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Ägypten rätselt über Täterschaft

Nach dem Attentat auf den Touristenbasar schwirren Gerüchte und Spekulationen

Von Jürgen Cain Külbel *

Nach dem Terroranschlag auf westliche Touristen in Kairo mit einer Toten und 25 Verletzten kursieren in Ägypten Verschwörungstheorien und wilde Gerüchte über die potenziellen Täter. Ein Bekennerschreiben gibt es bisher nicht. Ägyptens Innenministerium tappt noch weitestgehend im Dunkeln. Sowohl was die Täter als die auch Ausführung des Attentats von Sonntagabend betrifft, gibt es mehr Fragen als Antworten.

Am Sonntagabend (22. Feb.), exakt 18.30 Uhr Ortszeit, erzitterte Kairos Touristenattraktion Khan-al-Khalili, der größte Basar des Landes, im Herzen des islamischen Teils der Hauptstadt gelegen, unter einer wuchtigen Bombenexplosion. Der Sprengsatz, der vor einem Café explodierte, tötete eine 17-jährige Französin und verletzte 25 Passanten, darunter Franzosen, Ägypter, Saudi-Araber, Deutsche. »Es war ein Sprengkörper, vielleicht eine Handgranate«, erklärte ein Polizist dem arabischen Fernsehsender »Al Dschasira«, »ein rudimentärer Sprengsatz«, selbst gebastelt, gefüllt mit Schwarzpulver und Nägeln.

Augenzeugen behaupten Widersprüchliches: Die Bombe sei in einer schwarzen Plastiktüte aus einem Fenster im vierten Stockwerk einer Pension geworfen worden. Andere wiederum wollen gesehen haben, dass mindestens eine Bombe explodierte, nachdem sie von einem Motorrad aus geworfen worden sei. Tatsächlich wurde in der Umgebung noch eine zweite Bombe entdeckt, die von Spezialkräften entfernt und später entschärft wurde.

Die »offizielle Version« hingegen gab Amin Rady vor, Mitglied des nationalen Sicherheitskomitees des ägyptischen Parlaments: Die »primitive« Bombe sei unter einer Steinbank versteckt gewesen. Zeugen, die darauf saßen, wollen sich an zwei voll verschleierte Frauen und einen langbärtigen jungen Mann erinnern. Ägyptens Innenministerium hält sich bedeckt: »Drei Leute wurden nach dem Anschlag als Verdächtige verhaftet. Andere werden als Zeugen vernommen.«

In der Vergangenheit hatten die Islamistengruppe Dschamaa Islamija und die Gruppe Tawhid al- Dschihad folgenschwere Anschläge in Ägypten verübt. Da es bislang keine Bekenner gibt, ermittelt die Polizei »in alle Richtungen«, wie ein Sprecher des Innenministeriums bekannte. Montasser al- Zayat, ein Anwalt, der islamische Extremisten verteidigt, sagte gegenüber »Al Dschasira«, das sehe aus »wie die Tat von jungen, unerfahrenen Laien, deren Emotionen sich an den Ereignissen im Gaza-Streifen entflammten.« Andere Experten sahen gar »iranische Agenten« am Werk oder al Qaida, wie Samer Shehata, Experte für Arabische Politik an der Georgetown Universität in den USA: »Es hätten Ägypter sein können oder eine Gruppe, die Mitglied von al Qaida ist oder mit dem internationalen Terrornetzwerk sympathisiert.«

Nein, »der Anschlag war hausgemachter Terrorismus, möglicherweise sogar ein Überrest der Attacken von 2005«, hält Diaa Raschwan vom ägyptischen Al-Ahram-Zentrum für strategische Studien entgegen. Tatsächlich ereignete sich das Attentat nur 300 Meter entfernt von jenem Ort, an dem im April 2005 der 18-jährige Selbstmordbomber Hassan Ba-schandi einen US-amerikanischen und zwei französische Touristen mit in den Tod gerissen hatte.

Beobachter halten es für möglich, dass zwischen dem Anschlag von damals und dem vom Sonntag nicht nur eine »ideologische Verbindung« besteht, sondern dass die Täter des Sonntag-Anschlags jenen Baschandi sogar kannten. Khalil Alamany, ein anderer Mitarbeiter vom Al-Ahram-Zentrum wiederum glaubt, es sei unwahrscheinlich, dass eine größere Organisation hinter dem Anschlag stecke: »Eher war es nur eine kleine Zahl von Leuten, die versucht haben, das ägyptische Regime durch Zerschlagen einer Haupteinnahmequelle zu bestrafen.«

Jedenfalls wurde das Attentat auch in Ägypten scharf verurteilt. Die Urheber des Verbrechens seien »Verräter an ihrer Religion und ihrem Land«, sagte nach Angaben der Nachrichtenagentur Mena Scheich Mohammed Sajjed al-Tantawi, ranghöchster religiöser Führer der Sunniten.

* Aus: Neues Deutschland, 25. Februar 2009


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