Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Ostermärsche attackierten zynische Politik

Bei über 80 Veranstaltungen standen der Afghanistan-Krieg, Atomwaffen und Atomenergie im Vordergrund

Im fünfzigsten Jahr der Ostermärsche in Deutschland fanden an über 80 Orten Friedensveranstaltungen statt. Nach den Angaben des Ostermarschbüros in Frankfurt am Main beteiligten sich mehrere zehntausend Menschen an den Demonstrationen. 1500 kamen zum zentralen Ostermarsch in Stuttgart.

Nachdem am Freitag (2. April) bei Kämpfen mit den Taliban deutsche und afghanische Soldaten getötet worden waren, fühlten sich die Initiatoren und Teilnehmer der Ostermärsche einmal mehr in ihren Forderungen bestätigt. Die Verantwortung für den Tod der Bundeswehrsoldaten trage »die zynische und uneinsichtige Politik der Bundesregierung«, erklärte die Informationsstelle Ostermarsch 2010. Die Osteraktionen mit ihrer eindeutigen pazifistischen Zielsetzung stünden für den Mehrheitswillen der Bevölkerung und damit gegen die Parlamentsmehrheit, die nach wie vor an Auslandseinsätzen der Bundeswehr festhalte. »Die Nachrichten zu Ostern erinnern uns an die gern verdrängte brutale Realität des Afghanistan-Krieges und an seine Aussichtslosigkeit«, schrieb der Geschäftsführer des Netzwerkes Friedenskooperative, Manfred Stenner, in einer Mitteilung.

Vermehrt beteiligten sich auch Anti-Atom-Initiativen an den Ostermärschen. Unter dem Motto »Atommüll in Gorleben, ach du faules Ei!« fanden sich nach Angaben der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg über 200 Menschen zu einem Rundgang um das potenzielle atomare Endlager ein. Die militärische und die sogenannte friedliche Nutzung der Atomkraft seien siamesische Zwillinge, sagte der Sprecher der Bürgerinitiative, Wolfgang Ehmke. »Deshalb demonstrieren wir heute auch in dem Selbstverständnis, Teil der Friedensbewegung zu sein.«

Erstmals seit mehreren Jahren war auch die einzige deutsche Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau wieder Ziel eines Ostermarsches. Rund 120 Anti-Atom- und Umweltaktivisten forderten neben dem Ende jeglicher atomarer Rüstung die Schließung der Anlage. »Eine spätere Nutzung zur Atomwaffenproduktion kann nicht ausgeschlossen werden«, hieß es in dem Aufruf.

Die meisten Ostermarschierer kamen wie in den Vorjahren in die Ruppiner Heide. Obwohl die Bundesregierung im vorigen Jahr auf den umstrittenen Bombenabwurfplatz verzichtete, trafen sich rund 2200 Personen, um erstmals nicht um, sondern über das Gelände des ehemaligen »Bombodroms« zu marschieren.

* Aus: Neues Deutschland, 6. April 2010


»Nichts ist gut im Krieg«

ND-Korrespondenten bei Ostermärschen in Kassel, Wiesbaden, Dortmund und Hamburg

Von Michael von Glaßer, Hans-Gerd Öfinger, Lenny Reimann und Susann Witt-Stahl **


Friedensaktivisten demonstrierten gegen Krieg, Rüstungsindustrie, militärische Infrastruktur und die Werbung für die Bundeswehr an Schulen. Im Ruhrgebiet war die Neonaziszene Thema beim Ostermarsch.

Angetrieben von dem neuerlichen Zwischenfall demonstrierten gestern mehrere hundert Menschen im nordhessischen Kassel gegen den Krieg in Afghanistan. In zwei Demonstrationszügen liefen die Friedensbewegten mit ihren bunten Transparenten und Musikbegleitung durch die Innenstadt. Nach Zwischenkundgebungen an Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus endete der traditionelle Demonstrationszug am Rathaus, wo die Abschlusskundgebung stattfand.

