Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Tatort Afghanistan

Von Rüdiger Göbel *

Was für eine Inszenierung! Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) war am Montag (13. Dez.) wieder zur Truppenshow in Afghanistan. Mit dabei beim »Blitzbesuch« in der Vorweihnachtszeit: seine Ehefrau Stephanie. Die beiden priesen den Kriegseinsatz und sich am Hindukusch. Auch TV-Moderator Johannes B. Kerner gehörte zur offiziellen Delegation. Sein Sender Sat.1 ließ mit viel Aufwand eigens ein Studio ins Krisengebiet fliegen, um eine Sendung mit dem Minister vor Soldatenkulisse aufzuzeichnen. Die Kriegs- und Guttenberg-PR wird am Donnerstag abend ausgestrahlt, wenige Stunden, nachdem die Regierung im Bundestag ihren »Fortschrittsbericht Afghanistan« vorgestellt und für die Fortführung des Militäreinsatzes geworben haben wird.

Die Presse ist voll des Lobes für die Guttenbergs. Spiegel online würdigte am Montag den »Überraschungsbesuch mit Symbolwert«. Dieser sei »eine Art Dankeschön für den Dienst der deutschen Soldaten«. Der Minister wird mit den Worten zitiert: »Es ist ganz wichtig, daß man gerade in der Weihnachtszeit jenen Anerkennung und Unterstützung gibt, die Tausende Kilometer von der Heimat entfernt einen harten Dienst absolvieren.« Den Soldaten soll Guttenberg versichert haben: »Es ist eine Frage des Herzens.«

Seine Frau Stephanie war den Berichten zufolge für die Versehrten im Feldlazarett und die Soldatinnen zuständig. Bild verrät sie, »sie habe ihren Ehemann schon immer auf einer seiner Reisen an den Hindukusch begleiten wollen«. Sie habe sich »als Ehefrau, als Mutter und auch als Bürgerin ein Bild von der Lage vor Ort« machen wollen. Der Gefahr in Afghanistan begegne sie mit viel Respekt. »Das ist kein spaßiger Ausflug, das ist bitterer Ernst«, sagte sie der Springer-Presse. »Von Angst darf man sich hier nicht überwältigen lassen, sonst ist man eindeutig am falschen Platz.« Sie wolle sich aber nicht durch die »angespannte Sicherheitslage« (Bild) davon abhalten lassen, »als Bürger dieses Landes danke zu sagen«. Die beiden Töchter, 2001 bzw. 2002 geboren, müssen für die Guttenberg-PR wieder herhalten. »Begeistert waren sie nicht, aber sie haben das verstanden«, diktierte Stephanie zu Guttenberg den Journalisten in die Blöcke. Sie habe ihren Kindern erklärt, daß sie in Afghanistan Menschen frohe Weihnachten wünschen wolle, die nicht mit ihrer Familie feiern können.

In die Guttenberg-Offensive reiht sich der Münchner Focus ein. In seiner akutellen Ausgabe kürt das Burda-Magazin den »konservativen Modernisierer« zum »Mann des Jahres«. Das Onlineportal würdigt »die ganz besondere ›sonstige Begleiterin‹«. »Zum ersten Mal ist mit Stephanie zu Guttenberg eine Ministergattin ins Einsatzgebiet der Bundeswehr am Hindukusch gereist. Extrawürste gebraten bekommt sie dabei nicht.« Bei den Soldaten sei ihr Besuch gut angekommen. Sie habe ihrem Mann klar die Schau gestohlen.

Die Oppositionsparteien im Bundestag kritisierten den familiär daherkommenden Afghanistan-Trip scharf. Grünen-Chef Cem Özdemir kritisierte Guttenbergs Reise als »irrealen« Auftritt, der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel als »absolut unangemessen«. Es fehle nur noch Kultblondine Daniela Katzenberger, ulkte der frühere Popbeauftragte der Sozialdemokraten, »da hätten wenigstens die Soldaten was von«. Linke-Fraktionschef Gregor Gysi konstatierte: »Die ministerielle PR-Aktion mit Gattin und Talkshow-Troß verbessert weder die Lage im Land, noch macht sie den von der klaren Mehrheit der Deutschen abgelehnten Bundeswehreinsatz richtig.« Und: »Die Soldaten werden so gleich doppelt mißbraucht: für einen falschen Krieg und nun auch noch als Staffage auf den heimatlichen Bildschirmen.«

* Aus: junge Welt, 14. Dezember 2010


Zurück zur Afghanistan-Seite

Zur Bundeswehr-Seite

Zurück zur Homepage