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"Der Krieg heute hat viele Gesichter" / "Für eine friedliche Welt in sozialer Gerechtigkeit weltweit"

In der Reihe unserer Ostermarsch-Berichterstattung und -dokumentation veröffentlichen wir an dieser Stelle zwei weitere Reden, die von Walter Listl, München - er widmete sich vor allem der Geschichte des Ostermarsches - und von Peter Strube, Pfarrer i.R., der in Dortmund sprach.


50 Jahre Ostermarsch, ein runder und denkwürdiger Geburtstag

50 Jahre Ostermarsch, ein runder und denkwürdiger Geburtstag

Rede von Walter Listl beim Ostermarsch in München am 3. April 2010 (Auftaktkundgebung)

Genaugenommen beginnt die Geschichte des OM schon vor 60 Jahren, 1950, als unter dem Eindruck des Atombombeneinsatzes in Hiroschima und Nagasaki durch die USA der Stockholmer Appell die Ächtung aller Atomwaffen forderte. Darin hieß es: "Wir sind der Ansicht, dass die Regierung, die als erste Atomwaffen gegen irgendein Land einsetzt ein Verbrechen gegen die Menschheit begeht und als Kriegsverbrecher zu behandeln ist". In der Folgezeit haben weltweit 500 Millionen Menschen diesem Stockholmer Appell zugestimmt.

1957 erklärte der damalige deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer in einem Interview, die neue Generation von taktischen Nuklearwaffen sei "…nur die Weiterentwicklung der Artillerie. Selbstverständlich können wir nicht darauf verzichten, dass unsere Truppen auch in der normalen Bewaffnung die neueste Entwicklung mitmachen."

Am 17. April 1958 fanden Demonstrationen in Bremen, Kiel, München, Mannheim, Dortmund Essen und Hamburg statt. In der Hansestadt standen die meisten städtischen Verkehrsmittel fast eine Stunde still, um ihren Mitarbeitern die Teilnahme zu ermöglichen. Getragen wurden diese Aktionen von den Kirchen, den Gewerkschaften, der SPD, der Internationale der Kriegsdienstgegner (heute DFG/VK), den Kommunisten (KPD war schon verboten) Wissenschaftlern und Kulturschaffenden.

Es gibt einen Brief von Robert Scholl, dem Vater von Hans und Sophie Scholl an die Teilnehmer der ersten Ostermärsche 1960, darin schreibt er: "Ich sehe in den Plänen zu einem Atomkrieg eine schwere Verschuldung der Menschen, die ihn vorbereiten, fördern und befürworten, ja sogar derjenigen, die gleichgültig und unbeteiligt zusehen. Die Verschuldung kommt derjenigen nahe, die dem unmenschlichen Geschehen der Nationalsozialisten ungerührt oder gar billigend gegenüberstanden". Soweit das harte Urteil von Robert Scholl, dem Vater der Geschwister Scholl.

Der Theologe Eugen Drewermann sagte auf der Kundgebung am 20. Februar dieses Jahres in Berlin: "Wir hatten Leute an der Macht, die ausrechneten, dass bei einem atomaren Erstschlag je nach Windrichtung zwischen 50 Millionen und 150 Millionen Menschen sterben würden. Diese Leute nennen sich heute Gewinner des Kalten Krieges. Wir sollten uns allen Ernstes fragen, ob sie nicht einen Sprung in der Schüssel haben und ganz woanders hingehören, als in irgendein Parlament oder auf eine Regierungsbank."

Einer der Mitbegründer der Ostermarsch-Bewegung, Pastor Martin Niemöller begleitete diese Bewegung mit der Erkenntnis: "… heute ist die Ausbildung zum Soldaten die hohe Schule für Berufsverbrecher. Mütter und Väter sollen wissen, was sie tun, wenn sie ihren Sohn Soldat werden lassen. Sie lassen ihn zum Verbrecher ausbilden". Soweit der damalige Kirchenpräsident Pastor Martin Niemöller.

Ich weiß sehr wohl, dass es verboten ist, Soldaten der Bundeswehr als Mörder zu bezeichnen. Ich darf also auch die wirkliche Bezeichnung des Bundeswehroberst Klein, der den Massenmord von Kundus befohlen hat, nicht nennen. Er darf nicht als Mörder bezeichnet werden. Diese korrekte Nennung unterläge jener Strafverfolgung, der dieser Oberst offensichtlich nicht unterliegt.

