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Chronik Afghanistan

Mai 2006

Montag, 1. Mai, bis Sonntag, 7. Mai
  • In Afghanistan ist ein Selbstmordattentäter durch die vorzeitige Explosion seiner Bombe getötet worden, bevor er am 1. Mai auf einer Feier in der Stadt Chost ein Blutbad anrichten konnte. Der Mann wurde auf dem Weg in die Stadt durch die Detonation seiner am Körper befestigten Sprengsätze zerrissen, wie der Gouverneur der gleichnamigen Provinz, Mirajudin Patan, der Nachrichtenagentur AFP sagte. Einer seiner beiden mutmaßlichen Komplizen wurde demnach verletzt. Beide seien geflohen. Die Polizei sei zuversichtlich, den stark blutenden Verletzten zu finden. Der Attentäter hatte sich dem Gouverneur zufolge offenbar auf eine Feier anlässlich des afghanischen Sieges über die sowjetischen Besatzer im Jahr 1989 in die Luft sprengen wollen.
  • Schwere Kämpfe und Anschläge der Taliban haben in Afghanistan zahlreiche Menschen das Leben gekostet. Die US-geführten Koalitionstruppen teilten am 1. Mai mit, ihre Soldaten hätten in der südlichen Provinz Helmand zwischen 15 und 20 radikalislamische Rebellen erschossen. Bei einem Bombenanschlag in der südafghanischen Provinz Kandahar wurden zwei kanadische Soldaten verletzt. Die Polizei teilte mit, in der südostafghanischen Provinz Chost hätten Rebellen eine Grundschule niedergebrannt.
  • In Afghanistan hat am 2. Mai ein Selbstmordattentäter einen Zivilisten mit in den Tod gerissen. Das mit einem Sprengsatz präparierte Auto des Attentäters explodierte nach Angaben des afghanischen Innenministeriums rund 15 Kilometer vor der Hauptstadt Kabul. Dabei wurde der Fahrer eines Pferdekarrens getötet. Die radikalislamischen Taliban bezichtigten sich des Anschlags. Er habe kanadischen Soldaten gegolten, wie ein Taliban-Sprecher der Nachrichtenagentur AFP sagte. Drei kanadische Soldaten hätten einen "Schock" erlitten, teilte die NATO-geführte Schutztruppe (ISAF) mit. Der Attentäter habe "ohne jeden Zweifel" einen Selbstmordanschlag in der Hauptstadt geplant, der Sprengsatz sei verfrüht hochgegangen, sagte ein Sprecher des Innenministeriums.
  • Die Niederlande wünschen sich von Pakistan mehr geheimdienstliche Hilfe für ihren Militäreinsatz in Afghanistan. Der niederländische Außenminister Ben Bot bezeichnete die sich häufenden Selbstmordanschläge in Afghanistan am 2. Mai in Islamabad als "direkte Bedrohung der Sicherheit unserer Soldaten". Deshalb sollten die pakistanischen Geheimdienste dem im Nachbarland Afghanistan stationierten Kontingent der NATO-geführte Schutztruppe (ISAF) sämtliche ihnen vorliegende Informationen über die radikalislamischen Taliban-Rebellen übermitteln. Der pakistanische Außenminister Khurshid Kasuri sagte Unterstützung zu und verwies darauf, dass sein Land bereits 80.000 Soldaten zum Kampf gegen die Taliban in das Grenzgebiet entsandt habe.
  • 20 Minister der neuen afghanischen Regierung sind am 2. Mai vereidigt worden. Präsident Hamid Karsai nahm den Ressortchefs im Präsidentenpalast in Kabul den Amtseid ab. Das Parlament hatte am 20. April den meisten der von Karsai nominierten Ministerkandidaten zugestimmt. Fünf Kandidaten lehnten die Abgeordneten jedoch ab. Als neuer Außenminister wurde Rangin Dadfar Spanta vereidigt, der längere Zeit im Exil in Deutschland lebte. Der bisherige außenpolitische Berater Karsais kehrte vor zwei Jahren nach Afghanistan zurück. Er löst als Außenminister Abdullah Abdullah ab. Unter den fünf abgelehnten Kandidaten war die einzige Frau unter den Nominierten, Suraja Rahim Sabarnag. Sie war als Frauenministerin vorgesehen. Auch für die Ressorts Verkehr, Information und Kultur, Wirtschaft sowie Handel muss der Präsident nun neue Kandidaten nominieren. Karsai hatte die Kabinettsumbildung im März angekündigt, ein halbes Jahr nach der Parlamentswahl.
  • Großbritannien hat am 4. Mai von Italien das Oberkommando über den NATO-Einsatz in Afghanistan übernommen. In einer Zeremonie in Kabul übergab der scheidende Kommandeur der Internationalen Schutztruppe für Afghanistan (ISAF), Generalleutnant Mauro del Vecchio, den Oberbefehl an den britischen Generalleutnant David Richards. Die rund 10.000 Soldaten starke ISAF hatte kürzlich mit der Ausweitung ihres Einsatzes in den Süden Afghanistan begonnen. Großbritannien will bis Juli 3000 zusätzliche Soldaten in der südlichen Unruheprovinz Helmand stationieren, in der Rebellen der 2001 entmachteten Taliban aktiv sind.
