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Aus für Politfirma Mubarak & Söhne

Ägypten: Trio kam in Untersuchungshaft / Militär räumte erneut Tahrir-Platz in Kairo

Von Juliane Schumacher, Kairo *

Mit der Verhaftung von Husni Mubarak und seinen Söhne kam die ägyptische Staatsanwaltschaft einer Forderung der Reformbewegung nach, zugleich räumte die Militärregierung erneut den zentralen Tahrir-Platz und verhaftete zahlreiche Protestierende.

Der seit dem Sturz von Husni Mubarak regierende ägyptische Militärrat hört zuweilen auf die Bevölkerung: An den vergangenen beiden Freitagen (1. und 8. April) hatten in Kairo, aber auch anderen Städten wie Suez und Alexandria bis zu zwei Millionen Menschen die Bestrafung der Köpfe des alten Regimes gefordert – insbesondere Husni Mubaraks und seiner Söhne. Am Mittwochmorgen (13. April) war es so weit: Der 82-Jährige und seine Söhne Alaa und Gamal wurden in Untersuchungshaft genommen worden – zunächst für 15 Tage.

Während die Söhne in ein Gefängnis der Hauptstadt Kairo gebracht wurden, fand die weitere Befragung Mubaraks wegen dessen gesundheitlicher Probleme im Krankenhaus statt. Vor der Klinik forderten rund 2000 Menschen harte Strafen für den Ex-Staatschef. Husni Mubarak hatte sich nach seinem Rücktritt in sein Haus im Badeort Scharm el Scheik zurückgezogen. Dies hinderte ihn nicht daran, am Sonntag eine Audiobotschaft zu verbreiten, in der er alle Vorwürfe gegen sich zurückwies und ankündigte, er wolle seine restliche Amtszeit fortsetzen.

Die Botschaft sorgte für Verwirrung – und für Ärger, da sie suggerierte, Mubarak fühle sich durch seine Verbindungen zum Militär geschützt. Dem Militär blieb, so vermuten Analysten, kein anderer Weg als zu zeigen, dass sie nicht mehr hinter dem unbeliebten Politiker stehen.

Den drei Mubaraks wirft die Staatsanwaltschaft vor, sich auf illegalem Weg bereichert sowie Polizei und Schlägertrupps angewiesen zu haben, Demonstranten während der Revolution anzugreifen und zu töten. Offizielle Quellen sprechen von rund 300 Toten, Menschenrechtsgruppen gehen von mindestens 800 aus.

Die Verhaftungen wurden in Ägypten weitgehend positiv aufgenommen. In Teilen von Kairo feierten Menschen auf den Straßen, vor dem staatlichen TV-Gebäude versammelten sich jedoch am Mittwoch auch Menschen, die gegen die Verhaftung protestierten.

Die enormen Vermögen, die Mubarak, seine Familie und sein Kabinett angehäuft hatten, haben seinem Ansehen schwer geschadet. Gamal Mubarak, Investmentbanker, gilt zudem als verantwortlich für den Ausverkauf öffentlicher Güter, die die Kluft zwischen Arm und Reich im Land enorm verschärft haben. »Die Verhaftung ist ein großer Sieg für das ägyptische Volk«, sagte Khaled Mahmoud, Mitglied der Jugendkoalition »Revolution des 25. Januar« gegenüber Journalisten. Ali Hassan, Student, meinte, dieser Schritt werde das Vertrauen der Bevölkerung ins herrschende Militär und Ägyptens Justiz stärken.

Genau das sehen andere Ägypter als Problem: »Das war ein taktisch kluger Schritt der Militärregierung«, erklärt Hussein Khudra, Student und Aktivist. »Mit der Verhaftung Mubaraks ist eine der Hauptforderungen der Proteste vorläufig erfüllt und die Bevölkerung beruhigt. Die meisten Menschen sehen nicht, dass wir gerade ganz andere Probleme haben und die alte Diktatur vom Militär nahtlos fortgesetzt wird.«

Das Militär geht derweil hart gegen jede Form von Kritik und Protest vor. Während die Meldungen über Mubaraks Festnahme die Menschen auf den Straßen feiern ließen, räumte die Armee mit Baggern die Barrikaden, vertrieb die Protestierenden vom Tahrir-Platz und nahm mindestens acht Personen fest.

* Aus: Neues Deutschland, 14. April 2011


Kairoer Zündstoff

Von Olaf Standke **

Am Sonntag hatte sich Ägyptens Ex-Präsident Husni Mubarak erstmals seit seinem Sturz vor zwei Monaten zu Wort gemeldet und über »ungerechte Kampagnen« gegen seine Familie geklagt. Gestern wurde er in Untersuchungshaft genommen, so wie seine beiden Söhne. Gegen sie wird nun wegen Korruption und Machtmissbrauchs ermittelt, was auch die Verantwortung für getötete Demonstranten in den Tagen des Aufruhrs einschließt. Damit wurde eine wesentliche Forderung der Abertausenden Ägypter erfüllt, die am Wochenende erneut den Tahrir-Platz in Kairo besetzt hatten. Nach den ersten freien und fairen Wahlen beim Verfassungsreferendum wäre die schonungslose, auch justistische Aufarbeitung der 30-jährigen Mubarak-Herrschaft fraglos ein weiterer wichtiger Schritt der Demokratisierung des Landes. Aber wie weit wird er gehen? Erfasst er beispielsweise auch die Zusammenarbeit mit Weltbank, IWF und USA-Entwicklungsbehörde beim Ausverkauf lukrativer Staatsbetriebe weit unter Wert? Diese unsoziale Privatisierungspolitik war Zündstoff für den Volksaufstand. Oder was ist mit dem Militär? »Volk und Armee Hand in Hand«, war einer der Slogans der Revolution. Doch inzwischen werfen viele Ägypter dieser Armee vor, sie sorge weder für Sicherheit, noch distanziere sie sich wirklich von den undemokratischen Praktiken des Mubarak-Regimes, dessen Teil sie war. Die Mühen der Ebene beim Wandel im Nilland haben gerade erst begonnen.

** Aus: Neues Deutschland, 14. April 2011 (Kommentar)


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