Auf dem Weg der Bundeswehr-Auslandseinsätze, von der Bombardierung Belgrads über die klammheimliche Komplizenschaft beim Krieg gegen den Irak bis zur Bombardierung des Tanklasters bei Kundus ist unser Land dort angekommen, wo die Soldaten der Naziwehrmacht dereinst aufhörten – im Krieg gegen andere Länder.

Deshalb ist unser Ostermarsch noch immer wichtig – damit es auch nicht einmal zu wenig gesagt wird: Bundeswehr und alle fremden Truppen – Raus aus Afghanistan.

Afghanistan hat in seiner dreitausendjährigen Geschichte nie ein anderes Land angegriffen aber die Menschen dort erleben den inzwischen fünften Krieg westlicher Staaten gegen ihr Land. Traumatisierte Kinder, die heute mit schreckgeweiteten Augen durch die Straßen afghanischer Dörfer und Städte laufen, haben noch keinen Tag ihres Lebens ohne Krieg und Bombenterror erlebt.

Die europäischen Staaten haben dort eine Vergangenheit die so blutbeschmiert ist, dass sich dieses Blut kaum von den Wänden der Geschichte abwaschen lässt. Diese Länder – auch die USA – sind die Letzten, die den Afghanen zu sagen hätten, wie sie zu leben haben. Es ist nicht die Unvernunft, die Uneinsichtigkeit oder Unbelehrbarkeit der Militärs oder Politiker, die zum Krieg führt, sondern der Rohstoffimperialismus der kapitalistischen Elitemächte, es ist die militärische Durchsetzung der Kapitalverwertung im globalen Maßstab. Eugen Drewermann fand dafür drastische Worte: "Was wir in Afghanistan sehen ist, dass Neokolonialismus, Imperialismus und Militarismus ein und die selben Worte sind für eine internationale Aggression rund um den Globus". (Rede Februardemo in Berlin)

Und es ist diese Aggression, die Armut, Verzweiflung und Terror hervorbringt einen Terror, für den die indische Literaturnobelpreisträgerin Arundhati Roy ein eindrucksvolles Bild gefunden hat: "Der Terror ist aus der Rippe einer Welt gemacht, die vom Imperialismus verwüstet wurde."

Deshalb sagen wir, die NATO ist aufzulösen wie jede andere kriminelle Vereinigung! Dafür demonstrieren wir heute zum fünfzigsten Mal. Denn – noch einmal 50 Jahre werden die Menschen dieses Planeten nicht unbeschadet überstehen, wenn die Probleme nicht gelöst werden, gegen die wir seit fünf Jahrzehnten auf die Straße gehen.

Der Krieg heute hat viele Gesichter und er findet nicht nur in Afghanistan oder in Palästina statt. Unser Land belegt einen traurigen dritten Platz der waffenexportierenden Länder und Waffenexporte sind nichts anderes als Beihilfe zum Massenmord. Und, wie man am Beispiel Griechenland leicht erkennen kann, auch ein Beitrag, um Staaten in den Staatsbankrott zu führen.

Oder ist es nicht pervers, dass von Griechenland ein drastisches Sparprogramm im Sozialbereich gefordert, aber gleichzeitig hinter den Kulissen darauf gedrängt wird, Milliardensummen für deutsche Waffensysteme auszugeben? Griechenland ist der zweitgrößte Abnehmer deutscher Waffenexporte.

Und ist es etwa kein Krieg, wenn die USA im vergangenen Jahr 138 Millionen Tonnen Reis und etwa noch mal so viel Getreide verbrennen um sog. Bio-Sprit herzustellen, während im selben Zeitraum alle 5 Sekunden ein Kind verhungert und täglich 100.000 Menschen an Hunger oder seinen unmittelbaren Folgen sterben? Ist die Androhung von Sanktionen gegen den Iran etwa keine Kriegserklärung und erinnern wir uns noch daran, dass durch die UNO-Sanktionen gegen den Irak 1,5 Millionen Iraker starben, ein Drittel davon Kinder? Diese Kinder sind nicht gestorben, sie wurden ermordet.

Der ehemalige UNO-Beauftragte für Ernährung, der schweizer Soziologe Jean Ziegler stellte fest: "Um die großen Millenniumsziele der UN zu erreichen, also die schlimmsten Plagen der Menschheit von Hunger über mangelnde medizinische Versorgung bis unzureichender Bildung zu besiegen und die ganze sog. Dritte Welt aus ihrer materiellen Not zu führen, bräuchte es laut UNO-Berechnungen einen Betrag von 85 Milliarden Dollar fünf Jahre lang…" Und weiter: "Wenn ich sehe, dass in New York in einem Monat 3.000 Milliarden Dollar versenkt werden und der amerikanische Finanzminister 700 Milliarden Dollar mobilisiert, um diese Bankhalunken freizukaufen, dann sehe ich weiße Rassisten, die sich nur um sich selber kümmern."

