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Türkei versucht sich als ehrlicher Makler

Ankara richtet Afghanistan-Konferenz aus und will Annäherung der Nachbarn am Hindukusch fördern

Von Jan Keetman, Istanbul *

Auf einer Afghanistan-Konferenz in Istanbul, die am Dienstag (2. Nov.) mit Vortreffen begann und heute (3. Nov.) abgeschlossen wird, versucht die Türkei wieder einmal den ehrlichen Makler in ihrer Region zu spielen.

Mehr als ein Jahrzehnt nach Beginn des Afghanistan-Kriegs sind immer noch zahlreiche Probleme ungelöst. Darüber hinaus ist das Verhältnis zwischen den Nachbarn Afghanistan und Pakistan angespannt. Die wirtschaftlich prosperierende Türkei will ihr politisches Gewicht einbringen, um eine Annäherung zwischen Afghanistan und Pakistan zu bewirken. Am Rande der zweitägigen Konferenz in Istanbul, die am Dienstag begann, beschuldigte ein hoher afghanischer Diplomat Pakistan, hinter der Ermordung des ehemaligen Staatspräsidenten Afghanistans Burhanuddin Rabbani zu stecken. Rabbani hatte versucht, zwischen der afghanischen Regierung und Taliban-Führern zu vermitteln. Ein Dreiergipfel zwischen den Staatspräsidenten Afghanistans und Pakistans, Hamid Karsai und Asif Zerdari, sowie dem türkischen Präsidenten Abdullah Gül gestern Abend in Istanbul sollte beide Seiten einer Entspannung näher bringen. Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu äußerte sich zuvor allerdings wenig optimistisch.

Die Türkei ist in Afghanistan vor allem mit intensiver Aufbauhilfe präsent, während sie die leidige militärische Sicherung gerne anderen NATO-Staaten überlässt. Begründet wird das mit der Fähigkeit der Türkei, in der Region als Vermittler aufzutreten, was wertvoller sei als die militärische Hilfe.

Tatsächlich hat die Türkei einige Kanäle, die andere westliche Länder nicht haben. Das beginnt mit den Beziehungen zu zwei turksprachigen Minderheiten in Afghanistan, den Turkmenen (etwa drei Prozent) und den Usbeken (etwa neun Prozent). Weitere Verbindungen ergeben sich aus der gemeinsamen Religion und ganz einfach daraus, dass die Türkei seit Langem die Beziehungen zu Afghanistan mehr gepflegt hat als andere, weil das Land zu ihrem geografischen Großraum gehört. Wunder können allerdings auch die Türken am Hindukusch nicht bewirken.

Als weniger wichtig als das Treffen der Staatschefs wird in der Türkei das folgende Außenministertreffen eingeschätzt, zu dem auch der deutsche Außenminister Guido Westerwelle angereist ist. Westerwelle wollte noch am Dienstagabend mit Karsai zusammenkommen. Bei dem Treffen mit Teilnehmern aus 26 Ländern geht es vor allem um Aspekte der regionalen Sicherheit und um »vertrauensbildende Maßnahmen«. Von deutscher Seite besteht die Hoffnung, dass auf dem Treffen in Istanbul vor der Bonner Afghanistan-Konferenz Anfang Dezember bereits einiges zur lokalen Sicherheit abgehakt werden kann.

Neben Westerwelle werden auch die US-amerikanische Außenministerin Hillary Clinton und der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi am Tisch sitzen. Allein das sagt bereits genug über die Probleme in Afghanistan. Mit seiner langen Grenze zu Afghanistan und seinen weit zurückreichenden kulturellen Beziehungen zu dem Land ist Iran aus so einer Konferenz einfach nicht wegzudenken. Kommt hinzu, dass Iran mit den sunnitischen Taliban nicht weniger Probleme hat als die NATO-Staaten. Gleichzeitig jedoch sind die USA und das Regime in Teheran erbitterte Feinde. Seitdem die USA das Mullah-Regime beschuldigen, ein Mordkomplott gegen den saudischen Botschafter in Washington geschmiedet zu haben, fordern sie eine Verschärfung der Sanktionen gegen Teheran. Und eben just mit diesen Leuten muss Clinton wegen Afghanistan an einem Tisch sitzen.

* Aus: neues deutschland, 2. November 2011


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