"Opas Friedensbewegung" ist erstaunlich jung geworden
Friedliche Massenproteste anlässlich des Bush-Besuchs - Friedensratschlag bilanziert die Aktionen in einer Presseerklärung - Erklärung der "Achse des Friedens"
Im Folgenden dokumentieren wir eine Bilanz-Presseerklärung des
Bundesausschusses Friedensratschlag vom 22. Mai 2002 sowie eine Erklärung der Berliner "Achse des Friedens" vom 23. Mai 2002.
Pressemitteilung
Kassel/Berlin, den 22. Mai 2002-
Massenproteste der Friedensbewegung verliefen friedlich
- Jugendliche prägen die Aktionen
- Bundesregierung gerät in Nöte
- Empörung über "Zensur"
Große Zufriedenheit herrscht in den Reihen der Veranstalter der großen
Proteste, die am 21. Mai (Berlin) und am 22. Mai im ganzen Bundesgebiet
anlässlich des Besuchs des US-Präsidenten stattgefunden haben. Die
Teilnehmerzahlen bei der bundesweiten Demonstration in Berlin haben alle
Vorhersagen übertroffen. Peter Strutynski, einer der
Sprecher der bundesweiten "Achse des Friedens" sagte: "Eingehalten haben
wir unser
Versprechen, dass die Aktionen vollkommen friedlich verlaufen würden.
Das öffentliche Gerede einiger Politiker im Vorfeld der Demonstration
war eine unverantwortliche Stimmungsmache. Seit über zwanzig Jahren
pflegt die Friedensbewegung in der Bundesrepublik eine
Demonstrationskultur der Gewaltlosigkeit, an der sich die Politik ruhig
auch einmal ein Beispiel nehmen sollte."
Die Friedensaktionen zeichneten sich durch die Teilnahme vieler junger
Menschen aus. Hoffentlich ist damit das gelegentliche Mediengerede von
"Opas Friedensbewegung" nun verstummt. Die Jugend lässt sich offenbar
nicht mehr mit den Kategorien der "Freizeit"- oder "Spaßgesellschaft"
beschreiben. Sie ist engagiert und macht sich ihre eigenen Gedanken über
die Zukunft unserer Erde. Damit gerät sie unweigerlich in Widerspruch
mit der herrschenden Politik der Führungsmacht der westlichen Welt.
Die Friedensbewegung ist politischer und entschiedener geworden als sie
es in den 80er Jahren war. Sie kritisiert nicht den US-Präsidenten
punktuell nur wegen dessen Kriegsvorbereitung gegen den Irak, sondern
nimmt die globale Politik der USA und der übrigen G7-Staaten ins Visier.
Die Redner auf der Kundgebung in Berlin wie Jean
Ziegler, Rolf Wischnath und Horst Schmitthenner haben das genauso
unterstrichen
wie etwa der Sänger Konstantin Wecker mit seiner Band.
Die Aktionen der Friedensbewegung wurden am heutigen Mittwoch, 22. Mai,
mit dem "Bush-Trommeln für den Frieden" im ganzen Land fortgesetzt. Aus
60 Orten sind uns lokale und regionale Aktionen gemeldet worden -
erfahrungsgemäß ist das nur ein kleiner Teil dessen, was tatsächlich
stattfand. Viele Tausend Menschen sind also heute noch
einmal unterwegs gewesen, haben Mahnwachen, Demonstrationen und
Kundgebungen veranstaltet und haben - zeitgleich im ganzen Land - um 18
Uhr mit Trommeln, anderen
Instrumenten und Kochtöpfen Lärm gemacht. Es sollte bis an Bushs Ohren
dringen - das dürfte auch gelungen sein.
Aktionen - die uns gemeldet wurden - fanden statt in:
Aachen, Aschaffenburg, Augsburg, Bad Hersfeld, Belzig,
Bergisch-Gladbach, Berlin, Bielefeld, Bochum, Bonn, Braunschweig,
Bremen, Bremerhaven, Cochem, Cottbus, Dortmund,
Duisburg, Düsseldorf, Erfurt, Frankfurt a.M., Freiberg (Sachsen),
Freiburg, Fulda, Göttingen, Hagen, Halle (Saale), Hamburg, Hannover,
Heilbronn, Herne, Karlsruhe,
Kassel, Kastellaun (Hunsrück), Kiel Koblenz, Köln, Leipzig, Lüdenscheid,
Mannheim, Marburg, München, Münster, Nottuln, Nürnberg, Oldenburg,
Potsdam, Rotenburg a.d.Fulda, Siegen, Simmern/Hunsrück, Stuttgart,
Stuttgart-Vaihingen, Trier, Tübingen, Waiblingen,
Wiesbaden, Wiesloch, Wolfsburg, Worms, Wuppertal, Würzburg.
