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"Globalisierung führt zum Krieg" - Die Armen und die Militarisierung

Zwei Reden vom Ostermarsch Rheinland in Düsseldorf: Prof. Maria Mies und Dominikaner Wolfgang Sieffert

Im Folgenden dokumentieren wir zwei Reden, die beim diesjährigen Ostermarsch Rheinland in Düsseldorf am 10. April 2004 gehalten wurden.

Marie Mies

Die meisten Menschen glauben immer noch, dass Handel eine friedliche Angelegenheit sei und dass Kriege diesen "friedlichen Handel" behindern. Wenn wir uns aber die ältere und jüngere Geschichte des globalen, kapitalistischen Freihandels ansehen, stellen wir fest, dass Kriege bis heute diesen Handel vorbereiten, begleiten und ihm folgen. Nach den Worten eines holländischen Kolonisators aus dem 17. Jh. kann "Handel nicht ohne Krieg, noch Krieg ohne Handel geführt werden."

Versprechungen

Diese Erkenntnis erleben wir heute im Zeitalter der konzerngesteuerten, neoliberalen Globalisierung ganz konkret. Nach dem Ende der Blockkonfrontation um 1989 folgt ein Krieg auf den anderen. Gleichzeitig wurden auch weltweit die sogenannten neoliberalen Wirtschaftsreformen durchgesetzt, zuerst von Weltbank und IWF, später durch die WTO. Sie waren begleitet von großartigen Versprechungen wie: Der freie Welthandel schafft Wachstum, Arbeitsplätze, Wohlstand für alle, Freiheit, Demokratie und schließlich Frieden im globalen Dorf. Voraussetzung sei allerdings, das sich der Staat aus der Wirtschaft heraushalte. Der freie Weltmarkt und die universale Konkurrenz werde diesen paradiesischen Zustand, "wie durch eine unsichtbare Hand" schaffen. So Adam Smith, ein Vater der Freihandelslehre. Der ehemalige CDU-Wirtschaftsminister Rexrodt sagte: "Wirtschaftspolitik wird in der Wirtschaft gemacht."

Diese neue Wirtschaftspolitik basiert auf den grundlegenden Prinzipien: Globalisierung, d.h. Öffnung aller Grenzen für den freien Handel, Deregulierung bzw. Liberalisierung aller Gesetze und Regeln, die diesem Handel im Weg stehen, Privatisierung allen öffentlichen Eigentums wie der Telekommunikation, der Energie-, Verkehrs-Wasser-Bildungs-Krankenversorgungssysteme und vieler anderer öffentlicher Betriebe. Das Leitmotiv dieser Privatisierungen ist die Suche nach dem privaten Profit und die universale Konkurrenz. Arbeits-, Umwelt- und andere soziale Regelungen werden diesen Zielen untergeordnet.

Die Realität

Doch was ist aus den großartigen Versprechungen geworden? Weltweit haben Arbeitslosigkeit, Armut und Analphabetentum zugenommen. Wer kein Geld hat, kann sich weder die privaten Schulen noch das private Krankenhaus leisten. In vielen Ländern des Südens, wie z.B. in Indien sind ganze Flüsse wie der Ganges an transnationale Wasserkonzerne wie Suez oder Vivendi verkauft worden. Wenn Bauern dann noch Wasser aus diesen Flüssen nehmen, gilt das als Diebstahl. Nur wer Geld hat, bekommt Wasser. Coca Cola hat das Grundwasser in Kerala angezapft, um Trinkwasser in Flaschen zu füllen, die weltweit, eventuell auch hier verkauft werden. Die Folge, sämtliche Brunnen in der Umgebung der Fabrik sind ausgetrocknet. Im Kongo will die Regierung mit Hilfe der Weltbank den Tropenwald abholzen. In Indien hat es in den letzten Jahren eine ganze Epidemie von Selbstmorden unter Bauern gegeben, die ihre Schulden nicht mehr bezahlen konnten. Agrarmultis und Banken hatten sie überredet, für gentechnisch manipuliertes Saatgut Kredite aufzunehmen. Die Ernten waren ein Flop und sie blieben auf ihren Schulden sitzen.

