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Unerfüllter Traum - Truppenabzug am Hindukusch vorerst nicht in Sicht

Interview in der NDR-Sendereihe "Streitkräfte und Strategien" mit NATO-General Egon Ramms, Befehlshaber des für Afghanistan zuständigen Joint Force Command Brunssum *

Moderation (Andreas Flocken):

Die NATO-Mission in Afghanistan wird vom Joint Force Command im niederländischen Brunssum geführt. Befehlshaber ist seit fast vier Jahren der deutsche NATO-General Egon Ramms. Er ist der NATO-Vorgesetzte von US-General Petraeus. Im kommenden Monat geht Ramms in den Ruhestand. In seiner Zeit in Brunssum hat der Vier-Sterne-General fünf ISAF-Befehlshaber kommen und gehen gesehen. Die Lage am Hindukusch hat sich trotzdem nicht verbessert. Ich habe General Ramms gefragt, ob er über die gegenwärtige Lage in Afghanistan enttäuscht ist:

Interview Flocken/ General Ramms

Ramms: Sie haben sicherlich Recht. Die Gefühle sind gemischt. Ich hatte mal, als ich angefangen habe, einen Traum. Der Traum war, dass ich im September dieses Jahres, also vor Ende meiner Dienstzeit, den Befehl für die Transition, die Übergabe der Verantwortung an die Afghanen, hätte unterzeichnen können. Das wird mit Blick auf die tatsächliche Entwicklung in Afghanistan, auf der einen Seite das politische Umfeld, NATO-Gipfel und vergleichbare Dinge, glaube ich, noch einige Zeit dauern.

Flocken: In Afghanistan sind jetzt rund 150.000 ausländische Soldaten im Einsatz. Das sind so viele, wie zu Hochzeiten der sowjetischen Besatzung in den 80iger Jahren. Was ist eigentlich in Afghanistan schief gegangen bei der NATO-Mission, dass man im Augenblick so viele Soldaten im Einsatz hat?

Ramms: Also Afghanistan ist ein schwieriges Land. Und ich hatte schon vor längerer Zeit einmal gesagt, auch öffentlich gesagt, dass wir uns auf die Bevölkerungszentren konzentrieren müssen. Das ist auch in der strategischen Analyse, die Stan McChrystal, der vormalige ISAF-Befehlshaber gemacht hat, entsprechend deutlich geworden. Und wir haben eigentlich erst nach dieser Analyse mit den entsprechenden politischen Entscheidungen, sei es innerhalb der NATO, sei es durch die Nationen, unter anderen auch den Vereinigten Staaten von Amerika, die Soldaten zur Verfügung gestellt bekommen, die wir brauchen, um diese Kampagne - ich sage absichtlich nicht Krieg oder Operation -, um diese Kampagne dort entsprechend gestalten und führen zu können.

Flocken: Ich kann mich erinnern, dass Sie vor rund zwei Jahren gesagt haben, als es um die Diskussion der Truppenaufstockung ging, dass wir so viele Soldaten wie die Amerikaner haben wollten, eigentlich gar nicht brauchen. Aber jetzt sind es doch erheblich mehr geworden.

Ramms: Also, die Forderungen, die vor zwei Jahren gestellt worden sind, gingen zum Teil noch über das hinaus, was heute auch nach Entscheidung der amerikanischen Regierung realisiert wird. Ich glaube die Aussage, die ich damals gemacht habe, ist etwas anders zu verstehen. Sie ist dahingehend zu verstehen, dass die militärischen Mittel alleine den Erfolg in Afghanistan nicht bringen werden. Und dass wir allein durch beliebiges aufstocken der Zahl der Soldaten den Erfolg nicht erzielen würden, den wir haben wollen. Wichtig ist in Afghanistan, dass dieses, ich sag mal, eine konzertierte Aktion ist - um einen alten Begriff aus Deutschland zu gebrauchen - die sich mit allen möglichen zivilen Maßnahmen auf der einen Seite und der entsprechenden militärischen Unterstützung beschäftigt. Und ich sehe dabei die zivile Seite eindeutig in der Vorhand und sage auch eindeutig, dass der Schwerpunkt auf die zivile Entwicklung Afghanistans gelegt werden muss.

Flocken: Gleichzeitig kann man aber sagen, dass der zivile Aufbau nur funktionieren kann, wenn das sichere Umfeld da ist. Und das ist ja offenbar nicht da. Dann ist doch wieder das Militär gefragt.