Für 20 Milliarden Dollar könnte nach UNO-Schätzungen allen Menschen der Zugang zu sauberem Wasser geschaffen werden. Ebenso viel wäre nötig um die Slums rund um die Megastädte der Welt zu beseitigen. Das ist weniger als ein Dreißigstel des Militärhaushaltes der USA.

Stattdessen schützen wir uns militärisch vor den Menschen, die ihrem Elend entfliehen wollen. 6.000 von ihnen haben schon heute das Mittelmeer zu einem Massengrab gemacht. Und sie haben keine bessere Antwort als Frontex zur militärischen Abwehr der Flüchtlinge.

Und machen wir uns nichts vor: Auch das Scheitern des Klimagipfels in Kopenhagen war eine Kriegserklärung der reichen kapitalistischen Staaten an die Lebensinteressen der Menschheit und künftiger Generationen. Sie führen Krieg gegen die Natur, die sie ausbeuten, gegen die Hungernden, die sie ins Elend treiben. Und für alle die Katastrophen die damit angerichtet werden, haben sie nur eine Antwort: Krieg.

Nein, es ist nicht die Gier einzelner, die diesen Planeten ruiniert. Es ist die Wachstumslogik einer kapitalistischen Produktionsweise, die für den Profit über Leichen geht.

Die Erfahrungen zeigen: Es gibt auch Kriege, in denen kein Schuss fällt. Auch mit dem Bau von illegalen Siedlungen oder dem Bau einer Mauer auf palästinensischen Territorium und der systematischen Zerstörung der Lebensgrundlagen eines Volkes kann man Krieg führen.

Unserer Erfahrung, dass die Hoffnung zuletzt stirbt folgte die Erkenntnis, dass im Krieg die Wahrheit zuerst stirbt. In der unappetitlichen Zeitung mit den großen Überschriften – Boulevardblatt wäre geschmeichelt, es ist eher ein Depperlblatt – in den Schlagzeilen dieser Zeitung folgte dem „Irren von Bagdad“ jetzt der „Irre von Teheran“ der die Welt mit Atomwaffen bedrohe und Israel auslöschen wolle.

Alles Lüge, damals wie heute! Letzteres eine nachgewiesene Falschübersetzung, ersteres vom ehemaligen Chef der internationalen Atomenergiebehörde Muhammad El Baradei kommentiert: dass "niemand im Iran Nuklearwaffen entwickelt. Teheran hat kein laufendes Atomwaffenprogramm aber jeder im Westen spricht man davon, dass Irans Atomwaffenprogramm die größte Bedrohung der Welt sei." (Bulletin of the atomicscientists vom September 2009)

Ich weiß nicht ob der Iran an Atomwaffen bastelt, aber es gäbe eine einfache Lösung dieses Problems. Eine atomwaffenfreie Zone im nahen und mittleren Osten entsprechend den Zielen des Atomwaffensperrvertrages, den der Iran übrigens unterzeichnet hat im Gegensatz zu den meisten seiner Nachbarstaaten. Die Abschaffung der Atomwaffen darf man nicht den Politikern überlassen, egal wie sie heißen, egal aus welchem Land sie kommen.

Ex-Generalinspekteur der Bundeswehr Klaus Naumann, heute in einem obskuren Gremium zur Atomwaffen- Null-Lösung zusammen mit dem Chef der Münchner Sicherheitskonferenz Ischinger und anderen bewährten Friedenskämpfern riet in einer Studie noch 2008 zum Ersteinsatz von taktischen Atomwaffen. Nein – wir werden das auch weiterhin schon selber machen müssen. Die Chance, Atomwaffen zu beseitigen und Kriege aus der Welt zu schaffen ist verzweifelt gering, aber es ist die einzige die wir haben, wenn wir am Leben bleiben wollen.

Danke, dass ihr zu diesem Ostermarsch gekommen seid, dass ihr mitmacht auf unserem langen Weg zu einer pazifistischen Revolution, für eine Welt ohne Rüstung und Krieg.