Die Kritik der Friedensbewegung richtete sich nicht nur an die Adresse
der USA, sondern auch an die der Bundesregierung. Gefordert wird, dass
sie ihre verhängnisvolle Politik der "uneingeschränkten Solidarität" mit
den USA aufgibt und sich für eine zivile Politik der Terror- und
Verbrechensbekämpfung stark macht. Gerade im Wahljahr werden die
Ansprüche der Wähler an Rot-Grün, zu ihrer vor vier Jahren versprochenen
"Friedenspolitik" zurückzukehren, immer lauter. Strutynski: "Wer auf die
Friedensbewegung nicht hört, wird Stimmen verlieren."
Auf helle Empörung bei den Friedensdemonstranten ist die Nachricht
gestoßen, dass eine als liberal eingeschätzte überregionale Tageszeitung
es abgelehnt hat, einen Aufruf der Friedensbewegung ("Wir wollen Ihre
Kriege nicht, Herr Präsident ... Wir wollen überhaupt keinen Krieg") als
bezahlte Anzeige zu veröffentlichen. Beim Bundesausschuss
Friedensratschlag, der die Anzeige organisiert hatte, treffen seit Tagen
unaufhörlich Kopien von Protestbriefen gegen den Zeitungsverlag und
Abo-Kündigungen ein. Der Sprecher des Friedensratschlags wertete die
völlig überraschende Verweigerung der Verleger als einen "Maulkorb" für
die Friedensbewegung und als einen "eklatanten Verstoß für die
grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit".
F.d. Bundesausschuss Friedensratschlag:
Dr. Peter Strutynski (Sprecher)
(gleichzeitig einer der Sprecher der "Achse des Friedens", welche die
bundesweite Kundgebung in Berlin organisiert hat)
Mitteilung an die Presse
Berlin, 23.5.2002
Ein machtvolles Signal gegen die Politik von US-Präsident Bush und die
Politik von Rot-Grün
Achse des Friedens zieht positive Bilanz aus ihren Aktivitäten
Berlin, 23.5.02 "Bunt, vielfältig, pluralistisch, originell und vor allem
friedlich". so resümiert Laura von Wimmersperg die beiden
Großdemonstrationen und Kundgebungen des bundesweiten Bündnisses "Achse des
Friedens", welche als Zusammenschluss von über 230 Organisationen und
Gruppen die Veranstaltungen getragen hat. Das Bündnis versammelt eine große
Vielfalt von gesellschaftlichen Kräften und politischen Bewegungen von der
Friedensbewegung über die globalisierungskritische Bewegung und
Umweltbewegung bis hin zu Gewerkschaften und Kirchen.
Bereits am Dienstag, den 21.5., hatten sich zur bundesweiten
Großdemonstration über 70.000 Menschen in Berlin versammelt und waren
friedlich vom Bebelplatz/Unter den Linden bis zur Abschlusskundgebung am
Alexanderplatz gezogen. Bei der Kundgebung brachten Vertreterinnen und
Vertreter von Kirchen, Gewerkschaften, Globalisierungskritikern und
israelischen wie palästinensischen Friedensgruppen die Kritik an der Politik
der USA und von Rot-Grün auf den Punkt. "Wir wollen Ihre Kriege nicht, Herr
Präsident. Wir wollen überhaupt keinen Krieg!". Ebenso wurde die neoliberale
Globalisierung verurteilt, die weltweite Ungleichheit, Ungerechtigkeit und
soziale Verelendung verschärft und damit einen Nährboden für Terrorismus und
Krieg erzeugt. Der rücksichtslose Unilateralismus der Bush-Administration
(z.B. Blockade gegen den internationalen Strafgerichtshof und das
Kyoto-Protokoll) wurde scharf kritisiert. Diese Kritik an der Politik von Bush und Rot-Grün wurde durch Redebeiträge und Musikdarbietungen von prominenten RednerInnen (z.B. Horst Schmitthenner,
IG Metall; Jean Ziegler, UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf
Nahrung) und Künstlern (Barbara Thalheim, Konstantin Wecker) vermittelt.
Am Mittwoch, den 22.5., war der Tag der bundesweiten dezentralen Aktionen,
zu denen die "Achse des Friedens" und vielerlei andere Gruppen aufgerufen
haben. "In über 60 Städten haben Menschen mit gemeinsamem "Bush-Trommeln" um
18 Uhr ein eindrucksvolles bundesweites Signal gegen die Politik der
US-amerikanischen und deutschen Regierung gesetzt", sagte Philipp Hersel von
der "Achse des Friedens" und von Attac.
