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Blutiger Anschlag in Afghanistan

Viele Tote und Verletzte bei Überfall auf Parlamentarierdelegation in der Provinz Baghlan

Vermutlich 30 bis 40 Menschen sind am Dienstag bei einem Selbstmordanschlag auf eine Parlamentsdelegation in Nordafghanistan getötet und über Hundert verletzt worden.

Kabul (Agenturen/ND). Nach Angaben der afghanischen Behörden sind unter den Dutzenden Toten auch mindestens sechs Abgeordnete des Wirtschaftsausschusses, unter ihnen der ehemalige Handelsminister Mustafa Kasimi.

Der Ausschuss besuchte gerade eine Zuckerfabrik in der Provinz Baghlan im nordafghanischen Kommandobereich der Bundeswehr, als der Selbstmordattentäter seinen Sprengsatz zündete. Unter den Opfern waren auch Kinder und Leibwächter der Parlamentarier. Nach Angaben des Abgeordneten Daud Sultanasai liegt die Fabrik in der Nähe der Ortschaft Pil-i-Chumri etwa 150 Kilometer nördlich der Hauptstadt Kabul.

Augenzeugen berichteten von einem Blutbad. Überall am Tatort hätten verstümmelte Körper gelegen, der Boden sei mit Blutlachen übersät gewesen, erzählten sie den afghanischen Medien. Viele der Verletzten schwebten demnach in Lebensgefahr.

Angesichts der Zerstörung war es den Behörden zunächst nicht möglich, eine genaue Opferzahl zu nennen. Laut einem Vertreter des Gesundheitsministeriums wurden die Opfer in mehrere Krankenhäuser der Provinz gebracht. Aus Kabul wurde ein Hubschrauber zur Bergung von Opfern entsandt. Auch die Internationale Schutztruppe ISAF beteiligte sich an der Notfallversorgung der Verletzten.

Nach den Worten des Abgeordneten Schukria Baraksai befanden sich die rund 18 Vertreter des Wirtschaftsausschusses unter Leitung ihres Vorsitzenden Kasimi auf Besichtigungstour durch die normalerweise eher ruhige Provinz Baghlan. An der Besichtigung der Fabrik nahm rund ein Dutzend weiterer Wirtschaftsvertreter teil. Unklar war zunächst, wer hinter dem Anschlag, einem der schwersten in diesem Jahr, stand. Präsident Hamid Karsai verurteilte die Bluttat als Angriff »von Feinden des afghanischen Volkes«.

In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl der Selbstmordanschläge vervielfacht, allein in diesem Jahr waren es bereits mehr als 120. Für die meisten werden Rebellen des Ende 2001 gestürzten Taliban-Regimes und Verbündete des Terrornetzwerkes Al Qaida verantwortlich gemacht. Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahed sagte jedoch am Dienstag gegenüber der Nachrichtenagentur: AFP: »Wir waren es nicht.«

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier verurteilte den Anschlag auf die Gruppe afghanischer Abgeordneter scharf. Die Stoßrichtung des Terroranschlags sei klar, erklärte er. »Es sollen jene abgeschreckt werden, die sich für den Wiederaufbau des Landes einsetzen und ihrem Land eine echte Zukunftsperspektive eröffnen wollen.« Dem dürfe nicht nachgegeben werden. »Die Menschen in Afghanistan setzen darauf, dass wir sie nicht alleine lassen«, unterstrich der Minister.

Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul sprach von einem »widerwärtigen und abscheulichen Verbrechen«, das sich »gegen die Selbstbestimmtheit der Menschen« richte. Die Zuckerfabrik in Baghlan sei ein von Deutschland gefördertes Entwicklungsprojekt. Mit dem Anbau und der Verarbeitung von Zuckerrüben wurde nach Angaben der Ministerin bisher mehr als 2500 Bauern eine Einkommensquelle eröffnet, durch die sie beispielsweise vom Mohnanbau unabhängig werden.

Vor der UNO-Vollversammlung versicherte UN-Botschafter Thomas Matussek, Deutschland werde sich so lange in Afghanistan engagieren, bis das Ziel eines stabilen, friedvollen und demokratischen Landes erreicht sei.

* Aus: Neues Deutschland, 7. November 2007

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilt Anschlag

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat den jüngsten Selbstmordanschlag in Afghanistan, bei dem am Dienstag 40 Menschen getötet und 120 verletzt wurden, verurteilt. Es handle sich um einen "abscheulichen Anschlag", erklärte Bans Sprecherin Michèle Montas. Der UN-Generalsekretär sei über die "instabile Sicherheitslage beunruhigt".

Das Statement im Wortlaut:
The following statement was issued today by the Spokesperson for UN Secretary-General Ban Ki-moon:
The Secretary-General was deeply saddened to learn about the deplorable suicide attack that occurred earlier today in the town of Baghlan in northern Afghanistan, which has reportedly resulted in more than 40 civilian deaths and an even larger number of injured.
Noting that today’s attack is one of the deadliest Afghanistan has seen in recent years, the Secretary-General once again expresses his continuing anxiety regarding the unstable security situation throughout Afghanistan. The Secretary-General strongly condemns this heinous attack and sends his profound condolences to the bereaved families of the victims, as well as to the Government and people of Afghanistan.




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