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Chronik des Krieges gegen Afghanistan

Oktober 2003

1. - 12. Oktober 2003
  • Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung (1. Oktober) verwerfen NATO-Militärs Forderungen nach einem flächendeckenden Einsatz in Afghanistan. Statt dessen greift ein im alliierten Hauptquartier Shape erarbeitetes Papier die auch von Berlin unterstützte Idee auf, mit zusätzlichen Truppen sog. "Sicherheitsinseln" zu schaffen. Diese Vorschläge sollen beim wöchentlichen Botschaftertreffen am 1. Oktober in Brüssel geprüft werden.
  • In Afghanistan sind am 2. Oktober zwei kanadische Soldaten der internationalen Sicherungstruppe ISAF bei der Explosion einer Landmine ums Leben gekommen. Drei weitere Kanadier wurden verletzt, als der Sprengsatz während einer Patrouillenfahrt in der Hauptstadt Kabul unter ihrem Wagen explodierte. Zunächst war nicht bekannt, ob es ein gezielter Anschlag war oder ob es sich um eine alte Landmine handelte. Ein Sprecher der ISAF sagte, in der Gegend seien regelmäßig Patrouillen unterwegs.
  • Bei einer Explosion in einem Haus vor dem US-Militärstützpunkt Bagram sind am 3. Oktober nach Augenzeugenberichten sieben Menschen getötet worden. Aus den Trümmern seien mindestens sieben Leichen und sechs Verletzte geborgen worden. Die Zahl der Opfer werde möglicherweise noch steigen, da im Nachbargebäude eine Hochzeitsgesellschaft gefeiert habe. Ein US-Soldat sagte, er habe sechs Verletzte gesehen, die in Krankenwagen des Militärs abtransportiert worden seien. Die Opfer seien alle Afghanen gewesen. Ein Sprecher der US-Armee sagte, vor der Militärbasis seien zwei Explosionen zu hören gewesen. In Bagram sind rund 12.500 Soldaten der US-geführten Koalition stationiert. Der rund 50 Kilometer nördlich von Kabul gelegene Stützpunkt war bereits mehrfach mit Raketen angegriffen worden.
    Rund 50 mutmaßliche Taliban-Kämpfer haben am 3. Oktober ein Regierungsgebäude im Süden Afghanistans angegriffen. Wie die Provinzregierung von Sabul am 4. Oktober mitteilte, konnten Sicherheitskräfte die Attacke vom Vortag abwehren. Bei dem Schusswechsel seien zwei Angreifer getötet und drei weitere verletzt worden. Der Angriff galt dem Sitz des Bürgermeisters im Bezirk Chak-e-Afghan, 190 Kilometer nordöstlich von Kandahar. Nach Angaben des stellvertretenden Gouverneurs Mullah Mohammed Umer wurden keine Verwaltungsmitarbeiter verletzt.
  • 50 Kilometer nordwestlich von Kandahar schossen Unbekannte am 4. Oktober aus dem Hinterhalt auf das Auto einer Minenräumorganisation. Bei der Attacke in der Nähe des Flüchtlingslagers Jeri Daschat sei der Fahrer des Wagens verwundet worden, teilten die Behörden mit. Die Minenräumarbeiten seien vorübergehend eingestellt worden.
    Auf zwei US-Stützpunkte im Osten des Landes wurden Raketen abgefeuert. Wie ein Militärsprecher am 4. Oktober mitteilte, verfehlten die Geschosse jedoch ihr Ziel und niemand wurde verletzt. Die erste Rakete sei am Vortag neben einem Koalitionsstützpunkt in Sormat in der Provinz Paktika gelandet, berichtete Oberst Rodney Davis. Der zweite Angriff habe einem US-Lager in der Provinz Chost gegolten.