Ramms: Also, wichtig ist, was Sie in der Frage gerade richtig zum Ausdruck gebracht haben, dass der Zusammenklang, das Zusammenwirken der zivilen Maßnahmen und der militärischen Sicherheit, sage ich jetzt einmal im weitesten Sinne, entsprechend zusammengeführt wird. Ich bleibe bei der Aussage, dass der zivile Teil eindeutig der wichtigere Teil ist. Er reicht von Regierungsfähigkeit der afghanischen Regierung über alle Maßnahmen zum Wiederaufbau und Wiederherstellung der Landwirtschaft.

Flocken: Eine Wende in Afghanistan sollte ja erzwungen werden durch die neue Afghanistan-Strategie: Zusätzliche Truppen, Aufstandsbekämpfungskonzept, kurz COIN genannt, also Counterinsurgency. Der Eindruck bleibt aber, dass dieses Konzept nicht so richtig gegriffen hat. Denn wir hatten ja im Februar eine Offensive in Helmand. Die galt als Testfall für diese Strategie, und man hört, dass das alles nicht so optimal gelaufen ist und die Frage ist: warum will das alles nicht so recht greifen?

Ramms: Zwei Gründe, die ich im Augenblick sehe: Wir befinden uns immer noch im Aufwuchs der Truppenteile, die nach Afghanistan verlegt werden. Die Amerikaner werden dieses zum Ende dieses Monats abschließen. Dann haben sie ihre zugesagten 30.000 Soldaten nach Afghanistan verlegt. Das heißt, wir verfügen dann zum Beispiel in Helmand, aber auch in Kandahar, über einen deutlich höheren Kräfteansatz als wir jemals gehabt haben. Die von den anderen Nationen zugesagten Kräfte sind zum Teil noch nicht im Land. Die letzten von ihnen werden im November kommen. Und wenn die Kräfte alle da sind, muss man uns bitte ein bisschen Zeit geben, um dieses auch tatsächlich in entsprechende Planung umzusetzen, um gemeinsam mit den afghanischen Streitkräften, aber auch mit der afghanischen Regierung entsprechend Wirkung erzielen zu können. Es geht also nicht nur um militärische Operationen, sondern es geht um den breiten Ansatz, den Sie vorhin mit COIN beschrieben haben. Um hier Fortschritte zu erzielen, müssen also auch alle zivilen Maßnahmen mit eingeschlossen sein.

Flocken: US-Präsident Obama will Mitte nächsten Jahres mit dem Rückzug der ersten Truppen aus Afghanistan beginnen. Wie ist da Ihre Einschätzung? Ist das realistisch oder ist das politisches Wunschdenken? Oder werden da nur symbolisch Kontingente abgezogen?

Ramms: Ich sehe noch keine größeren amerikanischen Kontingente, die abgezogen werden, womit ich Präsident Obama mit seinem Ansatz nicht widersprechen möchte. Aber ich sagte ja vorhin schon mal: wir haben einige Bereiche, in denen wir in Afghanistan nicht durch unsere Verantwortung Zeit verloren haben. Und wir müssen hier vielleicht zeitlich etwas nachjustieren. Zweite Aussage zu diesem Thema: Diese Transition, die Übergabe der Verantwortung an Afghanistan, die dafür [für einen Abzug] die Voraussetzung ist, ist ein Prozess. Es ist kein Fingerschnipp oder kein Event, der an einen Tag gebunden ist. Es ist ein Prozess, der sich mittlerweile, so glaube ich, aufgrund der politischen Aussagen relativ sauber definieren lässt. Und der wird stattfinden zwischen 2011 und 2014. Das Enddatum 2014 ist durch den Präsidenten Karsai gesetzt worden. Wir werden sehen, in welcher Form wir jetzt, nachdem alle Kräfte im Herbst im Land sind, Fortschritte erzielen können - mit Blick auf die Sicherheit, und die Zusammenarbeit mit Blick auf Regierungsfähigkeit und Entwicklung. Und wir werden von unserer Seite her entsprechende Grundlagen liefern, um diesen Prozess sehr gut und sehr sauber beurteilen zu können, um dabei festzustellen, wo die Afghanen die Verantwortung in welchen Bereichen übernehmen können.

Flocken: Der Einsatz in Afghanistan begann 2001. Er dauert inzwischen länger als der Vietnamkrieg. In der Bevölkerung der Truppensteller rumort es. Sie wird ungeduldig. Der Unmut wächst. Können Sie nachvollziehen, dass da der Ruf nach einem Abzug und einem Ende der Mission immer lauter wird?

