Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Ostermarsch-Vorbereitungen

Überall im Land werden Ostermärsche vorbereitet. Aus den bisher vorliegenden Aufrufen bzw, Entwürfen dazu geht hervor, dass sich die Ostermärsche mit den Folgen des Jugoslawienkrieges auseinandersetzen. Hilfe für das zerstörte Land wird genauso thematisiert wie die nochmalige politisch Verurteilung dieses völkerrechtswidrigen Krieges. Die besondere Verantwortung der Bundesrepublik besteht nicht nur in ihrer aktiven Beteiligung am Krieg, sondern auch darin, dass die Bundesregierung bisher zu erkennen gegeben hat, dass sie auf den Weg der "humanitären Intervention" weitergehen will. Hierzu dienen der weitere Aufbau von Krisenreaktionskräften (KRK) und die Vollendung des Aufbaus des Kommandos Spezialkräfte (KSK) sowie die Umsetzung weiterer Rüstungsbeschaffungsmaßnahmen der Bundeswehr. Hierzu dient auch die Militarisierung der EU (Aufbau europäischer Krisenreaktionsverbände). Ein weiterer Schwerpunkt der Ostermarsch-Aufrufe bildet der Protest gegen die geplanten Rüstungslieferungen an die Türkei. Die bisherigen Erfahrungen mit der Unterschriftenkampagne gegen den Panzerexport sind sehr ermutigend: Die Friedensbewegung tut gut daran, dieses Thema in den nächsten Wochen und Monaten weiter im Auge zu behalten und dazu lokale Kampagnen zu initiieren.

Ostermarschaktivitäten (Vorbereitungen und Durchführung, Aufrufe und Ergebnisse) melden an das zentrale Ostermarschbüro im Frankfurter Gewerkschaftshaus. Tel. 069/24249950; FAX 069/24249951)
Das Telefon ist auch während der Ostertage besetzt!


Nachfolgend dokumentieren wir den Ostermarsch-Aufruf Ruhr und Rheinland sowie den Entwurf zum Ostermarsch Nürnberg.
Außerdem auf einer eigenen Seite den Ostermarsch-Aufruf Hamburg

Und schließlich den traditionell kürzesten aller Aufrufe: Ostermarschaufruf aus Kassel
sowie - ebenfalls aus Kassel - einen etwas anderen Ostermarsch-"Aufruf":
"Man könnte mal reden..."

Aufruf Ostermarsch Rheinland und Ruhr 2000

Eine Welt ohne Krieg, ohne Waffen wollen wir

Ostern 1999. Zum dritten Mal in diesem Jahrhundert führt Deutschland, diesmal als NATO-Land, Krieg gegen Jugoslawien, das seinerseits noch nie Deutschland auch nur bedroht hat.

Erstmals nach dem zweiten Weltkrieg, nach dessen Ende "Nie wieder Krieg" kollektives Gelöbnis der Deutschen war, dem niemand widersprechen mochte, hat Deutschland sich direkt an einem Angriffskrieg beteiligt. Dies ist vielfältiger Rechtsbruch und ein Einschnitt von ungeheurer Tragweite. Der Einsatz der Bundeswehr außerhalb des NATO-Gebiets zum Angriff auf Jugoslawien ist nicht durch den NATO-Vertrag gedeckt und verletzt eindeutig das Grundgesetz, den der deutschen Vereinigung zu Grunde liegenden "Zwei-plus-Vier-Vertrag" und die Charta der Vereinten Nationen. Der Rückgriff auf das "Recht des Stärkeren" markiert, zumal in der psychologischen Wirkung, einen erschreckenden Rückschritt.

Das Zerbomben der Städte und der Infrastruktur Jugoslawiens war Terror. Leidtragende war, sollte sein und ist die Zivilbevölkerung. Und das so gesetzte Beispiel hat alsbald schlimme Schule gemacht: Die russischen Angriffe auf Wohnhäuser, Dörfer, Raffinerien und sonstige Infrastruktur Tschetscheniens brauchten sich nur an das Drehbuch der NATO zu halten.

Die von der NATO propagierten "humanitären Ziele" waren Vorwand. In Wirklichkeit ging es darum, die NATO, losgelöst von völkerrechtlicher Bindung, als konkurrenzloses Instrument zu weltweiter Durchsetzung der kapitalistischen "Neuen Weltordnung" zu etablieren.

Die Friedensbewegung ist, so stark wie lange nicht mehr, dagegen aufgetreten. Die NATO mußte, unter internationalen Druck geraten und von inneren Differenzen behindert, auf den Einsatz von Bodentruppen verzichten und den Krieg beenden, ohne die von ihr proklamierten militärischen und politischen Ziele vollständig erreicht zu haben.