»Nichts ist gut im Krieg«, sagte die erste Rednerin, Ellen Weber, in Anspielung auf ein Zitat der ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche, Margot Käßmann. Weber hatte bereits am ersten Ostermarsch 1960 teilgenommen und ging in ihrer Rede auf die nunmehr 50-jährige Tradition ein. Das Thema der Friedensmärsche sei immer noch aktuell: »Mit militärischen Mitteln sind die Probleme armer Länder nicht zu lösen.« Dem pflichtete der Kasseler SPD-Stadtverordnete Bernd Hoppe in seiner Rede bei. In Anbetracht der seit Jahren steigenden Rüstungsexporte forderte er einen strengeren Umgang mit der Waffenindustrie. Kassel ist Standort der beiden großen Panzerbauer Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall Defence.

Sabine Lösing, Abgeordnete der LINKEN im Europaparlament, forderte vor allem die Bekämpfung der Ursache von Kriegen: »Armut ist der Hauptgrund, wenn Konflikte gewaltsam eskalieren.« Der Unterschied zwischen reichen und armen Ländern werde durch ein globales neoliberales Wirtschaftssystem seit Jahren vergrößert. Sie forderte den Stopp aller Rüstungsexporte, die Abschaffung von Atomwaffen und ein Ende der Militarisierung der Gesellschaft.

Beim Ostermarsch Mainz-Wiesbaden spielten lokale Themen eine große Rolle. So protestierten Mainzer Friedensaktivisten gegen ein Rahmenabkommen zwischen dem rheinland-pfälzischen Bildungsministerium und der Bundeswehr über das verstärkte Auftreten von Armeeoffizieren im Schulunterricht. »Rheinland-Pfalz ist das erste SPD-regierte Land, das der Bundeswehr auf diese Art die Schulen öffnet«, empörte sich die Mainzer Ortsgruppe der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG-VK).

Andere Aktivisten prangerten an, dass der im nördlichen Rheinland-Pfalz gelegene Fliegerhorst Büchel mit 42 Tornado-Kampfflugzeugen und 1500 Soldaten der größte NATO-Luftwaffenstützpunkt der Bundeswehr sei und seit 2005 auch Taurus-Marschflugkörper beherberge, die Atomsprengköpfe tragen könnten.

Nein zur US-Zentrale

Bedeutendstes lokalpolitisches Thema bei der Abschlusskundgebung mit rund 200 Teilnehmern in der Wiesbadener Innenstadt war der Ausbau des Geländes am US-Militärflughafen Wiesbaden-Erbenheim zum künftigen Europa-Hauptquartier der US Army. Wiesbaden werde zum »Hauptquartier für die Durchführung völkerrechtswidriger Angriffskriege« aufgewertet, kritisierte Manuela Schon von der Wiesbadener LINKEN bei der Abschlusskundgebung. »Wir haben nichts gegen US-Touristen oder Einwanderer aus den USA, wohl aber gegen Schaltzentralen, in denen der Tod von tausenden Zivilisten vorbereitet wird.« Die meisten Lokalpolitiker versprächen sich von der Neuansiedlung zahlreicher Militärangehöriger eine wirtschaftliche Belebung, doch tatsächlich werde sich deren Alltag überwiegend in US-Geschäften auf Dollar-Basis abspielen. Unter der Verschärfung der Lage auf dem örtlichen Wohnungsmarkt würden hingegen die Menschen mit durchschnittlichen und geringeren Einkommen leiden, prophezeite die Rednerin.

Wiesbadener Antifaschisten nutzten den Ostermarsch, um für ihre Aktionen gegen einen geplanten Neonazi-Aufmarsch am 8. Mai in der hessischen Landeshauptstadt zu mobilisieren. Es sei »an Zynismus nicht zu überbieten«, wenn die NPD-Jugendorganisation JN am »Tag der Befreiung« in Wiesbaden »gegen Folterknechte und Kriegstreiberei« demonstrieren wolle, heißt es in dem Aufruf eines örtlichen Aktionsbündnisses.

