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Al-Sisi macht Steinmeier den Hof

Deutscher Außenminister zu Gesprächen in Ägypten. Kritische Fragen ausgespart

Von Sofian Philip Naceur, Kairo *

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ist am Sonntag zu politischen Gesprächen nach Kairo gereist. Dort traf er sich mit seinem Amtskollegen Samih Schukri und dem ägyptischen Staatspräsidenten Abdel Fattah Al-Sisi. Im Vorfeld des zweitägigen Besuches erklärte Steinmeier, er wolle sich »ein Bild davon machen, wo Ägypten heute in dem Transformationsprozess steht, den es 2011 eingeschlagen hat«. Außerdem wolle er in Erfahrung bringen, »welche Vorstellungen die Regierung von Präsident Al-Sisi hat, wie das Land nach Jahren scharfer politischer Auseinandersetzungen zu Versöhnung und Stabilität finden kann«. Neben bilateralen Fragen ging es bei den Gesprächen auch um regionale Konflikte wie den Krieg in Syrien und Irak und die anhaltende Krise in Libyen.

Zu Beginn seiner Visite traf sich Steinmeier mit Vertretern der im Land agierenden deutschen Stiftungen. Das Thema beherrscht seit Jahren die deutsch-ägyptischen Konsultationen. Im Dezember 2011 war die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung von der Militärregierung geschlossen worden. Die Verurteilung mehrerer Mitarbeiter im Juni 2013 zu mehrjährigen Haftstrafen wurde von Berlin harsch kritisiert. Aufgrund der unsicheren Rechtslage sah die Linkspartei-nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung letztlich davon ab, ein Büro in Kairo zu eröffnen, und wich nach Tunesien aus.

Steinmeier betonte, ein wichtiger Punkt der Gespräche sei die »terroristische Bedrohung«, mit der das Land auf der Sinai-Halbinsel und an seiner Grenze zu Libyen konfrontiert sei. »Mit militärischen und polizeilichen Mitteln allein wird der Terror nicht zu besiegen sein. Unsere Antwort muss auch eine politische sein«, sagte Steinmeier der ägyptischen Zeitung Al-Masry Al-Youm.

Steinmeiers Visite dürfte auch der Vorbereitung des für Anfang Juni geplanten Besuchs Al-Sisis in Berlin dienen. War eine Einladung des autokratisch regierenden Staatschefs zu Beginn noch an Bedingungen geknüpft, setzt die Bundesregierung nun offenbar auf einen pragmatischen Umgang mit Kairo und spart kritische Fragen aus. Denn weder gibt es eine Lösung im Streit um die politischen Stiftungen, noch existiert am Nil ein gewähltes Parlament. Auch wurden die für März dieses Jahres geplanten Parlamentswahlen erneut verschoben.

Al-Sisi regiert im Alleingang und verabschiedet Gesetze ausschließlich mittels Präsidialdekreten. Während die Bundesregierung weiterhin betont, sie übe Druck auf das Regime in Ägypten aus, die Menschenrechte zu achten, bauen deutsche Unternehmen ihre wirtschaftlichen Aktivitäten im Land aus.

Erst im April bestätigte die Bundesregierung erste Details eines geplanten Polizeiabkommens mit Ägypten. Das Bundeskriminalamt habe mit der Ausbildung von Mitarbeitern ägyptischer Sicherheitsbehörden begonnen, obwohl Menschenrechtsstandards auch weiterhin konsequent ignoriert werden.

Al-Sisi versucht, den Steinmeier-Besuch zu nutzen, um die Beziehungen nach Europa zu festigen. Erst Ende April reiste er zu Gesprächen nach Griechenland. Auch signierte er in der vergangenen Woche während eines Besuches in Madrid ein Sicherheitsabkommen mit Spanien. Dabei ging es insbesondere um die Verbrechensbekämpfung und Fragen der regionalen Sicherheit. Europäische Regierungen sind derzeit äußerst empfänglich für derlei Abkommen. Die EU ist aufgrund der instabilen Lage in Libyen auf die Kooperation mit Kairo im Kampf gegen die »illegale Migration« angewiesen, will sie an ihrer restriktiven Abschottungspolitik festhalten. Die Regierung Al-Sisis nutzt die Kooperationen, um die eigene Macht zu festigen und weite Teile der Gesellschaft aus dem politischen Leben zu verbannen.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 5. Mai 2015


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