Horst Schmitthenner*: "Mr. Bush, reißen Sie die Mauer in Ihrem Kopf nieder!"
Rede auf der Kundgebung der Friedensbewegung am 21. Mai 2002 in Berlin
* Horst Schmitthenner sprach in berlin für die IG Metall. Er ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied der
Industriegewerkschaft Metall.
Liebe Freundinnen und Freunde, Kolleginnen und Kollegen,
anlässlich des Bush-Besuches haben wir uns hier zusammengefunden, um
gemeinsam für eine Politik der friedlichen Zusammenarbeit und des weltweiten
sozialen Ausgleichs zu demonstrieren.
Dies erfordert natürlich auch eine kritische Auseinandersetzung mit der
aktuellen Politik der US-Regierung und mit der Nato-Strategie.
Diese Auseinandersetzung soll uns offenbar erschwert werden, indem uns
vorgeworfen wird,
-
wir zerstörten die historischen Bande zu den Vereinigten Staaten,
- wir würden Gewalt bei Demonstrationen akzeptieren, oder
-
- und das ist der Gipfel der Geschmacklosigkeit - wir distanzierten uns nicht
hinreichend von den Terroranschlägen in der Welt.
Um also gewollten und ungewollten Missverständnissen vorzubeugen: Es gibt
keine Rechtfertigung für terroristische Mordanschläge, weder in den USA,
noch in Tunesien und natürlich auch nicht in Israel!
Aber: So wenig wir Terror akzeptieren, so unmißverständlich sind wir gegen
den Krieg!
Glauben die Nato-Strategen wirklich, dem Terror beizukommen, indem sie ohne
Rücksicht auf die Zivilbevölkerung ganze Länder zerbomben?
Glaubt die israelische Staatsführung wirklich, Anschläge könnten bekämpft
werden, indem fremde Territorien besetzt, Häuser zerstört und
palästinensische Führer ermordet werden?
Ich glaube es jedenfalls nicht!
Der Konflikt zwischen Israel und Palästinensern kann nur beendet werden,
wenn beiden das Recht auf einen eigenen Staat in sicheren Grenzen und mit
akzeptablen sozialen Lebensbedingungen garantiert wird.
Eine aktive Friedenspolitik bedarf kollektiver Sicherheitstrukturen.
Das Völkerrecht ist dabei eine Voraussetzung, um Krieg und Terrorismus zu
verhindern. Zu seiner Stärkung gehört die Einrichtung eines Internationalen
Strafgerichtshofs. Den Versuch der USA, ihre Militärgerichte allzuständig zu
machen, lehnen wir ab.
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Machtzentren der neuen Weltordnung liegen in
den USA und den Staaten Westeuropas. Von dort muss daher die Wende in der
internationalen Politik ausgehen.
Doch von einer solchen Wende sind wir weit entfernt. Denn die neue Strategie
der Nato zielt in die entgegen gesetzte Richtung. Die Nato ist vom Verteidigungsbündnis nun auch offiziell zum
Interessenvertretungsbündnis umgebaut worden. Die Nato-Interessen liegen in allen Teilen der Welt. Entsprechend ist auch
das Nato-Einsatzgebiet erweitert worden. In diesen Wandel ist die Bundeswehr
still und leise einbezogen. Ob interveniert wird, hat dabei wenig mit Menschenrechten und viel mit den
Interessen der Mächtigen zu tun.
Da kann ich nur sagen: Nicht mit uns!
Bekämpfen müssen wir nicht die Völker, sondern die Ungleichheit in der Welt.
Da ist nicht nur die immer weiter auseinander driftende Vermögens- und
Einkommensverteilung.
Da ist z.B. auch die höchst unterschiedliche Lebenserwartung der Menschen.
Und in ganzen Landstrichen kann von einer Gesundheitsversorgung nicht
geredet werden.
Ja, ein Großteil der Menschen in den unterentwickelt gehaltenen Ländern hat
nicht einmal freien Zugang zu sauberem Wasser.
In dem wir die Ungleichheit bekämpfen, entziehen wir auch terroristischen
Anschlägen eine wesentliche Grundlage. Die Kriegseinsätze gegen Afghanistan sind immer noch nicht beendet.
Immer noch gibt es neue Opfer in der Zivilbevölkerung zu beklagen, immer noch leben große Teile der afghanischen Bevölkerung in Elend und Not.
Wir sagen: Beendet endlich den Krieg in Afghanistan!
Noch tun sie es nicht. Im Gegenteil: schon wird in US-Regierungskreisen das
nächste Kriegsziel ins Visier genommen: Der Irak!
Die US-Sicherheitsberaterin Rice fordert von der Bundesregierung, mit dafür
zu sorgen, dass keine Massenvernichtungsmittel in den Irak gelangen.
Da kann ich nur sagen: Das ist eine Selbstverständlichkeit! Das muß für alle
Teile der Welt - und nicht nur für den Irak - gelten!
Aber die US-Regierung glaubt, dies hinsichtlich einzelner Länder besonders
betonen zu müssen.
Heißt das, ansonsten ist der Export von Massenvernichtungsmitteln an der
Tagesordnung?
Oder geht es darum, einen Militärschlag gegen den Irak zu legitimieren?
Liebe Freundinnen und Freunde, Liebe Kolleginnen und Kollegen,
es liegt an uns, die neue Nato-Strategie an das Licht der Öffentlichkeit zu
rücken.
Wir müssen den gesellschaftlichen Widerstand mobilisieren. Unser Widerstand
ist auch aus innenpolitischen Gründen unverzichtbar. Denn die
Militarisierung der Politik zerstört die solidarische und demokratische
Substanz in unserer Gesellschaft.
Unter dem Deckmantel von Anti-Terror-Gesetzen werden erneut Bürgerrechte
eingeschränkt. Der Sicherheitsstaat wird weiter aufgerüstet.
Und zur Finanzierung internationaler Militäreinsätze werden Gelder
verpulvert, die uns für soziale Zwecke fehlen.
Wir brauchen keine hochtechnisierte Armee, die in allen Teilen der Welt
eingreift.
Wir brauchen die drastische Senkung des Rüstungshaushaltes! Weder die neue
Stellung Deutschlands durch die Vereinigung, noch die Terroranschläge geben
Anlass, unsere friedenspolitischen Grundpositionen zu verlassen.
Uneingeschränkte Solidarität kann es nicht mit dem Kriegskurs der
US-Administration geben.
Solidarität muss es mit der Zivilbevölkerung geben, die unter diesem
Kriegskurs zu leiden hat.
Das Geld, das bisher in die Rüstungsindustrie gestopft wurde, sollte für
vernünftige Zwecke verwendet werden. Zum Beispiel:
-
für den Ausbau des öffentlichen Personennah- und -fernverkehrs,
- für Energiesparkonzepte
-
oder auch für das Gesundheitswesen - und den Bildungsbereich.
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Kolleginnen und Kollegen,
nur durch starke demokratische Bewegungen kann es gelingen, die Regierung
der Metropolen zu einem Kurswechsel zu zwingen. In diesem Sinne möchte ich
meine Rede mit einem Appell an die US-Administration beenden:
Präsident Bush, wenn sie nach Frieden streben, wenn sie Wohlstand für alle
Menschen wollen.... Mr. Bush, dann reißen Sie die Mauer in Ihrem Kopf
nieder!
Ermöglichen Sie eine friedliche und gerechte Entwicklung für alle Menschen!
Zurück zur Seite "Bush-Besuch"
Zur Seite "Gewerkschaften und Friedensbewegung"
Zurück zur Homepage