Die Gesamtbilanz für das Streben nach einer friedlichen Welt ist indessen trübe.

Seit dem Wegfall des Widerstreits der Systeme hat die Zahl innerstaatlicher Konflikte weltweit zugenommen. Die Friedensbewegung verurteilt jede auch innerstaatliche Anwendung militärischer Gewalt, gleichgültig, ob sie in Kurdistan oder in Tschetchenien geschieht. Politische Konflikte sind mit Militäreinsatz nicht zu lösen.

Das Festhalten der NATO an der Option des atomaren Erstschlages, das Fortbestehen der Stationierung von Atomwaffen auf deutschem Boden und die deutsche Beteiligung an Szenarien atomarer Kriegsführung stellen bestehende Abrüstungsverträge in Frage und sind dazu angetan, neues atomares Wettrüsten auszulösen.

Generell und im Einklang mit der Ausweitung des strategischen Konzepts der NATO auf militärische "Krisenbewältigung" im "euroatlantischen Raum" werden die Weichen auf weitere Militarisierung der Politik gestellt, und Deutschland ist dabei, nach den Plänen von Minister Scharping und dem Militä-Industrie-Komplex, treibende Kraft.

Dazu Scharping, in der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg am 8. September 1999, wörtlich:
"Wir stehen vor einer entscheidenden Weichenstellung deutscher Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Sie kann durchaus verglichen werden mit der Wiederbewaffnung Deutschlands, der Einführung der Wehrpflicht oder der Teilnahme der Bundeswehr an internationalen Einsätzen."

Ohne dass das Arbeitsergebnis der Anfang Mai 1999 eingesetzten "Wehrstrukturkommission" abgewartet würde, ist der Umbau der Bundeswehr in vollem Gange. Nicht auf Landesverteidigung, sondern auf das Ermöglichen weltweiter Intervention zielt die neue Militärstrategie. In zwei Jahren soll eine europäische Eingreiftruppe mit 60.000 Soldaten einsatzbereit sein.

Mit dem Bundeswehrplan 97 sind Vorhaben in Gang gesetzt worden, die insgesamt rund 225 Milliarden DM für die Herstellung und zusätzlich rund 320 Milliarden DM für die Nutzung modernster Kriegswaffen verschlingen werden. Auf den Beschaffungslisten stehen Großraumtransportflugzeuge, Kampfhubschrauber, Eurofighter, Panzerhaubitzen, Präzisions-Marschflugkörper,Korvetten, Fregatten, U-Boote, Satelliten-Aufklärungssysteme und anderes mehr.

Während der Bevölkerung ein verschärfter Sparkurs auferlegt wird, bleiben die Rüstungsprojekte, mit denen die Bundeswehr zu einer angriffsfähigen Armee umstrukturiert werden soll, von Sparmaßnahmen unberührt.

Die Macht der Medien wird rigoros genutzt, bei der Bevölkerung gegenüber der forcierten Militarisierung Zustimmung, mindestens Duldung, zu erschleichen. In eklatantem Widerspruch zur Präambel im Koalitionsvertrag ("Deutsche Außenpolitik ist Friedenspolitik") erweist Rot-grüne Politik sich als Kriegspolitik.

Demgegenüber fordern wir, auch mit Blick auf die Landtagswahlen in NRW, von den Parteien, der Landesregierung und den Kommunen, jegliche Unterstützung weiterer Militarisierung zu verweigern.

Eine Welt ohne Krieg, ohne Waffen ist und bleibt unser Ziel. Darum rufen wir zur Teilnahme am Ostermarsch 2000 auf.

Wir fordern:
  • die Militarisierung beenden und endlich zu ziviler Konfliktbearbeitung übergehen, die Vereinten Nationen und die OSZE in diesem Sinne entwickeln
  • den Aufbau von "Krisenreaktionskräften" in der Bundeswehr rückgängig machen: Keine Beteiligung an interventionistischen NATO- oder EU-Aktionen, keine Auslandseinsätze der Bundeswehr
  • Abrüstung statt neuer Kriegstechnik und Sozialabbau
  • keine Panzer an die Türkei, Rüstungsexporte generell verbieten
  • die Lagerung von Atomwaffen auf deutschem Boden beenden; die NATO muss endlich auf die Option des atomaren Erstschlags verzichten
  • Atomtests stoppen, Atomwaffen abschaffen
  • das von Europarat und EU gegen Jugoslawien verhängte Embargo sofort aufheben; der EU-Beschluss zu selektiver Hilfe nur an Gemeinden, deren Führung in Opposition zu Milosevic steht, ist erpresserische Geiselnahme und muss sofort zurückgenommen werden
  • uneingeschränkte Wiedergutmachung der in Jugoslawien völkerrechtswidrig angerichteten Schäden durch die an der NATO-Aggression beteiligten Staaten.