  • Der US-Senat hat am 4. Mai ein von Präsident George W. Bush beantragtes Ausgabenprogramm gebilligt und dabei noch kräftig draufgesattelt. Statt der von Bush verlangten 92,2 Milliarden Dollar (etwa 73,2 Milliarden Euro) liegt das Gesamtvolumen nun bei 109 Milliarden Dollar. Bush hatte das Geld zur Deckung der Kosten des militärischen Engagements der USA im Irak und in Afghanistan sowie für den Wiederaufbau der durch die Hurrikane im vergagnenen Jahr zerstörten Landesteile beantragt. Der Senat fügte jedoch Bundesmittel für weitere örtliche Projekte hinzu.
  • Die islamische Taliban-Miliz hat den britischen Besatzungssoldaten in Afghanistan mit massivem Widerstand gedroht. Die Aktivitäten der Rebellen würden "jeden Tag zunehmen", sagte Taliban-Sprecher Mohammed Hanif Schersad der Londoner Tageszeitung The Times (Ausgabe vom 5. Mai). Die Taliban hätten genügend Munition und Selbstvertrauen für "Kämpfe von Angesicht zu Angesicht". Großbritannien hatte am 4. Mai von Italien das Oberkommando über den NATO-Einsatz in Afghanistan übernommen. Bis Juli will London 3.000 zusätzliche Soldaten in der südlichen Unruheprovinz Helmand stationieren.
  • Der afghanische Milizenführer Gulbuddin Hekmatjar will Osama bin Ladens Terrornetzwerk Al Kaida unterstützen. Das geht aus einer Tonbandbotschaft hervor, die der Fernsehsender Al Dschasira am 4. Mai sendete. "Wir hoffen, uns dem von ihnen geführten Kampf anschließen zu können", hieß es in der Bandaufzeichnung. Hekmatjar war von 1993 bis 1994 afghanischer Ministerpräsident. Seine Miliz half bei der Vertreibung der sowjetischen Truppen aus Afghanistan. Damals wurde er noch von den USA unterstützt, auf deren Fahndungsliste er mittlerweile steht. Seine Kämpfer werden für Anschläge auf die von den USA geführten alliierten Truppen in Afghanistan gemacht. Sein Angebot an Al Kaida deutet nach Ansicht von Beobachtern darauf hin, dass seine Miliz bereit sein könnte, Bin Laden und anderen Al-Kaida-Führern Schutz vor den alliierten Truppen zu gewähren.
  • Bei einem Bombenanschlag südlich von Kabul sind am 5. Mai zwei italienische Soldaten getötet und vier verwundet worden, wie ein NATO-Sprecher mitteilte. Bei weiteren Anschlägen starben drei afghanische Zivilisten und zwei Polizisten. Wie NATO-Sprecher Major Luke Knittig berichtete, waren zwei italienische Militärfahrzeuge südlich der Hauptstadt auf Patrouille, als neben einem Wagen eine Bombe detonierte. Italien hat rund 1.600 Soldaten in Afghanistan, die bei der Sicherung des Landes helfen sollen. Sie sind zumeist in Kabul stationiert. Bis zum 4. Mai hatte Italien das Oberkommando über die 10.000 NATO-Soldaten in Afghanistan. Das Kommando ging am 5. Mai an Großbritannien über.
  • Trotz zahlreicher Anschläge in Afghanistan drohen nach Einschätzung der Bundeswehr in dem Land keine Verhältnisse wie im Irak. "Das Gerede von der 'Irakisierung' ist absoluter Unfug", sagte der Befehlshaber der deutschen ISAF-Truppen in Kabul, Christof Munzlinger, der Tageszeitung "Die Welt" (6. Mai). Extremisten der Taliban und des Terrornetzwerkes Al Kaida halten sich nach Ansicht des Brigadegenerals nur in einigen entlegenen Gebieten überwiegend im Süden des Landes oder kommen über die Grenzen wieder herein. "Das ist aber alles punktuell und keine Massenbewegung. Dort, wo wir präsent sind, trocknen wir das aus, weil die Menschen zu unseren deutschen Soldaten Vertrauen haben und über uns Vertrauen zu den afghanischen Sicherheitskräften gewinnen", wurde Munzlinger zitiert.
  • Bei einem Kampfeinsatz im Osten Afghanistans ist ein US-Militärhubschrauber mit zehn Menschen an Bord abgestürzt. Keiner der Insassen habe überlebt, teilte eine Armeesprecherin am 6. Mai mit. Es gebe "keinen Hinweis" dafür, dass der Chinook-Hubschrauber durch feindlichen Beschuss zum Absturz gebracht worden sei. Ein Sprecher der radikalislamischen Taliban hatte zuvor behauptet, die Maschine sei von Rebellen abgeschossen worden. Nach Angaben der US-Armeesprecherin könnte der Absturz durch schlechtes Wetter verursacht worden sein. In der Absturzgegend in der Provinz Kunar habe es starke Winde gegeben. Der Landeplatz sei wegen des bergigen Terrains "sehr schwierig". Ein Expertenteam solle nun die Unglücksursache ermitteln. Im vergangenen Jahr hatten Talibanrebellen in Kunar einen Chinook-Hubschrauber abgeschossen. Dabei waren 16 Menschen getötet worden.
Montag, 8. Mai, bis Sonntag, 14. Mai
  • Australien schickt weitere 240 Soldaten nach Afghanistan. Regierungschef John Howard kündigte am 8. Mai an, dass die Soldaten ab Juli entsandt werden. Sie sollen in der unruhigen Südprovinz Urusgan ein niederländisches Regionales Wiederaufbauteam (PRT) verstärken. Die australische Regierung hatte die Stationierung im Februar angekündigt. Bislang waren Umfang und Zeitpunkt offen geblieben.