    Der afghanische Ex-König Mohammad Sahir Schah will laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" nach seiner Rückkehr aus dem Exil sein Heimatland wieder verlassen. Ein Sohn des greisen Monarchen, der im April 2002 nach 29 Jahren Exil nach Afghanistan zurückgekehrt war, treffe bereits entsprechende Vorbereitungen in Rom, berichtete das Magazin am 4. Oktober vorab unter Berufung auf den Kommandeur des deutschen Isaf-Einsatzkontingents in Kabul, Rudolf Retzer. Grund für die Rückkehr nach Italien sei offenbar der Entwurf für ein neues afghanisches Grundgesetz, das in den nächsten Tagen veröffentlicht werden soll. Es sehe für den König keine offizielle Funktion mehr vor. - Der Ex-könig ließ den Spiegel-Bericht umgehend dementieren. Er entbehre jeder Grundlage, sagte sein Sprecher.
  • Die Vereinigten Staaten haben sich zufrieden mit dem Vorgehen Pakistans gegen mutmaßliche Ausbildungslager für Terroristen gezeigt. Der stellvertretende amerikanische Außenminister Richard Armitage sprach am 5. Oktober bei einem Besuch in der afghanischen Stadt Kandahar von einem guten Omen. Er habe keinen Zweifel, dass die pakistanischen Streitkräfte die Razzien fortsetzen würden, sagte er.
  • Wichtige Entscheidung für einen Bundeswehreinsatz in Nordafghanistan: Die NATO hat am 6. Oktober einem erweiterten Mandat für die internationale Schutztruppe zugestimmt. Bislang ist der Einsatz der ISAF auf Kabul begrenzt. Die Bundeswehr soll in Kundus die Arbeit ziviler Wiederaufbauhelfer unterstützen. Endgültig grünes Licht für diesen Einsatz muss der Bundestag geben. Zuvor ist allerdings noch die Zustimmung des UN-Sicherheitsrats nötig. Die UN prüfen Anfang November die Ausweitung des Mandats für die internationale Schutztruppe ISAF in Afghanistan. Dann reisen Mitglieder des Sicherheitsrates in die Krisenregion. Angeführt wird die Abordnung vom deutschen UN-Botschafter Gunter Pleuger.
    Bei Gefechten im Süden Afghanistans haben die von den USA geführten Koalitionstruppen 20 mutmaßliche Taliban-Kämpfer getötet. Der afghanische Befehlshaber in der Stadt Kandahar, Chan Mohammed, sagte am 6. Oktober, unter den Toten befinde sich auch ein Kommandeur der Taliban, Mullah Abdul Rassak Hafis. Er sei vor zehn Tagen im Bezirk Dai Tschupan, rund 100 Kilometer nördlich von Kandahar, ums Leben gekommen. Der Gouverneur der Provinz Urusgan, Jan Mohammed Chan, sagte, 19 weitere Taliban-Extremisten seien bei den Kämpfen getötet worden. Er erklärte allerdings, die Gefechte hätten sich in Urusgan zugetragen, das an Dai Tschupan angrenzt. Ein Sprecher der US-Streitkräfte auf dem Stützpunkt Bagram erklärte, er könne den Tod von Hafis nicht bestätigen.
  • Soldaten der Internationalen Afghanistan-Schutztruppe ISAF und afghanische Polizisten haben in Kabul einen unter "Terrorverdacht" stehenden Mann festgenommen. Der am Morgen des 7. Oktober bei einem gemeinsamen Einsatz im Stadtzentrum gefasste Mann soll Anschläge vorbereitet haben, wie ein ISAF- Sprecher mitteilte. Er habe keinen Widerstand geleistet und werde derzeit verhört. Genauere Angaben wurden zunächst nicht gemacht.
  • Bei Kämpfen zwischen verfeindeten Milizen im Norden Afghanistans sind dutzende Menschen getötet oder verletzt worden. Mindestens 50 seiner Männer seien bei Kämpfen mit der Dschumbesch-Miliz getötet oder verletzt worden, sagte der Chef der Dschamiat-Miliz, Atta Mohammed, der Nachrichtenagentur AFP in Masar-i-Scharif. Die Kämpfe hätten am 8. Oktober in der Gegend von Faisabad begonnen, sagten Vertreter beider Gruppierungen. Faisabad liegt zwischen Masar-i-Scharif, der Heimat der Tadschiken-Miliz Dschamiat, und Schibarghan, wo die von Vize-Verteidigungsminister Abdul Raschid Dostum geführten Usbeken-Miliz Dschumbesch zu Hause ist.
