als mildernd angerechnet, dass Vorgesetzte sie 2003 und 2004 nicht daran gehindert hätten, auf Fotos mit menschlichen Knochenresten zu posieren.
  • Bei einem Selbstmordanschlag im Osten Afghanistans auf einen Konvoi der NATO und der afghanischen Armee sind am 15. Dez. mindestens zwei Menschen ums Leben gekommen. Der Attentäter habe nahe der Provinzhauptstadt von Paktia, Gardes, ein mit Sprengstoff präpariertes Auto in den Konvoi gelenkt, sagte der örtliche Polizeichef Abdul Hanan Raufi der Nachrichtenagentur AFP. Dabei seien ein afghanischer Soldat und ein Zivilist getötet sowie vier Afghanen und ein NATO-Soldat verletzt worden. Ein Sprecher der internationalen Schutztruppe ISAF bestätigte den Anschlag. Zu möglichen Opfern sagte er nichts.
  • Die Europäische Union erwägt eine Ausweitung ihres Engagements bei der Ausbildung der Polizei in Afghanistan. Die EU prüfe derzeit Möglichkeiten für eine zivile Mission "im Bereich der Polizeiarbeit", hieß es am 15. Dez. in einem Beschluss des EU-Gipfels in Brüssel. Afghanistan befinde sich "an einem Scheideweg". Die EU sei bereit, "ihre Bemühungen noch zu verstärken". Bislang hat im wesentlichen Deutschland die Ausbildung afghanischer Polizisten übernommen. Nach Angaben eines Sprechers des Auswärtigen Amtes erhielten rund 4200 Afghanen eine Ausbildung zum Polizisten, 12.700 Polizisten werden in Trainingseinheiten weiter ausgebildet.
  • Nach fast sechs Jahren an der Spitze des Pentagon ist US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld am 15. Dez. mit militärischen Ehren verabschiedet worden. Unter Rumsfelds Amtsführung hätten die USA "einige der schwierigsten Momente ihrer Geschichte" erlebt, sagte US-Präsident George W. Bush unter Verweis auf die Terroranschläge vom 11. September 2001. Der Minister habe sich dabei als "einer der fähigsten, dynamischsten und engagiertesten Amtsträger" erwiesen. Den Krieg gegen die Taliban in Afghanistan 2001 bezeichnete Bush als "einen der innovativsten Militärfeldzüge in der Geschichte der modernen Kriegsführung".
  • Die NATO-geführte Truppe in Afghanistan hat die radikalislamischen Taliban aufgefordert, zwei Unruhebezirke im Süden des Landes "unverzüglich" zu verlassen. Andernfalls würden sie "mit Gewalt" aus Sahre und Pandschwaji in der Provinz Kandahar vertrieben, hieß es auf Flugblättern, die am 16. Dez. über mutmaßlichen Taliban-Stellungen abgeworfen wurden. Das Ultimatum sei Teil einer neuen Offensive gegen die Taliban, sagte ein Sprecher der internationalen Schutztruppe ISAF. An der "Operation Baas Tsuka" (Gipfelfalke) von ISAF und afghanischer Armee sind hunderte Soldaten beteiligt.
  • Frankreich will in den kommenden Wochen seine Sondereinheiten aus Afghanistan abziehen. Die französische Regierung werde ihr Truppenkontingent in Afghanistan neu organisieren und demnächst ihre Sondereinsatzkräfte aus dem Land zurückholen, kündigte Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie am 17. Dez. bei einem Besuch in Kabul an. Frankreich hat im Osten von Afghanistan rund zweihundert Spezialkräfte stationiert. Alliot-Marie hatte am Vorabend gesagt, die Ausbildung der afghanischen Armee sei "ein wesentlicher Teil der Stabilisierung" für das Land. Die Ministerin besucht Afghanistan etwa jedes halbe Jahr und ist derzeit zum neunten Mal dort. Bei ihrem dreitägigen Besuch wollte sie auch den afghanischen Präsidenten Hamid Karsai treffen. Frankreich hat insgesamt rund zweitausend Soldaten in Afghanistan stationiert.
  • Bei einem Selbstmordanschlag auf einen NATO-Konvoi in Ostafghanistan ist am 17. Dez. ein afghanischer Zivilist ums Leben gekommen. Mehrere Afghanen seien bei dem Attentat mit einer Autobombe verletzt worden, sagte ein Sprecher der internationalen Schutztruppe ISAF. Es habe keine Opfer unter den ISAF-Soldaten gegeben. Der Anschlag ereignete sich nach Angaben örtlicher Behörden im Bezirk Nadir Schah Kot an der Grenze zu Pakistan.
  • Die US-Streitkräfte haben am Wochenende (16./17. Dez.) 18 Guantanamo-Häftlinge in deren Heimatländer überstellt. Die Männer wurden fast alle den Behörden der jeweiligen Staaten übergeben, wie ein Pentagonsprecher am Sonntag erklärte. Lediglich ein Jemenit sei ohne Bedingungen freigelassen worden. Bei den anderen handelt es sich um Männer aus Afghanistan, Kasachstan, Libyen, Bangladesch und weitere Jemeniten.
