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Pressefreiheit kontra Sicherheit

Aufgeregte Debatte um ein Buch in Dänemark

Von Andreas Knudsen, Kopenhagen *

»Jäger - im Kampf gegen die Elite«, heißt das Buch eines dänischen Irak- und Afghanistan-Soldaten. Doch dessen Veröffentlichung sucht die Militärführung des Landes wegen Sicherheitsbedenken zu verhindern. Das stößt auf Widerstand, denn seit dem Konflikt um die »Mohammed-Karikaturen« 2005 reagiert die Öffentlichkeit sehr sensibel in Sachen Pressefreiheit.

Vor kurzem noch war der Däne Thomas Rathsack ein glücklicher Mann. Nach seiner Zeit im Elitekorps des dänischen Heeres, bei den Jägern, hatte er eine Traumstellung im Verteidigungskommando. Außerdem stand die Veröffentlichung seines Buches bevor. Das Werk mit dem Titel »Jäger - im Kampf gegen die Elite« hatte das erklärte Ziel, die Einsätze der Truppe in Irak und Afghanistan zu rühmen.

Inzwischen aber wurde Rathsack vom Dienst suspendiert und seine Aussichten auf Tantiemen sind geschrumpft. Die gute Absicht des Autors stimmte die dänische Militärführung nicht milder: Sie strengte einen Gerichtsbeschluss an, um das Erscheinen des Buches zu verhindern.

Die Begründung lautete, dass einige Episoden des Buches den Talibankriegern Einblicke in Denkweisen und taktische Überlegungen von Spezialkräften geben könnten. Darüber hinaus fürchtet das Oberkommando, das insgesamt nicht für Offenheit bekannt ist, dass das Verhältnis zu den Verbündeten beschädigt werde. Es könnte für die dänischen Streitkräfte schwieriger werden, von den Verbündeten geheime Informationen zu bekommen, wenn sie doch Geheimnisse offensichtlich nicht wahren. Seither ist eine Mediendebatte entbrannt, die zusätzliche Nahrung erhielt, als sich Stabschef Tim Sloth Jørgensen in einem persönlichen Brief an die Chefredakteure aller bedeutenden Medien des Landes wandte und sie bat, den Inhalt des Buches nicht weiter zu diskutieren.

Dieses Ansinnen lehnten alle mit der Begründung ab, dass die Pressefreiheit gewahrt werden müsse. Die linksliberale, regierungskritische Zeitung »Politiken« ging noch einen Schritt weiter. Sie veröffentlichte das Buch als Sonderbeilage, nachdem der Verlag Peoples Press dem Druck von Militärs und Politik nachgegeben und die Veröffentlichung zumindest verschoben hatte. Ein Gerichtsbeschluss steht noch aus, der Ausgang ist ungewiss.

Verletzungen und Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit werden in Dänemark noch sensibler behandelt als in anderen westlichen Staaten. Besonders nach dem Konflikt um die »Mohammed-Karikaturen« im Jahre 2005 besteht Konsens darin, die Pressefreiheit unter allen Umständen zu verteidigen.

Die von den Medien befragten Militär- und Sicherheitsexperten sind sich indes uneins, ob Rathsacks Buch der Sicherheit der dänischen Truppen wirklich schaden könnte. Die einen argumentieren, dass Gruppen wie die Taliban, die seit den 80er Jahren gegen wechselnde Gegner gekämpft haben, nicht auf Informationen aus einem dänischen Buch angewiesen sind, weil sie die gegnerische Taktik längst kennen. Der jüngst aus Afghanistan zurückgekehrte Stabschef des dänischen Kontingents, Poul Dahl, forderte Soldaten und ehemalige Soldaten dagegen auf, äußerste Zurückhaltung und Selbstzensur zu üben, um die »Kameraden« nicht zu gefährden.

* Aus: Neues Deutschland, 21. September 2009


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