"Friedens-Dschirga" nur eine Farce?
Vom afghanisch-pakistanischen Treffen ist außer Absichtserklärungen nichts zu erwarten
Von Hilmar König, Delhi *
Das von den USA inszenierte afghanisch-pakistanische Treffen von Stammesführern und Politikern
in Kabul wird in Südasien weithin als vergebliche Übung bewertet. In den pakistanischen Medien war
von einer »bedeutungslosen Farce« die Rede.
Zwei ineinander ruhende Hände, die Nationalflaggen Afghanistans und Pakistans und in großen
Buchstaben »Afgh-Pak Gemeinsame Friedens-Dschirga 2007«. Das riesige Poster schmückt die
Bühne im Versammlungszelt auf dem Gelände eines Kabuler Colleges. Bis zum Sonntag beraten
hier über 600 Teilnehmer aus beiden Ländern, wie sie der Region Frieden und Stabilität bringen
können. Die Idee zu einem solchen Meeting entstand im September 2006 auf einem Treffen
zwischen Präsident Hamid Karsai und Präsident Pervez Musharraf, das Präsident George W. Bush
in Washington arrangiert hatte. Die USA und die NATO hoffen auf Entlastung ihrer
Militäroperationen in Afghanistan, wenn die im Grenzgebiet siedelnden Stämme »mit ins Boot«
geholt werden können.
Doch der »Friedens-Dschirga« war kein glücklicher Start beschieden. Wichtige Paschtunenführer
aus den pakistanischen Regionen Nord- und Südwasiristan, wo Taliban und Al Qaida unverhohlene
Sympathien genießen, ließen sich nicht nach Kabul locken. Sie hatten im vorigen Jahr mit Pakistans
Armee einen Waffenstillstand vereinbart. Diese sollte ihre Truppen an der afghanischen Grenze
reduzieren. Dafür wollten die Stammesmilizen in ihrem Einflussgebiet untergeschlüpfte Taliban unter
Kontrolle nehmen.
Der Pakt zerbrach, ehe er richtig zum Tragen kommen konnte. Heute sind an der gesamten 2430
Kilometer langen Grenze zu Afghanistan über 90 000 pakistanische Soldaten stationiert. Der Führer
der die pakistanische Nordwest-Grenzprovinz regierenden Jamiat-e-Ulema Islami, Maulana Faslur
Rehman, weigerte sich gleichfalls, nach Kabul zu reisen. Einige, so mutmaßte die Zeitung »Dawn«,
haben Angst vor den Taliban, andere halten zu den Taliban oder sie wollen nicht an einem Ereignis
teilnehmen, das von den USA gesponsert worden ist.
Der Gouverneur der Nordwest-Grenzprovinz, Ali Muhammad Jan Aurakzai, äußerte am Freitag (10. Aug.) in
Kabul, die Taliban müssten mit an den Verhandlungstisch. Ansonsten würde man keines der
Probleme lösen. Karsai beschrieb in seiner Rede die miserable Lage und erwähnte, dass Schulen
brennen, Ärzte, Lehrer, Ingenieure und Mullahs ermordet, Frauen entführt und getötet und über 250
000 Kinder am Schulbesuch gehindert werden. »Wer sind diese Leute, die Afghanistan und Pakistan
Probleme bereiten? Wer bildet sie aus, und wer bezahlt sie?« fragte er. An Pakistan gewandt, sagte
der Präsident, dass die Zukunft der Nachbarländer miteinander verwoben sei, dass es einen
gemeinsamen Feind gebe, den man nur gemeinsam schlagen könne.
Pakistans Premier Shaukat Aziz, der anstelle des in Bedrängnis geratenen Präsidenten Musharraf
teilnimmt, schlug zunächst in dieselbe Kerbe. »Frieden und Sicherheit in Afghanistan sind im
nationalen Interesse Pakistans«, versicherte er. Beide Länder würden gleichermaßen unter
»Terrorismus, Militanz, dem von Al Qaida praktizierten Gewaltkult, Extremismus und Talibanisierung
leiden«. Das alles beschmutzte die noble Religion des Islam. Aziz verwahrte sich dann jedoch
dagegen, Pakistan dafür die Alleinschuld zuzuschieben. Die Taliban seien vor allem Afghanen. Und
mit Blick auf Karsai: »Afghanistan ist noch nicht mit sich selbst in Frieden. Das Ziel der nationalen
Aussöhnung ist noch nicht erreicht.«
Was wird am Ende der »Friedens-Dschirga« zu erwarten sein? Eine gemeinsame Erklärung über
gute Absichten. Mehr nicht.
* Aus: Neues Deutschland, 11. August 2007
Musharraf doch noch zur Dschirga
Gemeinsame Deklaration zum Kampf gegen Terror
Von Hilmar König, Delhi **
Zum Abschluss der afghanisch-pakistanischen »Friedens-Dschirga« reiste Präsident General
Pervez Musharraf auf Drängen Washingtons doch noch nach Kabul.
Obwohl General Musharraf zu Hause alle Hände voll zu tun hat und sogar mit dem Gedanken
spielte, den Ausnahmezustand über Pakistan zu verhängen, drängte ihn angeblich USAAußenministerin
Condoleezza Rice am Wochenende in einem Telefonat, dem viertägigen Meeting
von Stammesführern, Geistlichen und Politikern in Kabul mit seiner Anwesenheit Gewicht zu
verleihen. So genötigt, traf er am Sonntag zu einer Stippvisite in Afghanistan ein und sprach vor den
600 handverlesenen Versammelten. Er verurteilte die in Afghanistan und Pakistan »besonders
schlimme Form von Terrorismus« und beklagte, dass der Rest der Welt voranschreitet, während der
Fortschritt in den beiden Nachbarländern »durch Militanz und Extremismus« behindert werde.
Zum Abschluss ihres Treffens nahmen die Delegierten am Sonntag eine Deklaration an. Deren
Kernstück bildet die Absicht, einen gemeinsamen Rat von afghanischen und pakistanischen
Stammesführern zu bilden. Dieser soll Verhandlungen mit den Taliban und der Hesb-i-Islami
aufnehmen, um Bedingungen für ein Ende der Gewalt und für eine friedliche Lösung des
grenzübergreifenden Konflikts zu schaffen. Dem Rat sollen je 25 Vertreter von Stämmen von beiden
Seiten der Grenze angehören.
** Aus: Neues Deutschland, 13. August 2007
Aktuelle Meldung
Pakistans Staatschef Pervez Musharraf hat Afghanistan zu einer verbesserten Zusammenarbeit im Kampf gegen den islamischen Extremismus aufgerufen. Die Gesellschaften beider Länder würden von einer extremistischen Minderheit bedroht, die für "Gewalt und Rückwärtsgewandtheit" stehe, sagte Musharraf am Sonntag in Kabul zum Abschluss einer viertägigen Versammlung von rund 700 Stammesführern und Politikern beider Länder, die über eine Anti-Terror-Strategie im Grenzgebiet beraten hatten. "Wir müssen unsere Gesellschaften aus dieser Gefahr retten und zusammenarbeiten, bis wir Extremismus und Terrorismus besiegen."
AFP, 12. August 2007
Zurück zur Afghanistan-Seite
Zurück zur Homepage