    Seit Einrichtung des Gefängnis in Guantanamo wurden rund 380 Gefangene von dort entlassen, etwa 395 weitere sind noch wegen vermuteter Verbindungen zum Terrornetzwerk Al Kaida oder den Taliban inhaftiert. Darunter seien 85, die in andere Länder ausreisen dürften, sagte Korvettenkapitän Chito Peppler. Die US-Behörden bemühten sich bei anderen Regierungen aktiv darum, die Überstellung oder Freilassung der Betroffenen zu arrangieren.
Montag, 18. Dezember, bis Sonntag, 24. Dezember
  • Der UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Tom Koenigs, hat prophezeit, die NATO werde den Kampf in Afghanistan "nicht lang durchhalten". Der dortige Konflikt sei ohnehin "nicht allein mit militärischen oder polizeilichen Mitteln" zu lösen, sagte Koenigs der "Frankfurter Rundschau" vom 18. Dez. Vieles, was den dortigen Volksaufstand befördert habe, sei "von pakistanischem Boden ausgegangen". Deshalb müsse man die Pakistanis miteinbeziehen. Zudem sei es notwendig, dass NATO und Koalitionsstreitkräfte "so schnell wie möglich" die afghanische Armee und Polizei in die Lage versetzten, den Konflikt aus eigener Kraft auszufechten. Deutschland sollte dabei eine zentrale Rolle in der Ausbildung afghanischer Institutionen spielen. Der Abzug der NATO-Truppen fände "sehr viel mehr Akzeptanz", weil dann ein Argument der Taliban nicht mehr ziehe, dass das "fremde Invasoren" seien, betonte der Sonderbeauftragte.
  • Bei einem Einsatz der US-geführten Truppen gegen ein Waffenlager der radikalislamischen Taliban im Süden Afghanistans sind vier mutmaßliche Kämpfer getötet worden. Der Einsatz habe einem Waffenlager mit Minen und Sprengstoff in der Unruheprovinz Kandahar gegolten, teilte die US-Armee am 18. Dez. mit. Mindestens drei Soldaten der Koalitionstruppen seien dabei verletzt worden.
  • Ein Erfahrungsbericht deutscher Soldaten in Afghanistan belegt laut einem Zeitungsbericht erhebliche Ausrüstungsmängel der ISAF-Truppe. Demnach hätten fast alle Sprengstoffanschläge, die per Funk ausgelöst wurden, verhindert werden können, berichtete die "Welt" am 19. Dez. "Nahezu alle Anschläge hätten bei Einsatz eines Jammer verhindert werden können, da sehr häufig eine Fernzündung durch Einsatz eines Handy- oder Funksignals herbeigeführt wurde", zitierte das Blatt aus dem Bericht. Ein "Jammer" ist ein elektronisches Störgerät, mit dem das Zünden von Sprengsätzen verhindert werden kann. In dem Kontingent-Bericht wird laut "Welt" dringend ein Sofortkauf auf dem freien Markt verlangt.
    Das Bundesverteidigungsministerium hat den Zeitungsbericht über die angeblich katastrophale Ausrüstung der Bundeswehr in Afghanistan zurückgewiesen. Der Vorwurf, die schlechte Ausrüstung gefährde deutsche Soldaten, "ist unverantwortlich und falsch", erklärte das Ministerium am 19. Dez. in Berlin. Die Auftragserfüllung sei zu jeder Zeit sicher gestellt gewesen.
  • Vor dem Hintergrund neuer Hinweise auf Ausrüstungsmängel bei der Bundeswehr hat die SPD die Entscheidungsprozesse in der Wehrverwaltung als zu langsam kritisiert. "Es ist keine Frage von Geld, es hapert vor allem an der Logistik", sagte der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold der "Berliner Zeitung" (Ausgabe vom 20. Dez.). Die Entscheidungsabläufe in der Wehrverwaltung seien zu umständlich und bürokratisch. "Es ist da noch nicht angekommen, dass die Bundeswehr eine Einsatzarmee ist, in der Entscheidungen schnell gehen müssen." Weil eine Anschaffung von zahlreichen Entscheidungsträgern abgezeichnet werden müsse, dauerten Genehmigungen von Ausrüstungsgegenständen zum Teil mehrere Jahre, sagte Arnold. Dazu kämen oftmals unnötige technische Prüfungen von Ausrüstungen, die anderswo bereits verwendet würden. "Wenn Reinhold Messner mit einer bestimmten Textilie durch die Arktis wandern kann, dann muss der Stoff auch für die Soldaten ausreichen - eine jahrelange Prüfung durch die Bundeswehr ist dann unnötig", sagte Arnold. Das selbe Prinzip gelte auch für Störsender gegen Sprengstoff-Fallen, die von anderen Ländern der NATO bereits eingesetzt würden. In einem Erfahrungsbericht eines Bundeswehr-Kontingents, das zum Einsatz in Afghanistan stationiert war, war nach Medienberichten das Fehlen solcher Störsender bemängelt worden.