Die Kluft zwischen den Globalisierungsgewinnern und der Masse der Globalisierungsverlierer ist heute größer denn je und wächst weiter. Das geben selbst die UNO und die Weltbank zu. Das gilt auch für die Kluft zwischen den reichen und den armen Ländern. Die Zahl der Menschen, die heute von einem Dollar/Tag leben müssen, hat in den letzten Jahren zugenommen. Da die Regierungen der meisten armen Länder Mitglied der WTO geworden sind, haben sie eine eigenständige Wirtschaftspolitik zum Wohle ihrer Bevölkerung aufgegeben. Auch sie haben den Versprechungen der Globalisierer geglaubt. Jetzt stellen viele fest, dass die reichen Länder sie wie Neokolonien ausplündern und dass sie nichts dagegen machen können. Der Finanzcrash in Südostasien (1997/98) hat Millionen von Menschen arbeitslos gemacht und in den Ruin getrieben. Er war verursacht durch die Öffnung der Kapitalmärkte für alle möglichen Spekulationen. Profitiert haben davon westliche Konzerne und Banken. Der kanadische Ökonom Chossudowsky nennt dies einen Krieg, in dem kein Blut floss. Doch diese neoliberale Politik führt auch zu blutigen Kriegen.

Die Weltbank hat selbst zugegeben, dass die neue Politik der Globalisierung, Deregulierung und Privatisierung zu sozialen Konflikten führen werde. Aber schließlich sei dies zum Wohle aller. Wir können jedoch feststellen, dass es hier tatsächlich um soziale Kriege geht. Ihre Folgen sind in vielen Ländern Kriege und gar Genozide. Diese Kriege werden dann durch uralte ethnische oder religiöse Unterschiede erklärt, nicht aber als Folge der Globalisierungspolitik.

Der soziale Krieg ist jedoch auch in die reichsten Länder zurückgekehrt, in die USA, nach England und nach Deutschland und die EU insgesamt. Auch hier geht die Schere zwischen Globalisierungsgewinnern und -Verlierern immer weiter auf. Auch hier wachsen oder stagnieren die Arbeitslosenzahlen, es gibt mehr Obdachlose und Bettler als vorher, viele Menschen müssen 2-3 Jobs haben, um überleben zu können. Um die neoliberalen "Reformen" in Deutschland, wenn auch verspätet durchzusetzen, beraubt die Regierung die Rentner, die Alten, die Kranken und die Jugend und nennt dies alles notwendig, um den "Sozialstaat umzubauen und so zu retten". Die Politiker betonen, dass andere Länder wie etwa England diese Reformen schon in den neunziger Jahren durchgeführt hätten. Hätten sich die deutschen Politiker z. B in England umgesehen, hätten sie auch gewusst, was die Resultate dieser Politik waren und sind, nämlich die tatsächliche Abschaffung des Sozialstaates.

Was wir heute erleben, ist auch in unseren Ländern schon ein regelrechter sozialer Krieg. Prinzipien wie Solidarität, Mitverantwortung, soziale Gerechtigkeit, Vorsorge für die Zukunft, Schutz der Umwelt werden alle auf dem Altar des ungebremsten Profits und der Konkurrenz geopfert. Es zählt nur der platte Egoismus und die betriebswirtschaftliche Logik. Das gilt selbst für karitative Einrichtungen. Nicht nur alle Parteien sondern auch die meisten Medien betrachten diese kapitalistische Politik als alternativlos.

Das neue Kriegssystem

Als genau so alternativlos haben sie akzeptiert, dass Kriege und Militarismus nun wieder "normal" geworden sind. Kanzler Schröder hat es sogar als Fortschritt bezeichnet, dass die "Tabuisierung des Militärischen" bei uns durchbrochen wurde. Zwar war er aus wahltaktischen Gründen gegen den Irakkrieg, aber er und seine Regierung gehören zu den heftigsten Betreibern einer europäischen Militarisierung, wie sie die geplante EU- Verfassung vorsieht.

Die grün-rote Bundesregierung hat jedenfalls dem Nato-Angriffskrieg im Kosovo zugestimmt und Truppen entsandt. Sie macht mit bei dem Anti-Terror-Krieg der US-Regierung in Afghanistan. "Am Hindukusch werden deutsche Interessen verteidigt" so Verteidigungsminister Struck. Im Irak hat sie sich zurückgehalten, hofft aber dennoch, dass sie bei der Verteilung der Kriegs-Beute und der Investitionen beim Wiederaufbau beteiligt sein werde.

