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Kinderkrankenhaus in Kabul hofft auf Hilfe

Präsident Karsai wirbt in Delhi für internationale Unterstützung / Wiederaufbau soll angekurbelt werden

Von Hilmar König, Delhi *

Afghanistans Präsident Hamid Karsai und Indiens Premierminister Manmohan Singh eröffnen am heutigen Sonnabend in Delhi gemeinsam die 2. Konferenz zur regionalen Zusammenarbeit mit Afghanistan (RECC).


»Viele unserer Patienten kommen mit leeren Händen. Sie haben nichts zu essen. Sie haben kein Geld, um die Behandlung zu bezahlen«, klagt Dr. Shahzada von der orthopädischen Abteilung des Indira-Gandhi-Instituts für Kindergesundheit in Kabul. Das Hospital war 1972 von Indien gebaut und eingerichtet worden. Trotz vieler Engpässe gilt es noch heute als bestes Kinderkrankenhaus Afghanistans und als Symbol der großzügigen Unterstützung Indiens beim mühsamen und schleppenden Wiederaufbau des Landes am Hindukusch.

Präsident Karsai, der vor Konferenzbeginn seinen einstigen Studienplatz an der Himachal University im indischen Norden besuchte, erklärte dort: »Wir haben alte historische Beziehungen zu Indien, das unserem vom Krieg zerrütteten Land stets beistand. Obwohl Indien nicht zu den offiziellen Geberländern zählt, hat es uns schon eine Hilfe in Höhe von 700 Millionen Dollar zukommen lassen.«

Auf Grund der traditionell engen Beziehungen zwischen beiden Ländern hat sich die indische Regierung auch bereit erklärt, die zweite Konferenz zur regionalen Zusammenarbeit mit Afghanistan an diesem Wochenende in Delhi zu veranstalten. Die erste Konferenz fand im Dezember 2005 in der afghanischen Kabul statt.

Freilich ist es für Delhi auch eine Gelegenheit, seinen Anspruch auf den Status einer Regionalmacht zu unterstreichen. Und da sich Indien nicht militärisch am Krieg Washingtons gegen den Terrorismus beteiligt, beweist es desn USA mit dem Engagement am Wiederaufbau Afghanistans seine Treue und strategische Partnerschaft. Dass Kabul viel Hilfe braucht, steht außer Frage. Fünf Jahre Aufbaubemühungen nach dem Sturz der Taliban haben das Bild der Zerstörung noch nicht grundlegend verändert. Die ökonomische Infrastruktur ist schwach. Die Straßen sind schlecht. Die Versorgung mit Strom und Wasser erfolgt sporadisch. Noch immer machen Minenfelder ein zügiges Bestellen der Äcker riskant. Die Verwaltung erweist sich als korrupt. Die politische Situation ist instabil.

Präsident Karsai hat außerhalb Kabuls kaum Unterstützung in der Bevölkerung. Die Taliban hingegen finden vor allem im Süden Anklang, weil sie den NATO-Besatzern Widerstand leisten. Ihnen wirft man vor, das Leben afghanischer Zivilisten nicht zu achten. Unter den 3.700 Toten allein in diesem Jahr befinden sich viele unschuldige Kinder, Frauen und Greise. Zu diesen Problemen kommen latente Spannungen zwischen Afghanistan und dem Nachbarn Pakistan, dem Kabul Toleranz gegenüber Taliban und Al Qaida vorwirft. Dieser Zwist verhindert unter anderem, dass Indien den Landweg über Pakistan für eine intensivere materielle Hilfe für Afghanistan nutzen kann.

So sehr Karsai den militärischen Schutz zum eigenen Überleben braucht, so sehr wünscht er zugleich eine umfassendere Assistenz für die notwendigen Entwicklungsvorhaben. Er reiste mit einer aus sieben Ministern, etlichen Beratern und Parlamentsabgeordneten bestehenden Delegation in Delhi an. Sie alle wollen dafür werben, Handel, Transit, Transport, Energie, Investitionen und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit ihrem an Kupfer, Eisenerz, Kohle und Edelsteinen reichen Heimatland anzukurbeln.

Ein wichtiger Bereich, in dem Karsai hofft, einen Durchbruch erzielen zu können, ist die Landwirtschaft. Er will Märkte in Übersee für traditionelle afghanische Agrarprodukte wie Weintrauben, Zitrusfrüchte, Nüsse und Trockenobst finden und damit die einheimischen Opiumbauern ermutigen, auf andere lukrative Kulturen umzuschwenken. Im Kampf gegen den internationalen Heroinschmuggel wäre das gewiss ein positiver Ansatz an der Wurzel des Problems. Zudem erwägt Kabul den Import von Strom aus Nachbarländern. Und der Präsident deutete an, auch über das Projekt einer Pipeline zu sprechen, durch die Erdgas aus Turkmenistan über Afghanistan und Pakistan nach Indien geliefert werden könnte.

An finanzkräftigen Teilnehmern mangelt es dieser Konferenz zur regionalen Zusammenarbeit nicht: die G 8-Staaten, Weltbank, Internationaler Währungsfonds (IWF), Asiatische Entwicklungsbank, Islamische Bank, dazu alle Nachbarstaaten, die Türkei, die Vereinigten Arabischen Emirate, die UNO, das UNDP und der südasiatische Staatenbund SAARC.

Ob sie Afghanistan wirklich aus der Klemme helfen, bleibt allerdings abzuwarten. Sie könnten beispielsweise mit einem Schlag die Misere im Kinderkrankenhaus in Kabul beenden, wo ein Arzt im Monat lediglich knapp über 30 Euro verdient und das medizinische Personal nicht selten in die eigene Tasche greift, um die Medikamente für die kleinen Patienten zu kaufen.

* Aus: Neues Deutschland, 18. November 2006


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