  • Bei Gefechten im Süden Afghanistans haben Soldaten und Sicherheitskräfte in den vergangenen Tagen rund 50 mutmaßliche Taliban-Kämpfer getötet, wie ein NATO-Sprecher am 20. Dez. mitteilte. Unter ihnen seien auch ranghohe Führungsmitglieder, sagte Richard Nugee. An den in der vergangenen Woche begonnenen Kämpfen in der Provinz Kandahar sind demnach NATO-Truppen und afghanische Soldaten sowie Polizisten beteiligt. Auf ihrer Seite habe es keine Verluste gegeben. Die Kämpfer setzten den Soldaten kaum Widerstand entgegen, sagte Nugee. Ihre Führer "flüchten oder werden getötet, und die Taliban-Soldaten wissen nicht was sie tun sollen".
  • Das US-Verteidigungsministerium will weitere 99,7 Milliarden Dollar (76 Milliarden Euro) für die Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan beantragen. Das erfuhr die Nachrichtenagentur AP am 20. Dez. Stimmen Präsident George W. Bush und der Kongress zu, stiege der Gesamtetat für die Kriege allein in diesem Jahr auf 170 Milliarden Dollar (130 Milliarden Euro). Die neuen Planungen der Streitkräfte fallen in eine Zeit, in der Bush eine Änderung der Irak-Strategie erwägt. So gibt es Forderungen, die Zahl der dort eingesetzten Soldaten kurzfristig zu erhöhen. Die Wünsche des Pentagons wurden aber bereits zuvor erarbeitet. Insgesamt hat der Krieg im Irak bislang rund 350 Milliarden Dollar (266 Milliarden Euro) gekostet. Zusammen mit dem Einsatz in Afghanistan und dem Kampf gegen den Terrorismus in anderen Teilen der Welt haben die US-Steuerzahler schon 500 Milliarden Dollar aufgebracht, wie eine Untersuchung des Congressional Research Service ergab.
  • Die NATO hat bei Deutschland zusätzliche militärische Kräfte zur Luftaufklärung und -überwachung in Afghanistan angefordert. Wie der Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums, Thomas Raabe, am 20. Dez. mitteilte, wurde eine entsprechende Anfrage des NATO-Oberkommandos Europa an den Generalinspekteur der Bundeswehr, General Wolfgang Schneiderhan, übermittelt. Darüber habe Verteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU) das Kabinett informiert. Die Anfrage bezieht sich den Angaben zufolge auf die Bereitstellung bestimmter militärischer Fähigkeiten; sie ist aber nicht auf ein Einsatzgebiet begrenzt. Während bislang die Bundeswehr in erster Linie im Norden Afghanistans tätig ist, könnte die nun abgefragte Fähigkeit "auch in anderen Teilen zum Einsatz kommen", sagte Raabe weiter. Er fügte hinzu, die Bundesregierung werde die Angelegenheit möglicherweise noch in den Gremien der NATO zur Sprache bringen. Zunächst würden aber das Verteidigungs- und das Außenministerium die Obleute der Fraktionen in den jeweils zuständigen Bundestagsausschüssen unterrichten. Raabe schloss nicht aus, dass möglicherweise Aufklärungsflugzeuge der Bundeswehr des Typs RECCE-Tornado über die angeforderten Fähigkeiten verfügen würden. Es gehe aber bei der Anfrage um verschiedene Aspekte der Luftaufklärung. Die zusätzlichen Kräfte würden gegebenenfalls im Rahmen der internationalen ISAF-Truppe zum Einsatz kommen. Die Bekanntgabe einer Entscheidung sei aber bis Jahresende nicht mehr zu erwarten.
  • Die Bundesregierung will nach einem Bericht der "Passauer Neuen Presse" der Anforderung der NATO in Afghanistan nach zusätzlichen militärischen Kräften nachkommen. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) plane, fünf bis sechs Aufklärungs-Tornados und rund 250 Soldaten zur Unterstützung der alliierten Truppen bereitzustellen, berichtete das Blatt am 21. Dez. unter Berufung auf gut informierte Koalitionskreise. Der Einsatz soll demnach nicht regional beschränkt werden und damit auch den Süden des Landes umfassen. Ein neues Mandat des Bundestages sei dennoch nicht erforderlich; der Beitrag zur Luftaufklärung könne im Rahmen des bestehenden Mandats geleistet werden, hieß es dem Bericht zufolge.
  • Die Anfrage der NATO nach zusätzlicher deutscher Hilfe in Afghanistan hat eine Debatte über den möglichen Einsatz von Tornado-Flugzeugen der Bundeswehr ausgelöst. Grüne und Linksfraktion lehnten eine solche Entsendung ab und verlangten eine Entscheidung des Parlaments. Ob für einen solchen Hilfseinsatz ein neues Bundestags-Mandat nötig wäre, ist umstritten. Das Bundesverteidigungsministerium wies einen Bericht zurück, wonach die Bundesregierung die Unterstützung der NATO mit fünf bis sechs Aufklärungs-Tornados bereits beschlossen hat.
    Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD), sagte im Deutschlandfunk, für den möglichen Einsatz von deutschen Luftaufklärungs-Tornados in Afghanistan müsse die Erlaubnis des Parlaments eingeholt werden. Später verdeutlichte er aber gegenüber AFP, dass die Prüfung andauere. Er verwies auf das zuletzt im September vom Bundestag bestätigte Afghanistan-Mandat, in dem ausdrücklich auch Fähigkeiten zur "Aufklärung und Überwachung" aufgeführt seien. Zudem räume das Mandat die Möglichkeit ein, dass die Bundeswehr zeitlich und im Umfang begrenzt auch außerhalb des deutschen Einsatzschwerpunktes im Norden tätig wird.
    Nach Angaben von Erler ist die Bundesregierung grundsätzlich bereit, "solche Aufklärungsfunktion auch tatsächlich zur Verfügung zu stellen". Eine formale Entscheidung sei aber noch nicht gefällt worden. Auch das Bundesverteidigungsministerium bestritt einen Beschluss. "Wir sind noch in der Prüfung", sagte ein Sprecher.
    Die "Passauer Neue Presse" hatte dagegen unter Berufung auf Koalitionskreise berichtet, Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) plane, fünf bis sechs Aufklärungs-Tornados und rund 250 Soldaten zur Unterstützung der alliierten Truppen bereitzustellen. Der Einsatz soll demnach nicht regional beschränkt werden und damit auch den Süden des Landes umfassen. Ein neues Mandat des Bundestages sei dennoch nicht erforderlich; der Beitrag zur Luftaufklärung könne im Rahmen des bestehenden Mandats geleistet werden.
    Der Grünen-Wehrexperte Winfried Nachtwei argumentierte dagegen in mehreren Interviews, ein derartiger deutscher Einsatz bedeutete die weitere Unterstützung der Antiterror-Operation Enduring Freedom (OEF). Das sei etwas anderes als das NATO-Mandat. Die FDP kündigte eine sorgfältige Prüfung der NATO-Anfrage an. Für die CDU signalisierte ihr Außenpolitiker Ruprecht Polenz dagegen Zustimmung. Er halte eine Entsendung deutscher Tornados im Rahmen des beschlossenen Mandats für möglich, sagte er dem Bayerischen Rundfunk.
  • Der meistgesuchte Terrorist der Welt, Osama Bin Laden, war nach Angaben von Journalisten zwei Mal im Visier französischer Spezialeinheiten in Afghanistan. Der Gründer des Terrornetzes El Kaida sei im Abstand von sechs Monaten 2003 und 2004 von den Soldaten aufs Korn genommen worden. Das berichten Eric de Lavarène und Emmanuel Razav in einer Dokumentation für den französischen Fernsehsender Planète, wie dpa am 21. Dez. berichtete. Es sei jedoch kein Befehl französischer oder amerikanischer Vorgesetzter gekommen, Bin Laden zu töten. Die Journalisten lassen offen, ob dies eine bewusste Entscheidung war. Sie berufen sich auf Aussagen von vier der 200 Soldaten, die Frankreich bisher für die Terroristenjagd unter US-Kommando in Afghanistan abgestellt hatte. Sie hätten die Aussagen auf Tonband, wollten aber die Anonymität ihrer Quellen schützen. Das Pariser Verteidigungsministerium wollte die Angaben nicht kommentieren. Der Termin für die Ausstrahlung der Dokumentation ist noch offen.
  • Zwei Bombenanschläge in Afghanistan haben am 21. Dez. sieben Menschen das Leben gekostet. Vier Zivilpersonen starben bei der Explosion eines Sprengsatzes in der Nähe des Flughafens Herat im Westen des Landes, wie die Polizei mitteilte. Ziel war nach Angaben eines Sprechers offenbar eine Polizeipatrouille, bei den Todesopfern handelt es sich um Passanten. Sechs Personen wurden verletzt. In der südlichen Provinz Chost starben drei Polizisten, als eine am Straßenrand versteckte Bombe explodierte. Zwei weitere Polizisten erlitten Verletzungen.
  • Zum ersten Mal werden wegen der angespannten Sicherheitslage in Afghanistan Panzer der Bundeswehr am Hindukusch auffahren. Wie die Nachrichtenagentur ddp am 21. Dez. aus Militärkreisen in Berlin erfuhr, werden zum Schutz des Feldlagers Mazar-i-Sharif in Nordafghanistan vier Schützenpanzer vom Typ "Marder 1 A5" und ein Bergepanzer eingesetzt. Die Panzer werden von amerikanischen Transportmaschinen "C-17 Globemaster" unmittelbar nach Weihnachten vom US-Militärflughafen Ramstein direkt nach Mazar-i-Sharif geflogen. Die "Marder" sind mit einer 20-Millimeter-Kanone und einem Maschinengewehr ausgerüstet. Sie werden nach Darstellung von Offizieren im Ernstfall "erfolgreich Angriffe der Taliban-Kämpfer abwehren können". Nach Feststellung des Einsatzführungskommandos in Potsdam, das alle Auslandseinsätze der Bundeswehr befehligt, hat sich die Sicherheitslage in Afghanistan "grundsätzlich geändert". Die Bedrohungen durch die Taliban und durch die Warlords habe "sehr stark zugenommen".
