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"Verpflichtung" ohne Ende

USA wollen militärische Präsenz in Afghanistan unbefristet fortsetzen. Neue Drohung Obamas mit Krieg gegen Iran

Von Knut Mellenthin *

Die US-Regierung will den Abzug ihrer Truppen aus Afghanistan nicht beschleunigen. Das bestätigte Präsident Barack Obama am Mittwoch (14. März) nach einem Gespräch mit dem britischen Regierungschef David Cameron im Weißen Haus.

Der von der NATO 2010 in Lissabon beschlossene Plan sieht vor, dass die Kampftruppen der Allianz Afghanistan bis zum Jahresende 2014 verlassen werden. Auch nach diesem Datum wollen die USA aber auf unbegrenzte Zeit mehrere tausend Soldaten als „Ausbilder“ und „Berater“ im Land lassen. Großbritannien hat ähnliche Pläne. Auch die deutsche Regierung strebt, wie Kanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsminister Thomas de Maizière dieser Tage bestätigten, eine unbefristete Präsenz der Bundeswehr über 2014 hinaus an.

Die USA sind darüber hinaus daran interessiert, einen erheblichen Teil ihrer Stützpunkte und sonstigen militärischen Strukturen in Afghanistan zu behalten. Dabei spielt insbesondere die Perspektive eines langandauernden Kriegs gegen Iran eine zentrale Rolle. Washington möchte außerdem Freiheit für sogenannte Anti-Terroreinsätze behalten. Gemeint sind vor allem Kommando-Aktionen und Überfälle, um „Köpfe“ einer sich entwickelnden Zivilverwaltung der Aufständischen zu ermorden oder gefangen zu nehmen.

Das bedarf indessen der Zustimmung der afghanischen Regierung zu einem umfassenden Vertrag, der diese Dinge auf Jahre hinaus regelt. Präsident Hamid Karsai will unter anderem erreichen, dass das US-Militär künftig auf die bei der Bevölkerung besonders gefürchteten und verhassten nächtlichen „Durchsuchungen“ verzichtet. Damit ist er jedoch bisher bei den Amerikanern kompromisslos abgeblitzt. Vorfälle der jüngsten Zeit wie die Verbrennung von Koran-Büchern und die Ermordung afghanischer Zivilisten durch US-Soldaten haben die Vertragsverhandlungen, die angeblich schon weit vorangeschritten waren, vorübergehend erschwert. Letztlich ist das Kabuler Regime, das ohne langfristige Riesensubventionen des Westens nicht einmal seine Sicherheitskräfte finanzieren könnte und vor dem volkswirtschaftlichen Bankrott stünde, aber so stark von den USA abhängig, dass es fast beliebig erpressbar ist.

Auf einer Pressekonferenz nach seinem Treffen mit Cameron sagte Obama am Mittwoch, er rechne nicht „mit plötzlichen, unmittelbaren Änderungen an den (Abzugs-) Plänen, die wir bereits haben“. Es bleibe bei dem grundsätzlichen Ziel, im nächsten Jahr zu einer hauptsächlich „unterstützenden“ Rolle der Besatzungstruppen „überzugehen“. Die Allianz bestehe aber auf einer über 2014 weit hinaus reichenden dauerhaften Rolle – beschönigend als „commitment“ (Verpflichtung) umschrieben - in Afghanistan. Das sei unbedingt erforderlich, damit das Land „niemals wieder Al-Qaida eine Zuflucht für Angriffe auf unsere Länder bieten kann“.

Während der Pressekonferenz wollte der US-Präsident eine Militärintervention in Syrien nicht ausschließen und räumte ein, dass Pläne dafür bereits ausgearbeitet sind. Eine solche Entscheidung müsse aber sehr sorgfältig durchdacht werden. Die Situation unterscheide sich stark von der in Libyen, wo alle Faktoren günstig für ein militärisches Eingreifen gewesen seien. Mit Bezug auf Syrien aber komme es derzeit hauptsächlich darauf an, die „internationale Gemeinschaft“, namentlich Russen und Chinesen, davon zu „überzeugen“, sich der Forderung nach dem Sturz des „Regimes“ anzuschließen. Zum Iran warf Obama die unheilschwangere, bildlich schiefe Formulierung in den Raum, das „Fenster“ für eine unkriegerische Lösung des Streits „schrumpfe“.

Indessen haben die USA den Unteroffizier, der am Sonntag (11. März) angeblich als Einzeltäter 16 Afghanen – darunter neun Kinder und drei Frauen – ermordet hatte, nach Kuwait ausgeflogen. Das Kabuler Parlament hatte verlangt, dass er in Afghanistan vor Gericht gestellt wird.

* Aus: junge Welt, 16. März 2012


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