Von Frieden im "globalen Dorf" kann jedenfalls keine Rede sein. Im Gegenteil. Offensichtlich kommt die ökonomische Globalisierung eben nicht ohne Krieg aus. Thomas Friedmann von der New York Times hat dies unmissverständlich formuliert. Macdonalds könne seine Hamburger weltweit auf dem Fastfood- Markt nur verkaufen, weil McDonell (ein Rüstungskonzern) die dazu gehörigen Kampfjets liefert, die vom Pentagon, wenn notwendig, eingesetzt werden. Die "unsichtbare Hand" des globalen Marktes kommt eben nicht ohne die "gepanzerte Faust" des Krieges aus. Nach dem 11.9. 2001 sind die Rüstungsausgaben in den USA aber auch bei uns sprunghaft gestiegen. Man kann wieder hören, Rüstung schaffe Arbeitsplätze und kurbele die Wirtschaft an. Der Grund für diese neue/alte militär-ökonomische Logik: Die wichtigsten strategischen Resourcen für die neoliberalen, globalisierten Ökonomien sind Öl, Erdgas, Rohstoffe aus der ganzen Welt, aber auch ungehinderte Verkehrswege für den Transport von billigen T-Shirts aus China, Schuhen aus Vietnam, Lebensmittel aus der ganzen Welt, Autos aus Japan, Computer aus Korea usw.
Globalisierung führt nicht nur zum Krieg sondern braucht auch Krieg.

Dieser "freie Handel" ist heute durch den Terrorismus bedroht. Darum gilt auch der Terrorismus als der neue große Feind. Alle neuen Kriegsstrategien haben sich auf diesen Feind eingeschossen. Er passt zu den neuen "Kriegen ohne Grenzen".

Er kann überall auftauchen und liefert die Rechtfertigung für alle möglichen neuen Angriffskriege, vor allem gegen Länder, die sich gegen die konzerngesteuerte Globalisierung sträuben, wie z.B. der Irak. Thomas P.M. Barnett schreibt über die neue Weltkarte des Pentagon:
"Je weniger ein Land an der Globalisierung teilhat, desto eher wird es eine militärische Intervention der Vereinigten Staaten heraufbeschwören." (zit. in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 5/2003) Diese Länder werden durch Krieg für den globalen "Freihandel" "geöffnet". Dass dabei das Völkerrecht mit Füssen getreten wird und dass das eigene Volk und die Welt nach Strich und Faden belogen werden muss, war von Anfang an klar. Inzwischen gibt es die US-Regierung selbst zu. Doch das ist auch Teil des neuen globalen Kriegsystems. Zuerst wird zugeschlagen. Rechtfertigen kann man sich später. So glauben die Kriegsherren.

Krieg nach innen

Dieser Krieg nach außen hat sofort den Krieg nach innen zur Folge. Dazu gehört der soziale Kahlschlag ebenso wie die Aushöhlung der Demokratie durch immer weitere Sicherheitsgesetze, die Schaffung eines Klimas der universalen Verdächtigung, der Panik, der Fremdenfeindlichkeit und die Zerstörung dessen, was wir unter einer zivilisierten Gesellschaft verstehen. Angeblich wollten die Amerikaner diese Werte durch ihre Kriege am Golf einführen. Das Resultat kennen wir. Die diesjährige Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi sagte: "Kein Volk kann durch militärische Interventionen von außen zur Demokratie gebracht werden. Die muss das Volk schon selbst erkämpfen."

Die Friedensdemonstrationen in den USA und in der ganzen Welt, der Erfolg der Anti-Globalisierungsbewegung in Cancun (Mexiko), die die WTO lahm legte, die hunderttausend, die im Januar beim Weltsozialforum in Mumbay (Indien), aus der ganzen Welt zusammengekommen waren, der Protest von Millionen von Menschen am letzten Samstag in Europa zeigen, dass die Menschen die Propagandalügen nicht mehr glauben, dass Kriege notwendig und die neoliberale, kapitalistische Globalisierung alternativlos sei.

Sie wollen eine andere Wirtschaft, eine andere Gesellschaft und eine andere Politik. Die Menschen glauben ihren Regierungen nicht mehr. Sie glauben nicht mehr an das Mantra, dass der globale Freihandel Wachstum, Arbeitsplätze, Wohlstand für alle, Gleichheit und Frieden bringen werde. Sie glauben vor allem nicht, dass der unverschämte Reichtum, der von einigen Globalisierungsgewinnern, wie z.B. Herrn Ackermann, an der Spitze der Gesellschaftspyramide angehäuft wird, schließlich nach unten "durchsickern" und schließlich allen zugute kommen werde. Sie verstehen jetzt, dass das Bild, mit dem Butterwegge diese kapitalistische Gesellschaft beschreibt, nämlich der Paternoster, die Situation richtiger beschreibt: DIE EINEN STEIGEN AUF, WEIL ANDERE NACH UNTEN SINKEN.