  • Ein Mitarbeiter des britischen Kommandeurs der NATO-Truppen in Afghanistan steht nach Zeitungsberichten unter dem Verdacht des Geheimnisverrats. Dem 44-Jährigen, der als Übersetzer von ISAF-Kommandeur General David Richards arbeitete, wird laut "Daily Telegraph" und "Times" vom 21. Dez. vorgeworfen, geheime Informationen vermutlich an den Iran weitergegeben zu haben. Der Übersetzer sei ein Unteroffizier der britischen Streitkräfte, hieß es. Er soll den Berichten zufolge am 2. November Informationen weitergegeben haben, die als «nützlich für den Feind» eingestuft worden seien. Der Mann erschien bereits am Mittwoch vor einem Gericht in London, Journalisten waren jedoch nicht zugelassen. Ein weiterer Gerichtstermin ist für den 27. Dezember angesetzt. Die Londoner Polizei verweigerte am Donnerstag eine Stellungnahme zu den Zeitungsberichten, die NATO in Kabul verwies die Medien an die britische Polizei.
  • In der Debatte über einen Einsatz von "Tornado"-Aufklärungsflugzeugen der Bundeswehr in Afghanistan wird aus den Reihen der SPD-Fraktion Zustimmung signalisiert. Der SPD-Verteidigungspolitiker Hans-Peter Bartels sagte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (22. Dez.): "Man kann das machen, aber es bräuchte ein neues Mandat." Nach seiner Einschätzung würde das auch in der SPD-Fraktion Zustimmung finden. "Es ist einfacher, zu einem ergänzenden Mandat zu kommen, als zu sagen, der Einsatz ist vom bisherigen Mandat gedeckt." Bartels sprach sich auch dafür aus, bei der Gelegenheit die Personalobergrenze zu erhöhen. "Die Obergrenze ist ein Problem," sagte Bartels der F.A.Z. Die bisherige Grenze von bis zu 3.000 Soldaten ist derzeit mit 2.990 Mann nahezu ausgeschöpft. Die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Birgit Homburger, zeigte sich unterdessen verwundert über die Aussage des Parlamentarischen Staatssekretärs im Außenministerium, Gernot Erler (SPD), es gebe die "grundsätzliche Bereitschaft", der Anfrage der Nato zu entsprechen: Frau Homburger sagte der F.A.Z.: "Der Vorgang ist schon bemerkenswert. Die Regierung muß klarstellen, ob sie prüft oder schon zustimmt."
  • Im Streit um den Einsatz von Bundeswehr-Tornados in Afghanistan werden die Rufe nach einem Bundestagsbeschluss lauter. Der Parlamentarische Staatssekretär beim Verteidigungsminister, Thomas Kossendey (CDU), sprach sich am 22. Dez. für eine Beteiligung der Abgeordneten aus. Auch die Verteidigungsexperten von SPD und Union plädierten für einen Parlamentsbeschluss. Grünenfraktionsvize Hans-Christian Ströbele kündigte einen Einspruch beim Bundesverfassungsgericht an, falls der Einsatz ohne ein neues Mandat angeordnet werden sollte. Die Bundesregierung hob hervor, dass die Prüfung noch nicht abschlossen sei."Solch eine wichtige Entscheidung sollte nicht ohne das Parlament getroffen werden", sagte Kossendey der "Nordwest-Zeitung". Das ISAF-Mandat für die Bundeswehr in Afghanistan sieht vor allem einen Einsatz in der Region Kabul und im Norden vor. Unterstützungsleistungen sind auch im umkämpften Süd-Afghanistan mit dem Mandat möglich, wenn diese "zeitlich und im Umfang begrenzt" und für den Gesamteinsatz nötig sind. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Thomas Raabe, hob hervor, es gebe keinerlei Vorfestlegungen. Es werde "sorgfältig und in aller Ruhe" geprüft. Vize-Regierungssprecher Thomas Steg betonte: "Die Prüfung läuft und ist nicht abgeschlossen." Dies werde erst im Januar geschehen. SPD-Fraktionsvize Walter Kolbow sprach sich dafür aus, "im Zweifelsfall" einen Beschluss des Bundestages einzuholen. Die Bundesregierung müsse jetzt die NATO-Anfrage untersuchen und ihr Ergebnis dem Parlament mitteilen. Ströbele sagte der "Frankfurter Rundschau", sollte die Bundesregierung den Einsatz ohne neues Mandat anordnen, werde er eine Überprüfung durch die Karlsruher Richter anstreben. Dagegen sagte der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Eckart von Klaeden, der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung", der geltende Afghanistan-Beschluss umfasse ausdrücklich auch die militärische Aufklärung und Überwachung. Einsätze im Süden wären nach seiner Ansicht durch die Ausnahmeklausel im Mandat gedeckt. "Im Interesse der Soldaten muss Klarheit herrschen", sagte hingegen der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, der "Welt". Daher sei er "im Zweifel" für ein neues Mandat. Der FDP-Außenpolitiker Werner Hoyer forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, das "Chaos in Regierung und Koalition" beim Tornado-Einsatz zu beenden. Er warnte davor, unter dem Vorwand eines Zeitdrucks das Parlament umgehen zu wollen: "Die Bundeswehr muss Parlamentsarmee bleiben."