Ruhrpott gegen Nazis

Mit mehreren hundert Teilnehmern fand der Ostermarsch Rhein-Ruhr am Montagnachmittag mit einem Friedensfest im Dortmunder Wichernhaus seinen Abschluss. Die Friedensbewegten hatten sich von Bochum aus in die Nachbarstadt aufgemacht. Bei einer Zwischenkundgebung im Dortmunder Stadtteil Dorstfeld warnten die Ostermarschierer vor der wachsenden neofaschistischen Szene dort. Im Gegensatz zum letzten Jahr kam es diesmal aber nicht zu Störversuchen der so genannten »Autonomen Nationalisten«.

Felix Oekentorp, Organisator des Ostermarsches, zeigte sich im Gespräch mit ND mit dessen Verlauf »vollkommen zufrieden«. »Es ist uns gelungen, unsere Positionen in der Öffentlichkeit kundzutun und für einen sofortigen Abzug der Bundeswehr aus dem Ausland zu werben.« »Besonders hier in Dortmund war es uns wichtig, auch vor den Aktivitäten der Neonazis zu warnen, die anlässlich des Antikriegstages am 4. September erneut einen Großaufmarsch in der Ruhrgebietsmetrole durchführen wollen«, so Oekentorp weiter.

Neben der Ablehnung von Auslandseinsätzen war der nordrhein-westfälische Ostermarsch geprägt von der Forderung nach der Abschaffung aller Atomwaffen. Zudem feierten die Aktivisten den 50. Geburtstag ihres Marsches.

Besonders erfreut zeigte sich Oekentorp, die Demonstration seit Jahren mit dem engagierten Gewerkschafter und Antifaschisten Willi Hoffmeister veranstalten zu dürfen. Hoffmeister gehört zu den Ostermarsch-Organisatoren der ersten Stunde und wurde 2008 für seine kontinuierliche Arbeit in der Friedensbewegung mit dem Düsseldorfer Friedenspreis geehrt.

In Hamburg, der Vaterstadt der Ostermarsch-Bewegung, musste sich der Friedenszug wie vor 50 Jahren im Nieselregen formieren. Damals ging es von Hamburg-Harburg weit hinaus nach Bergen-Lohne, wo die Bundeswehr an einer US-Atomrakete Übungen abhielt. Am Montag waren es von der Friedenskirche in Altona nur wenige Kilometer zum Großneumarkt in der Neustadt, wo ein Friedensfest stattfand.

Rund 500 Menschen waren dem Aufruf des Hamburger Forum für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung gefolgt. Darunter Vertreter der LINKEN, der Gewerkschaften, der DKP, der Gedenkstätte Ernst Thälmann, der VVN-BdA, von Attac und anderen Gruppen. »In diesem Jahr gibt es zwei Schwerpunkte«, erklärte Mitinitiator und Pastor im Ruhestand Sönke Wandschneider in seiner Ansprache. »Die Forderung nach Abschaffung und Verschrottung aller Atomwaffen und den sofortigen Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan.« Für die Aussage von Verteidigungsminister Guttenberg nach dem Tod von drei Soldaten in Kundus, man könne »umgangssprachlich von Krieg reden«, hatte Wandschneider nur einen bitteren Kommentar übrig: »Da werden Menschen ermordet, daher nennen wir Krieg nicht nur umgangssprachlich Krieg.«

Auch der drohende Iran-Krieg war ein Thema: Hauptredner Peter Strutynski vom Bundessauschuss Friedensratschlag bezeichnete die Konzentration westlicher Militärs am Persischen Golf als »Vorboten eines Krieges, der Tod und Elend für die gesamte Region bringen wird.« Und ein paar Dreikäsehochs hatten eine clevere Alternative zu Mord und Totschlag parat: »Fußball statt Krieg!«

