Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Der Alptraum von Malabo

Äquatorialguinea: Exzesse von Hooligans sind Ausdruck einer geschändeten Gesellschaft

Von Joaquín Mbomio Bacheng *

Die ghanaischen Fußballfans waren nach Äquatorialguinea gekommen, um bei der Afrikameisterschaft ein Fest zu feiern. Doch für die Anhänger der »Black Stars« hat sich der alle zwei Jahre stattfindende Wettbewerb, das größte Sportereignis des Kontinents, in einen Alptraum verwandelt – und das nicht durch die Finalniederlage gegen das Team aus Côte d'Ivoire. Viel dramatischer waren die Attacken während des Halbfinalspiels gegen die Gastgeber. An jenem Donnerstag abend vor einer Woche wurden die Ghanaer im Stadion der Hauptstadt Malabo mit Steinen und Flaschen beworfen, etliche davon mit Urin gefüllt. Als ihre Mannschaft knapp zehn Minuten vor Spielende mit 3:0 vorn lag, unterbrach der Schiedsrichter die Partie. Die Fans wurden aus dem Stadion geführt und dort verprügelt.

Aber was hatte man erwartet von einem Land, das nichts anderes kennt als die Diktatur? Die Äquatorialguineer leben täglich mit der Gewalt, die ihnen vom Clan der Nguemas aufgezwungen wird, seit das Land am 12. Oktober 1968 seine Unabhängigkeit von Spanien erlangte. Der erste Herrscher der Familiendynastie war Francisco Macias Nguema. Von 1968 bis 1979 regierte er mit Hilfe seines Neffen, des damaligen Armeechefs und jetzigen Staatsoberhaupts Teodoro Obiang Nguema. Letzterer entledigte sich seines Onkels am 3. August 1979 durch einen Putsch. Macias Nguema, der Zehntausende Menschen hatte umbringen lassen, wurde 101mal zum Tode verurteilt und am 29. September desselben Jahres hingerichtet.

Obiang Nguema versprach damals, dass das Militär die Macht binnen drei Monaten an eine zivile Regierung übergeben würde. Seitdem sind mehr als 35 Jahre vergangen. Obiang hat seine Herrschaftsposition nicht nur behalten, sondern zum Profit der eigenen Familie ausgebaut. Einen nach dem anderen eliminierte er die Offiziere, die ihn bei seinem Staatsstreich unterstützt hatten. Im ganzen Land hat er eine Atmosphäre der Angst geschaffen. Es regiert das Recht des Stärkeren. Die Exzesse der Hooligans im Stadion von Malabo sind Ausdruck des Zustands einer ganzen Gesellschaft, vergewaltigt, jeden Tag, durch den Clan an der Macht.

Alle wichtigen Posten hat Obiang mit Mitgliedern seiner Familie besetzt. Das sind in der Mehrzahl Leute, die unfähig sind und, um sich durchzusetzen, über nichts weiter verfügen als unlautere Mittel. Am bekanntesten ist sein Sohn Nguema Obiang Lima. Erst kürzlich machte der wieder von sich reden, als er vom Hafen von Malabo aus in zwei Containern Geld nach São Tomé und Príncipe verschiffen lassen wollte. Die Devisen gehörten seiner Mutter, der »zweiten Lady«, wie sie in offiziellen Pressemitteilungen genannt wird.

Teodoro Obiang Nguema ist nicht bereit, seine Macht aufzugeben. Er ist dazu auch nicht gezwungen, denn er gefällt dem Westen, insbesondere Frankreich, Israel und den USA. Wäre Obiang ein Idealist, der sein Land liebt, dann würde man ihn sehr schnell eliminieren oder kaltstellen, so wie man es mit Patrice Lumumba in der Republik Kongo getan hat, mit Thomas Sankara in Burkina Faso und zuletzt mit Laurent Gbagbo in Côte d'Ivoire. Obiang dagegen ist der perfekte »Neger« an der Macht. Vor allem aus rassistischen Gründen liebt man Diktatoren wie ihn. Liefern derart korrupte Regime wie das seine nicht die perfekte Illustration dafür, dass Schwarze nicht in der Lage sind, ihre eigenen Länder zu führen und ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen? Was anderes soll man sagen von Mobutu Sese Seko in Zaire, Paul Biya in Kamerun oder Denis Sassou Nguesso in Kongo-Brazzaville?

Natürlich hat die Zuneigung zu den Diktatoren ökonomische Gründe. Demokratien sind teuer. Wer eine Fabrik in Ghana errichten will, die die Umwelt vergiftet, wird es mit den Einwohnern zu tun bekommen. Genauso ist es im Senegal. Aber in Äquatorialguinea braucht man nur mit einem Mitglied des herrschenden Clans zu verhandeln, und das Geschäft ist perfekt. Natürlich muss man dabei einen Abstecher in die Schweiz machen, um dort auf einer Bank ein kleines Trinkgeld zu deponieren. Afrika ist einfach zu reich, als dass man es sich selbst überlassen dürfte. Man braucht starke Männer, die die westlichen Interessen wahren. Das ist der Grund, warum Machthaber wie Obiang nach wie vor unantastbar sind. Israel hat gerade im Moka-Tal die alte Beobachtungsstelle übernommen, die Obiang einst dem südafrikanischen Apartheidsregime zur Verfügung gestellt hatte. Die Auftragskiller geben sich die Klinke in die Hand, um die Diktatur der Nguemas zu festigen. In Äquatorialguinea sind die Hooligans auf der Tribüne. Die Tyrannei ist an der Macht.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 11. Februar 2015


Zurück zur Äquatorialguinea-Seite

Zurück zur Homepage