  • Fast 90 US-Soldaten sind wegen der Misshandlung von Kriegsgefangenen im Irak und in Afghanistan bereits von Militärgerichten verurteilt worden. Von 103 Soldaten, die wegen Misshandlungen von Gefangenen vor Gericht standen, seien 89 verurteilt worden, sagte der stellvertreternde Abteilungsleiter im US-Verteidigungsministerium, Charles Stimson, am 8. Mai vor dem US-Ausschuss gegen Folter in Genf. In 19 Fällen seien Haftstrafen von mindestens einem Jahr ausgesprochen worden. 28 Angeklagte seien aus der US-Armee entlassen worden, darunter auch Beteiligte am Folterskandal im Bagdader Gefängnis Abu Ghraib. 170 Fälle seien noch vor Gerichten anhängig.
  • Bei einem US-Luftangriff auf Höhlen in Afghanistan nahe der Grenze zu Pakistan sind am 8. Mai nach Angaben der amerikanischen Streitkräfte vier Taliban-Kämpfer getötet worden. Außerdem sei ein mit Raketen beladener Lastwagen zerstört worden. Zwei der von amerikanischen Hubschraubern abgefeuerten Geschosse sollen nach pakistanischen Militärangaben auch auf der pakistanischen Seite der Grenze eingeschlagen sein. Dabei seien drei Zivilpersonen verletzt worden. Ein US-Militärsprecher sagte dagegen, es seien keine US-Geschosse in Pakistan eingeschlagen.
  • Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat Bedauern über eine Weigerung der USA geäußert, Rot-Kreuz-Mitarbeitern Zugang zu Geheimgefängnissen zu gewähren. Es gebe kein Recht, den Verbleib einer Person geheim zu halten, sagte IKRK-Präsident Joseph Kellenberger am 12. Mai in Genf. Dies gelte unabhängig davon, wie rechtmäßig die Festnahme sei. Kellenberger hatte sich zuvor zu Gesprächen mit der US-Regierung in Washington aufgehalten.
    Der Genfer Konvention zufolge steht dem IKRK der Besuch von Kriegsgefangenen zu. Die USA haben dem Roten Kreuz zwar Besuche bei Terrorverdächtigen gestattet, die im Irak, in Afghanistan sowie in Guantanamo auf Kuba inhaftiert sind. Forderungen nach einem Zugang zu Gefängnissen an geheim gehaltenen Orten lehnte die US-Regierung jedoch bislang ab.
  • Im Westen Afghanistans sind bei einem Anschlag auf ein Fahrzeug der Vereinten Nationen am 12. Mai zwei Menschen getötet worden. Ein afghanischer Fahrer des Kinderhilfswerks UNICEF und ein als Arzt für den deutschen Malteser Hilfsdienst tätiger Afghane kamen ums Leben, als ihr Fahrzeug etwa 40 Kilometer vor der Stadt Herat mit Raketen beschossen wurde, wie ein Sprecher der Hilfsorganisation. Das Fahrzeug sei deutlich mit den Buchstaben "UN" gekennzeichnet gewesen. Den Angaben zufolge war es das erste Mal seit vier Jahren, dass Mitarbeiter der Organisation Ziel eines Anschlags wurden. Ein weiterer UNICEF-Mitarbeiter wurde nach Angaben des Sprechers bei dem Anschlag schwer verletzt. Die Insassen eines zweiten Fahrzeugs seien unversehrt geblieben. Das Innenministerium in Kabul machte "Feinde Afghanistans" für den Angriff verantwortlich. So werden in der Regel Anhänger der vertriebenen Taliban-Regierung bezeichnet.
  • Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat Bedauern über eine Weigerung der USA geäußert, Rot-Kreuz-Mitarbeitern Zugang zu Geheimgefängnissen zu gewähren. Es gebe kein Recht, den Verbleib einer Person geheim zu halten, sagte IKRK-Präsident Joseph Kellenberger am 12. Mai in Genf. Dies gelte unabhängig davon, wie rechtmäßig die Festnahme sei. Kellenberger hatte sich zuvor zu Gesprächen mit der US-Regierung in Washington aufgehalten. Der Genfer Konvention zufolge steht dem IKRK der Besuch von Kriegsgefangenen zu. Die USA haben dem Roten Kreuz zwar Besuche bei Terrorverdächtigen gestattet, die im Irak, in Afghanistan sowie in Guantanamo auf Kuba inhaftiert sind. Forderungen nach einem Zugang zu Gefängnissen an geheim gehaltenen Orten lehnte die US-Regierung jedoch bislang ab.
  • Die afghanische Regierung hat dem Nachbarland Pakistan vorgeworfen, Al-Kaida-Chef Osama bin Laden nur halbherzig zu verfolgen. "Nach allem, was wir wissen, lebt er tatsächlich in Pakistan, nahe der afghanischen Grenze", sagte Außenminister Rangin Dadfar Spanta der "Bild am Sonntag" (Ausgabe vom 14. Mai). Pakistan könnte Bin Laden demnach fangen und vor Gericht stellen. "Doch die Versuche, dies zu tun, sind nach unserer Kenntnis immer halbherzig gewesen."