Einige häufen obszöne Reichtümer an, weil die ganze Natur geplündert und zerstört wird. Das gilt nicht nur in einzelnen Ländern, sondern auch weltweit.

Die Menschen beginnen zu verstehen, dass die neuen Kriege ein Resultat dieser globalisierten Wirtschaft sind.

Die neuen sozialen Bewegungen sind:
  • gegen die profitgesteuerte Globalisierung,
  • gegen Kriege und die Militarisierung Europas
  • gegen den Sozialraub
  • gegen den Abbau der Demokratie
  • gegen den Krieg gegen die Natur und eine verlogene Politik.
  • Sie sind für eine solidarische, gerechte, umweltbewusste Welt, die in Frieden mit der Natur und anderen Völkern lebt.
  • Wir sind die Mehrheit! Wir sind das Volk! Wir sind der Souverän! Nicht die Konzerne! Nicht das Kapital!

Wolfgang Sieffert*

"Für ein soziales und friedliches Europa" - Die Armen und die Militarisierung

"Jedes Gewehr, das produziert wird, jedes Kriegsschiff, das vom Stapel läuft, jede Rakete, die abgefeuert wird, ist in letzter Konsequenz ein Diebstahl: an denen, die hungern und nicht gespeist werden, an denen, die frieren und nicht gekleidet werden können."
US-Präsident Dwight D. Eisenhower, 16.4.1953

Liebe Freundinnen und Freunde,
ich komme mir fast wie ein Depp vor, wenn ich hier vor Euch und Ihnen daran erinnere
  • dass nicht erst Krieg, sondern schon militärisches Rüsten tötet,
  • dass fast eine Milliarde Menschen hungert - also langsam stirbt,
  • täglich 20.000 Kinder Hungers sterben und im gleichen Zeitraum allein die USA eine Milliarde Dollar für Militär vergeudet,
  • dass die Armen ärmer und die Reichen reicher gemacht werden.
Und nicht nur wir hier wissen das, nein, auch die allermeisten, die jetzt nicht hier sein können oder wollen. Aber aus diesem Wissen werden nur die allermindesten Konsequenzen gezogen, die nötig sind, um Reichtum und Macht dauerhaft zu sichern.

Die Ausgaben für militärische Massenmordtechnologie kommen angesichts wachsenden Elends massenhaftem Mord gleich. Unrechtsverhältnisse, in denen sich einige bereichern, werden mit Waffen abgesichert.

Mehrfach bedrohen Rüstung und Interventionsdoktrinen die Menschen: neben Kriegen und Verarmung ist ein schleichender Verlust des Wertes jedes menschlichen Lebens die Folge. Das greift dann prima ineinander, wenn nicht die Reichen, sondern Arme und Normalverdienende die Lasten des Gemeinwesens bezahlen sollen. Die jährlich steigenden Wirtschaftserträge werden aus dem Blick gehalten und eine perverse Lüge greift in immer mehr Köpfen immer mehr Platz: dass die Armen selbst schuld seien. Arbeitslose, MigrantInnen, Kranke, Behinderte und Alte seien schuld am rasanten Sozialabbau, den wir erleben. Ihnen wird alle Last aufgebürdet, das große Geld bleibt von der verfassungsgemäßen Sozialverpflichtung befreit.

In höchstem Maße ärgerlich ist es da, dass der Verfassungsentwurf für die EU das Design für ein militarisiertes Europa erstellt mit Aufrüstungsverpflichtung, Entmachtung der Parlamente in Sicherheitsfragen, Erweiterung globaler Interventionsmöglichkeiten. Der außenpolitische Beauftragte der EU, Solana, redet einer Doktrin das Wort, die der Präventivkriegdoktrin Bushs in nichts nachsteht und unserer Verfassung schlicht widerspricht. Der EU-Verfassungsentwurf enthält konsequenter Weise keinerlei Verpflichtungen zu ziviler Konfliktlösung, Kriegsprävention durch Gerechtigkeit oder ökologischem Lebensschutz. Ebenso zerplatzt mit ihm die Vision eines sozialen Europas, wenn die Menschen der EU nicht aufstehen. Zu Arbeitnehmerrechten und sozialer Absicherung hält der Entwurf nicht mehr als schöne Worte bereit.

