Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Die milliardenschweren Rüstungsprojekte spalten die Gesellschaft"

Ostermarsch 2006-IV: Die Reden von Lilo Rademacher (IG Metall), Tobias Pflüger (MdEP) und Ute Lampe (Braunschweig)

Mit der Dokumentation der Reden zu den diesjährigen Ostermärschen wollen und können wir keine Vollständigkeit herstellen. Wir bemühen uns vielmehr aus dem großen Arsenal von uns zugänglichen Manuskripten eine Auswahl von Reden zu treffen, die zusammen genommen etwas von der Vielfalt der Argumentation und der politischen Breite der Friedensbewegung widerspiegelt.
Im Folgenden dokumentieren wir die Reden von

Weitere Ostermarsch-Reden gibt es



Lilo Rademacher*

Rede beim Kasseler Ostermarsch am 17. April 2006

An diesem Wochenende - Ostern 2006 - sind wiederum Friedensbewegungen unterwegs. Es tut gut, sich der Wurzeln der Friedensbewegte zu erinnern. Aber erschreckend ist auch wie sich die Forderungen von heute denen von gestern gleichen. Wir fordern heute die atomare Abrüstung ....

Wir fordern heute jegliche völkerrechtswidrigen Kriege einzustellen.
Ich meine den mit grausamen Mitteln geführten Krieg gegen den Irak bzw. den aktuell vorbereiteten Angriffskrieg gegen den Iran.

Wir wehren uns heute gegen die Einschränkung bürgerlicher Freiheiten und demokratischer Rechte und gegen die Ausweitung des Einsatzes der Bundeswehr im Innern - begründet mit dem Kampf gegen den Terror.

In der Tradition der Ostermärsche aus den 60er Jahren haben wir gegen die Atomrüstung demonstriert, uns am Kampf gegen die Notstandsgesetze beteiligt und gegen den Vietnamkrieg protestiert. Höhepunkt unserer Bewegung waren in den 80er Jahren unser Kampf gegen cruise missels und Pershing II Raketen. Wir haben heute unsere Themen erweitert, um den Kampf gegen den Sozialabbau, gegen die Umrüstung der Bundeswehr für weltweite Einsätze mit milliardenschweren Rüstungsprojekten. Diese Jahr, liebe Freundinnen und Freunde, haben wir als einen Schwerpunkt unserer Ostermärsche, die Auseinandersetzung um das Atomprogramm des Iran.

Das öffentliche Interesse hat sich in diesen Tagen auf den Konflikt im Iran gelegt. In diesem Konflikt wird in der öffentlichen Meinung die Diskussion so geführt, dass das iranische Atomprogramm nicht nur energiepolitische Ziele, sondern auch militärische Ziele verfolgt.

Die „Internationale Gemeinschaft“ macht sich angeblich Sorgen um die Frage der Nicht-Weiterverbreitung von Atomwaffen. Gleichzeitig liegt für die „Internationale Gemeinschaft“ in dieser Logik auch die Schlussfolgerung, Gewalteinsatz als Mittel der Konfliktlösung zu legitimieren. Der Iran verfolgt mit seinem Atomprogramm energie-, sicherheits- und wirtschaftspolitische Ziele gepaart mit nationalistischer Symbolik. Der Westen dagegen will verhindern, dass der Iran zum Kreis der Atommächte aufrückt. Es stehen bei den USA handfeste wirtschaftliche Interessen dahinter.

Irans Nutzung der Atomenergie fußt auf einer Vereinbarung zwischen USA und Iran von 1957, nachdem die USA die fortschrittliche Regierung unter Mossadegh durch einen CIA gesteuerten Putsch beseitigt hatte. Dem reaktionären Schah-Regime wurde 1967 die 1. Atomanlage aus den USA nach Teheran geliefert. Auch Deutschland und Frankreich bauten im Iran Atomanlagen. Dies alles geschah in den 70er Jahren.

Jetzt sind es die gleichen Mächte USA, Deutschland, Frankreich, die den Iran unter Beschuss nehmen, er könne Atomwaffen bauen. Vor 30 Jahren, als es im Interesse des Westens lag, wurde genau dieser Iran im Bau von Atomanlagen unterstützt. Es ist das Ziel des Westens - insbesondere der USA -sich die absolute wirtschaftliche Vorherrschaft - sowohl im Mittleren Ostern - wie weltweit zu verschaffen.

