amnesty international legt Jahresbericht 2001 vor
Globalisierungsfolgen entheben Staaten nicht ihrer Verantwortung für die Menschenrechte - Pressemitteilung
Berlin 30. Mai 2001.
amnesty international (ai) dokumentiert in ihrem Jahresbericht
Menschenrechtsverletzungen in 149 Staaten. Der Bericht belegt extralegale Hinrichtungen in 61 Staaten, legale
Hinrichtungen in 28 Staaten, gewaltlose politische Gefangene in 63 Staaten, Folter und Misshandlungen in 125
Staaten und Fälle von "Verschwindenlassen" in 30 Staaten. ai ist davon überzeugt, dass die tatsächlichen
Zahlen in allen aufgezählten Menschenrechtsverletzungen weit höher liegen.
"Regierungen haben ihre Menschenrechtsrhetorik verbessert, aber nur wenige haben Menschenrechtsschutz in
der Realität umgesetzt", erklärt Barbara Lochbihler, Generalsekretärin der deutschen Sektion.
Der Bericht erscheint in der Woche des 40. Geburtstages von amnesty international. Dies nimmt die
Organisation zum Anlass zu analysieren, wie sich Menschenrechtsverletzungen seit ihrer Gründung verändert
haben. Täter sind heute nicht mehr ausschließlich Staatsbedienstete und Regierungsangestellte. Täter sind auch
Familienmitglieder, Gemeindemitglieder oder Arbeitgeber. Menschenrechte werden täglich von bewaffneten
Oppositionsgruppen und paramilitärischen Einheiten verletzt. Dies geschieht im Kontext des wachsenden
Einflusses der globalen ökonomischen Institutionen und wird begleitet von wirtschaftlicher Unbeständigkeit.
Dazu Barbara Lochbihler: "Globalisierung – die Ausbreitung der freien Marktwirtschaft und technischer
Veränderungen – hat zu einem enormen ökonomischen Wachstum geführt, aber dies wird begleitet von
Verschuldung, Armut und zunehmenden, polarisierenden Ungleichheiten. Die berechenbare Folge der
wachsenden Armut ist die parallele Zunahme von Verletzungen aller Menschenrechte."
Viele Staaten verstecken sich hinter dem internationalen Zwang, eine Wirtschaftspolitik übernehmen zu müssen,
die soziale, ökonomische und kulturelle Rechte aushöhlt. Diese Behauptung verdeckt, dass Regierungen ihre
Bevölkerung gegen Missbrauch durch multinationale Konzerne oder gegen den Druck internationaler
Finanzinstitutionen verteidigen können.
"Es gibt viel, was Regierungen tun können und sollten: Sie können sicherstellen, dass Arbeitnehmer vor den
schlimmsten Formen von Ausbeutungen geschützt sind; sie können Straflosigkeit, die
Menschenrechtsverletzungen wahrscheinlicher macht, bekämpfen; sie können aufhören,
Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger zu attackieren. Ökonomische Unsicherheit heizt
innere Konflikte an, die der Nationalstaat oft nicht in der Lage ist zu lösen oder einzudämmen. Aber das heißt
nicht, dass ökonomische Instabilität eine Entschuldigung sein kann dafür, dass Staaten sich ihrer Verantwortung
entziehen", stellt Barbara Lochbihler fest.
Die menschenrechtlichen Herausforderungen, die die Globalisierung mit sich bringt, haben amnesty international
angeregt, wirtschaftliche Akteure wie multinationale Konzerne mit ihrer Verantwortung zu konfrontieren. Auch sie
müssen sich für die Einhaltung der Menschenrechte engagieren – besonders die Konzerne, die in Staaten aktiv
sind, die für massive Menschenrechtsverletzungen bekannt sind.
Im vergangenen Jahr hat amnesty international intensive Lobbyarbeit betrieben, um die internationalen
Diamantenhersteller und -handelsgesellschaften dazu zu bringen, ein Kontrollsystem zu etablieren welches
verhindert, dass Diamanten aus Sierra Leone auf den internationalen Markt kommen. Die Organisation rief auch
Ölkonzerne, die im Sudan tätig sind, öffentlich dazu auf, die Frage der Menschenrechte mit den sudanesischen
Behörden zu diskutieren und sicherzustellen, dass die Menschenrechte im Bereich ihrer
Handlungsmöglichkeiten geschützt werden.
Im Jahr 2000 startete amnesty international ihre dritte Kampagne "Für eine Welt frei von Folter". In einem Bericht
stützt sich ai auf Erkenntnisse über Folterungen und Misshandlungen in mehr als 150 Ländern. Der Kampf gegen
die Folter und der Einsatz zugunsten von Folteropfern war von Beginn an eine der zentralen Aufgaben von
amnesty international. Nach wie vor wird Folter als Mittel der politischen Repression eingesetzt. Zudem gehören
heute oft Angehörige mittelloser und an den Rand gedrängter Bevölkerungsgruppen zu den Opfern von Folter,
z.B. Straftatverdächtige. Die Diskriminierung, die Menschen am Rande der Gesellschaft in allen Teilen der Welt
erfahren, trägt dazu bei, dass an ihnen verübte Folterungen und Misshandlungen meist ungeahndet bleiben.
Ausgehend von potentiellen Konflikten zwischen Profitstreben und Menschenrechtsschutz hat sich amnesty
international an die internationalen Finanzinstitutionen, wie die Weltbank, gewandt, die enormen Einfluss auf
nationale Politik haben. amnesty international wird sich für eine Veränderung der Arbeit der Weltbank einsetzen
und aufmerksam beobachten, wie Menschenrechtsschutz konkret umgesetzt wird.
"Auch wenn die Kräfte gegen die Verwirklichung der Menschenrechte enorm sind, so ist doch die Empörung über
Ungerechtigkeit, die zur Gründung von amnesty international vor 40 Jahren führte, immer noch in der Lage,
Millionen von Menschen zu mobilisieren. Utopien sind vielleicht nicht erreichbar, aber positive Veränderungen
sind es ganz gewiss", so Barbara Lochbihler.
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