** Aus: Neues Deutschland, 6. April 2010


Lobby für den Frieden

Langer Atem gegen Krieg: Ostermärsche in rund 80 Orten. Tausende Aktivisten kritisieren Atomwaffen und Afghanistaneinatz der Bundeswehr

Von Reimar Paul ***

Fünfzig Jahre nach dem ersten Ostermarsch in der Bundesrepublik haben am Wochenende in rund 80 Orten Menschen gegen Kriege und Atomwaffen demonstriert. Die Beteiligung an den Aktionen schwankte nach Angaben der Veranstalter zwischen mehr als tausend und wenigen Dutzend Demonstranten. Im Mittelpunkt der Ostermärsche stand die Forderung nach Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan.

Durch den Tod von drei Bundeswehrsoldaten und die Tötung mehrerer afghanischer Soldaten durch deutsche Militärs hatte das Leitthema zusätzliche Brisanz erhalten. Vertreter der Friedensbewegung widersprachen der am Sonntag geäußerten Einschätzung von Verteidigungsminister Theodor zu Guttenberg (CSU), daß der Einsatz am Hindukuschalternativlos sei. »Der Afghanistan-Krieg ist nicht alternativlos, sondern aussichtslos«, sagte der Geschäftsführer des Bonner Netzwerks Friedenskooperative, Manfred Stenner. Guttenbergs Warnung vor einer Implosion Afghanistans bei einem schnellen Abzug täusche darüber hinweg, daß das jetzt herrschende Chaos das Ergebnis von acht Jahren Krieg und Besatzung ist. Die meisten Menschen in Deutschland seien gegen diesen Krieg, hätten sich an ihn aber gewöhnt, sagte Frieder Schöbel vom Braunschweiger Friedenszentrum. In der zweitgrößten niedersächsischen Stadt protestierten knapp 100 Menschen gegen den Militäreinsatz.

Deutlich größer war die Beteiligung am Ostermarsch in die Kyritz-Ruppiner Heide in Brandenburg. Auf dem Gelände des einst geplanten »Bombodroms« forderten 1500 Menschen ein konkretes ziviles Nutzungskonzept für das Areal. Erst im vergangenen Jahr hatte die Bundeswehr nach Massenprotesten und mehreren verlorenen Gerichtsverfahren auf eine Nutzung als Luft-Boden-Schießplatz verzichtet. Großen Applaus gab es, als Barbara Lange von der Initiative »Freier Himmel« sagte: »Das nächste Osterfest wollen wir alle zusammen in der Kyritz-Ruppiner-Heide feiern, wenn die Bundeswehr dort abgezogen ist.

Vor dem Luftwaffenstützpunkt in Büchel in der Eifel verlangten etwa 200 Teilnehmer des Ostermarsches, alle noch verbliebenen Atomwaffen aus Deutschland abzuziehen. »Die Bundesregierung muß wissen, wie laut der Protest wird, wenn die Atomwaffen nicht bald weg sind«, erklärte Marion Küpker von der »Gewaltfreien Aktion Atomwaffen abschaffen«.

Im thüringischen Ohrdruf wanderten Kriegsgegner vom Bahnhof der Stadt zum Truppenübungsplatz, wo die Bundeswehr Soldaten für Auslandseinsätze vorbereitet. In Leipzig wurde ein Schwert zu einer Sichel umgeschmiedet. Bei einer anschließenden Kundgebung vor dem US-Generalkonsulat gab es Proteste gegen die militärische Nutzung des Flughafens Leipzig/Halle durch die US-Armee.

Auch an Standorten von »zivilen« Atomanlagen waren Ostermarschierer unterwegs. In Gronau demonstrierten rund 120 Menschen vor der Urananreicherungsanlage. Die Urananreicherung müsse sowohl in Deutschland als auch im Iran, Rußland und in den USA gestoppt werden, betonte Udo Buchholz vom Vorstand des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU).