Dabei geht es wie meist bei Kriegen um Rohstoffe. Iran ist von seiner Lage ein noch fehlendes Bindeglied für die USA und die Westmächte. Ein Bindeglied, was noch fehlt um die Verbindung zwischen dem Nahen Osten und Zentralasien bis nach China herzustellen. Der Iran verfügt bekanntlich über noch größere Rohölreserven als der Irak. Das ist der eigentliche Grund der USA und anderer Westmächte.

Nach der Formel „Blut für Öl“ haben die USA auch in den beiden Irak Kriegen gehandelt.

Vor drei Jahren hat die Friedensbewegung mit aller Macht mobilisiert gegen den Irakkrieg. Die Lüge dieses Krieges war, dass der Irak Massenvernichtungswaffen besitze. Saddam Hussein war damals die „Ausgeburt des Bösen“, heute wird der Präsident des Iran als solcher hingestellt. Dabei wird verwischt, dass es die eskalierende und verlogene Politik des Busch-Regierung war und ist, die zu einer ständigen Zunahme der Kriegsgefahr führt.

Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg der USA gegen den Irak vor drei Jahren macht den Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher und militärischer Machtpolitik der Weltmächte und Terror im Nahen und Mittleren Ostern immer deutlicher. Die Gewaltspirale dreht sich immer mehr nach oben. Jeder neue Selbstmordanschlag liefert den Vorwand für weiteren Besatzungsterror. Die fortgesetzte Ausplünderung dieser Region durch internationale Konzerne fördert fundamentalisch-nationalistische Kräfte.

Wir sagen NEIN zur offensichtlich gewollten Eskalationspolitik gegen den Iran. Nicht nur die USA ist hier unheilvoll zu nennen, auch Deutschland und die EU spielen eine besondere Rolle.

Viele von uns sind für den Ausstieg aus der Atomenergie. Wir sind es auch, weil es unsinnig ist, zwischen ziviler und militärischer Nutzung zu unterscheiden. Auch die zivile Nutzung birgt erhebliche Gefahren und Risiken. Aber - das Völkerrecht und das Prinzip der Vereinten Nationen beruhen auf der Gleichheit der Mitglieder der Völkergemeinschaft. Wir können nicht in einem Land den Bau von Atomkraftwerken zulassen - und in einem anderen nicht. Warum fordert z.B. niemand von Frankreich oder Deutschland den Verzicht auf die zivile Nutzung von Atomkraft. An den Iran werden hier andere Maßstäbe angelegt - denn hier geht es um die wirtschaftlichen und weltmachtpolitischen Interessen der USA. Und diesen Interessen muss sich dann auch internationales Völkerrecht beugen.

Die Atompolitik des Iran wird zum Anlass genommen, einen neuen Krieg vorzubereiten, um letztendlich die vollständige Kontrolle über die Ölressourcen in der Golfregion zu erlangen. Statt eine weltweite Ächtung von Massenvernichtungswaffen anzustreben, bestehen die Atommächte auf ihrem Monopol.

Sie treiben die Aufrüstungsspirale immer weiter in die Höhe. Durch die herrschende Politik werden weltweit immer neue ökologische und soziale Katastrophen verursacht. Und für Rüstung wird angesichts dieser Situation in jedem Jahr eine Billion Dollar ausgegeben. Die Hälfte davon durch die USA.

Auch die Bundesregierung und FDP und Grüne im Bundestag geben weitere 319 Mio Euro für den BW-Einsatz in Afghanistan aus, während gleichzeitig von diesen Volksvertretern der Sozialabbau weiter vorangetrieben wird. Die Bundesregierung versucht mit verfassungsändernder Mehrheit durchzudrücken, dass die Bundeswehr für Gewaltanwendung im Inneren zuständig gemacht werden kann. Innenminister Schäuble beharrt darauf, dass im sog. Kampf gegen den Terror Informationen sogar dann verwendet werden dürfen, wenn sie durch Folter erpresst wurden.

Jegliche neoliberale Politik führt zum Abbau sozialer und demokratischer Rechte, zu Massenarbeitslosigkeit und Armut. Die große Koalition setzt unvermindert die Politik der vorherigen Regierung mit Kürzungen im Sozialbereich bei gleichzeitiger Umrüstung der Bundeswehr für weltweite Einsätze fort.

