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Al-Sisi gegen Sabahi

Ägypten vor der Präsidentschaftswahl: Kandidatenkür läuft

Von Sofian Philip Naceur, Kairo *

Ägypten bereitet sich auf die im April anstehende Präsidentschaftswahl vor. Besonders das de facto in Kairo regierende Militär braucht einen zivilen Staatschef als neue demokratische Fassade. Kaum jemand im Land bezweifelt, daß der derzeitige Verteidigungsminister, Vizepremier und Armeechef Adel Fattah Al-Sisi antreten und die Wahl für sich entscheiden wird. Bisher jedoch hat er seine Kandidatur nicht offiziell bekanntgegeben. Sollte er sich zur Verfügung stellen, muß er die Uniform ausziehen und von seinem Posten als Armeechef zurücktreten. Mehrere Parteien, Politiker und Jugendgruppen haben bereits angekündigt, seine Kandidatur unterstützen zu wollen. Eine offizielle Erklärung Al-Sisis wird für Ende Februar erwartet. Schon im Januar hatte der Oberste Militärrat, das höchste Gremium von Ägyptens Armee und faktisch eine Art Schattenregierung, grünes Licht für dessen Bewerbung gegeben.

In der vergangenen Woche besuchte Sisi zusammen mit Außenminister Nabil Fahmi Rußland und ließ sich dort erstmals in ziviler Kleidung öffentlich ablichten. Zweck der Reise war die Unterzeichnung eines umfangreichen Waffendeals mit Moskau. Seit die USA im Sommer 2013 aufgrund der gewaltsamen Räumung der Protestcamps der Muslimbrüder in Kairo und Giseh ihre Militärhilfe von rund 1,3 Millarden US-Dollar jährlich eingefroren haben, streckt Ägypten seine Fühler verstärkt nach Osten aus. Die Annäherung an Moskau steht zugleich symbolisch für Al-Sisis Bemühungen, sich ideologisch in die Nähe des noch heute populären Expräsidenten Gamal Abdel Nasser zu rücken. Dieser hatte zusammen mit den »Freien Offizieren« 1952 die Monarchie gestürzt, 1954 selbst das Präsidentenamt übernommen und einen panarabischen Nationalismus staatssozialistischer Prägung propagiert. Seit seiner Amtszeit ist Ägyptens Armee aus dem politischen Machtzentrum am Nil nicht mehr wegzudenken. Während Nasser seine nationalistische Rhetorik mit sozialistischen Ansätzen koppelte – er verstaatlichte den Suezkanal und wichtige Industriezweige und versuchte, mit der Landreform die Armut in den Griff zu bekommen –, fehlt diese Seite bei Al-Sisi bisher. Er setzt bislang ausschließlich auf Nationalismus und die Glorifizierung der Armee. Bisher hat er sich in keinerlei Weise konkret dazu geäußert, wie die sozialen und wirtschaftlichen Probleme am Nil gelöst werden können. Deshalb ist die Verzögerung seiner offiziellen Kandidatur taktischer Natur: so debattiert das Land lediglich darüber, ob er antreten wird oder nicht. Eine kritische Auseinandersetzung mit seinem politischen Programmfindet nicht statt.

Der einzig ernstzunehmende Konkurrent Al-Sisis ist Hamdin Sabahi, Gründer und früherer Chef der nasseristischen »Partei der Würde«. Sabahi hatte bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl 2012 nur knapp die Stichwahl verpaßt und war hinter Ahmed Schafik und Mohammed Mursi auf dem dritten Platz gelandet. Doch der bevorstehende Wettlauf zwischen Sabahi und Al-Sisi sorgt bereits für Auseinandersetzungen unter anderen politischen Kräften. Die Tamarud-Kampagne, die im Frühjahr 2013 mit einer Unterschriftensammlung für den Rücktritt des damaligen Präsidenten Mursi dessen Sturz durch die Armee eingeleitet hatte, schloß Anfang vergangener Woche ihre Führungsmitglieder Mohammed Abdel Asis und Hassan Schahin aus der Organisation aus, nachdem sie offiziell ihre Unterstützung für Sabahi angekündigt hatten. Auf einer Pressekonferenz am vergangenen Dienstag gab Tamarud-Anführer Mahmud Badr bekannt, eine Partei gründen zu wollen. Dadurch könnte sich der Pro-Sisi-Flügel als militärnahe Partei etablieren und den uniformierten Machthabern helfen, die urbane Jugend der Ober- und Mittelschicht zu mobilisieren.

* Aus: junge Welt, Montag, 17. Februar 2014


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