    Spanta sagte, dass die Bundeswehr in Afghanistan willkommen sei. "Das ist ja keine Besatzungsarmee, sondern eine Befreiungsarmee. 86 Prozent aller Afghanen wollen, dass sie bleiben." Aus dem Kampf gegen Drogen sollten sich die Soldaten aber heraushalten. Dies sei Aufgabe der afghanischen Polizei. Die Bauern müssten Alternativen haben, um leben zu können. "Deshalb sollte die EU ihre Handelsbarrieren für afghanische Landwirtschaftsprodukte abschaffen."
    Im Atomkonflikt zwischen den USA und dem Iran hat der afghanische Außenminister Rangin Dadfar Spanta eine Vermittlerrolle seines Landes angeboten. Spanta sagte der "Bild am Sonntag" (14. Mai), Afghanistan sei mit beiden Staaten befreundet, und er werde gerne vermitteln, wenn das erwünscht sei. Spanta kündigte darüber hinaus eine Reise in den Iran an. Er werde Ende Mai mit Präsident Hamid Karsai nach Teheran fliegen und die Handlungsspielräume für eine friedliche Lösung ausloten. In Abgrenzung zu Irans Präsident Ahmadinedschad bekannte sich Spanta zum Existenzrecht Israels. Voraussetzung dafür sei jedoch die Schaffung eines eigenen lebensfähigen Palästinenserstaates mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt.
Montag, 15. Mai, bis Sonntag, 21. Mai
  • Bei einem Einsatz gegen Taliban-Rebellen in Afghanistan ist eine kanadische Soldatin getötet worden. Dies teilte der kanadische Regierungschef Stephen Harper am 17. Mai im Parlament in Ottawa mit. Die Frau ist das 17. Todesopfer der kanadischen Truppen seit Beginn des Einsatzes in Afghanistan Ende 2001. Medienberichten zufolge ist es das erste Mal, dass eine kanadische Soldation bei einem Auslandseinsatz getötet wurde. Derzeit sind rund 2.300 kanadische Soldaten in Afghanistan statiniert, hauptsächlich in der Region Kandahar im Süden des Landes.
  • Das kanadische Parlament hat mit einer knappen Mehrheit für die Verlängerung des Einsatzes kanadischer Truppen in Afghanistan bis 2009 gestimmt. Nach einer sechsstündigen Debatte votierten am Mittwochabend 149 Abgeordnete für einen entsprechenden Antrag von Regierungschef Stephen Harper. 145 Abgeordnete stimmten gegen die zweijährige Verlängerung über Februar 2007 hinaus. Derzeit sind rund 2.300 kanadische Soldaten im Rahmen der NATO-geführten Internationalen Afghanistan-Schutztruppe (ISAF) in Afghanistan stationiert, hauptsächlich in der Region Kandahar im Süden des Landes.
  • Wenige Wochen vor der Ausweitung der NATO-Mission ISAF auf den Süden Afghanistans sind dort bei schweren Gefechten zwischen Taliban-Kämpfern und Soldaten mehr als 70 Menschen getötet worden.
    Die Kämpfe in den als Taliban-Hochburgen bekannten Nachbarprovinzen Kandahar und Helmand waren die blutigsten seit vielen Monaten. Ihnen ging eine Reihe von Angriffen durch die radikalislamischen Taliban voraus, die in den vergangenen Monaten ihre Aktivitäten deutlich verstärkt hatten. In der Provinz Kandahar hätten afghanische Soldaten Taliban-Kämpfer, die sich angeblich in einer Moschee versteckten, umstellt und unter dem Schutz britischer Luftabwehr und schwerer kanadischer Artillerie angegriffen, meldeten die Agenturen am 18. Mai. Den Angaben zufolge wurden bei den Kämpfen in Kandahar 18 Taliban getötet und mehrere Dutzend festgenommen. Bei einem Luftangriff der Koalitionstruppen im Norden der Provinz starben nach US-Angaben mindestens sieben weitere Taliban, der Tod weiterer 15 bis 20 Taliban sei "wahrscheinlich".
    Bei den Kämpfen in der Provinz Helmand starben in der Nacht zum 18. Mai mindestens 40 Taliban. Wie das Innenministerium in Kabul mitteilte, wurden auch 13 afghanische Sicherheitskräfte getötet. Die Kämpfe im Distrikt Musa Kala hätten sich über mehrere Stunden hingezogen.
    In der vergleichsweise friedlichen westafghanischen Stadt Herat riss ein Selbstmordattentäter einen Drogenbekämpfungsberater des US-Außenministeriums mit in den Tod. Der Täter sei mit seinem Auto in einen Jeep gerast und habe so die Explosion ausgelöst, teilte die US-Botschaft am 18. Mai mit.
    In Süd-Adghanistan sollen die bislang unter US-Kommando stehenden Truppen Ende Juli unter das Kommando der NATO-Mission ISAF gestellt werden. Dies betrifft die derzeit dort stationierten 2.300 Kanadier und 3.300 Briten. Außerdem sollen 1.350 Niederländer hinzukommen. Der Einsatz von Bundeswehrsoldaten ist dort nicht geplant.
  • Der afghanische Präsident Hamid Karsai Pakistan vorgeworfen, in den dortigen Koranschulen werde zum Heiligen Krieg in Afghanistan aufgerufen. "Mullahs und Lehrer sagen ihren Schülern: Geht nach Afghanistan für den Dschihad. Brennt Schulen und Krankenhäuser nieder", erklärte Karsai am 18. Mai bei einem Besuch in der Stadt Kunar unweit der pakistanischen Grenze. Eine Sprecherin des Außenministeriums in Islamabad wies die Vorwürfe als unbegründet zurück. Die mehr als 10.000 Koranschulen in Pakistan bilden bis zu eine Million Schüler aus.