Wir aber wollen keine Bundeswehr, die sich an völkerrechtswidrigen Kriegen beteiligt. Wir haben schon Nein gesagt zu einem Krieg in Jugoslawien und in Afghanistan. Die Bundeswehr darf nicht weiter umgebaut werden zu einer Interventionsarmee. Es muss Schluss sein mit Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Abrüstung nicht Aufrüstung muss angesagt sein.

Die milliardenschweren Rüstungsprojekte spalten die Gesellschaft. Das Geld, das für solche Projekte ausgegeben wird, fehlt bei den Ausgaben für Bildung, Arbeit und Soziales.

Es ist unerträglich, wie die Herrschenden im Hinblick auf die WM die BW für Einsätze im inneren frei zu machen versucht. BW Einsatz gemeinsam mit Feuerwehren, Hilfsorganisationen und Polizei und Nachrichtendiensten für den Einsatz in unserm Land, dazu sagen wir Nein. Solche Maßnahmen sind eindeutig verfassungswidrig. Die Friedensbewegung muss Minister Schäuble daran hindern, Soldaten unter Waffen vor Fußballstadien zu stellen. Weil offensichtlich bis zur WM eine Grundgesetzänderung nicht möglich ist, will Schäuble Soldaten zu Hilfspolizisten machen um sie dann vom Bund - nämlich von Schäuble selbst anfordern lassen. Dann könnte Schäuble selbst den Oberkommandanten spielen.

Die Friedensbewegung verlangt die Beibehaltung von Trennung von Polizei und BW und die Beachtung des Grundgesetzes. Wenn wir die Fußball-WM in unser Land holen, dann sollen es friedliche Spiele in einem friedlichen Land sein und nicht Spiele, wo sich vor und in den Stadien BW rumtreibt.

Unter der von Großkonzernen und westlichen Regierungen betriebenen neoliberalen Globalisierung schreitet nicht nur bei uns, sondern weltweit Massenarbeitslosigkeit, Armut und sozialer Abstieg voran. Diese Globalisierung zerstört grundlegende, soziale, ökologische und kulturelle Werte auf allen Kontinenten. Auslagerung von Produktion in Billiglohnländern, schrankenloser Welthandel von multinationalen Konzernen auf einen „weltweit freien Markt“ fördert die Kluft zwischen armen und reichen Ländern, aber auch die Kluft zwischen Armen und Reichen in der Bevölkerung nationaler Staaten. Öffentliche Güter rund Dienstleistungen werden radikal privatisiert, soziale Rechte und kulturelle Errungenschaft preisgegeben.

Not und Konflikte verschärfen sich weltweit. Die Folgen der neoliberalen Globalisierung sind vor allem für die ärmeren Länder dieser Welt verheerend. Gegenwärtig leiden mehr als 800 Mio. Menschen an Hunger, an den Folgen von Unterdrückung und Krieg. Eine gerechte Verteilung der Ressourcen wird verhindert. Die ständig wachsende Weltwirtschaft und die unkontrollierte Ausbeutung der Ressourcen durch transnationale Konzerne und kapitalistische Regierungen haben schwerwiegende Folgen für Klimaveränderungen und Umweltkatastrophen. Mit der Zerstörung der ökologischen und sozialen Existenzgrundlage der Menschen wird der Nährboden für immer neue Gewalt, für immer neue Kriege bereitet.

Im Zuge der Globalisierung werden nationale Regierungen immer mehr zu Erfüllungsgehilfen von Multis und internationalen Finanzmärkten. Die USA und bzw. die G 8 Staaten stecken ihre Herrschaftszone weltweit neu ab. Unter eklatantem Bruch des Völkerrechts, das Angriffskrieg verbietet, führen sie immer neue Kriege.