    Der afghanische Präsident Hamid Karsai hat am 8. Oktober Berichte zurückgewiesen, wonach die USA das bislang ranghöchste festgenommene Mitglied der radikal-islamischen Taliban wieder freigelassen haben. "Das ist nicht wahr. Das ist absolut nicht wahr", sagte Karsai zu Berichten aus afghanischen Regierungskreisen über eine Freilassung des ehemaligen Außenministers Mullah Wakil Ahmed Muttauakil. "Er ist nicht freigelassen worden", ergänzte Karsai im Beisein des US-Sondergesandten Zalmay Khalilzad vor Journalisten in Kabul. Er fragte auch den US-Gesandten: "Ist das wahr?" Dieser sagte darauf zwar nichts, schüttelte aber den Kopf. Zuvor hatte es aus afghanischen Regierungskreisen geheißen, Muttauakil sei freigelassen worden, nachdem er Gespräche zwischen Taliban-Kämpfern und US-Vertretern vermittelt habe.
    Die afghanische Regierung hat die Pläne der NATO für einen erweiterten Einsatz der internationalen Schutztruppe (ISAF) begrüßt. Die Mission über die Hauptstadt Kabul hinaus auszudehnen, würde dem politischen Prozess und dem Wiederaufbau des Landes zugute kommen, erklärte das afghanische Außenministerium am 8. Oktober.
  • Der Sonderhaushalt für den Irak und Afghanistan von US-Präsident George W. Bush hat eine weitere Hürde genommen. Der Haushaltsausschuss im US-Repräsentantenhaus sprach sich am 9. Oktober für die Bereitstellung von rund 87 Milliarden Dollar aus. Rund 20 Milliarden Dollar sind für den Wiederaufbau im Irak vorgesehen. Das Repräsentantenhaus will wahrscheinlich wie der Senat nächste Woche über das Paket abstimmen.
  • Ein am 9. Oktober abgeschlossener Waffenstillstand zwischen verfeindeten Milizen der Nordallianz ist am 10. Oktober in der Region um die Stadt Masar-i-Scharif eingehalten worden. Andere Quellen sprachen aber von "sporadischen Schießereien". Soldaten des Kriegsherrn Raschid Dostum bereiteten sich nach eigenen Angaben auf einen Rückzug vor. Ein Offizier der Gegenseite von Atta Mohammed sagte, man werde nicht als erster gegen die Vereinbarung verstoßen; einen Befehl zum Rückzug habe er aber nicht erhalten. Dem Waffenstillstandsabkommen zufolge sollen sich beide Seiten bis zum 11. Oktober 30 Kilometer hinter die derzeitige Front zurückziehen.
  • Ausländische Truppen wie die Bundeswehr müssen nach Ansicht des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai noch "viele Jahre" in Afghanistan bleiben. Erst nach dem Aufbau von Armee, Polizei, Gerichtswesen und Verwaltung werde sein Land keine militärische Hilfe von außen mehr brauchen, sagte Karsai in einem dpa-Gespräch am 11. Oktober in der Hauptstadt Kabul. Er begrüßte die Pläne, den Einsatz der Internationalen Schutztruppe über Kabul und Umgebung hinaus auszudehnen und zivile Aufbauhelfer in Kundus zu stationieren.
    Im Süden Afghanistans sind mehr als 30 Taliban-Kämpfer aus einem Hochsicherheitsgefängnis ausgebrochen. Aus afghanischen Behördenkreisen verlautete, der Ausbruch sei erst am 11. Oktober bemerkt worden. Wie viele Taliban-Kämpfer bei dem Ausbruch am Vorabend in Kandahar entkommen seien, sei nicht klar. Nach ihnen werde jedoch gefahndet. Der Ausbruch war von den Aufsehern anscheinend nicht bemerkt worden.