Quelle: Website des isw - institut für sozial-ökologische wirtschaftsforschung münchen; www.isw-muenchen.de/


"Diese verfluchte Gleichsetzung von links und rechts"

Rede von Pfr. i.R. Peter Strube beim Ostermarsch Dortmund am 5. April 2010 (Zwischenkundgebung in Dortmund Dorstfeld) *

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!

Herzlich willkommen. Ihr seid großartig, friedensstiftend, Ihr habt einen langen Atem und eine gute Ausdauer. Wer sich heutzutage auf den Ostermarsch begibt, 50 Jahre nach der Gründung, der verdient viel Respekt und Anerkennung. Denn, das wissen wir, die Blütezeit der Ostermärsche, wo ich vor 50-60ooo Menschen reden durfte, sind vorläufig vorbei. Wer sich auf den Weg des Friedens begibt, ist erst mal verdächtig, er / sie könnte ferngesteuert sein. Nicht mehr, wie vor den 90er Jahren vom Osten , sondern von Islamisten, Pazifisten, Friedensaktivisten und sonstigen Isten.

Ja, liebe Freunde, die mildeste Form der Beachtung unserer Bewegung ist noch die der Ignorierung, Nicht-Beachtung. Was kommt denn in den Medien von den tausenden rüber, die sich wie ihr auf den langen, schweren Weg machen, für Frieden und Abrüstung, für soziale Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung und gegen den unverbesserlichen, weil im Kern falschen, abzulehnenden, durch nichts zu rechtfertigenden Neonazismus aufzustehen. Ein Zweizeiler in den TV-Nachrichten, ein kleines Nichts in einer der sog. Seriösen Sonntagszeitungen und am Dienstag ist ein kleiner Artikel in den Regionalzeitungen zu erwarten - ich würde mich um des Friedens willen freuen, wenn endlich der Frieden, die Suche nach dem Frieden und der Einsatz für den Frieden eine andere Resonanz fände als in der Vergangenheit. Wie sehr müssen wir doch immer wieder beklagen, mit welcher Ignoranz friedensrelevante Aktionen bedacht werden, eben gar nicht oder nur wenig vorkommen – dagegen die ach so wichtigen Entäußerungen von manchen Parlamentariern ihren Platz finden.

Wenn ein Herr Westerwelle sich zu Hartz IV äußert und seine unsägliche Vorstellungen dazu von Talkrunde zu Talkrunde bevorzugt weiterverbreiten darf, dann ist das Demokratie der Machart: Wer hat die Macht in den Medien oder über die Medien. Ob sich der Vorschlag der Justizministerin zur verfassungsrichterlich seit Jahren angemahnten wirklichen Pressefreiheit zu einer Demokratisierung der Medienlandschaft entwickelt, darf sehr bezweifelt werden. Wenn sich unser Kriegsminister von und zu Guttenberg mit medienfreundlichem Leidensgesicht dahinstellt und den Tod der deutschen Soldaten bedauert, in gleichem Atemzug verschweigt, dass den 42 Toten der Bundeswehr Tausende und Abertausende Menschen in Afghanistan diesem nicht erklärten Krieg vorausgegangen sind und weiter folgen werden, dann ist dies Scheinheiligkeit in höchster Potenz.

Liebe Friedensfreunde,

Medienschelte ist das eine, wobei wir wissen, dass manche Reporter nicht so können, wie siewollen, denn ihre Artikel werden gar nicht zugelassen. Aber was macht eine Zeitung, die sich einmal sehr kritisch gab und nun vor gut einer Woche mit einem Aufmacher die ganze bürgerliche Prominenz bediente: Linke Gewalt schwer im Kommen, noch mit einem großformatigen Bild auf der Titelseite untermalt. Im Grunde hätten sofort alle kritischen Leser diese Zeitung abbestellen müssen. Denn, auch wenn in der weiteren Berichterstattung eine gewisse Differenzierung vorgenommen wurde, ist der erste Eindruck, der sich beim flüchtigen Leser einstellt und bei dem, der nur das Titelblatt sieht, beherrschend und kaum zu revidieren. „Die Linken sind gewalttätig.“

Welche Manipulation einmal mehr. Da werden alle Krawalle, die nicht eindeutig der rechten Szene zuzuschreiben sind, auf die Linke verteilt. Da werden Autozerstörungen besorgter Bürger in Arbeitervierteln, in die sich Reiche einkaufen und die Preise schlagartig bei Mieten und Konsumwaren hochschnellen lassen, in die linke Ecke gedrückt. Ich gebe zu, daß ich Autozerstören auch nicht für ein geeignetes Mittel halte, die Öffentlichkeit auf Mietwucher und Kiezerhaltung aufmerksam zu machen, aber vielleicht sehen sich manche einfach nicht anders als auf diese Weise dazu in der Lage. Und die berechtigte Wut, daß immer wieder bei rechten Aufmärschen diese geschützt werden, kann ich auch verstehen, wenngleich ich auch da versuche, auch um der politischen Wirkung willen, Gewalt zu vermeiden.