Deutschland und die EU sind hier nicht unwesentlich beteiligt.
  • Krieg löst keines der Probleme auf der Welt! Afghanistan, Irak, Kongo und Sudan um nur einige Beispiele zu nennen. Besatzungstruppen und ihre Praktiken fördern Fanatismus, Intoleranz und Terror.
  • Krieg zerstört Menschen und Bürgerrechte. Unter der Devise „Krieg gegen den Terror“ geführt von den USA und der Nato ist mit elementaren Prinzipen des Völkerrechts gebrochen worden. Gebrochen wurde mit Menschen und Bürgerrechten. Folterlager wie Guantanamo, wo auf Anweisung von höchster Stelle der USA gefoltert und gemordet wird, zeigen dies. Wir fordern von der Bundesregierung über ihre Verstrickungen und Beteiligungen in Folter und Kriegsunterstützung lückenlos aufzuklären.
  • Krieg kostet.
Er kostet zuerst Menschenleben, er macht weltweit Menschen zu Flüchtlingen, Verwundeten, Hungernden. Aus Rüstung und Waffenexporte sprudelt der Profit. Die Gelder für Rüstung fehlen weltweit für Entwicklung, Bildung, Soziales und Arbeit. Deswegen Senkung des Rüstungsetats.

Krisen und Kriegsgebiete sind meist reich an Rohstoffen oder für deren Transport wichtig. Ökonomische und machtpolitische Vormachtstellung zu erlangen oder auszubauen sind die eigentliche Gründe für Kriege. Vorwände, wie Terror und Atomwaffenprogramm usw. werden konstruiert. Deswegen müssen erneuerbare Energien ausgebaut werden. Erneuerbare Energien statt Rohstoffkrieg muss das Motto sein.

An die Adresse von Bundesregierung fordern wir:
  • Keine Umrüstung der BW für Auslandseinsätze und Angriffskriege.
  • Keine „Armee im Einsatz“ wie es der schwarz-rote Koalitionsvertrag nochmals bekräftigt.
  • Keine Eurofighter und keine A 400 M, kein Raketenabwehrsystem und Marschflugkörper.
  • Keine Militärallianzen am Hindukusch, sondern Allianzen zur Verteidigung des Sozialstaates bestehend aus allen friedenbewegten und sozialen Menschen, Organisationen und Vereinen.
  • Keine EU-Armee, sondern ein friedliches, soziales und gerechtes Europa. Abrüstung ist mehr denn je das Gebot der Stunde. Investitionen für Arbeitsplätze, Bildung und Soziales
  • Rückzug des Besatzungstruppen aus dem Irak.
Mit allen Mitteln muss sich die Bundesregierung für einen dauerhaften und gerechten Frieden im Nahosten stark machen. Der Iran darf nicht zum nächsten Kriegsschauplatz werden.
  • Keine Regierung der Welt hat das Recht zur Durchsetzung wirtschaftlicher und machtpolitischer Interessen Kriege zu führen. Kein Vorwand darf hier hergenommen werden.
  • Krieg ist immer Terror!
  • Für Frieden und eine gerechte und soziale Weltordnung.

    * Lilo Rademacher ist 1. Bevollmächtigte der IG Metall Verwaltungsstelle Friedrichshafen-Oberschwaben


    Tobias Pflüger*

    Rede auf dem baden-württembergischen Ostermarsch in Ulm am 15. April 2006

    Deutschland und die Europäische Union sind keine friedlichen Akteure der Weltpolitik

    Liebe Freundinnen und Freunde

    Wir stehen hier vor der Wilhelmsburgkaserne, die seit Oktober letzten Jahres das so genannte Kommando Operative Führung Eingreifkräfte beherbergt. Am 27. März hatte ich die Gelegenheit diese Kaserne von innen anzusehen. Ich habe mir in meiner Funktion als Europaabgeordneter vom Generalmajor Jan Oerding, das ist der Chef des Kommando Operative Führung Eingreifkräfte, diese spezielle Bundeswehreinheit mal zeigen lassen. Dieses KOFE gibt es weil die Europäische Union immer weiter militarisiert wird. Der Grundaufbau der militärischen Komponente der EU ist wie folgt: Es gibt in der Einrichtung eines so genanntes European Headquarters ein "Operation Headquarters" (OHQ), von der aus dann Militär-"Operationen" der Europäischen Union geführt werden, wie es so schön in der Orwellschen Militärsprache heißt. Und jetzt im Fall Kongo wird dann der Militäreinsatz vom Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam-Geltow geleitet. Dieses Einsatzführungskommando hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) mal als den neuen deutschen Generalstab bezeichnet. Und unterhalb dieses "Operation Headquarters", das in Potsdam seinen Sitz hat, gibt es dann ein so genanntes Force Headquarters (FHQ). Das ist so etwas wie eine mobile Einsatzzentrale "im Einsatzgebiet", wie es im Militärdeutsch heißt. Und dieses Force Headquarters wird von diesem Kommando Operative Führung Eingreifkräfte gestellt. Jetzt beim EU-Kongo-Einsatz wird das Force Headquarters von Frankreich gestellt. Aber beim nächsten EU-Militäreinsatz ist die Wahrscheinlichkeit sehr, sehr groß, dass es dieses Force Headquarters aus Ulm ist, das in einen EU-Militäreinsatz geschickt wird. Die EU hat sich mit diesen militärischen Hauptquartieren funktionierende und autarke Befehlsstrukturen geschaffen, d.h. Militärstrukturen, die unabhängig von der NATO bestehen. Und diese Hauptquartiere werden die EU-Truppen in Zukunft befehligen.

