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Konjunkturpaket II in Kabul für eine Diplomatenfestung

Deutschland nutzt Sicherheitsfirmen, damit Regierungsmitarbeiter und Polizisten in Afghanistan überleben

Von René Heilig *

Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) hat zu Wochenbeginn in der afghanischen Hauptstadt Kabul den ersten Stein für die neue deutsche Botschaft vermauert. 90 Millionen Euro – darunter Mittel aus dem Konjunkturpaket II – sind geplant. Die Botschaft ist eine der größten zivilen Baumaßnahmen des Bundes im Ausland.

Nun ja, das mit der Botschaft ist zwar dringend, doch noch dringender ist ein neues Dienstwohnungsgebäude auf dem Gelände der Vertretung. Deshalb legte Ramsauer dort Hand an. Zimmer für 24 Mitarbeiter sowie Gemeinschaftsräume sollen errichtet werden. Die aktuellen Kapazitäten reichen nicht, um die Mitarbeiter des Auswärtigen Amts sowie der Bundespolizei unterzubringen.

Seit 2008 wohnen alle von Deutschland entsandten 60 Mitarbeiter aus Sicherheitsgründen auf dem Gelände der Vertretung. Zum Teil in Containern. Doch nicht einmal das in den 60er Jahren gebaute Bürogebäude ist sicher. Zwar konnte die Botschaft nach der militärischen Vertreibung der Taliban aus Kabul im Jahre 2002 völlig unversehrt wiederbezogen werden – auch der Botschafter-Mercedes war unberührt geblie-ben –, doch Anfang 2009 wurde das Gebäude bei einem Anschlag gegen eine nahe US-Einrichtung schwer beschädigt. Es geschah an einem Samstag, die Botschaft war fast leer. »Nur« vier Mitarbeiter bekamen so die Wucht der Autobombe zu spüren.

Die neuen Gebäude sollen wesentlich besseren Schutz bieten. Sie werden in Deutschland in modularer Bauweise gefertigt, auf dem Landweg nach Kabul transportiert und vor Ort zusammengebaut. Selbst die Dächer will man gegen Mörserbeschuss sichern und die Mauer um das Gelände soll mehreren hundert Kilogramm Sprengstoff standhalten. Das Bauwerk nimmt mögliche Explosionsenergie auf und verschiebt sich bis zu zwei Meter nach hinten. Umstoßen kann man die Mauer nicht – sagen die Konstrukteure.

Alle Schutzbauten nützen nichts, wenn das Sicherheitspersonal nicht Herr der Lage ist. Auch die Kabuler Botschaft steht unter dem Protektorat des Hausordnungs- und Objektschutzdienstes der Bundespolizei. Doch die Beamten alleine reichen nicht aus. Daher hat man Männer der »Saladin Security Afghanistan Ltd.« verpflichtet. Das sei, so sagt die Bundesregierung, eine afghanische Firma und die beschäftigt »ausschließlich afghanische Mitarbeiter«.

Ein wenig entwicklungspolitische Schummelei gehört offensichtlich zum politischen Geschäft, denn die angeheuerte Truppe gehört natürlich zur »Saladin Group«. Die hat seit über 30 Jahren ihren Sitz in London und wird von ehemaligen Militärs befehligt. Man beherrsche jede Art von »crisis management« – sogar auf Erdölfeldern und entlang von Pipelines.

Die Auswahl der »Saladin Security Afghanistan Ltd« erfolgte bereits 2005, weil die Firma das billigste Angebot abgegeben hat, erfuhren die Bundestags-Grünen jüngst auf Nachfrage. Und in der Tat, in den ersten neun Monaten dieses Jahres kostete der Botschaftsschutz durch »Saladin« ganze 218 247,07 Euro. Billiger geht Sicherheit in Kabul nun wirklich nicht!

Doch deutsche Regierungsinstitutionen nutzen am Hindukusch auch Angebote von drei weiteren Dienstleistern. KABORA LANTdefence wie die Asia Security Group und ServCor – letztere mit Sitz in USA – sind durch die afghanische Regierung lizenziert und halten »alle nationalen und völkerrechtlichen Rechtsnormen« ein. Sagt die Bundesregierung.

Ob das wirklich so ist, könnte sich bald herausstellen. Afghanistans Präsident Hamid Karzai hat nämlich per Dekret vom 17. August 2010 bekräftigt, was seit 1989 Gesetz ist in Afghanistan: Sämtliche private Sicherheitsfirmen müssen sich dem afghanischen Staat unterstellen oder ihre Tätigkeit bis Mitte Dezember einstellen. Die Bewachung diplomatischer Vertretungen soll nicht betroffen sein, heißt es. Karzais Drohung richtet sich eher gegen direkt militärisch eingesetzte Haufen.

Man hat wohl vor Augen, wie der Rückzug der US-Militärs aus Irak ganze Bataillone solcher zumeist gesetzlosen Privatarmeen ins Land spülte. Schon jetzt lassen die US-Truppen ihren gesamten Nachschub samt Bewachung privat-bewaffnet erledigen. Andere ISAF-Truppen setzen solche »Contractors« sogar im direkten im Kampf ein.

Die Bundeswehr nutzt angeblich keine Söldnerdienste. Doch bei der Polizeiausbildung kommt man nicht ohne aus. 2009 wurde in Mazar-e-Sharif ein Polizei-Trainingszentrum errichtet, 2010 folgte eines in Faisabad. 326 425,73 Euro sind jährlich im deutschen Etat eingeplant, um die Einrichtungen privat abzusichern. Die »originär zuständige afghanische Polizei ist bei derzeitiger Personallage und Einsatzbelastung noch nicht in der Lage, den notwendigen Objektschutz ... zu gewährleisten«, bestätigt die Bundesregierung.

Muss man mehr sagen über die äußerst fragile Sicherheitslage am Hindukusch?

* Aus: Neues Deutschland, 18. November 2010


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