Der ehemalige Chef von Ford-Deutschland, Daniel Goeudevert, sieht die Gefahr, dass in der Marktwirtschaft die Versachlichung des Warentausches auf andere Lebensbereiche übergreife, wo das Kalkül von Gewinn und Verlust nichts zu suchen habe. Ich sehe nicht die Gefahr, sondern dass das so ist, wenn Menschen mit sozialen Problemen als Kostenfaktoren und Tote in Kriegen als Kollateralschäden im weltweiten Terrorkampf gesehen und bezeichnet werden. Christlich benannt ist das Götzendienst, ein Kult, der den Götzen Kapital anbetet. Diesem Götzen werden Menschen geopfert.

Wir dürfen nie übersehen, dass es auf der ganzen Erde Opfer einer Globalisierung der Gier gibt: das sind zum Beispiel jene, die täglich für den Preis einer Kaugummipackung unsere Kleider und Computerchips herstellen. Die Arbeitenden und Armen sind überall von der brutalen Weltwirtschaft betroffen und müssen global zusammenstehen. Die Deutschen Bischöfe haben in ihrem Hirtenwort "Gerechter Frieden" im Jahr 2000 den Zusammenhang zur Militärpolitik der reichen Blöcke angesprochen: "Es wäre fatal, wenn die Länder des Nordens ihre vordringliche Aufgabe darin sähen, sich vor den Armen, die in besonderer Weise der Erfahrung von Not, Gewalt und Unfreiheit ausgesetzt sind, zu schützen statt ihnen beizustehen" (S. 80). Weiter heißt es: "Die Solidarität mit den Armen ist Teil unseres kirchlichen Engagements. ... Die wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Stärkung der Armen ruft ihrerseits in vielen Fällen gesellschaftliche Konflikte hervor. Denn wenn bestehende Machtverhältnisse in Frage gestellt werden, trifft dies regelmäßig auf den Widerstand der bislang Mächtigen und Privilegierten." (S.97). Das gilt hier wie international.

Auch angesichts von Medien, die nicht die Drahtzieher der neoliberalen Profitreligion, sondern ihre Opfer kritisieren, scheinen mir Friedensbewegung wie ChristInnen manchmal ratlos erstarrt zu stehen. Es gilt für uns, aus Apathie und Duldung aufzuwachen und aufzustehen und viele dabei mitzunehmen, wenn wir uns auf christliche und soziale Werte besinnen, wenn wir die Augen öffnen und handeln. Gegen die Terrorbereitschaft unserer Welt hilft nur eine Dialogkultur der Gerechtigkeit, wie sie Papst Johannes Paul II. und die Ökumene der ganzen Christenheit mit Nachdruck fordern: der Terror von oben gegen die Armen muss beendet werden, Frieden und Freiheit dürfen nicht länger als Parolen zur Sicherung von Reichtum missbraucht werden. Europa braucht eine Verfassung, die wie unser Grundgesetz schon die geringste Vorbereitung von Angriffskriegen unter Strafe stellt. Die oberste Leitlinie eines glaubwürdigen Europas wäre soziale Gerechtigkeit. Wenn wir Frieden wollen, gibt es dazu keine Alternative.

Quellenangaben:
  • Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Gerechter Friede, Bonn 2000.
  • Sören Widmann: Der EU-Verfassungsentwurf, in: Ohne Rüstung leben - Informationen 2/2004.
  • Albert Fuchs: Friedensmacht Europa? Forget it or fight for it! Zur EU-Militarisierung nach dem Verfassungsentwurf vom Juni/Juli 2003. http://www.lebenshaus-alb.de/mt/archives/002203.html.
  • Clemens Ronnefeldt (2004): Krieg ist keine Lösung - Alternativen sind möglich www.versoehnungsbund.de.
* Wolfgang Sieffert OP, Jahrgang 1957, ist Gefängnisseelsorger und gehört dem kath. Dominikanerorden an, der sich weltweit für Dialog und Gerechtigkeit einsetzt. Selbst ist er Mitglied bei den Ordensleuten für den Frieden, Pax Christi und im Ökumenischen Friedensnetz Düsseldorfer Christinnen & Christen (www.ofdc.de). In Düsseldorf setzt er sich für Arme ein, z.B. als Mitbegründer der Altstadt-Armenküche und im Rahmen der Ökumenischen Erklärung für die Rechte von Menschen auf der Straße.


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