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Afghanistan: Zehn Franzosen starben

Schwerster Verlust der Armee seit einem Anschlag in Beirut 1983 *

In Afghanistan sind bei schweren Kämpfen mit den Taliban zehn französische Soldaten getötet und 21 weitere verletzt worden.

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy sprach am Dienstag (19. Aug.) von einem »Hinterhalt mit extremer Gewalttätigkeit«, in den die NATO-Einheit am Montag (18. Aug.) im Bezirk Sarobi, rund 50 Kilometer östlich der Hauptstadt Kabul, geraten sei. Es war der schwerste Verlust der französischen Armee seit einem 1983 verübten Anschlag auf den Stützpunkt Drakkar in Beirut, bei dem 58 Fallschirmjäger getötet worden waren. Die Kämpfe dauerten am Dienstag an. Bei den Angreifern gab es nach Angaben des afghanischen Verteidigungsministeriums mindestens 13 Tote.

»Wir mussten die Nacht durchkämpfen und es geht weiter«, sagte ein Offizier der NATO-geführten Afghanistantruppe ISAF. Frankreich hat rund 3000 Soldaten in Afghanistan stationiert, davon 1800 in der Provinz Kabul, wo auch Sarobi liegt. Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahed sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Aufständischen hätten die NATO-Einheit im Bezirk Sarobi mit Minen und Raketen angegriffen. Fünf Fahrzeuge seien zerstört worden. Die NATO habe mit Luftangriffen geantwortet, bei denen fünf Taliban-Kämpfer und 15 Zivilisten getötet worden seien.

Das französische Präsidialamt kündigte an, Sarkozy werde unverzüglich nach Afghanistan reisen. Frankreich, Italien und die Türkei übernehmen abwechselnd das Kommando über die Region »Hauptstadt«, zu der neben Kabul auch der Bezirk Sarobi gehört. Zuletzt ging das Kommando am 5. August auf die Franzosen über. Sarkozy hatte beim NATO-Gipfel in Bukarest im April ein verstärktes militärisches Engagement seines Landes am Hindukusch zugesagt. Neben den 3000 französischen Soldaten, die sich derzeit in Afghanistan im Einsatz befinden, sind weitere 600 Soldaten in Missionen beschäftigt, die den Einsatz von außen unterstützen. Seit Jahresbeginn wurden in Afghanistan nach einer Zählung der Nachrichtenagentur AFP, die auf Militärverlautbarungen beruht, 176 ausländische Soldaten getötet.

Die französischen Sozialisten forderten eine Debatte über den Afghanistaneinsatz. Die Außenpolitischen Ausschüsse beider Kammern müssten dringend zusammentreten, erklärte Parteichef François Hollande. »Welche Ziele hat dieser Krieg? Wie viel Truppen braucht man, um die gesetzten Ziele zu erreichen? Wie sieht die Bilanz der Militäraktion und des Wiederaufbaus seit 2001 aus?«

* Aus: Neues Deutschland, 20. August 2008


Zehn französische Besatzer getötet

Schwerster Angriff des afghanischen Widerstands auf ausländische Truppen seit 2005. Anhaltende Kämpfe. Sarkozy kündigt Truppenbesuch in Kabul an

Von Amir Shah, Surobi/Paris (AP) **

Als einen »harten Schlag für Frankreich« bewertete am Dienstag (19. Aug.) Präsident Nicolas Sarkozy den Tod von zehn französischen Besatzungssoldaten in Afghanistan. Diese waren tags zuvor bei einem Angriff von mutmaßlichen Taliban-Rebellen auf die »internationale Schutztruppe« (ISAF) nahe Kabul getötet worden. 21 weitere Fallschirmjäger wurden verletzt. Rund hundert Aufständische hatten die Patrouille am Montag nachmittag in einen Hinterhalt gelockt und »mit extremer Gewalt attackiert«, teilte Staatspräsident Nicolas Sarkozy mit. Er selbst werde noch am Dienstag abend (nach jW-Redaktionsschluß) in Richtung Kabul aufbrechen. Damit wolle er demonstrieren, daß »Frankreich an der Seite seiner Soldaten« stehe.

Die Kämpfe begannen am 18. August, dem Unabhängigkeitstag des besetzten Landes. Dessen Führung konnte ihn nur unter größten Sicherheitsvorkehrungen an einem geheimen Ort in der Hauptstadt begehen. Offensichtlich überraschend für die NATO-Besatzer konzentrierten die bewaffneten Widerstandsgruppen jedoch ihre militärischen Pläne auf die Taliban-Hochburg Surobi etwa 50 Kilometer von Kabul entfernt. Dort sorgten sie für die größten Verluste der ISAF seit Juni 2005, als 16 US-Soldaten ums Leben kamen. Die Kämpfe hielten auch am Dienstag an. Dabei seien nach Angaben der vom Westen gestützten Regierung auch »mindestens 13 Taliban-Kämpfer getötet« worden.

Die französischen Todesopfer sind die ersten, seit Sarkozy auf dem NATO-Gipfel im April die Aufstockung des französischen ISAF-Kontingents um 700 auf 2600 Mann bis Ende September angekündigt hatte. Nach dem gewaltsamen Tod der zehn Fallschirmjäger wird mit heftiger Kritik der Opposition an der Afghanistan-Politik des Präsidenten gerechnet.

Der Montag (18. August) war der verlustreichste Tag für französische Streitkräfte seit 1983, als ein Bombenanschlag im Libanon 58 Fallschirmjägern das Leben kostete. Seit Beginn der Besatzung in Afghanistan Ende 2001 waren bislang 14 französische Militärangehörige bei Anschlägen und Unfällen ums Leben gekommen. Paris' Außenminister Bernard Kouchner bekräftigte, sein Land werde seinen »Verpflichtungen« für ein »demokratisches und friedliches Afghanistan weiter gerecht« werden.

** junge Welt, 20. August 2008


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