  • Das UN-Komitee gegen Folter hat die USA zur Schließung ihres Gefangenenlagers Guantanamo aufgefordert. Auch auf eine Nutzung von Geheimgefängnissen im Kampf gegen den Terror müssten die USA verzichten, betonte das Komitee in einem am 19. Mai veröffentlichten Bericht. Der Ausschuss rief Washington außerdem auf, Gefangenenmisshandlungen seitens der US-Sicherheitskräfte im Irak und in Afghanistan abzustellen. Die im international scharf kritisierten Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba inhaftierten Personen sollten entweder freigelassen oder vor Gericht gestellt werden, heißt es in dem elfseitigen Abschlussbericht des UN-Komitees über Haftbedingungen in US-Einrichtungen. Weiter müssten die USA sicherstellen, dass niemand in von Washington kontrollierten Geheimgefängnissen festgehalten werde. Die Existenz aller solcher Gefängnisse müsse offen gelegt werden. Auch wer die Einrichtungen kontrolliere und wie die Häftlinge behandelt würden, müsse bekannt gemacht werden.
    Zu Afghanistan und Irak forderte der UN-Ausschuss, die USA müssten Gefangenenmisshandlungen ein Ende setzen und derartige Menschenrechtsverstöße mit aller Härte verfolgen. Ferner sollten die USA in allen Einrichtungen unter ihrer Kontrolle gegen Verhörmethoden vorgehen, die auf eine Misshandlung oder Demütigung der Gefangenen hinausliefen.
  • Ein amerikanischer Soldat ist in Afghanistan bei einem Feuergefecht mit Aufständischen getötet worden. Sechs weitere Soldaten wurden verletzt, wie die von den USA geführten Koalitionsstreitkräfte am 20. Mai mitteilten. Der Vorfall trug sich am 19. Mai in der Provinz Urusgan zu. Die Soldaten waren den Angaben zufolge auf Patrouille. Der Gruppe gehörten Soldaten der Allianz sowie der afghanischen Streitkräfte an.
  • Bei schweren Kämpfen in Afghanistan sind zwei französische Soldaten getötet worden. Die beiden französischen Spezialkräfte seien im Süden Afghanistans bei einer Konfrontation mit Taliban ums Leben gekommen, teilte das Verteidigungsministerium am 20. Mai in Paris mit.
    Zu weiteren Gefechten kam es in der südlichen Provinz Helmand, als ein Konvoi der afghanischen Armee mit 20 Fahrzeugen am 19. Mai angegriffen wurde. Lediglich sechs Fahrzeuge seien entkommen, die verbliebenen 50 Soldaten seien von der Einheit abgeschnitten, sagte ein Armee-Offizier am 20. Mai. Möglicherweise gebe es große Verluste. Die US-geführte Koalition bestätigte zunächst lediglich den Tod von vier afghanischen Soldaten, die Rebellen verloren nach eigenen Angaben fünf Kämpfer.
  • Bei den anhaltend schweren Kämpfen gegen aufständische Taliban in Afghanistan sind ein Soldat der multinationalen Truppen sowie drei afghanische Soldaten ums Leben gekommen. Sie seien bei einem Gefecht am 20. Mai nahe der Ortschaft Spin Boldak nicht weit von der Grenze zu Pakistan gefallen, sagte eine Sprecherin der multinationalen Truppen in Kabul. 25 afghanische sowie ein weiterer ausländischer Soldat seien verletzt worden. Die Sprecherin machte keine Angaben dazu, welcher Nationalität die ausländischen Soldaten waren. Sie seien Ausbilder der afghanischen Truppen gewesen. In Spin Boldak sind 200 französische Spezialkräfte stationiert. Zwei Angehörige dieser Einheiten waren nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Paris am 20. Mai im Süden Afghanistans bei einem Gefecht mit Taliban ums Leben gekommen.
  • Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul sind zwei Zivilisten ums Leben gekommen. Der Attentäter sprengte sich in einem Taxi auf einer der Hauptstraßen der afghanischen Hauptstadt in der Nähe einer Ausbildungsstätte der multinationalen Truppen für die afghanischen Sicherheitskräfte in die Luft, wie ein Sprecher des afghanischen Innenministeriums am 21. Mai sagte. Er riss demnach einen Passanten sowie einen Lkw-Fahrer mit in den Tod. Nach Angaben der Polizei wurden zwei Menschen verletzt.
  • Angesichts einer seit Monaten andauernden Offensive der radikalislamischen Taliban hat Afghanistan am 21. Mai schwere Vorwürfe gegen Pakistan erhoben. Außenminister Rangin Dadfar Spanta sagte vor Journalisten in Kabul, die Führer der Taliban und anderer Terrorgruppen lebten in Pakistan und koordinierten von dort die Angriffe in Afghanistan.