In Gorleben umrundeten mehr als 200 Menschen das Endlagerbergwerk. Im Zug tuckerte auch ein Unimog samt Hänger mit. Er hatte ein dickes Styroporei geladen. Es sollte nach Angaben der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg die »Erkundungslüge« symbolisieren. Unter dem Vorwand der wissenschaftlichen Untersuchung wurde der Salzstock Gorleben zum fast fertigen Endlager ausgebaut.

Unabhängig von den Teilnehmerzahlen, sei die Ostermarschbewegung nach wie vor eine »lebendige Bewegung mit langem Atem und angesichts des friedenspolitischen Versagens der Bundesregierung ein dringend notwendiges Korrektiv«, erklärte das Netzwerk Friedenskooperative. Beim Ostermarsch in Frankfurt/Main mit etwa 1000 Teilnehmern sagte einer der Altvorderen der Friedensbewegung, der Politikwissenschaftler Andreas Buro, die Märsche zu Ostern seien »ein fester Bestandteil der Protestkultur der Zivilgesellschaft in Deutschland«. Die Friedensbewegung, so Buro, werde noch weitere 50 Jahre gebraucht.

200 Menschen haben sich am Montag am Berliner Ostermarsch beteiligt. Die Demonstration durch die Innenstadt bildete nach Angaben der Veranstalter den Abschluß der diesjährigen Osteraktionen. Die Teilnehmer spazierten dabei an zehn Orten vorbei, an denen sich Rüstungslobbyisten mit Büros in beeindruckender Nähe zum Bundestag angesiedelt haben, wie die Veranstalter betonten.

*** Aus: junge Welt, 6. April 2010

Weitere ausgewählte Meldungen

Flagge zeigen für den Frieden auf der Welt

Hunderte Menschen gingen für einen atomwaffenfreien Globus auf die Straße

NÜRNBERG - Hunderte sind am Ostermontag für eine Welt ohne Krieg und Atomwaffen auf die Straße gegangen. Reine Utopie, werfen Kritiker den Pazifisten vor. Doch die Friedensbewegung schnuppert Morgenluft.

Aus den Boxen am Olof-Palme-Platz klingt ein Klassiker der Friedensbewegung. »Wir wollen wie das Wasser sein - das weiche Wasser bricht den Stein».

Manche singen die lang verinnerlichten Liedzeilen leise mit. Eine Aktivistin der Friedensinitiative Nordost wuselt derweil zwischen Kuchen- und Infostand von einem Grüppchen zum nächsten.

»In den Müll mit den Atomwaffen!»

»Etwas für den Rücken zum Entzücken», sagt sie und drückt den Teilnehmern des Ostermarsches ein Blatt in einer Klarsichtfolie in die Hand. Die Demonstranten heften sich die Botschaft »In den Müll mit den Atomwaffen!» mit Sicherheitsnadeln an die Jacken. Uniformierung à la Friedensinitiative.

Schließlich setzt sich der Zug mit rund 150 Menschen in Bewegung. Parallel folgen Hunderte Ostermarschierer in Fürth und am Nürnberger Aufseßplatz dem Aufruf des Nürnberger Friedensforums und marschieren von dort zur zentralen Kundgebung an der Lorenzkirche. Regenbogen-Fahnen flattern; die Friedenstaube feiert auf vielen Flaggen fröhliche Urständ. Ein bunter Zug mit Urgesteinen der Nürnberger Friedensbewegung zieht Richtung Innenstadt. Mittendrin Gegner der Flughafen-Nordanbindung und Mitglieder des türkischen Vereins Didf. »Wir sind auch für Frieden», sagt eine Türkin.

Gleichgültigkeit bei vielen Passanten

Mülltonnen werden rumpelnd übers Pflaster gezogen. Lange Rohre mit schwarzen Papierkappen ragen heraus. Sie sollen Atombomben darstellen, wurden im Friedensmuseum gebastelt und werden jetzt symbolisch auf den Müll gefahren. »Auf den Müll mit den Raketen!», ruft Elke Winter einer Vorbeterin gleich ins Mikrofon, als die Demonstranten kurz mitten auf der Kreuzung am Rathenauplatz Halt machen. Und die Teilnehmer antworten, anfangs noch verhalten, später deutlich wahrnehmbar: »Do it now!» (Mach’s jetzt endlich!).

