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Über zwölf Millionen Menschen bedroht

Äthiopien steht vor einer neuen Hungerkatastrophe

Den folgenden Artikel über die drohende Hungerkatastrophe in Äthiopien, haben wir der jungen Welt vom 7. Junia 2003 entnommen. In den großen deutschsprachigen Zeitungen bliebt der Hilferuf des WFP (Welternährungsprogramm) weitgehend ungehört.


Von Ricardo Grassi, Rom

Auf Äthiopien kommt auch in diesem Jahr eine Hungerkatastrophe zu. Insgesamt 12,5 Millionen Menschen in dem dürregeplagten nordostafrikanischen Land brauchen Nahrungsmittelhilfe, aber die sogenannten Geber reagieren zögerlich bis gar nicht. In dieser Situation fordert das Welternährungsprogramm (WFP) nicht nur Hilfe, sondern auch ein Umdenken.

Äthiopien brauche mehr als die jährliche Anstrengung, um das Schlimmste abzuwenden, sagte Georgia Shaver, WFP-Direktorin in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba in dieser Woche. Nach 18 Monaten in ihrem Job appelliert sie an die internationale Gemeinschaft, die alljährlich wiederkehrende Hungerkrise als chronisch zu betrachten und entsprechend zu handeln. Es müsse endlich langfristig geplant werden, neue Ansätze seien nötig, so Shaver.

Ins Blickfeld rücken müßten Bereiche wie Bildung und Marktzugang sowie die Sanierung des maroden Straßennetzes, der desolaten Wasserversorgung, der Schutz der Wälder und die Erhöhung der Sicherheit. »Es ist sehr viel Hilfe nötig, und der Bedarf wird weiter zunehmen«, warnte die WFP-Direktorin. Leider aber sei die Debatte darüber, wie effiziente Äthiopien-Hilfe aussehen könne, noch nicht in Gang gekommen.

Die Alarmglocken läuten auch in der WFP-Zentrale in Rom. In einer Erklärung macht die größte humanitäre Hilfsorganisation der Welt neben den ungünstigen klimatischen Bedingungen eine unterentwickelte Landwirtschaft, ein schwaches Frühwarnsystem und die hohe Bevölkerungsdichte für die jährlichen Katastrophen verantwortlich. Am schlimmsten träfen diese stets den Süden des Landes, wo etwa ein Fünftel der 67 Millionen Äthiopier lebt.

Für dieses Jahr hat das WFP die »Geber« um Hilfe im Wert von 90 Millionen US-Dollar gebeten. Schätzungen zufolge sind 619 000 Tonnen Nahrungsmittelhilfe erforderlich, nicht mehr als 230 000 Tonnen aber sind bislang sicher. Bereits in den letzten Monaten habe Nahrungsmittelknappheit zu schweren Fällen von Unterernährung bei den schwächsten Gruppen der Bevölkerung geführt.

Die Menschen litten zusätzlich unter Mangel an sauberem Trinkwasser, unter dem Fehlen von Saatgut, unter schlechten sanitären Verhältnissen und einer fehlenden medizinischen Grundversorgung. Hinzu kämen die Dürre und in einigen Landesteilen Überschwemmungen, die Nahrungsmittelreserven zerstört hätten und Krankheiten nach sich zögen.

Wie der WFP-Exekutivdirektor James Morris auf dem Jahrestreffen des WFP-Vorstands vor einer Woche sagte, habe man die Hilfsrationen für Äthiopien bereits reduzieren müssen, von 15 auf 12,5 Kilogramm Lebensmittel pro Person im Monat. Leider sei auch für das neue Hilfsprogramm nur die etwa Hälfte des Bedarfs gesichert. »Ich versichere, daß für uns und unsere Partner Rationskürzungen das letzte Mittel sind. Noch einmal, Kürzungen gibt es nur dann, wenn die Geberstaaten die notwendige Hilfe nicht erbringen«, so Morris weiter. Dies versetze das WFP in eine sehr mißliche Lage, es gelte zu entscheiden, wer Hilfe bekomme und wer weiter hungern müsse.

Aus: jW, 6. Juni 2003


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