Montag, 22. Mai, bis Sonntag, 28. Mai
  • Bei Luftangriffen der multinationalen Truppen auf ein Dorf im Süden von Afghanistan sind in der Nacht zum 22. Mai rund 50 Menschen getötet worden. Ein Sprecher der US-geführten Koalition bestätigte den Angriff auf eine "Taliban-Hochburg" beim Dorf Asisi in der Region Kandahar. Bei den Toten handelte es sich Armeeangaben zufolge um Taliban. Einwohner berichteten dagegen von zahlreichen Zivilisten unter den Getöteten. Ein Offizier des afghanischen Geheimdienstes sprach von mindestens 27 Toten. Nach Einschätzungen der Koalitionstruppen seien mehr als fünfzig Taliban getötet worden, sagte der Sprecher weiter. Ein älterer Mann aus dem Dorf sagte dagegen einem Reporter der Nachrichtenagentur AFP, dass 26 seiner Angehörigen getötet wurden. Außerdem seien zahlreiche weitere Menschen bei den Angriffen verletzt worden. "Sie begannen unser Dorf gegen Mitternacht zu bombardieren und machten bis zum Morgen weiter", sagte der Augenzeuge des Bombardements. Die Angriffszone sei von ausländischen und afghanischen Soldaten abgeriegelt worden. Andere Einwohner erzählten, dass in dem Dorf viele Verletzte lägen, die mangels Fahrzeugen nicht ins Krankenhaus nach Kandahar gebracht werden könnten. Der AFP-Reporter in der 35 Kilometer entfernten Regionalhauptstadt Kandahar sah mehrere Verletzte, die in Privatautos ins Krankenhaus gebracht wurden. Fünf vermutlich durch herabgefallene Gebäudetrümmer schwerverletzte Männer seien in einem Kleinbus vorgefahren worden. Ein weiterer junger Mann in verbrannter Kleidung sei mit Brandwunden am Kopf und im Gesicht eingeliefert worden. (AFP, 22. Mai) [Siehe hierzu auch eine Meldung vom 26. Mai, weiter unten.]
    dpa berichtete später:
    Bei einem Angriff der US-geführten Koalitionstruppen auf Taliban-Stellungen in der afghanischen Provinz Kandahar sind nach offiziellen Angaben mindestens 77 Menschen getötet worden. Unter den Toten seien 16 Zivilisten und mehr als 60 Kämpfer der radikal-islamischen Rebellen. Die US-Armee sprach von bis zu 80 getöteten Taliban-Kämpfern. Nach der Eskalation der Gewalt in Südafghanistan wurde auch die Bundeswehr im Norden des Landes zum Ziel eines Anschlags. Verletzt wurde bei der Explosion niemand.
  • Der afghanische Präsident Hamid Karsai hat die Untersuchung eines US-Luftangriffs angeordnet, bei dem mindestens 16 Zivilpersonen ums Leben kamen. Wie das Präsidialamt am 23. Mai mitteilte, will Karsai sich deswegen auch mit dem US-Oberbefehlshaber in Afghanistan treffen. Der Präsident äußerte sich besorgt über die Entscheidung der US-geführten Streitkräfte, auch bewohnte Gebiete zu bombardieren. Zugleich verurteilte Karsai die Taktik der Terroristen, Zivilpersonen als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen. Nach amerikanischen Angaben wurden bei den Luftangriffen auf das Dorf Asisi in der Provinz Kandahar am Abend des 21. Mai und am Morgen des 22. Mai bis zu 80 Aufständische getötet.
  • In Afghanistan dauern die Angriffe der radikalislamischen Taliban an. Am 23. Mai überfielen bewaffnete Taliban in der südlichen Provinz Helmand einen Polizeikonvoi, wie ein Sprecher der Provinzregierung mitteilte. Drei Polizisten und zwölf Taliban seien getötet worden. In dem Konvoi saßen ein Polizeichef und der Vizegouverneur der Provinz. In der Nähe der Hauptstadt Kabul wurden bereits am Montag ein Arzt, zwei Krankenschwestern und ihr Fahrer getötet, als unter ihrem Auto eine Bombe explodierte. Sie arbeiteten für eine afghanische Hilfsorganisation.
  • Afghanistan vermutet hinter den jüngsten massiven Taliban-Angriffen im Süden das Terrornetzwerk El Kaida und andere islamistische Drahtzieher. "El Kaida und gewisse andere Länder üben Druck auf die Taliban aus, damit sie vor allem in (der Südprovinz) Kandahar Boden gutmachen", sagte der Gouverneur von Kandahar, Asadullah Chalid, der Nachrichtenagentur AFP am 6. Mai. Die jüngste "Welle der Gewalt" gehe über einen "einfachen Aufstand" hinaus. Afghanische Regierungsvertreter werfen regelmäßig Pakistan vor, den Taliban im Grenzgebiet Unterschlupf zu gewähren und den Aufstand im Nachbarland zu lenken. Die Regierung in Islamabad widerspricht den Vorwürfen aus Kabul.
  • Bei dem US-Luftangriff im Süden Afghanistans in der Nacht zum 22. Mai (siehe oben) sind nach Darstellung einer Menschenrechtsorganisation mehr Zivilpersonen ums Leben gekommen als bislang bekannt. Abdul Kadar Nursai von der afghanischen Gruppe Unabhängige Menschenrechtskommission sagte am 6. Mai in Kandahar, nach Berichten von Flüchtlingen seien insgesamt 34 Dorfbewohner getötet worden. Zudem seien weitere 35 "unbekannte Menschen" begraben worden, offenbar militante Extremisten. Die afghanische Regierung hat bislang von 16 getöteten Zivilpersonen gesprochen. Die US-Streitkräfte hatten sich für den Angriff entschuldigt, aber darauf hingewiesen, dass die Soldaten beschossen worden seien und das Recht auf Selbstverteidigung gehabt hätten.