Ramms: Dass der Wunsch bei der Bevölkerung entsteht, ist für mich nachvollziehbar, gar keine Frage. Auch ich als militärischer Befehlshaber oder Kommandeur würde es gerne sehen, wenn ich meine Soldaten aus einem solchen Einsatz nach Hause bringen könnte. Ich sag das einfach mal so. Aber es wäre nach meiner Auffassung falsch, wenn wir trotz aller Ungeduld den Einsatz in Afghanistan überhastet abbrechen würden. Wir würden damit eine verheerende Wirkung bei der afghanischen Bevölkerung erzielen. Die afghanische Regierung würde sich wahrscheinlich im Stich gelassen fühlen, und wir würden damit möglicherweise im heutigen Status Afghanistan den Taliban überlassen, und wir würden vielleicht aufgrund von Entwicklungen im humanitären Bereich wie der Verletzung der Menschenrechte durch die Taliban und dergleichen mehr, durch die selbe Bevölkerung, die sich heute wünscht, dass die Soldaten nach Hause gehen und der Einsatz beendet wird, in fünf Jahren wieder aufgefordert werden, dort wieder hinzugehen. Weil man dann in der Welt nicht bereit ist, die Menschenrechtsverletzungen die dort stattfinden, hinzunehmen.

Flocken: Der Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte soll ja über kurz oder lang dafür sorgen, dass die ISAF-Truppe überflüssig wird. Erst kürzlich hatte General Petraeus bekanntgegeben, dass inzwischen über 130.000 afghanische Soldaten einsatzbereit sind. Der Eindruck bleibt aber, dass hier Quantität vor Qualität geht. Denn es gibt immer wieder Kritik an den afghanischen Militär-Operationen, wenn sie allein von afghanischen Kräften geführt werden, so dass sich eine sehr große Skepsis breit macht.

Ramms: Eine sehr große Skepsis ist nach meiner Auffassung nicht gerechtfertigt. Die Afghanen machen einen sehr intensiven Ausbildungsprozess, der ja auch durch die NATO mittlerweile in der Verantwortung übernommen worden ist. Es gibt die NATO-Training Mission Afghanistan, die vor anderthalb Jahren beim Gipfel in Straßburg und Kehl durch alle NATO-Staatsoberhäupter beschlossen worden ist. Diese wird auch, ich sage das mal mit Blick auf die afghanischen Streitkräfte, recht gut ausgeführt. Aber zwischen dem Thema, ob ich einen Verband habe, der ausgebildet ist, in dem also die Soldaten ihr individuelles Training absolviert haben, und einem Verband, der dann auch entsprechend einsatzbereit ist, gibt es noch einen erheblichen Ausbildungsaufwand. Ich kann Ihnen nur zustimmen: dort wo afghanische Kräfte auch in jüngerer Zeit eigene Operationen durchgeführt haben, sind diese nicht immer so erfolgreich gewesen. Das zeigt, dass wir jetzt zwar Quantität haben, aber dass wir jetzt verstärkt für die Entwicklung von Qualität sorgen müssen. Ich habe das 2007 wie folgt bezeichnet: wir wollen eine Erfolgsstrategie in Afghanistan haben, und der Schlüssel zum Erfolg sind die afghanischen Sicherheitskräfte. Ich glaube, dieser Aussage ist nichts hinzuzufügen. Aber die Voraussetzung ist, dass dann diese afghanischen Sicherheitskräfte einen entsprechend hohen Ausbildungsstand haben. Wenn wir über Infanteriekräfte- oder vergleichbares reden, ist das bereits erreicht. Wenn wir aber über alle Arten von Unterstützung, Kampfunterstützung, logistischer Unterstützung, Zusammenarbeit mit Luftstreitkräften und dergleichen mehr reden, gibt es hier noch viel zu tun.

Flocken: Nun setzen die USA in Afghanistan aber auch auf den Aufbau von Dorfmilizen. Kritiker sagen, das ist kontraproduktiv, weil die Dorfmilizen ja im Grunde genommen nicht die staatlichen Sicherheitskräfte darstellen, die auch die Regierung in Kabul unterstützen. Sie sind eher Verbände oder Einheiten, die irgendwelchen Warlords oder Clanchefs unterstehen.