Womit ich nicht verhehle, daß eine Betrachtung von Gewalt eine eigene Reflexion wert ist, wenn strukturelle Gewalt sowohl in unserem Land als auch weltweit ungleich viel mehr Tote erfordert als alle kleinen und großen Gewaltanwendungen bei Demos.

Und damit sind wir bei einem unserer Hauptthemen: die verfluchte Gleichsetzung von links und rechts, ja schlimmer noch: die weitere Hatz auf alles, was links ist, und die systematische Verharmlosung der rechten Gewalt. Da schreiben NPD Großkofeten an die Schulen, um ihre Vorstellungen zu verbreiten; da kündigt die NPD in aller Unverschämtheit an, auf den Schulhöfen ihre musikalischen Machwerke zu verteilen; da bewirbt sich eine seriös sich gebende Partei, selbst inzwischen vom Fernsehen etwas kritisch gesehene Partei wie pro NRW, um Posten im Landtag. Es ist inzwischen bekannt, die Rechten haben viele Gesichter, und sie sind nicht immer sofort zu erkennen; um so wichtiger, daß wir uns ihnen entgegenstellen, Solidarität mit den Menschen üben, die sich hier in Dorstfeld nicht mehr sicher fühlen, mit der Familie, sich schon aus berechtigter Furcht ihren Wohnort verlassen haben. Laßt mich erwähnen, daß mein Einstand in Dortmund vor über 30 Jahren damit begann, daß sich Menschen aus der Umgebung an mich wandten und ihre Ängste über konkrete Bedrohungen von rechten Gruppierungen formulierten. Es ist also kein neues, aber immer drängenderes Problem, daß wir in unserer Gesellschaft es immer noch nicht fertig gebracht haben, diesen ach so furchtbaren Schoß zu verschließen: der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem es kroch. Dieses Plakat aus den 70er/80er Jahren hat sich eingeprägt und ist aktueller denn je. Es muß endlich das Verbot der NPD her, die sonst so schnell verbietende Legislative ist mehr als dringend am Zug. Material gibt es die Hülle und Fülle – oder wollen wir ein zweites Mal am ersten Mai überfallen werden und die milden Urteile der Täter bis zur Straffreiheit klaglos hinnehmen. Was eigentlich, liebe Freundinnen und Freunde, muß noch geschehen in diesem Land, bis wir endlich aufstehen und aufbegehren, machtvoll und druckvoll.

Ebenfalls im Umfeld des letzten ersten Mais geschah es, daß der DGB- Vorsitzende Sommer es wagte, von möglichen sozialen Unruhen zu reden. Welche ein einhelliges Aufjaulen der gesamten Politikerelite, und als Lafontaine nachlegte, da war es endgültig vorbei: Da wird ja zu Widerstand aufgerufen. Ja, liebe Freunde, Widerstand ist unsere Pflicht und wir, das dürfen wir in aller Bescheidenheit sagen, sind diejenigen, die friedenspolitisch, sozialpolitisch, umweltpolitisch mit aufpassen, daß der Karren BRD nicht noch schneller und gewaltiger in den Abgrund fährt als geplant.

Wir haben viele kleine Erfolge, ob Obamas Vision von einer atomwaffenfreien Welt ernst gemeint ist, lassen wir dahin gestellt sein - u.a. seine sogenannte Friedensrede bei der Verleihung des Friedensnobelpreises lässt zu Recht große Zweifel zu, aber es ist immerhin mal gesagt worden und wir dürfen uns nicht damit begnügen, diese Vision abtauchen zu lassen.