    Was gibt es da an EU-Truppen? Es gibt das die EU-Eingreiftruppe mit 60.000 Mann, davon das größte Kontingent mit 18.000 aus Deutschland. Und es gibt die so genannten EU-Battle-Groups, ich finde die direkte deutsche Übersetzung "Schlachttruppen" schon sehr viel ehrlicher. Das sind 13 Battle Groups a 1.500 Soldaten. So viel an Informationen zur militärischen Komponente der EU und der Rolle des Kommando Operative Führung Eingreifkräfte innerhalb dieser Strukturen.

    Ich will ganz klar sagen, dass wir hier sind, weil wir gegen diese ganze Militarisierung der Europäischen Union demonstrieren wollen.

    Und, liebe Freundinnen und Freunde, die Forderung muss natürlich, gemäß der Idee, keine kriegsführungsfähigen Militärstrukturen zu haben, eine Auflösung und Konversion dieses "Kommando Operative Führung Eingreifkräfte" sein.

    Häufig ist es so, dass wenn über die militärische Komponente der EU gesprochen wird, heißt es immer, ja die EU könne sich noch entscheiden, zwischen einem militärischen und einem zivilen Weg. Mein Eindruck, bei was ich mitbekomme vor allem im Unterausschuss Sicherheit und Verteidigung des Europäischen Parlaments, dem ich angehöre, ist, dass die Grundentscheidungen getroffen sind.

    Vor kurzem hat dieser Ausschuss eine Anhörung durchgeführt, mit dem Thema "Use of Force". Die Fragestellung war, unter welchen Bedingungen soll die Europäische Union Militär einsetzen. Die Frage war nicht: Soll überhaupt die Europäische Union Militär einsetzen, sondern es war nur noch die Frage unter welchen Bedingungen. Alle aus einem der geladenen Experten und auch alle meine anwesenden Kolleginnen und Kollegen sahen das Völkerrecht als manchmal störend und es wäre nicht so, dass auf die UN-Charta und das Völkerrecht grundsätzlich Rücksicht genommen werden könne als Europäische Union. Jamie Shea von der NATO, Euch allen bekannt als derjenige, der damals die Bomben der NATO gegen Jugoslawien so "wunderbar" verkauft hat und den Begriff Kollateralschäden für getötete Zivilisten geprägt hat. Dieser Jamie Shea hat dort gesagt, die EU solle sich ein Beispiel an der NATO nehmen und es wäre ganz einfach, wenn mehrere demokratische Staaten einen Beschluss fassen, wäre der entsprechende Militäreinsatz genug legitimiert.

    Was wir nicht mitmachen werden und wo wir jetzt schon allen Widerstand dagegen ankündigen werden, ist wenn hier das Völkerrecht in Frage gestellt wird. Das Völkerrecht ist so etwas wie eine rote Linie, die nicht überschritten werden darf.

    Dieses Kommando Operative Führung Eingreifkräfte wird einige Soldaten nach Potsdam abstellen, um konkret im geplanten EU-Militäreinsatz im Kongo mitzumachen. Also: Soldaten von hier aus der Kaserne werden bei diesem Einsatz mitmachen. Dieser Militäreinsatz im Kongo ist ein Beispiel dafür, was die EU in Zukunft machen will im Militärbereich.

    Der ehemalige Chef des NATO-Militärausschusses, Klaus Naumann, hat es klar formuliert: Er sagte, es gebe "einen einzigen entscheidenden Grund" für den Einsatz im Kongo und das wäre der Beweis der Handlungsfähigkeit der EU im Militärbereich.