Ramms: Also ich stehe diesen Dorfmilizen oder Afghan Local Police, wie sie genannt werden, durchaus mit einer gewissen Skepsis gegenüber. Ich sage das ganz deutlich. Skepsis aus dem Grunde, weil ich sehe, dass sie durch lokale Führer auch entsprechend genutzt werden können, die möglicherweise nicht die große Regierungslinie, auch nicht die Regierungslinie in den entsprechenden Provinzen vertreten. Was der ISAF-Befehlshaber David Petraeus in dieser Beziehung erreicht hat, ist, dass diese Milizen langfristig nach einer entsprechenden Ausbildung auch dem afghanischen Innenminister unterstellt werden sollen. Von daher hoffe ich, dass auf diesem Wege die entsprechende notwendige staatliche zentrale Kontrolle für diese Milizen auch erreicht wird. Das ist etwas, was wir zurzeit sehr sorgfältig beobachten, um auch Fehlentwicklungen in diesem Bereich in jedem Falle im Auge zu behalten. Um, falls notwendig, entsprechend gegen zu steuern.

Flocken: Regelmäßig beklagen Kommandeure, dass die Truppen in Afghanistan nur zu bestimmten Zwecken eingesetzt werden dürfen. Das heißt, sie unterliegen bestimmten Einsatzbeschränkungen. Die Militärs sprechen von sogenannten Caveats. Wir haben das Beispiel gehabt, oder haben es immer noch, dass die deutschen Ausbilder afghanische Verbände, die sie betreuen, nicht in den Süden begleiten dürfen. Sie haben das vor einiger Zeit massiv kritisiert. Geändert hat sich hier aber bis heute gar nichts.

Ramms: Das ist eine nationale politische Entscheidung. Wichtig ist, dass diese Caveats - und nicht nur Deutschland hat Caveats in Afghanistan -, in den Botschaften, oder in den Nachrichten, die wir bekommen, mit denen uns die Verbände unterstellt werden, auch tatsächlich offen benannt werden. Wenn das der Fall ist, wenn wir also wissen, welche Verbände wo nicht eingesetzt werden dürfen, oder unter welchen Bedingungen sie nur eingesetzt werden dürfen, dann können wir das in unsere militärische Planung aufnehmen und wir können uns darauf entsprechend vorbereiten. Das heißt, wir greifen dann auf andere Truppenteile oder auf andere Nationen zurück, um diesen Auftrag der notwendig ist, dann entsprechend durchzuführen. Wenn wir die Zeit haben, das entsprechend zu planen, ist das unproblematisch. Wenn solche Caveats uns aber nicht bekannt sind, uns dann bei der aktuellen Planung überraschen, dann bereiten sie uns durchaus nach wie vor Schwierigkeiten.

Flocken: Meines Wissens gibt es Einschränkungen auch bei den Spezialoperationen. Das heißt, die Spezialkräfte dürfen nicht alles. Wir haben derzeit in Deutschland eine Diskussion über gezielte Tötungen. Die Bundeswehr sagt, deutsche Spezialkräfte dürfen nicht gezielt töten, sondern nur gefangen nehmen. Andere Spezialkräfte, beispielsweise die amerikanischen, führen aber gezielte Tötungen durch. Wie sehen Sie das? Sind solche gezielten Tötungen nicht kontraproduktiv?

Ramms: Wir müssen sehr sorgfältig analysieren, beobachten, wie so etwas zu Stande kommt. Es geht auch nicht um das gezielte Töten dabei, sondern es gilt im Prinzip auch für amerikanische oder für andere Spezialkräfte, dass sie das entsprechende Ziel, den entsprechenden Taliban-Führer, meistens höherer Art, auszuschalten haben. Die Rahmenbedingungen dafür werden in einem gemeinsamen Planungsprozess festgelegt. Es gibt dafür entsprechende Arbeitsgruppen, die das ausarbeiten. Und in diesen Arbeitsgruppen werden Vorschläge erarbeitet, wie die jeweilige Zielperson in der Richtung angefasst werden muss. Ich hatte bereits 2007 in der Öffentlichkeit gesagt, dass ISAF-Spezialkräfte in dieser Beziehung im Prinzip den gleichen Aufgabenbereich haben wie ihn vorher die OEF-Spezialkräfte gehabt haben. Ich muss einfach ein bisschen für Neutralität auf der einen Seite werben, aber auch ein bisschen für Erkenntnis werben dabei. Wenn Sie einen Taliban-Führer haben, dem Sie nachweisen können, dass er drei, vier, fünfmal zum Setzen von Sprengfallen und IEDs beigetragen hat, dass er möglicherweise auch mehrfach verantwortlich ist, für den Tod deutscher oder anderer alliierter Soldaten oder dergleichen mehr. Wenn Sie ihn dann festnehmen, und er durch die afghanischen Autoritäten wieder freigelassen wird, dann ist irgendwo eine Stelle erreicht, wo man sagen muss: wir müssen andere Entscheidungen treffen. Die derzeitigen Regelungen, die wir bei der Festnahme dieser Taliban, dieser Kämpfer oder dieser Aufständischen haben....