Manche Passanten bleiben stehen. In den Gesichtern spiegeln sich Gleichgültigkeit, Fragezeichen, manchmal Belustigung. »Da lauf’ ich auch mit. Ich will auch alles anders haben», spottet ein junger Mann in Lederjacke und äfft den Tonfall eines quengelnden Kindes nach.

Angestaubte Friedensforschung

Die Zeiten, in denen die Ostermärsche vor der Kulisse des Kalten Krieges Tausende mobilisierten und zu machtvollen Demonstrationen anschwollen, sind vorbei. Deshalb mag die jährlich neu aufgelegte, ritualisierte und pauschale Friedensforderung angestaubt anmuten; wie ein Relikt aus der Zeit, in der öffentliche Meinung hauptsächlich noch auf der Straße gemacht wurde. »Wir diskutieren jedes Mal, ob’s überhaupt noch Sinn hat», gibt Siegfried Winter von der Friedensinitiative Nordost unumwunden zu. Das Ergebnis ist immer wieder ostermontags zu besichtigen. Es sei eine Verpflichtung, die Ostermarsch-Tradition aufrechtzuerhalten, so der 55-Jährige.

Die nackten Forderungen haben nicht an Aktualität verloren. 50 Jahre nach den ersten Ostermärschen gebe es zwar den Feind im Osten nicht mehr. »Aber die Atomwaffen gibt es immer noch», sagt Wolfgang Nick, ein Urgestein der Nürnberger Friedensbewegung. Der 56-Jährige spricht am Olof-Palme-Platz und sprach zuvor auch bei der Ostermarsch-Kundgebung am Erlanger Hugenottenplatz. Der Mann mit dem eckigen Brillengestell und den schnittlauchglatten Haaren kritisiert die »völlige Abstumpfung in der Öffentlichkeit».

»Atomwaffen bringen uns letztlich um.»

»Atomwaffen abschaffen!» steht auf seinem T-Shirt. Man müsse sich das einfach mal klar machen, fordert der promovierte Physiker: »Atomwaffen bringen uns letztlich um.» Doch jetzt wittern viele Friedensaktivisten Morgenluft. Sie setzen große Hoffnungen in US-Präsident Barack Obama. »2010 haben wir die große Chance, dass die Abrüstung vorankommt», meint Nick. Eine Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags steht an. Die Friedensbewegung weltweit fordert, den Atomwaffensperrvertrag endlich umzusetzen.

Und dann ist da noch Afghanistan. Die Friedensbewegung verlangt den Abzug der Bundeswehr: »Es ist schlimm, dass Krieg wieder eine Maßnahme der Politik wird.» Das sagt einer, der genau dafür seine eigene Partei scharf kritisiert: Alt-OB Peter Schönlein (SPD) hat sich unter die Demonstranten gemischt. Hauptrednerin Sabine Schiffer vom Erlanger »Institut für Medienverantwortung» spricht vor der Lorenzkirche gar von einer »Weltkriegspolitik des 21. Jahrhunderts». »Der Abzug aus Afghanistan wäre nur der erste Schritt», um diese zu beenden.

Nach Angaben der Veranstalter hören rund 900 Menschen zu. Die Polizei spricht von 550 Teilnehmern. Laut Siegfried Winter von der Friedensinitiative Nordost seien dem Aufruf deutlich mehr Menschen als in den Vorjahren gefolgt. »Ich bin zufrieden.» Er sagt es strahlend.