  • Bei einem Feuergefecht am Rande der afghanischen Hauptstadt Kabul ist ein US-Soldat verwundet worden, wie die US-Armee am 12. Oktober mitteilte. Einer der Angreifer sei festgenommen worden. Zu dem Feuergefecht sei es am Vortag im Nordosten von Kabul in der Nähe des Ausbildungslagers der afghanischen Armee gekommen, hieß es. US-Soldaten, die eine Übung beobachteten, seien plötzlich von drei Angreifern beschossen worden.
    Bis zu 100 Taliban-Kämpfer haben am 12. Oktober im Süden Afghanistans ein Bezirksamt überfallen und örtlichen Behörden zufolge acht Polizisten getötet. Die Taliban hätten das Hauptamt des Bezirkes Arghandab am frühen Morgen angegriffen und in Brand gesetzt, sagte ein Vertreter des Amtes. Zwei weitere Polizisten seien verletzt worden. Augenzeugen hätten berichtet, auch unter den Taliban habe es Tote gegeben. Arghandab liebt in der Provinz Sabul im Südosten des Landes.
13. - 19. Oktober 2003
  • Nach der Flucht Dutzender mutmaßlicher Taliban aus einem Gefängnis in Südafghanistan sind der Direktor der Haftanstalt und rund 30 Mitarbeiter entlassen worden, wie die Behörden am 13. Oktober mitteilten. Aus dem Gefängnis in der Provinz Kandahar waren am Wochenende 41 der 54 dort inhaftierten mutmaßlichen Taliban durch einen Tunnel entkommen. Unter den Flüchtigen waren nach Angaben der Behörden auch frühere Taliban-Kommandeure sowie der Bruder von Exverteidigungsminister Mullah Ubaidullah.
    Bei einem Überfall auf ein Fahrzeug von Regierungstruppen in Zentralafghanistan kamen vier Soldaten ums Leben, wie die Behörden erst am 13. Oktober mitteilten. Für den Anschlag vom Vortag wurden Taliban-Kämpfer verantwortlich gemacht.
    Im Osten Afghanistans kamen erneut US-Truppen unter Beschuss. Wie ein Militärsprecher am 13. Oktober berichtete, wurden die Soldaten bereits am 11. Oktober an Kontrollposten nahe Asadabad von drei mutmaßlichen Taliban-Kämpfern mit Granaten und Gewehrfeuer angegriffen. Bei dem folgenden zweistündigen Feuergefecht seien keine Amerikaner verletzt worden. Über Opfer auf Seiten der Angreifer wurde nichts bekannt.
    Ein Gruppe mutmaßlicher Taliban-Kämpfer hat in der südafghanischen Provinz Sabul ein Auto angegriffen, in dem zwei Amerikaner saßen, wie der Polizeichef der Provinz. Der Vorfall habe sich am 13. Oktober ereignet, niemand sei bei dem Angriff verletzt worden. Die beiden Amerikaner seien auf dem Weg in die Nachbarprovinz Ghasni gewesen, wo sie an einem Straßenbauprojekt arbeiteten.
    Der UNO-Sicherheitsrat hat am späten Abend des 13. Oktober das Mandat für die internationale Afghanistan-Sicherungstruppe Isaf über die Hauptstadt Kabul hinaus auf das ganze Land ausgeweitet. Mit der einstimmig verabschiedeten Resolution 1510 (2003) ermöglicht das Gremium den geplanten Einsatz der Bundeswehr in der nordafghanischen Stadt Kundus. In Kabul sind derzeit rund 5.500 Isaf-Soldaten unter Nato-Kommando stationiert, darunter rund 1.800 Soldaten der Bundeswehr. Die 15 Mitglieder des Rates verlängerten zugleich das ISAF-Mandat um ein Jahr. Der deutsche UN-Botschafter Gunter Pleuger zeigte sich zufrieden mit dem einstimmigen Votum. Der Bundeswehr-Einsatz in Kundus könnte nach Pleugers Worten Vorbildfunktion für andere Regionen in Afghanistan bekommen.