Flocken: ...oder Ausschaltung....

Ramms:... mag es Ausschalten sein. Die Regelungen sind die, wie wir sie in anderen Bereichen haben. Das Spektrum dieser Maßnahmen, die die Spezialkräfte anwenden, reicht in einer ganzen Breite von, ich sage mal einem sogenannten Keyleader Engagement bis zur Tötungsabsicht, dem Tötungsbefehl, wenn Sie so wollen. Der Tötungsbefehl ist nur ein Teil des Gesamtspektrums. Aber die entscheidende Aussage, Herr Flocken ist die: wenn ein solcher Mann mehrfach wieder freigesetzt worden ist, und weiter Soldaten umbringt, oder umbringen lässt oder aktiv dabei beteiligt ist, dann sind wir irgendwo an einer Stelle, wo man sagen muss: das System versagt. Und wenn wir diese Leute festnehmen, und sie dann hinterher auf höchster Ebene wieder freigelassen werden, dann ist das schon eine Sache, die, ich sage das mal mit Blick auf die Situation dort, und die Menschen, die durch diesen Taliban-Führer oder Insurgents [Aufständische] getötet worden sind, nur schwer verständlich ist.

Flocken: Im Norden von Afghanistan nehmen die Aktivitäten der Aufständischen zu. Aus der Bundeswehr hört man den Ruf, der immer lauter wird, nach mehr Feuerkraft und schweren Waffen. Unter anderem ist auch der Kampfpanzer gefordert worden. Werden solche Forderungen nach mehr Feuerkraft aus Ihrer Sicht zu Recht erhoben?

Ramms: Mehr Feuerkraft. Ich sag mal, mehr Wirkung in bestimmten Bereichen ist sicherlich auch im Norden nicht falsch.

Flocken: Das heißt konkret?

Ramms: Wir haben bei den Zwischenfällen, die wir vor und nach Ostern gehabt haben festgestellt, dass ein Teil der deutschen Soldaten mit ihrer Bewaffnung gegen bestimmte Ziele einfach nicht wirken konnte. Luftunterstützung hat zu dem Zeitpunkt nicht zur Verfügung gestanden. Von daher gab es im Prinzip für diese Soldaten keine Möglichkeit, Einfluss auf den Gegner zu nehmen. Und da sage ich, da sollte man schon die Waffen zur Verfügung stellen, die den deutschen Soldaten entsprechend in einem solchen Fall wirklich ermöglichen, tätig zu werden. Ich möchte vom Norden mal ein bisschen weggehen. Im Süden setzen die Kanadier Kampfpanzer ein, in einer Zahl von fast 100. Und die Kanadier sagen, dass diese Kampfpanzer dort unten im Einsatz in der Provinz Kandahar bisher mindestens 80 Menschenleben gerettet haben, nämlich eigene kanadische Soldaten. Wenn man die Umstände so bewertet und betrachtet, kann es durchaus notwendig sein Kampfpanzer einzusetzen.

Flocken: Auch im Norden?

Ramms: Das ist eine Frage, die würde ich gerne der Bundesrepublik Deutschland überlassen in der Beurteilung der Lage. Vielleicht, um das ein bisschen vom Kampfpanzer wegzuziehen: wir haben mittlerweile eine ganze Anzahl von Schützenpanzern dort oben im Norden, die auch mit der deutschen Quick Reaktion Force eingesetzt werden. 15 an der Zahl. Diese Schützenpanzer haben beispielsweise gegen die üblichen Lehmmauern und dergleichen mehr eine deutlich bessere Wirkung als jede Handfeuerwaffe. Und auf diese Art und Weise tragen Sie auch dazu bei, dass der ein oder andere Einsatz der QRF dort oben etwas schneller entschieden wurde. Auch zum Vorteil der Deutschen.

* Quelle: NDR, Das Forum STREITKRÄFTE UND STRATEGIEN, gesendet am 28. August 2008; Im Internet: www.ndrinfo.de


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