  • Bei neuen Gefechten in Afghanistan sind am 26. Mai mindestens 18 Menschen getötet worden. In der südafghanischen Provinz Helmand starben mindestens 12 Kämpfer der radikal-islamischen Taliban und zwei Polizisten. Ein elf Jahre alter Junge wurde tödlich verletzt. Die afghanische Nachrichtenagentur Pajhwok berichtete unter Berufung auf die Provinzregierung, die Rebellen hätten in der Nacht eine Polizeistation angegriffen. Die Kämpfe hätten die ganze Nacht gedauert.
  • Die bereits angespannte Sicherheitslage in Afghanistan wird sich nach Ansicht des neuen Außenministers Rangin Dadfar Spanta in den kommenden Monaten noch verschärfen. "Probleme haben wir im Süden und Osten. Dass in den kommenden Monaten Terrorattacken zunehmen könnten, das ist eine Wahrscheinlichkeit", sagte Dadfar Spanta am 28. Mai dem Deutschlandfunk. Ursache für die instabile Sicherheitslage seien "Ausbildungsstätten des Terrors" in den Nachbarländern Afghanistans: "Es gibt Terroristen, die als Einzelne oder kleine Gruppierungen hierher kommen und die aus dem Ausland kommen, Attentate ausüben und sich dann wieder in ihre sicheren Horte und Regionen zurückziehen, die nicht das Gebiet von Afghanistan sind."
  • Der Iran und Afghanistan wollen ihre bilateralen Beziehungen stärken und gemeinsam den Drogenhandel bekämpfen. Vertreter beider Länder unterzeichneten am Rande eines Besuchs des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai in Teheran sieben Abkommen. Darin ging es um den Wiederaufbau Afghanistans, Investitionen sowie die kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit. Der Fortschritt und die Sicherheit in Afghanistans seien von großer Bedeutung für den Iran, sagte Präsident Mahmud Ahmadinedschad nach einem Bericht des staatlichen Fernsehens. Der zweitägige Besuch Karsais ging am 28. Mai zu Ende.
Montag, 29. Mai, bis Mittwoch, 31. Mai
  • Bei einem Luftangriff der US-geführten Streitkräfte im Süden von Afghanistan sind am 29. Mai bis zu fünfzig Anhänger der radikalislamischen Taliban getötet worden. Die US-geführte Truppe habe in der Nähe von Kadschaki in der Provinz Helmand angegriffen, sagte der Vizegouverneur der Provinz, Amir Mohammed Achundsada. Die US-geführte Koalition in Afghanistan teilte mit, sie könne den Angriff in der Provinz Helmand zunächst nicht bestätigen.
  • Soldaten der US-Armee haben nach einem Bericht von AFP am 29. Mai in der afghanischen Hauptstadt Kabul in eine Menge geschossen und mindestens vier Zivilisten getötet. Die Soldaten waren im Norden der Stadt in einen Verkehrsunfall verwickelt, wie ein Korrespondent der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Als sich am Unfallort eine kleine Menge bildete und die Soldaten mit Steinen bewarf, schossen diese demnach. Nach den ersten Schüssen seien immer mehr Menschen zusammengekommen; um ihre Wut loszuwerden, habe die aufgebrachte Menge zwei Polizeifahrzeuge und ein Motorrad in Brand gesteckt. Ein afghanischer Geheimdienstmitarbeiter sprach von bis zu sieben Toten und neun Verletzten. Eine Sprecherin der US-geführten Koalition in Kabul sagte, sie wisse von einem "Unfall". Das afghanische Innenministerium teilte mit, es habe in Kabul einen Verkehrsunfall gegeben, an dem Koalitionssoldaten beteiligt seien. Der Unfall habe eine Kundgebung ausgelöst, die gewaltsam geworden sei. "Wir haben derzeit keine Angaben über ber die Zahl der Opfer."
    Später haben die US-geführten Streitkräfte den Luftangriff auf eine Versammlung der radikalislamischen Taliban im Süden des Landes bestätigt. Afghanische Truppen und Soldaten der US-geführten Koalition seien am Morgen des 29. Mai von mutmaßlichen Rebellen angegriffen worden, daraufhin habe die Koalition eine Bombe auf das Taliban-Gelände in der Nähe von Kadschaki in der Provinz Helmand abgeworfen, sagte ein Armeesprecher. Die Rebellen seien bei einer Versammlung in einer Moschee von den Koalitionstruppen ausgemacht worden, sagte der Vizegouverneur der Provinz, Amir Mohammed Achundsada. Der US-Armeesprecher bezeichnete die von Achundsada genannte Zahl von 50 Toten als "nicht unglaubwürdig".
  • Die tödlichen Schüsse auf afghanische Zivilisten haben gewaltsame Proteste gegen die US-Armee in der Hauptstadt Kabul ausgelöst. Bei den Ausschreitungen kamen mindestens drei Menschen ums Leben. Die Proteste begannen am Morgen des 29. Mai, als ein Fahrzeugkonvoi der US-Armee in einen Verkehrsunfall verwickelt wurde und Einheimische die Soldaten mit Steinen bewarfen, wie ein AFP-Reporter berichtete. Die Soldaten schossen daraufhin in die Menge und töteten mindestens vier Zivilisten. Der Vorfall löste gewaltsame Unruhen aus; etwa tausend Demonstranten versuchten, in das Botschaftsviertel zu gelangen. Örtliche Medien berichteten von 20 bis 30 Toten.
    Vor dem Botschaftsviertel in der Innenstadt waren etwa zwei Stunden lang Schüsse zu hören. Aufgebrachte Demonstranten versuchten, in das Viertel zu gelangen; "Tod Amerika" und "Tod (Präsident Hamid) Karsai" riefen sie. Soldaten blockierten die Zufahrtsstraßen zu dem Viertel und hielten die Menge zurück. Die Vereinten Nationen beorderten ihre Mitarbeiter in Bunker oder sichere Gebiete und erklärten die Innenstadt zur verbotenen Zone.