Wir bleiben davon überzeugt, dass sich die Welt nur ohne Krieg in Ordnung bringen lässt, und wir werden nicht aufhören, für diese Überzeugung zu demonstrieren.


Ostermarschaufruf Nürnberg

Das blutige 20. Jahrhundert der Kriege ist zu Ende. Doch es wirft deutlich erkennbar seine Schatten voraus. Die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen, weitere Zerstörung der Umwelt, Auseinandersetzungen um Rohstoffe und Energiereserven, eine ungerechte Weltwirtschafts-ordnung. Und der Krieg 1999 gegen Jugoslawien nährt Befürchtungen. Die Nato führte diesen Angriffskrieg mit dem vorgegebenen Ziel, bedrohten Menschen zu helfen. Und Deutschland nahm zum ersten Mal seit dem 2. Weltkrieg ganz offen an einen Krieg teil. Dieser Krieg hat gegen geltendes Völkerrecht, unser Grundgesetz und den 2+4-Vertrag verstoßen.

Und wie sieht die Bilanz dieses Angriffskrieges nach einem Jahr aus? Im Kosovo werden weiterhin Menschen getötet oder vertrieben. Die lebenswichtige Infrastruktur Jugoslawiens ist weitgehend zerstört. Und anstatt allen Menschen in der Region nun wenigstens beim Wiedraufbau zu helfen, leiden die Menschen in Jugoslawien noch zusätzlich unter dem Embargo der EU und der USA.

Auch die Auswirkungen auf die internationale Politik sind katastrophal! Der Rückgriff der Nato auf das Recht des Stärkeren und die Aushöhlung des Völkerrechts markieren einen erschreckenden Rückschritt und Rußland verweist in seinem Krieg in Tschetschenien immer wieder ausdrücklich auf den Nato-Krieg gegen Jugoslawien. Vor diesem Hintergrund nimmt in vielen Staaten der Einfluss der Kräfte wieder zu, die auf mehr Rüstung statt auf Formen ziviler Konfliktbewältigung setzen.

Und die Bundesrepublik geht mit schlechtem Beispiel voran. Die Bundeswehr soll umgebaut werden zu einer Armee, die jederzeit an jedem Ort der Welt Krieg führen kann. Zu Recht vergleicht Scharping die Dimension dieser Veränderung mit der Wiederbewaffnung oder der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht. Um das angestrebte Ziel zu erreichen werden die Eingreiftruppen (Krisenspezialkräfte und Krisenreaktionskräfte) vergrößert und entsprechende Kriegsgüter geplant und angeschafft: vom Eurofighter über den neuen Kampfhubschrauber TIGER bis hin zu neuen Fregatten und Satelliten ist alles dabei, was Rüstungsschmieden zur Zeit herstellen können. Und weil das alles viel Geld kosten wird (von 225 Mrd. DM ist die Rede), mahnt Scharping schon jetzt höhere Rüstungsausgaben an. So wurde zwar in diesem Jahr zur Beruhigung der Bevölkerung der "Verteidigungsetat" gekürzt, die Militärausgaben nach Nato-Kriterien erhöhen sich aber im Jahr 2000 um eine knappe Milliarde DM auf 59,6 Milliarden DM. Und das in Zeiten, wo angeblich alle Opfer bringen müssen.

Auch anderen Staaten ist die Bundesregierung beim Rüsten behilflich. Der geplante 10-Milliarden-DM-Panzerverkauf an die Türkei ist das bekannteste Beispiel. Nach Presseberichten der letzten Monate über ein ähnliches Geschäft vor Jahren mit Saudi-Arabien zeigen sich Waffenhändler und Rüstungskonzerne dabei gegenüber hilfreichen Politikern äußerst spendabel.

Wir fordern:
  • Keine weltweiten Einsätze der Bundeswehr; Auflösung der dazu geeigneten Krisenspezialkräfte und Krisenreaktionskräfte
  • Abrüstung statt neue Kriegstechnik und Sozialabbau
  • Keine Rüstung, sondern Entwicklung exportieren
  • UNO und OSZE im Sinne ziviler Konfliktlösungen stärken


Eine Welt ohne Krieg, Waffen Armut und Hunger ist und bleibt unser Ziel!

Gehen Sie mit uns zum Ostermarsch 2000

Zum Aufruf des Hamburger Ostermarsches

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