    Ich kann nur sagen, wer Soldaten in den Kongo schickt, um die militärische Komponente der EU zu beweisen, der nimmt bewusst Leben von Soldaten in Kauf, nur um militärisch Global Player spielen zu können, und das nehmen wir nicht hin.

    Der deutsche Militärminister Franz-Josef Jung hat gesagt, es ginge im Kongo "auch um zentrale Sicherheitsinteressen dieses Landes", also Deutschlands. Und er meint weiter: "Die Stabilität in dieser rohstoffreichen Region nutzt auch der deutschen Wirtschaft." Und der CDU-Abgeordnete Schockenhoff, im übrigen aus Baden-Württemberg, legt nach: "Kongo ist eines der rohstoffreichsten Länder der Welt, und verfügt unter anderem über strategische Rohstoffe, die für Europa wichtig sind. Wolfram, Mangan- und Chromerze, Kobalt, Uran, Erdöl, Coltan und Beryllium." Außerdem verweist er darauf, dass "Kongo das mit Abstand wasserreichste Land" des afrikanischen Kontingents ist.

    Was hier passiert, ist ein Militäreinsatz, bei dem es um Zugang zu Rohstoffen geht. Es ist nichts anderes als ekelhaft, wenn man Soldaten in alle Welt schickt, um an Rohstoffe heranzukommen.

    Und Franz-Josef Jung weiter: "Und wenn wir nicht dazu beitragen, den Unruheherd Kongo zu befrieden, werden wir es mit einem großen Flüchtlingsproblem in ganz Europa zu tun bekommen." Und in der Frankfurter Rundschau spricht er bzgl. Kongo von einem "zusätzlichen Immigrationsdruck auf Europa". Was hier passiert, ist, dass offensichtlich Militär eingesetzt wird, zur Flüchtlingsabwehr. Und auch dies ist ekelhaft. Und Militär gegen Flüchtlinge einzusetzen, ist menschenverachtend und sonst nichts anderes.

    Der offizielle Grund für den Militäreinsatz im Kongo ist die Absicherung der Wahlen. Die stärkste Oppositionspartei im Kongo tritt zu diesen ständig verschobenen Wahlen gar nicht an, weil sie bei der Registrierung der Wähler eine ganze Reihe von Unregelmäßigkeiten festgestellt hat, und eine Neuregistrierung nicht möglich ist.

    Meine sozialdemokratische Kollegin im Europäischen Parlament, Ana Gomes aus Portugal, sagte ganz offen, um was es eigentlich geht: Wenn diejenigen, die die Wahlen verloren haben oder sich nicht repräsentiert fühlen, wenn die einen Aufstand machen würden, müsse dieser niedergehalten werden und dazu bedürfe es robuste EU-Soldaten. Dies lehnen wir ganz klar ab, dies ist eine offen imperiale Politik, und die lehnen wir klar ab.

    Liebe Freundinnen und Freunde,

    ein neuer Angriff wird vorbereitet. Gestern hat die us-amerikanische Außenministerin Condolezza Rice formuliert, dass sie eine UN-Resolution will, in der, nach Kapitel VII der UN-Charta auch militärische Aktionen möglich sein sollen. Interessant ist im Zusammenhang mit dem Iran, dass alles, was vom Iran verlangt wird, diejenigen, die es vom Iran verlangen, alles selber tun. Sowohl die EU 3, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, als auch die USA betreiben alle industriemäßig Urananreicherung. Im Falle von Deutschland ist es in Gronau in der Anlage Urenco in großem Maßstab der Fall. Und alle, die dem Iran Auflagen machen wollen, arbeiten selbst mit waffenfähigem Uran. Im Falle von Deutschland ist dieses im Forschungsreaktor Garching bei München der Fall.

    Es ist heuchlerisch, vom Iran etwas zu verlangen, nicht zu tun, was man selbst die ganze Zeit tut. Für mich ist jede Atomwaffe und jedes Atomkraftwerk falsch. Wir fordern die Schließung aller Atomkraftwerke und die Vernichtung aller Atomwaffen.

    Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Irakkrieg und dem drohenden Krieg gegen den Iran ist: im Falle des Iran eskalieren die EU-3 wesentlich. Und es wird nicht mehr so sein, dass eine Angela Merkel mit dem durchkommt, mit dem Gerhard Schröder durchgekommen ist, dass er angeblich ein Friedenskanzler gewesen ist.

