Carmen Ludwig*: "Innere Sicherheit" geht vor Rechtsstaatlichkeit
Rede auf der Kundgebung der Friedensbewegung am 21. Mai 2002 in Berlin
* Carmen Ludwig (Universität Gießen) sprach als Vertreterin des
Freiwilligen Zusammenschlusses der Studierendenschaft (fzs)
Liebe Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner,
wir Studentinnen und Studenten lehnen die Militarisierung der Innen- und
Außenpolitik entschieden ab! In den vergangenen Monaten wurde in nicht
gekannten Ausmaß Sicherheitspanik geschürt und rassistische Vorurteile
propagiert.
Es ist eine rot-grüne Bundesregierung, die seit Monaten Krieg führt und
die die sog. Anti-Terror-Gesetze beschlossen hat. Damit hat sie Innere
Sicherheit vor Rechtsstaatlichkeit gestellt, Bürgerrechte als
Terroristenschutz abgehandelt und vor allem die Freiheiten von
Ausländerinnen und Ausländern erheblich beschränkt. Diese Politik lehnen
wir Studentinnen und Studenten der BRD entschieden ab! Wir müssen uns
gegen die Militarisierung und gegen den zunehmenden Abbau von Grund- und
Freiheitsrechten zur Wehr setzen!
Mit Rasterfahndung und Sicherheitspakten erleben wir in der BRD aktuell,
wie unsere Grundrechte beschnitten und rassistische Ressentiments
geschürt werden. Durch die bundesweiten Rasterfahndungen werden
Ausländerinnen und Ausländer unter den Generalverdacht des Terrorismus
gestellt. Wir Studentinnen und Studenten fordern den sofortigen Stop der
Rasterfahndungen und verlangen, dass die Betroffenen informiert und ihre
Daten umgehend gelöscht werden!
In Hessen wurde die Rasterfahndung mittlerweile für unzulässig erklärt.
Der hessische Innenminister will nun jedoch die Gesetze, die die
Grundrechte schützen und ihm somit bei der staatlichen Überwachung im
Weg sind, in den nächsten Wochen verschärfen. Damit offenbart sich
einmal mehr das Rechtsstaatsverständnis der Sicherheitsfanatiker.
Auch durch die jüngst verabschiedeten Sicherheitspakete werden
Ausländerinnen und Ausländer zukünftig noch stärkerer Kontrolle und
Diskriminierung ausgesetzt. Die faktische Abschaffung des Datenschutzes,
die Erhebung von biometrischen Daten und Spracherkennungsmaßahmen sind
nur einige der Diskriminierungen und Schikanen, die Ausländerinnen und
Ausländer zukünftig über sich ergehen lassen müssen. Unter dem Vorwand
der Terrorismusbekämpfung wird die Abschottungspolitik der BRD gegenüber
Flüchtlingen und MigrantInnen verschärft und das Grundrecht auf Asyl
noch weiter eingeschränkt.
Auch die Kompetenzen der Geheimdienste wurden drastisch erweitert.
Niemand kann zukünftig vor Überwachung und Schnüffelei sicher sein, eine
demokratische Kontrolle gibt es nicht. Geheimdienste sind in höchstem
Maße undemokratisch und gehören abgeschafft! Die sog. Sicherheitsgesetze
müssen umgehend rückgängig gemacht und die rassistische
Sondergesetzgebung beendet werden!
Die Bundesregierung hat ihre Maßnahmen mit dem Schutz von Freiheit und
Demokratie gerechtfertigt. Gerade aber diese hat sie mit den
Sicherheitsgesetzen angegriffen und eingeschränkt. Wohin diese
Entwicklung führt, zeigt ein Blick auf die innenpolitischen Repressionen
in den USA. Dort entscheiden teilweise nicht mehr Gerichte, sondern
geheim tagende Militärtribunale auch über Todesurteile.
Verdächtigungen reichen zur Anklage aus, Revisionsmöglichkeiten selbst
bei Todesurteilen gibt es nicht. In Folge des 11. Septembers wurden über
1.000 Menschen in den USA ohne Begründung oder Angabe über ihren
Verbleib unbefristet inhaftiert. Ab Juli wollen die USA mit einem
umfassenden Sicherheitsnetz ausländische Studierende an Universitäten
überwachen. Dafür soll ein eigenes Computersystem zwischen Hochschulen
und Einwanderungsbehörden aufgebaut werden, um bei Unregelmäßigkeiten
sofort mit Abschiebung zu reagieren.
Benjamin Franklin hat einmal treffend formuliert: Wer Freiheit der
Sicherheit opfert, wird beides verlieren.
Deshalb sagen wir Studentinnen und Studenten:
Nein zum Abbau von Demokratie und Grundrechten!
Nein zu Rassismus!
Nein zum Krieg!
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