Sabine Stoll

Nürnberger Nachrichten, 6. April 2010


Demonstration gegen Krieg, atomare Aufrüstung und Armut

600 Menschen machten beim Ostermarsch mit

Kassel. 600 Menschen sind am Ostermontag in Kassel auf die Straße gegangen, um gegen Krieg, atomare Aufrüstung und Armut zu demonstrieren. Die Ostermarschierer waren auf zwei Demonstrationsrouten - von der Nordstadt und dem Vorderen Westen aus - zur großen Kundgebung um 12 Uhr zum Rathaus gekommen.

Dort machte Sabine Lösing, Mitglied des Europäischen Parlaments, deutlich, dass allein Armut zu Kriegen führt. "Wenn man den Frieden will, muss man die Armut bekämpfen", forderte sie. Vehement sprach sich Lösung für die weltweite Abrüstung und forderte sogar die Abschaffung der Bundeswehr.

"Wir wollen eine andere Welt. Wir wollen Freiheit, Gleichheit und Solidarität", sagte Lösung. Zum diesjährigen Ostermarsch in Kassel hatten 23 Initiativen und Organisationen aufgerufen. Nach langen Jahren der Abstinenz zählte der SPD-Unterbezirk Kassel-Stadt erstmals wieder zu den Unterstützern. (bea)

Hessisch-Niedersächsische Allgemeine, 5. April 2010 (online)

(Ein umfassender Bericht über den Kasseler Ostermarsch erschien am 6. April in der Printausgabe, ist aber im Internet nicht verfügbar.)

Gelungener Ostermarsch in Müllheim

Über 200 Teilnehmer fordern Frieden und sozialen Fortschritt

Wenn sich über 200 Menschen am Ostermontag im äußersten Südwesten Deutschlands vor der Kaserne der Deutsch Französischen Brigade in Müllheim versammeln, dann ist Ostermarsch. Für eine Welt, die von Kriegen nichts mehr hält.

Der Sprecher des Friedensrates Markgräflerland, Ulrich Rodewald, ging in seiner Rede auf die Rolle der Deutsch Französischen Brigade in einer Politik ein, die mehr und mehr auf kriegerische Lösung von Konflikten setzt, als auf zivile Lösungen.

Rodewald hob entschieden Einspruch gegen die Kooperationsvereinbarung zwischen dem Kultusministerium Baden Württembergs und der Bundeswehr. Am Beispiel eines Besuchs einer Klasse des deutsch französischen Gymnasiums Freiburg bei der Brigade machte Rodewald deutlich, dass es mit dieser Vereinbarung nicht darum gehe, politische Bildung zu vermitteln, sondern junge Menschen für das Militär zu rekrutieren.

Zugleich prangerte Rodewald an, dass die Kaserne der Deutsch Französischen Brigade in Immendingen noch heute nach einem Soldaten der faschistischen Wehrmacht benannt ist.

Im zweiten Teil seiner Rede ging Rodewald auf die Rolle Deutschlands im Krieg in Afghanistan ein und forderte unter dem Beifall der Kundgebungsteilnehmer den sofortigen Rückzug der Soldatinnen und Soldaten. Gerade angesichts der jüngsten Ereignisse in Afghanistan forderte er die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr auf, das zu tun, was manche in Amerika längst getan haben: Den Befehl zum Töten zu verweigern, zu desertieren gegen den eigenen Fahneneid und diesen zu ersetzen durch die Treue zu einer Menschlichkeit, die jeder fühlen kann. Fröhlich, bunt und mit Musik setzte sich dann der Zug zum Ostermarsch durch Müllheim in Bewegung. Auf dem Marktplatz setzten sich Wolf Rosskamp vom DGB Müllheim/Neuenburg und Joachim Keim von der Evangelischen Arbeitnehmerschaft kritisch mit der Politik der gegenwärtigen Bundesregierung auseinander und forderten ein entschiedenes Umlenken zu mehr sozialer Gerechtigkeit

Eigenbericht des Friedensrates Markgräflerland




Zurück zur Seite "Ostermarsch 2010"

Zurück zur Homepage