    Wir wissen es seit langem, dass die deutsche Regierung den Irakkrieg und die Besatzung wesentlich mit möglich macht, dadurch, dass sie die militärische Infrastruktur gegen Grundgesetz und Völkerrecht zur Verfügung stellt. Mein Freund Florian Pfaff wird das unten in Ulm genauer beschreiben.

    Ich fordere die deutsche Regierung auf, keine militärische Infrastruktur mehr zur Verfügung zu stellen, weder für den laufenden Irakkrieg und die Besatzung des Irak noch für den geplanten Irankrieg.

    Deutschland und die Europäische Union sind keine friedlichen Akteure der Weltpolitik. Denn zu der neoliberalen Politik und dem Sozialabbau, der im Innern betrieben wird, gehört das, was im Moment gerade passiert, nämlich Militarisierung und neoimperiale Politik mach außen. Wir sind hier weil wir beides kritisieren, wir kritisieren den Sozialabbau und die Militarisierung, den beides gehört zusammen, beides sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Sozialabbau und Militarisierung lehnen wir ab und sagen NEIN zu beidem.

    Liebe Freundinnen und Freunde,

    sparen wir uns die Rüstung, sparen wir uns das Militär. Hier ist der richtige Ort. Sparen wir uns dieses Kommando Operative Führung Eingreifkräfte in Ulm.

    Es wäre ein erster Schritt, wenn es aufgelöst würde. Vielen Dank!

    * Tobias Pflüger ist MdEP und Vorstandsmitglied der Informationsstelle Militarisierung (IMI) in Tübingen.


    Ute Lampe*

    Rede bei der Ostermarsch-Aktion in Braunschweig am 15. April 2006

    Liebe Friedensaktivisten und -aktivistinnen!

    Zunächst möchte ich mich bedanken, dass ich die Gelegenheit habe, vor Euch über den Iran-Konflikt und die drohende militärische Eskalation zu sprechen. In allen Städten, wo die Friedenbewegung zum Ostermarsch aufgerufen hat, ist es das zentrale Thema; da wir in diesem Konflikt eine große Bedrohung für den Weltfrieden sehen und alle Kräfte und Mittel ausschöpfen müssen, um diese Bedrohung abzuwenden.

    Angesichts zum Teil unvollständiger und undifferenzierter Presseberichte möchte ich zum Verständnis zunächst auf den Auslöser des Konfliktes eingehen:

    Der Iran ist, wie Deutschland und weitere 188 Staaten auch, Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrages. Das Land zählt sogar mit zu den ersten Beitrittländern. In diesem Vertrag verpflichten sich die nicht Atomstaaten, zu denen auch der Iran zählt, zur friedlichen Nutzung der Atomenergie und zum Verzicht auf Atomwaffen. Sie unterstellen sich zudem der Kontrolle der internationalen Staatengemeinschaft vertreten durch die Internationale Atomenergieorganisation IAEO.

    Im Jahre 2003 musste der Iran zugeben, dass er an einem geheimgehaltenen Atomprogramm gearbeitet hat, unter anderem mit dem Ziel der Anreicherung von Uran. Nun verbietet der Atomwaffensperrvertrag nicht die Anreicherung von schwachradioaktivem Uran, unter anderem macht das ja auch die Bundesrepublik Deutschland. Allerdings wird dem Iran unterstellt, dass er damit atomwaffenfähiges, also hochangereichertes Uran herstellen will, um damit den Status einer Atommacht zu erlangen.

    Auch US-Geheimdienste behaupteten Mitte 2003, der Iran stünde kurz vor der Entwicklung einer Atombombe. Fakt ist, dass das Kontrollgremium der Internationalen Atomenergieorganisation bei seinen Kontrollen im Iran bisher keinen Verstoß gegen die friedliche Nutzung der Atomtechnologie feststellen konnte.

    Dennoch versucht die US-Administration der Weltöffentlichkeit einzureden, dass der Iran den Besitz von Atomwaffen anstrebt und nicht mehr weit davon entfernt ist. Diese Rhetorik entspricht exakt der US-Strategie vor dem Irak-Krieg. Mit der Lüge, der Irak besitze Atomwaffen und würde sie auch gegen die westliche Welt einsetzen, wurde der Angriffskrieg begründet, der sich bis heute zu einem Bürgerkrieg ausgedehnt hat und an Intensität weiter zunimmt.