In Berlin gab es eine Grossdemonstration mit über 30.000 Teilnehmenden, die
sich nach dem Trommeln um 18 Uhr in Bewegung setze. Diese Demonstration
verlief vollkommen friedlich und war ebenso bunt und vielfältig wie die des
Vortages. Bereits im Laufe des Tages haben Tausende an dem festivalartigen
Veranstaltungsprogramm auf der "Achse des Friedens" vom Berliner Dom bis hin
zur Humboldt Universität teilgenommen. Parallel zur Grossdemonstration fand
ein ökumenisches Gebet der Weltreligionen vor dem Berliner Dom statt.
Insgesamt habe auf diese Weise ca. 40.000 Menschen an der Veranstaltung
"Achse des Friedens" in Berlin teilgenommen.
Als die Demonstration gegen ca. 20.30 am Lustgarten eintraf, hatte die
Polizei ohne weitere Rücksprache mit der "Achse des Friedens" das
Kundgebungsgelände wesentlich eingeschränkt, indem statt der vereinbarten
Absperrung am Bebelplatz eine Kette von Polizeifahrzeugen und behelmten
Beamten die Schlossbrücke abriegelte und so in unmittelbarer Nähe zur
eintreffenden Demonstration sichtbar einsatzbereit aufmarschiert war.
Daraufhin stellte sich ein Block jugendlicher Aktivisten ca. 40 Meter
gegenüber der Polizeisperre auf und ließ sich durch die Polizei zu ca. 8 bis
10 Flaschenwürfen provozieren. Diese stellten jedoch keinerlei Bedrohung
dar, da die Flaschen ausschließlich innerhalb des 40 Meter breiten Streifens
auf den Boden fielen. Zudem hatten Ordner der "Achse des Friedens" eine
Kette zwischen Polizei und Demonstranten gebildet. Zu diesem Zeitpunkt hat
die "Achse des Friedens" ihre Demonstration beendet.
Der "Achse des Friedens" wurde zu diesem Zeitpunkt von der bis dahin
zuständigen Einsatzleitung der Berliner Polizei mitgeteilt, dass sie ab
sofort durch eine anderen Einsatzleitung abgelöst werde. Die "Achse des
Friedens" unterstreicht, dass es bis dahin, auch schon am Dienstag, eine
sehr konstruktive Zusammenarbeit mit der Polizei gegeben hat. Die neue
Einsatzleitung verfügte daraufhin offenbar, dass Beamte des
Bundesgrenzschutzes vom diagonal gegenüberliegenden Alten Museum (Ecke zum
Berliner Dom) quer durch tausende friedlich auf dem Lustgarten sitzende
Demonstrantinnen und Demonstranten zur Unterstützung Richtung Schlossbrücke
losgeschickt werden. "Da saßen Tausende friedlich auf dem Boden und hörten
der Musik zu, und plötzlich pflügt der Bundesgrenzschutz in Hundertschaften
diagonal da durch", beschreibt Ruben Lehnert die plötzlich neue
Einsatzstrategie der Polizei. "Die Menschen wurden systematisch von der
Polizei verängstigt und Hysterie geschürt. Das war nicht nur völlig
unverhältnismäßig, sondern aggressiv.". Der Wechsel in der Einsatzleitung
kombiniert mit dem "Durchpflügen" seitens des Bundesgrenzschutz erweckt aus
Sicht der "Achse des Friedens" stark den Eindruck, dass die Polizei sich ab
diesem Zeitpunkt von jeglicher deeskalierender Strategie verabschiedet hat.
"Von diesem Zeitpunkt an hatte die Polizei offensichtlich keinerlei
Interesse mehr daran, dass unsere Veranstaltung friedlich zuendegeht", erklärt Lehnert. Dass diese Verhaltensänderung der Polizei möglicherweise auch politische Hintergründe hatte, schließt die Achse des Friedens nicht aus.
Unbeschadet der unfriedlichen Zwischenfälle gestern ist die "Achse des
Friedens" überzeugt, die konkrete Kritik an der Politik der USA und der
Bundesregierung lautstark in die Öffentlichkeit getragen zu haben. "Die
vergangenen Tage waren eine machtvolle Demonstration, dass die
Militarisierung deutscher Außenpolitik, die unkritische Haltung der
Bundesregierung gegenüber Präsident Bush und die neoliberale Globalisierung
in breiten Teilen der Bevölkerung auf klare Ablehnung stößt", resümiert
Philipp Hersel.
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