  • Die Terrororganisation El Kaida und die islamistischen Taliban finanzieren ihren Kampf mehr und mehr über den Drogenhandel, wie ein UN-Sprecher am 14. Oktober in Kabul sagte. Beide Gruppen hätten damit auf die gegen sie verhängten internationalen Sanktionen reagiert, sagte der Leiter des UN-Ausschusses zur Überwachung der Sanktionen, der chilenische UN-Botschafter Heraldo Munoz. Munoz war zu Gesprächen mit der afghanischen Regierung in Kabul, um die Informationsbeschaffung über Personen oder Gruppen zu verbessern, die Verbindungen zu El Kaida und Taliban haben sollen. Afghanistan ist das weltgrößte Anbaugebiet für Schlafmohn, die Rohsubstanz für die Droge Heroin. Vor ihrem Sturz hatten die Taliban ein Verbot zum Anbau des Schlafmohns in Kraft gesetzt. Im Machtvakuum nach dem Ende der Taliban-Herrschaft boomt der Anbau wieder. Auch viele Milizführer, die loyal zur Regierung in Kabul stehen, finanzieren sich über den Drogenhandel. Viele Taliban-Kommandeure kauften von dem Drogengeld Waffen, erklärte Munoz. Es gebe Grund zu der Vermutung, dass es einen Zusammenhang zwischen dem wachsenden Drogenhandel und der Zunahme der Taliban-Angriffe gebe. Unterstützung erhielten die Kämpfer aber weiter auch von Personen aus dem Nahen Osten. (Quelle: AP)
  • Das Bundeskabinett hat am 15. Oktober grünes Licht für den geplanten Bundeswehr-Einsatz in der nordafghanischen Provinz Kundus gegeben. Das teilte ein Regierungssprecher in Berlin mit. Der Bundestag wird voraussichtlich kommende Woche entscheiden.
    Afghanische Truppen haben im Süden des Landes nach offiziellen Angaben sieben Taliban-Kämpfer getötet und zwölf weitere gefangen genommen. Wie ein Polizeisprecher am 15. Oktober mitteilte, wurden während der zwei Tage dauernden Gefechte in der Provinz Urusgan auch drei Soldaten getötet sowie fünf verletzt. Der Angriff auf das Lager der Taliban im Bezirk Tschaar Tscheno, rund 150 Kilometer nordöstlich von Kandahar, begann am 13. Oktober. Die etwa 500 afghanischen Soldaten, die an der Offensive beteiligt waren, wurden von amerikanischen Truppen unterstützt, wie ein Sprecher der US-Streitkräfte in Bagram bestätigte.
  • Afghanistan sucht in der Schweiz nach Teilen der von den Taliban zerstörten Buddha-Statuen. Der afghanische Minister für Information und Kultur habe die Schweiz um Nachforschungen gebeten, sagte der Sprecher des Schweizer Bundesamtes für Justiz, Folco Galli, am 17. Oktober und bestätigte einen entsprechenden Bericht der Westschweizer Tageszeitung "Le Temps". Die beiden riesigen Buddha-Statuen aus dem fünften Jahrhundert waren Ende Februar 2001 auf Anordnung von Talibanchef Mullah Mohammed Omar zerstört worden. Fragmente dieser Statuen sollen nun im Zollfreilager in Genf gesehen worden sein, wie aus dem Schreiben des afghanischen Ministers hervorgehe, sagte Galli. Der Minister ersuche die Schweiz um Nachforschungen. Falls die Buddha-Teile im Zollfreilager gefunden werden sollten, bitte Afghanistan um möglichst baldige Rückerstattung. Das Ersuchen werde geprüft. Im Genfer Zollfreilager waren Ende August im Rahmen eines Strafverfahrens wegen Diebstahls, Hehlerei und Betrugs bereits über 200 archäologische Kulturgüter aus Ägypten sichergestellt worden. Darunter befanden sich Statuen, Masken und Sarkophage.