    Wie ernst die Drohungen eines US-Militärschlages gegen den Iran zu nehmen sind, zeigt der seit Ende 2004 laufende Ausbau der US-Militärpräsenz in der Golfregion zu Land und zur See einschließlich Militärübungen mit befreundeten Staaten in der Region. Ebenso die Ankündigung, dass, wenn der Iran nicht freiwillig auf die Urananreicherung verzichtet, diese Forderung militärisch auch unter Einsatz von Atomwaffen erzwungen werden wird. Erst gestern hat US-Außenministerin Condoleezza Rice vor der Presse der iranischen Führung mit Konsequenzen bis hin zu einem Militärschlag gedroht. Zudem behauptete sie, dass das Verhalten der iranischen Regierung eine Gefahr für den Weltfrieden darstelle. Ich behaupte, dass ein Krieg der USA gegen den Iran eine Bedrohung für den Weltfrieden darstellt, der zu einem Flächenbrand im Nahen und Mittleren Osten führt mit unvorhersehbaren Folgen für die Weltgemeinschaft.

    Angesichts dieser Drohkulisse und der Stigmatisierung zum Schurkenstaat durch den US-Präsidenten, ist es nur zu verständlich, dass der Iran nicht ohne Sicherheitsgarantien auf Forderungen der Staatengemeinschaft eingeht. Und hier geht es konkret um die Forderung Irans nach einer Nichtangriffsgarantie von Seiten der USA

    Wir verurteilen die jüngsten Drohungen des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad gegen Israel und sind bestürzt über seine Äußerungen zum Holocaust. Dennoch rechtfertigt die gegenwärtige Situation in keinster Weise ein militärisches Vorgehen gegen den Iran. Auch die Androhungen von Sanktionen sind überzogen und stellen keine Basis zur Konfliktlösung dar, sondern münden unweigerlich in einen Krieg.

    Als Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrages ist der Iran völkerrechtlich zur friedlichen Nutzung der Atomtechnologie und zur Urananreicherung legitimiert. Im Gegensatz zu Israel, Pakistan und Indien, die dem Atomwaffensperrvertrag nie beigetreten sind und durch geheimgehaltene Forschung in den Besitz von Atomwaffen gelangt sind. Dennoch hat die USA durch das jüngste Abkommen mit Indien zur Lieferung von Kernbrennstoffen, damit Indien de facto als Atommacht anerkannt. Dieses Vorgehen stellt einen Völkerrechtsbruch dar. Auch, dass die USA die Weiterentwicklung von Atomwaffen vorantreibt und damit ihren Verpflichtungen zur nuklearen Abrüstung nicht nachgekommen.

    Wir fordern die Bundesregierung und die Bundeskanzlerin auf, ihren Verpflichtungen der Gleichbehandlung der Vertragspartner des Atomwaffensperrvertrages nach zu kommen, sich nicht weiter an der Spirale der Eskalation zu beteiligen und die Drohungen gegen den Iran einzustellen; das schließt auch weitere Forderungen einschließlich Sanktionen mit ein.

    Wir fordern die Bundesregierung auf, dass sie sich kategorisch gegen jegliche Militäraktionen wendet und jede Unterstützung und Beteiligung daran unmissverständlich ausschließt und sich für diese Haltung auch innerhalb der europäischen Staatengemeinschaft einsetzt.

    Wir fordern die Bundesregierung auf,
    • sich im UN-Sicherheitsrat für eine friedliche Lösung des Konfliktes einzusetzen,
    • für die Bildung einer Langzeit-Konferenz für Sicherheit und regionale Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten,
    • die auch das Ziel verfolgt, dort - wie in der Resolution der Internationalen Atomenergieorganisation vom 04.02.2006 hervorgehoben - eine Atomwaffenfreie Zone zu errichten, die Israel mit einschließt.
    Unterstützen Sie diese Forderungen mit Ihren Unterschriften an unserem Stand, schreiben Sie zudem an hiesige Abgeordnete des Bundestages und fordern Sie sie in diesem Sinne zum Handeln auf.

    * Ute Lampe ist aktiv im Friedensbündnis Braunschweig


    Zurück zur Seite "Ostermarsch 2006"

    Zurück zur Homepage