Und auch der Vision einer sozialen Gerechtigkeit sollten wir nicht den Laufpass geben, auch wenn unsere Landesregierung vor fast zwei Jahren beschlossen hat, die Mittel aus dem europäischen Sozialfond von 4,3, Millionen Euro nicht mehr den sehr wirksamen Hilfsangeboten für Arbeitslose in den Zentren und Beratungsstellen zur Verfügung zu stellen, sondern ersatzlos zu streichen. Hundertausende von Menschen sind in der Vergangenheit gut und menschenwürdig beraten worden, haben nicht das Gefühl von Bettelei und Bittstellerei vermittelt bekommen wie in vielen Argen, wo die meisten der Mitarbeiter auch zudem hoffnungslos überfordert sind mit den permanent verschlimmbesserten Gesetzen und Verordnungen zu Hatz 4. Kaum ein anderes Gesetz ist so permanent berechtigter Kritik ausgesetzt gewesen, von Anfang an haben viele die fatalen Folgen dieser Diskriminierung von Arbeitslosen/Erwerbslosen voraus gesehen. Und es ist streckenweise noch schlimmer geworden. Wir haben oben schon unseren Herrn Außenminister gehört, der ja meint, daß die Sätze gesenkt werden könnten und die Erwerbslosen doch bitte schön Schnee schippen können.

Allein auf unser ALZ bezogen, das übergangsweise für knapp zwei Jahre gerettet wurde, dank einer anerkennenswerten Einsatzleistung von ARGE und Stadt, haben Mitarbeiterinnen tausende von Euros für die Ratsuchenden „rausgeholt“, also falsche Bescheide korrigieren können und vielen Familien zum Existenzbedarf verhelfen können.

Und noch mal zu Afghanistan (in Stichworten): Es hat nie eine Debatte gegeben. Die Anfänge. BRD und NATO haben sich danach gedrängt, mitmischen zu dürfen. Das Mandat des Sicherheitsrates ist nach wie vor wackelig und umstritten

Vor 4 bis 5 Jahren kündigte Bush eine Offensive an – danach begann der Guerillakrieg mit den Selbstmordattentätern – alle bisherigen kleinen Erfolge verpufften im Nichts. Der Krieg ist immer deutlicher als solcher auch öffentlich zu erkennen. Aber auch die kühnste und verschleierndste Sprachartistik kann vom Tatbestand des Krieges nicht ablenken.

Anfangs, nach dem 9.11., haben einige gedacht, es könnte ein Umdenken stattfinden, es würde nach Ursachen des Terrors gesucht werden ... Sie haben sich schwer getäuscht. Heute spricht keiner mehr davon, nur noch von Strategie. Trotzdem: Der Widerstand der Bevölkerung zwingt zum Umdenken. Es gibt Pläne, vorsichtige Überlegungen, aus dem furchtbaren Krieg herauszukommen.

Debatte mit Käßmanns Silvester-Botschaft eröffnet – ihr hat das Echo zugesetzt. Sicher auch ein Grund für ihren Rücktritt. Sie ist keine Heilige, hat aber etwas bewegt. Also: bitte auch Kirchen weiter in die Pflicht zum Widerstand nehmen!

Weitere Stichworte:
  • Frieden als Überwindung von Krieg und Militär und militaristischem Denken
  • Soziale Gerechtigkeit weltweit als Grundvoraussetzung für Frieden
  • Bewahrung der Schöpfung – Klimakatastrophe
  • Aber auch die Ernährungsgewohnheiten. Genmanipulation amerikanischer Konzerne.
Was können wir tun?

Ein großes Friedensfest feiern. Die Initiative zum Antikriegstag nicht den Rechten über lassen.
Ein breites Bündnis aller demokratischen Kräfte von der Antifa zu den Kirchen, von der linken bis zu den Umweltbewegungen, von Ostermarschierern zu den Sozialforen - ein breites klares Bündnis gegen rechts, gegen Armut, gegen Krieg, gegen Atomkraft aller Art, für eine friedliche Welt in sozialer Gerechtigkeit weltweit.

Und das ist möglich, liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde. Wir brauchen weiter den langen Atem und die Sicherheit, das Richtige zu tun.

Laßt mich zum Abschluß noch ein Wort von Albert Einstein vortragen:

Die politische Apathie der Menschen in ruhigen Zeiten bewirkt, daß man sie so leicht zur Schlachtbank führen kann. Weil sie heute zu faul sind, nur durch ihre bloße Unterschrift ihren Willen zur Abrüstung zu bekunden, werden sie morgen bluten müssen.

Unser größter emotionaler Feind sind Apathie und Gleichgültigkeit, Resignation vor den furchtbar vielen Fallen eines wahnsinnigen, aber perfekten Systems des Kapitals mit Zuckerbrot und Peitsche. Wir haben noch viel zu tun, marschieren wir weiter für Frieden und Gerechtigkeit.

Danke für Euern Einsatz und Eure Aufmerksamkeit.

Unkorrigiertes Manuskript


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