  • Ein möglicher Einsatz deutscher Tornado-Aufklärungsmaschinen in Afghanistan stößt in der CSU auf Ablehnung. "Das ist für uns überhaupt kein Thema", sagte CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer der "Bild am Sonntag" (Vorabbericht am 23. Dez.). "Wo kommen wir da hin, wenn ein x-beliebiger NATO-General irgendeinen Brief losschickt und dies die ganze deutsche Politik in Aufruhr versetzen soll?" Die NATO hatte bei Deutschland zusätzliche militärische Kräfte zur Luftaufklärung und -überwachung in Afghanistan angefordert.
  • Die US-geführten Koalitionstruppen haben in Südafghanistan nach eigenen Angaben einen engen Vertrauten von El-Kaida-Chef Osama bin Laden getötet. Mullah Achtar Mohammed Osmani sei einer der höchsten Anführer der Taliban und der "Militärchef" der radikal-islamischen Rebellen im umkämpften Süden des Landes gewesen, teilten die Koalitionstruppen am 23. Dez. in Kabul mit. Er sei bereits am 19. Dez. bei einem gezielten Luftangriff nahe der Grenze zu Pakistan getötet worden. Zwei weitere Rebellen kamen ebenfalls ums Leben.
  • In einer speziellen Weihnachtsbotschaft an die britischen Truppen im Ausland hat Königin Elizabeth II. deren Einsätze im Irak und in Afghanistan gewürdigt. Den Soldaten und ihren Familien werde vieles abverlangt, sagte die Monarchin in einer Rundfunkaufzeichnung, deren Sendung am 24. Dez. ausgestrahlt wurde. Sie lobte die Loyalität und den Mut der Soldaten, die vor allem im Irak und in Afghanistan wichtige Aufbauarbeit und damit einen entscheidenden Beitrag für die Zukunft dieser Länder leisteten. Insbesondere würdigte die Königin die Soldaten, die im Laufe des Jahres bei den Auslandseinsätzen ums Leben kamen. "Meine Gedanken sind bei ihren Familien und Freunden, und ich bete für sie, vor allem zu Weihnachten", sagte die Queen. Großbritannien hat rund 7.000 Soldaten im Irak sowie weitere 6.000 in Afghanistan stationiert. Sie sind dort überwiegend im Süden des jeweiligen Landes eingesetzt, so auch in der afghanischen Unruheprovinz Helmand. Allein dort wurden seit Juni mehr als 30 britische Soldaten getötet.
Montag, 25. Dezember, bis Sonntag, 31. Dezember
  • Eine Autobombe hat in der Nähe des Eingangs zum Flughafen von Peshawar in Pakistan am 26. Dez. einen Mann in den Tod gerissen. Zwei weitere Menschen wurden nach Polizeiangaben verletzt. Die Bombe detonierte am Morgen, als sich viele Reisende mit Ziel oder Herkunft Naher Osten im Flughafen aufhielten. Zu der Tat bekannte sich zunächst niemand. Peshawar liegt in der Grenzregion zu Afghanistan. In der Stadt wurden in den vergangenen Monaten mehrere Bombenanschläge verübt.
  • Die pakistanische Regierung will die knapp 2.500 Kilometer lange Grenze zu Afghanistan teilweise verminen. Außerdem werde ein Zaun errichtet und die Zahl der Grenzsoldaten erhöht, teilte das Außenministerium in Islamabad am 26. Dez. mit. Pakistan wurde wiederholt vorgeworfen, dass Taliban und Al-Kaida-Extremisten über die Grenze nach Afghanistan eindringen. Wann die geplanten Maßnahmen beginnen sollen, teilte das Ministerium nicht mit. Auch wurde nicht bekannt, welche Strecke der kaum gekennzeichneten Grenzlinie betroffen sein soll. Afghanistan hat solche Maßnahmen bislang abgelehnt. Die Grenze zu verminen und mit einem Zaun zu versehen sei weder hilfreich noch praktikabel, sagte ein Sprecher von Präsident Hamid Karsai zu den jüngsten Planungen.
  • Auf die Bundeswehr in Afghanistan ist erneut ein Anschlag verübt worden, der aber glimpflich verlaufen ist. Eine deutsche Patrouille wurde am 26. Dez. von Unbekannten mit Handfeuerwaffen beschossen, wie der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Thomas Raabe, am 27. Dez. in Berlin sagte. Die Soldaten hätten das Feuer erwidert, verletzt wurde von ihnen niemand. Allerdings sei ein afghanischer Passant von einem der deutschen Fahrzeuge angefahren worden, nachdem der Fahrer die Kontrolle über das Fahrzeug verloren hatte. Der Verletzte sei zunächst vor Ort und dann im Feldlager medizinisch versorgt worden. Über die Urheber des Anschlags gibt es Raabe zufolge noch keine Erkenntnisse.