    Afghanische Soldaten hätten zwei Demonstranten erschossen, die eine Polizeisperre hätten durchbrechen wollen, sagte ein Augenzeuge. Die beiden hätten versucht, in das abgesperrte Viertel vorzudringen. Ein weiterer Mann sei vor dem Hotel Serena in der Nähe des Präsidentenpalastes erschossen worden, sagte ein anderer Augenzeuge. Örtlichen Medien zufolge eröffnete die afghanische Polizei das Feuer, als Demonstranten in der Innenstadt eine Polizeiwache in Brand steckten.
    Im Zuge der schweren Unruhen in der afghanischen Hauptstadt Kabul ist am 29. Mai auch das Büro der französischen Hilfsorganisation ACTED angegriffen und geplündert worden. Ein Mitarbeiter wurde leicht verletzt, wie die Leiterin von ACTED, Marie-Pierre Caley, am Abend in Paris mitteilte. Demnach wurde ein Fahrzeug der Organisation in Brand gesetzt und ein weiteres ausgeplündert. Im Büro selbst seien Türen eingetreten und Computer zerstört oder gestohlen worden.
  • Im bislang relativ sicheren Norden Afghanistans sind vier einheimische Mitarbeiter einer internationalen Hilfsorganisation erschossen worden. Unbekannte hätten am 30. Mai das Auto mit drei Frauen und einem Mann auf dem Weg in die Provinz Dschawdschan ins Visier genommen, sagte der örtliche Polizeichef. Die vier arbeiteten demnach für die internationale Hilfsorganisation ActionAid. Die Provinz Dschawdschan liegt neben der Provinz Balkh, in der auch Masar-i-Scharif liegt, ein künftiger Einsatzschwerpunkt der Bundeswehr in Afghanistan.
    Noch am Morgen desselben Tages hatte der künftige Kommandeur der internationalen Schutztruppe in Nordafghanistan, der deutsche General Markus Kneip, auf die geteilte Sicherheitslage im Land verwiesen. Während sich die Lage besonders im Süden und im Osten des Landes verschlechtert habe, sei der Norden Afghanistans "ein anderes Gebiet", betonte Kneip. Er übernimmt am kommenden Donnerstag (1. Juni) das Kommando der internationalen Friedenstruppe (ISAF) in Nordafghanistan.
  • Angesichts der jüngsten Unruhen in Afghanistan stellt die Links-Fraktion die weitere Beteiligung der Bundeswehr an der dortigen internationalen Schutztruppe ISAF in Frage. Die Behauptungen der Bundesregierung über das begrenzte Risiko dieses Einsatzes seien "nicht mehr glaubhaft", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Ulrich Maurer am 30. Mai in Berlin. Die "Suggestion", es handele sich um eine "friedlich-freundliche Wiederaufbaulage", sei von der Realität eingeholt worden.
    Angesichts der jüngsten Unruhen in Afghanistan fordert die Links-Fraktion einen "Rückzug" der Bundeswehr vom Hindukusch. Die dort stationierten deutschen Soldaten seien offenkundig "immer größeren Gefahren ausgesetzt", sagte Links-Fraktionschef Oskar Lafontaine am Dienstag in Berlin. Die Unsicherheit verschärfe sich, weil vom Irak ausgehend die Gewalt immer mehr auf Afghanistan übergreife. "Die Regierung ist gehalten, ihre Haltung zu überprüfen, ehe die Bundeswehr tatsächlich größeren Angriffen ausgesetzt ist", betonte Lafontaine.
  • Das Bundesverteidigungsministerium sieht auch nach den jüngsten Unruhen in der afghanischen Hauptstadt Kabul keine neue Lage für die Bundeswehr. "Am Sicherheitskonzept ändert sich grundsätzlich nichts", sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Christian Schmidt (CSU), der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung" (Ausgabe vom 31. Mai). Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Bernhard Gertz, warnte die westliche Staatengemeinschaft vor einem Scheitern des Afghanistan-Einsatzes. Schmidt sagte, das Sicherheitskonzept müsse nur dann nachgebessert werden, wenn sich herausstelle, "dass da und dort noch Schwachstellen sind". Der CSU-Politiker räumte allerdings ein: "Insgesamt wird die Lage in Afghanistan schwieriger". SPD-Fraktionschef Peter Struck sagte am 30. Mai in Berlin: "Jeder weiß, dass die Soldaten in einer hohen Gefährdungsstufe arbeiten." Afghanistan sei "kein angenehmes Mandat", fügte der ehemalige Verteidigungsminister hinzu.
  • Nach den Unruhen in Kabul hat eine belgische Gesandtschaft aus Abgeordneten und Militärs ihren geplanten Besuch in Afghanistan abgesagt. Die für den 1. und 2. Juni geplante Reise werde aus Sicherheitsgründen nicht stattfinden, sagte der belgische Verteidigungsminister André Flahaut am 31. Mai vor einem Parlamentsausschuss in Brüssel. "Das Risiko ist diese Woche größer." Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte, die Armee habe von dem Besuch abgeraten. Flahaut, der die Delegation ursprünglich anführen sollte, hatte die Reise schon am Dienstag aus Termingründen abgesagt, wie sein Sprecher mitteilte.


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