Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Kein Abzug aus Afghanistan

Australiens Premierministerin auf Truppenbesuch. Mission soll noch mindesten drei Jahre dauern

Von Thomas Berger, Perth *

Australische Soldaten bleiben weiterhin am Hindukusch - das war die klare Botschaft, die Julia Gillard in der vergangenen Woche bei einem Truppenbesuch in Kabul zu vermitteln hatte. Zwar erteilt die sozialdemokratische Labor-Regierung einer Aufstockung des Kontingents eine Absage, aber von einem Zeitplan für einen Rückzug aus der multinationalen ISAF, wie ihn inzwischen mehrere Länder haben, kann in Canberra ebenfalls nicht die Rede sein. Im Gegenteil, die Labor-Regierung will die Mission noch mindestens drei Jahre fortführen.

21 Todesopfer hat Down Under unter seinen Soldaten bislang zu verzeichnen. Die aktuell 1550 Australier sind in der Provinz Uruzgan im Einsatz: Kein ganz ruhiges Gebiet, aber auch keines derer, wo sich die Auseinandersetzungen zwischen ISAF und Aufständischen, vor allem Taliban, konzentrieren. In Kabul war Julia Gillard sowohl mit dem Oberkommandierenden der US-Truppen in Afghanistan, General David Petraeus, als auch Afghanistans Staatschef Hamid Karsai zusammengetroffen.

In der Heimat gibt es Auseinandersetzungen darüber, daß Oppositionsführer Tony Abbott eine Einladung der Regierungschefin, sie zu begleiten, abgelehnt hatte. Statt dessen forderten Abbott und einige Kollegen aus der Liberal Party, das australische Kontingent am Hindukusch brauche auch Panzer. Die aber will die Regierung nicht schicken, auch weil sie in dem besonderen Terrain nicht richtig einsetzbar seien. Gegen jegliche Aufstockung bei Truppenstärke wie Ausrüstung haben sich die Grünen ausgesprochen. Deren außen- und verteidigungspolitischer Sprecher, Parteichef Bob Brown, stellte in seinen jüngsten Äußerungen aber das Mandat für den Moment ebenfalls nicht in Frage. Offenbar ist dies ein Tribut an die neue Rolle, die die Grünen seit wenigen Wochen spielen, sind sie doch zum Mehrheitsbeschaffer der nur mit einem Minderheitenkabinett regierenden Sozialdemokraten aufgestiegen.

Für US-Präsident Barack Obama und seinen General Petraeus dürfte es beruhigend sein, daß auch die neue Labor-Regierung nicht an einen baldigen Truppenrückzug denkt. Dagegen will Italien im kommenden Jahr mit dem Abzug seiner Truppen aus Afghanistan beginnen. Der italienische Außenminister Franco Frattini sagte der Zeitung La Repubblica vom Dienstag, daß die ersten Soldaten im Sommer 2011 das Land am Hindukusch verlassen sollen. Der Abzug solle 2014 abgeschlossen sein. Italien hat 3400 Soldaten in Afghanistan stationiert, bis Ende des Jahres soll die Zahl zunächst auf 4000 ansteigen.

Am Wochenende waren vier italienische Soldaten in der westafghanischen Provinz Farah ums Leben gekommen. Die Soldaten waren nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Rom in einen Hinterhalt geraten, als sie einen Konvoi mit 70 zivilen Lastwagen begleiteten.

* Aus: junge Welt, 13. Oktober 2010


Zurück zur Afghanistan-Seite

Zur Australien-Seite

Zurück zur Homepage