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Nachbarliches Säbelrasseln

Angespannte Beziehungen zwischen Israel und Ägypten nach Kairos Erdgas-Exportstopp

Von Adam Morrow/Khaled Moussa Al-Omrani, Kairo (IPS) *

Kairos abrupter Lieferstopp für ägyptisches Erdgas an Israel hat die Beziehungen zwischen beiden Ländern weiter belastet. Während Israel seine militärische Präsenz an der Grenze zum ägyptischen Sinai verstärkt, warnte der ägyptische Militärratschef, Feldmarschall Hussein Tantawi: »Wir werden jedem die Knochen brechen, der unsere Grenzen verletzt.«

»Wie es aussieht, hat Israel in den vergangenen Tagen damit begonnen, Truppen an die Südgrenzen des Landes zu verlegen«, berichtete der Analyst Tarek Fahmi, Leiter der Israel-Abteilung des »National Centre for Middle East Studies« in Kairo.

Mit der offiziellen Begründung, Israel habe seine Rechnungen nicht rechtzeitig bezahlt, hatte Ägypten am 22. April das Abkommen über Erdgaslieferungen an Israel einseitig aufgekündigt. Diese Entscheidung habe ausschließlich wirtschaftliche und keine politischen Gründe, versicherte man in Kairo. Seit fünf Jahren konnte Israel mit den Erdgaslieferungen aus dem Norden des Sinai 40 Prozent seines Strombedarfs decken.

Das israelische Finanzministerium sprach von einem gefährlichen Präzedenzfall, der das 1979 unterzeichnete ägyptisch-israelische Friedensabkommen von Camp David überschatte. Dagegen sieht der ägyptische Energieexperte Ibrahim Zahran sein Land im Recht. »Israel ist mit fälligen Rechnungen von gut 100 Millionen US-Dollar im Rückstand«, sagte er gegenüber IPS. »Damit ist der Vertrag hinfällig, in dem es unmißverständlich heißt, beide Seiten müßten ihre Verpflichtungen erfüllen.«

Ägypten liefert seit 2008 Erdgas nach Israel. Drei Jahre zuvor hatten sich die beiden Nachbarländer vertraglich darauf geeinigt, daß das ägypitsch-israelische Joint Venture »East Mediterranean Gas« (EMG) ägyptisches Erdgas an israelische Käufer, auch an Israels staatliche Elektrizitätsgesellschaft, liefert.

In der ägyptischen Öffentlichkeit war der Deal von Anfang an höchst unpopulär. Kritiker wandten ein, trotz des chronischen Energiemangels im Land beliefere Ägypten Israel mit Erdgas weit unter Weltmarktpreisen. Zudem unterstütze Kairo damit indirekt Israels fortdauernde Besetzung der Palästinensergebiete.

Amr Moussa, einer der Kandidaten der für die am 23./24. Mai anstehenden ersten Präsidentschaftswahlen der Post-Mubarak-Ära, sagte: »Angesichts der inzwischen vorliegenden Informationen über die Korruption im Zusammenhang mit dem Vertragsabschluß war die Entscheidung nicht überraschend.«

Dennoch sieht der ägyptische Analyst Fahmi weniger wirtschaftliche als politische und strategische Gründe für den Lieferstopp. »Eine solche weitreichende Entscheidung konnte nicht ohne die Zustimmung des regierenden ägyptischen Militärrats getroffen werden«, meinte er. Sollten sich die bilateralen Beziehungen weiter verschlechtern, dann sei auch eine militärische Eskalation nicht ausgeschlossen, warnte Fahmi.

Wenige Tage vor dem Lieferstopp hatte Israels hebräischsprachige Presse den israelischen Außenminister Avigdor Lieberman zitiert, der davon sprach, Ägypten sei eine größere Bedrohung als der Iran. »Wir müssen auf alle Möglichkeiten vorbereitet sein«, meinte der Falke im Kabinett und verlangte die Verlagerung weiterer Divisionen an Israels Südgrenze. Unterdessen veranstaltete die zweite ägyptische Armee Manöver auf der Sinai-Halbinsel und setzte dabei erstmals seit dem Friedensvertrag von 1979 scharfe Munition ein.

* Aus: junge Welt, Samstag, 12. Mai 2012


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