  • Am 19. Oktober meldete der SPIEGEL, das Kommando Spezialkräfte (KSK) hätte nach zwei Jahren "Tätigkeit" in Afghanistan das Land verlassen. Das Verteidigungsministerium dementierte den Bericht weder noch bestätigte es ihn. Offiziell läuft "Enduring Freedom am 15. November aus und müsste vom Parlament verlängert werden, wenn die Mission weiter gehen sollte.
    Am 19. Oktober sagte ein UN-Sprecher in Kabul, in der nächsten Woche beginne ein Piltoprojekt zur Entwaffnung afghanischer Milizen in Kundus. Und fünf anderen Regionen. Dort sollen je 1.000 Waffen eingesammelt werden. Nach Schätzungen sind in Afghanistan rund 100.000 Milizionäre unter Waffen. Diese Verbände sollen innerhalb von drei Jahren aufgelöst werden.
20. - 31. Oktober
  • Am 24. Oktober beschloss der Bundestag mit großer Mehrheit (531 Ja-Stimmen) den erweiterten Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Zunächst sollen 230 Soldaten in Kundus eingesetzt werden. Gegen den Antrag der Bundesregierung stimmten 57 Abgeordnete der CDU/CSU, der FDP (fast vollständig) und die beiden PDS-Abgeordneten.
    Unmittelbar nach dem Beschluss im Bundestag brachen die ersten 23 Soldaten nach Kundus auf.
    Die afghanischen Behörden starteten am 24. Oktober ein umfassendes Entwaffnungsprogramm. Ziel ist es, die zahllosen Kämpfer nach 20 Jahren Krieg und Bürgerkrieg ins zivile Leben zurückzubringen. Für den Verzicht auf ihre Waffen erhalten die Milizionäre einen Scheck in Höhe von 100 Dollar, Kleidung und 130 kg Nahrungsmittel.
  • Bei der Suche nach Terroristen sind in Afghanistan zwei Agenten der CIA getötet worden. Die beiden zivilen Mitarbeiter seien am Wochenende (25./26. Oktober) in einem Hinterhalt nahe Schkin im Grenzgebiet zu Pakistan ums Leben gekommen, teilte der US-Geheimdienst am 28. Oktober in Washington mit. Es ist selten, dass die CIA mit solchen Nachrichten an die Öffentlichkeit geht. In der Mitteilung wurden auch die Namen der beiden Getöteten genannt.
  • Der Kommandeur des Bundeswehr-Vorauskommandos im nordafghanischen Kundus, Kurt-Helmut Schiebold, sieht dem Einsatz optimistisch entgegen. Das Kommando sei von den Würdenträgern der Region sehr freundlich empfangen worden, sagte er im DeutschlandRadio Berlin am 29. Oktober. Man bringe der Präsenz der Deutschen "sehr viel Freude entgegen", so Schiebold. Die Erwartungen seien allerdings sehr hoch. Der Bundeswehroberst unterstrich, die Soldaten würden sich nicht am Kampf gegen den Mohnanbau in der Region beteiligen.
  • Der Drogenanbau in Afghanistan boomt: Nach einer gemeinsamen Studie des UN-Büros für Drogen und Verbrechen (UNODC) und der Regierung in Kabul wuchs die Opiumproduktion in Afghanistan in diesem Jahr um acht Prozent. Aus dem Handel und dem Anbau von Opium und daraus gewonnenem Heroin flossen demnach etwa 1,3 Milliarden Dollar in die Taschen von Schmugglern und Produzenten. Diese Summe entspricht etwa der Hälfte des geschätzten Bruttoinlandsproduktes Afghanistans. Während die Drogenproduktion im Süden des Landes laut Studie zurückging, erlebte sie im Norden einen neuen Boom. Allein in der Provinz Badachschan an der Grenze zu Tadschikistan habe der Anbau um mehr als die Hälfte zugenommen, sagte der Drogenbeauftragte im Nationalen Sicherheitsrat Afghanistans, Mirwais Jasini, am 30. Oktober. Im Süden und Südosten des Landes seien Drogenhändler mit Taliban und Mitgliedern des Terrornetzwerks El Kaida eine Allianz eingegangen, um ihr einträgliches Geschäft nicht zu gefährden. Gegen Geld sicherten die Extremisten den Drogenhändlern freies Geleit.
