Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Politik-Taktik im Afghanistan-Krieg

Bundesregierung trickst bei geplanter Verlängerung des Militäreinsatzes

Von René Heilig *

Der Bundestag wird voraussichtlich in einer Sondersitzung am 7. Oktober über die weitere Beteiligung der Bundeswehr an der internationalen Afghanistan-Schutztruppe ISAF beraten.

Das ISAF-Mandat soll auf Wunsch der Bundesregierung um bis zu 1000 auf 4500 Soldaten aufgestockt und außerdem um 14 statt um zwölf Monate verlängert werden, damit die nächste Entscheidung darüber nicht in den Bundestagswahlkampf fällt.

Den Sondersitzungsvorschlag haben nun die Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktionen auf dem Tisch. Dagmar Enkelmann von der Linksfraktion findet diese plötzliche Eile »schon auffällig« und fragt sich, warum die Bundesregierung die längst bekannten Gelüste nicht schon Ende September unterbreitet. »Ungeachtet der Politiktaktik haben wir durchgesetzt, dass alles in einem 'geordneten Verfahren' behandelt wird. Und dazu gehört - anders als von den Regierungsparteien geplant - Öffentlichkeit.« Auch Enkelmanns Kollege von den Grünen, Volker Beck, sucht offenbar Öffentlichkeit. Denn es ist - anders als in vorangegangenen Abstimmungen zu ISAF - keineswegs klar, wie sich die Mitglieder der Fraktion verhalten. Beck selbst will sich seiner Stimme enthalten.

Insider sind sich nicht sicher, ob das ISAF-Mandat - wie bislang - in Deutschland so politisch machbar ist. Die überwiegende Mehrheit der deutschen Wähler ist gegen die Fortsetzung des Afghanistan-Abenteuers. Die Bundestagswahlen rücken näher. Leichte »Absetzbewegungen« vom Regierungskurs scheinen sich sogar bei der SPD anzukündigen. Deren Parlamentarischer Geschäftsführer, Thomas Oppermann, deutete immerhin an, dass die Situation für Soldaten wie für Parlamentarier »schwieriger« werde, weil sich die Sicherheitslage in Afghanistan verändert habe. Gemeint sind die jüngsten Anschläge gegen Bundeswehrsoldaten in der Nordregion um Kundus. Es gab Tote und Verletzte zu beklagen.

Wesentlicher als der innenpolitische Streit zum deutschen Kriegseinsatz in Afghanistan scheinen für die Bundesregierung jedoch Rücksichtnahmen im Rahmen der NATO zu sein. Im Herbst ist eine neuerliche Truppenstellerkonferenz angesagt. Bei diesem »Basar« wird versucht, NATO-Anforderungen und nationale Möglichkeiten in Übereinstimmung zu bringen. Um am Boden nicht noch tiefer in den Krieg hineingezogen zu werden, will Deutschland auf die Anforderung von AWACS-Flugzeugen eingehen. Ein Drittel der Besatzungen für dieses fliegende NATO-Radarsystem sowie ein Gutteil der Kosten werden von der Bundeswehr sichergestellt.

Die NATO wiederum wartet darauf, welche Beschlüsse die UNO in Sachen Afghanistan treffen wird. Die USA bemühen sich derzeit darum, die faktische Verschmelzung von ISAF und »Enduring Freedom« zu bestätigen.

Die endgültige Entscheidung müssen die deutschen Parlamentarier dann in dritter Lesung Mitte Oktober fällen.

* Aus: Neues Deutschland, 17. September 2008


Zurück zur Afghanistan-Seite

Zur Bundeswehr-Seite

Zurück zur Homepage