  • Zum ersten Mal verlegt die Bundeswehr in dieser Woche wegen der verschlechterten Sicherheitslage in Afghanistan fünf Panzer an den Hindukusch. Wie die Nachrichtenagentur ddp erfuhr, ist eine amerikanische Transportmaschine am 27. Dez. mit einem Bergepanzer an Bord vom US-Militärflugplatz Ramstein aus in Richtung Mazar-i-Sharif im Norden Afghanistans gestartet. Bis zum Wochenende sollen noch vier Schützenpanzer vom Typ "Marder 1 A5" auch direkt zum großen Bundeswehr-Feldlager nach Mazar-i-Sharif geflogen werden. Sie sollen das Camp der Bundeswehr mit seinen gegenwärtig rund 1.300 Soldaten vor Angriffen der radikal-islamischen Taliban und der so genannten Warlords schützen. Das größte Feldlager der Bundeswehr außerhalb Deutschlands wird noch auf 1.700 Mann anwachsen.
  • Innerhalb der Bundeswehr gibt es einem Zeitungsbericht zufolge ein eigenes Interesse an dem von der NATO geforderten Einsatz deutscher Tornados. Der Führungsstab für Auslandseinsätze habe bereits im August dringend die Verlegung von Tornados nach Afghanistan verlangt, berichtete die Berliner Tageszeitung "Die Welt" (Ausgabe vom 28. Dez.). "Obwohl die Notwendigkeit der Verfügbarkeit dieser Fähigkeit durch Deutschland in der Vergangenheit eher zurückhaltend bewertet wurde, lassen die Veränderungen der Sicherheitslage mit latentem Eskalationspotenzial auch in Teilen der Nordregion einen solchen Einsatz nunmehr zweckmäßig erscheinen", heißt es dem Bericht zufolge in dem Vermerk des Führungsstabes für Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan.
  • Alles deutet für 2007 auf eine neue Marschrichtung der Bundeswehr am Hindukusch hin. Die deutschen Geheimdienste würden derzeit die Lage für Einsätze der Bundeswehr in ganz Afghanistan klären, also auch im umkämpften Süden des Landes, war am 28. Dez. laut ddp übereinstimmend aus Kreisen der Nachrichtendienste in Berlin und in der afghanischen Hauptstadt Kabul zu erfahren. "Wir gehen im Januar ins südliche Kandahar, um die Situation vor Ort für die Bundeswehreinsätze besser einschätzen zu können", erklärte ein Geheimdienstexperte der Nachrichtenagentur ddp in Berlin. Zunächst geht es aber nur um den Einsatz von sechs deutschen Aufklärungsmaschinen vom Typ "Recce-Tornado", die Ziele für Bombenabwürfe der alliierten Luftstreitkräfte auch im Süden ausfindig machen sollen. Hinsichtlich eines Einsatzes der "Recce-Aufklärer" (Recce steht für Reconnaissance - Aufklärung) wird im Bundestag heftig gestritten, ob dafür ein neues Mandat erforderlich wäre. Das geltende Mandat beschränkt den Einsatz deutscher ISAF-Streitkräfte auf den Norden Afghanistans, wo die Bundeswehr das Regionalkommando führt, und Kabul. Eine Ausnahmeklausel erlaubt aber schon den Einsatz in anderen Regionen des Landes zur zeitlich und im Umfang begrenzten Unterstützung der Partner, wenn das "unabweisbar" ist. So hat ein deutsches Fernmeldebataillon kürzlich den Briten bei ihrem Kampf gegen die Taliban-Hochburg im südafghanischen Kandahar geholfen. Die Bundesregierung will ihre endgültige Entscheidung über den "Recce"-Einsatz im Januar treffen. Die NATO hatte offiziell darum gebeten, weil es für die von ihr geführten ISAF-Truppen erhebliche Defizite bei der Aufklärung gebe. Aus parlamentarischen Kreisen in Berlin erfuhr ddp, dass es trotz aller bisherigen Widerstände bei den beiden Regierungsparteien eine "klare Mehrheit für den neuen Einsatz in ganz Afghanistan gibt". Der frühere Verteidigungsminister und jetzige SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck soll seinem Nachfolger Franz Josef Jung (CDU) bereits signalisiert haben, dass für den Einsatz der Aufklärungsflugzeuge kein neues Bundestagsmandat "erforderlich ist".
    Amerikanische und britische Jagdbomber fliegen nach Aussage von Offizieren pro Tag um die 30 Einsätze gegen die Taliban in Süd- und Ostafghanistan. Die "Recce-Tornados", die zu den besten Flugzeugen ihrer Art in der Welt zählen, sind mit Spezialkameras für die Aufklärung ausgestattet. Die Kameras sind in einem Behälter unter dem Rumpf des Tornado angebracht. Darin befindet sich eine Kamera mit langer Brennweite, die Aufnahmen aus verschiedenen Höhen ermöglicht, sowie eine Kamera, die Panoramabilder des überflogenen Gebietes machen kann. Eine Infrarotkamera kann zur thermischen Abtastung eines Zielgebietes genutzt werden. Anhand von Wärmeunterschieden können so getarnte Fahrzeuge im Gelände oder Flugzeugbewegungen auf einem Flugplatz erkannt werden. "Unsere Technik ist in der Lage, das Nummernschild eines Autos in fünf Kilometer Entfernung gestochen scharf zu fotografieren", erklärt ein "Tornado"-Pilot. "Tornados" wurden in Deutschland zur Bewältigung von Hochwasserkatastrophen und bei Verbrecherjagden eingesetzt.