    Das US-Repräsentantenhaus hat für den Militäreinsatz und den Wiederaufbau in Irak und Afghanistan ein Hilfspaket in Höhe von 87,5 Milliarden Dollar (etwa 74,5 Milliarden Euro) bewilligt. 298 Abgeordnete stimmten am 30. Oktober für, 121 gegen das Gesetz. Seine Verabschiedung gilt als Erfolg für US-Präsident George W. Bush, der auf eine schnelle finanzielle Unterstützung insbesondere für Irak gepocht hatte. Mit knapp 65 Milliarden Dollar ist der Löwenanteil der vom Repräsentantenhaus bewilligten Gelder für die US-Truppen in Irak und Afghanistan vorgesehen. Die für den Wiederaufbau Iraks eingeplante Hilfe von 18,6 Milliarden Dollar liegt um 1,7 Milliarden Dollar unter der von Bush ursprünglich geforderten Summe.
    Im Süden Afghanistans wurde am 30.Oktober ein US-Soldat bei Gefechten mit mutmaßlichen Taliban-Kämpfern getötet. Wie die US-Armee mitteilte, waren die US-Soldaten bei einer gemeinsamen Patrouille mit afghanischen Regierungstruppen in der Provinz Orusgan auf eine "Gruppe von zehn bis 15" mutmaßlichen Taliban-Vertretern gestoßen. Mit Hilfe von Verstärkung aus der Luft sei es schließlich gelungen, die Gegner in die Flucht zu schlagen. Einer von ihnen sei dabei getötet worden. Auch ein US-Soldat sei tödlich verwundet worden.
  • Kurz vor dem Besuch einer UN-Delegation in Afghanistan haben blutige Gefechte mit mehr als 40 Todesopfern den Südwesten des Landes erschüttert. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Bachtar begannen die Kämpfe am 31. Oktober in der Provinz Helmand. Der Ex-Militär Hadschi Idris wollte mit bewaffneten Gefolgsleuten die Stadt Gereschk aufsuchen, widersetzte sich dabei aber einer Kontrolle der Sicherheitskräfte am Eingang der Ortschaft. Bei dem anschließenden Gefecht seien Idris und drei seiner Leibwächter getötet worden, sagte der Sicherheitschef von Helmand, Amanullah Chan. Anhänger von Idris hätten daraufhin die Stadt mit Raketen beschossen. Die Mehrzahl der Opfer seien Zivilisten, die von den Geschossen tödlich getroffen worden seien. Nach dem Einrücken von US-Truppen am Abend seien die Kämpfe zum Erliegen gekommen.
    Unter Leitung des deutschen UN-Botschafters Gunter Pleuger besucht eine ranghohe Delegation des UN-Sicherheitsrats ab dem 31. Oktober Afghanistan, um sich vor Ort über die Sicherheitslage zu informieren. Neben der Hauptstadt Kabul will die Gruppe, zu der auch Pleugers Kollegen aus den USA, Frankreich, Russland und Großbritannien gehören, nach Herat, Kandahar und Masar-i-Scharif reisen. Es ist das erste Mal, dass das New Yorker Gremium eine solch bedeutende Abordnung in das kriegszerstörte Land schickt. Auf Einladung Pakistans wird die Delegation zudem die Hauptstadt Islamabad besuchen. Am 8. November wollen die UN-Botschafter zurückkehren.


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