Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Waffe mit Zukunft

Die Zahl der Angriffe mit westlichen Drohnen in Afghanistan steigt

Von Knut Mellenthin *

Von der internationalen Öffentlichkeit unbemerkt ist Afghanistan zum Schwerpunkt US-amerikanischer Drohneneinsätze geworden. Während in Pakistan oder im Jemen kaum ein Angriff der unbemannten Flugkörper ungemeldet bleibt, gibt es aus Afghanistan fast nie entsprechende Berichte. Offenbar fällt es in diesem Land, wo die NATO seit elf Jahren Krieg führt, der Bevölkerung schwer, Drohnenattacken von anderen Operationen, beispielsweise Angriffen mit Kampfflugzeugen oder Boden-Boden-Raketen, zu unterscheiden.

Nach offiziellen Angaben der US-Streitkräfte gab es in Afghanistan im zu Ende gehenden Jahr bis Anfang Dezember 447 Drohnenflüge, bei denen die Bordraketen abgeschossen wurden. Das ist mehr als die Summe aller bewaffneten Drohneneinsätze gegen pakistanische Ziele von 2004 bis heute, die bei 355 liegt. Die für Afghanistan bekannt gegebene Zahl scheint sich nur auf den Einsatz von Drohnen als Gefechtsfeldwaffe, also zur Unterstützung kämpfender Bodentruppen, zu beziehen. Nicht enthalten sind vermutlich die Angriffe, bei denen es um die gezielte Tötung von Personen oder Personengruppen geht. Zuständig dafür sind die Spezialeinheiten der US-Streitkräfte. Unbekannt ist außerdem, ob auch der Auslandsgeheimdienst CIA in Afghanistan Drohnen zu diesem Zweck einsetzt. Für die Angriffe gegen pakistanische Ziele ist ausschließlich die CIA zuständig.

Die Drohnen werden für die »Terrorbekämpfung« in Afghanistan künftig eine immer größere Rolle spielen. Dementsprechend ist mit einer deutlichen Erhöhung ihrer Zahl zu rechnen. Der amerikanische Botschafter in Kabul, Ryan Crocker, erklärte im Mai öffentlich, daß es sich dabei um »das Recht auf Selbstverteidigung« handele, was in der Praxis bedeutet, daß die Drohnenangriffe keiner afghanischen Zustimmung bedürfen.

Auch Großbritannien setzt in Afghanistan bewaffnete Drohnen ein. 248 mal hatten sie bis zum März 2012 nach Angaben des Londoner Verteidigungsministeriums zugeschlagen. Bis zum Herbst verfügten die britischen Streitkräfte in Afghanistan über fünf US-amerikanische Reaper-Drohnen, die zwar von britischen Piloten, aber von einer Zentrale in den USA aus gelenkt wurden. Im Oktober gab das britische Verteidigungsministerium die Anschaffung von fünf weiteren Flugkörpern dieses Typs für den afghanischen Kriegsschauplatz bekannt. Sie sollten noch in diesem Jahr ihre ersten Flüge absolvieren – und von einem Luftwaffenstützpunkt in Lincolnshire, also direkt von der Insel aus, gesteuert werden.

Die deutsche Bundeswehr, die sich auf einen unbegrenzt langen Verbleib am Hindukusch eingerichtet hat, wünscht sich für die künftigen Aufgaben ebenfalls bewaffnete Drohnen. Zur Zeit verfügt sie nur über drei Aufklärungsdrohnen des israelischen Typs Heron. Die Entscheidung »für die Zeit ab 2015« wird vermutlich zwischen der amerikanischen Predator B und dem bewaffneten israelischen Nachfolgemodell Heron TP fallen. Schon jetzt sind im nordostafghanischen Zuständigkeitsbereich der Bundeswehr vier bewaffnete Drohnen des Typs MQ-1C Grey Eagle stationiert, die aber unter US-amerikanischer Kontrolle stehen.

* Aus: junge Welt, Samstag, 29. Dezember 2012


Zurück zur Afghanistan-Seite

Zur Drohnen-Seite

Zurück zur Homepage