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"Buchhalterischer Fehler"

ISAF gibt zu: Doch kein Rückgang von Taliban-Angriffen in Afghanistan

Von Knut Mellenthin *

Am 22. Januar tauchte auf der Website der ISAF, der NATO-geführten Interventionstruppe in Afghanistan, eine Erfolgsmeldung auf: Die Zahl der Taliban-Angriffe sei 2012 gegenüber dem Vorjahr um sieben Prozent gesunken. Wenige Wochen später war der Eintrag ohne Begründung verschwunden. Eine Nachfrage der Nachrichtenagentur AP ergab am Mittwoch jedoch, daß ein »buchhalterischer Fehler« vorgelegen habe. In Wirklichkeit sei die Zahl der Angriffe im vergangenen Jahr ebenso hoch gewesen wie 2011. Der Irrtum sei dadurch entstanden, daß sich ein Teil der von den afghanischen Sicherheitskräften gelieferten Informationen in der Statistik »nicht richtig widergespiegelt« habe, erläuterte ISAF-Sprecher Jamie Graybeal. Im übrigen ändere sich jedoch nichts an der Einschätzung: Die Dinge seien auf dem richtigen Weg, die Taliban würden immer schwächer.

Die gleiche Botschaft kam auch aus den USA von Pentagon-Sprecher George Little. Exverteidigungsminister Leon Panetta, der in den letzten Monaten mehrmals von einem »Rückgang der Gewalt« in Afghanistan gesprochen hatte, sei zwar »bestürzt« gewesen, als er von dem bedauerlichen Fehler erfuhr. Die Menge der Angriffe liefere aber kein vollständiges Bild der Erfolge, die man im Kampf gegen die Taliban erreicht habe.

Tatsächlich ist ein Vergleich der Angriffszahlen – für 2011 wird eine Menge von 28000 geschätzt – nicht sonderlich relevant. Erstens ist die Definition des Begriffs unpräzise, so daß die Statistik leicht manipuliert werden kann. Zweitens ist aus dieser Summe die Stärke der Aktionen nicht herauszulesen. Drittens sagt sie über das wirkliche Potential der Aufständischen nicht viel aus. Und viertens waren es westliche Politiker und Militärs, die mit dieser Zahl Propaganda zu machen versuchten – so lange sie ihnen zupaß kam.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 28. Februar 2013


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