  • Bei der Explosion eines Sprengsatzes im Süden Afghanistans ist ein britischer NATO-Soldat ums Leben gekommen. Drei weitere Soldaten einer Aufklärungspatrouille erlitten Verletzungen, als ihr Fahrzeug nach der Detonation in der Provinz Helmand verunglückte, wie die ISAF-Schutztruppe am 28. Dez. mitteilte. Ein Sprecher des britischen Verteidigungsministeriums bezeichnete es im Sender Sky News als unwahrscheinlich, dass die Patrouille gezielt angegriffen worden sei, da sich die Explosion am 27. Dez. "mitten in der Wüste" ereignet habe. Möglicherweise sei das Fahrzeug auf eine Mine gefahren, die schon länger dort gelegen habe.
  • Gefechte mit Truppen der NATO und der afghanischen Regierung haben mehr als zehn Kämpfer der Taliban das Leben gekostet. Die afghanische Polizei erklärte am 29. Dez., die Aufständischen hätten am Vorabend einen Polizeiposten im Süden des Landes mit Maschinengewehren und Granaten angegriffen. Die NATO-Soldaten hätten Luftunterstützung angefordert. Nach dem Ende der rund einstündigen Gefechte seien mehr als zehn Leichen von Taliban-Kämpfern geborgen worden. NATO-Sprecher Dominic Whyte erklärte, es habe keine Toten oder Verletzten unter den Soldaten gegeben. Die Kämpfe in Afghanistan haben 2006 rund 4.000 Menschen das Leben gekostet. Die meisten Opfer waren Kämpfer der Taliban.
  • Die Bundeswehr hat laut "Spiegel" Probleme, geeignete Soldaten für ihre Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK) zu finden. Die Sollstärke des im baden-württembergischen Calw stationierten Verbandes - 400 Kämpfer plus rund 600 Mann Unterstützungskräfte - werde deutlich unterschritten. Bisher seien nur gut 35 Prozent der Posten für Kommandosoldaten besetzt, schreibt das Magazin (Vorabbericht vom 29. Dez.). Derweil rechnet das Verteidigungsministerium allein für die Beteiligung an der Anti-Terror-Operation "Enduring Freedom" in Afghanistan mit einem Bedarf von bis zu 100 Elitesoldaten. Zu den Spezialaufgaben der KSK-Soldaten gehören offiziell Geiselbefreiungen, Terrorabwehr sowie Informationsbeschaffung. Wie schwierig es sei, für gefährliche Einsätze Nachwuchs zu rekrutieren, habe das jüngste Auswahlverfahren gezeigt. Von rund 350 Interessenten seien gerade einmal 9 nach den Eignungstests zu der dreijährigen Ausbildung zugelassen worden, schreibt das Blatt.
    Das Verteidigungsministerium hat den Bericht dementiert. Es gebe jederzeit genügend Bewerber, um vakante Stellen bei der KSK zu besetzen, sagte am 29. Dez. ein Ministeriumssprecher in Berlin.
  • Ein niederländisches Militärgericht hat am 29. Dez. einen Soldaten zu zwei Monaten Haft verurteilt, weil der 24-Jährige einen Einsatz in Afghanistan verweigert hatte. Das Gericht in Arnheim blieb damit unter dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft, die vier Monate Gefängnis geforderte hatte, wie die Nachrichtenagentur ANP meldete. Der Mann aus der Stadt Warffum hatte demnach im Februar 2006 den Einsatz zunächst verweigert und erst eingelenkt, nachdem er erfahren hatte, dass ihm deswegen Haft droht. Seine Vorgesetzten befanden jedoch, dass der Sinneswandel zu spät kam. Die niederländische Armee beteiligt sich derzeit mit rund 1.700 Soldaten am Einsatz der Internationalen Schutztruppe ISAF in der südafghanischen Unruheprovinz Urusgan.
  • Das US-Verteidigungsministerium will angeblich beim Kongress weitere 100 Milliarden Dollar (etwa 76 Milliarden Euro) für die Kriege im Irak und in Afghanistan sowie für andere Operationen im Ausland beantragen. Das sei zusätzlich zu den 70 Milliarden Dollar, die erst im September bewilligt worden seien, berichtete die "New York Times" am 30. Dez. unter Berufung auf ein internes Pentagon-Memorandum. Gibt der allerdings ab Januar demokratisch beherrschte Kongress grünes Licht, würde das für das Fiskaljahr 2007 Kriegsausgaben in Höhe von 170 Milliarden Dollar bedeuten - 45 Prozent mehr als im vergangenen Jahr bewilligt wurden. Der Zeitung zufolge soll der größte Teil des zusätzlichen Betrages - 50 Milliarden Dollar - an das Heer gehen, das die Hauptlast der Einsätze im Irak und in Afghanistan trägt. Alle vier Teilstreitkräfte sollten zusammen etwa 27 Milliarden Dollar für die Reparatur oder den Ersatz von im Irakkrieg und in Afghanistan verschlissener Ausrüstung erhalten.


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