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Ein friedensethischer und völkerrechtlicher Einspruch gegen den Krieg als Mittel der Politik

Von Reinhard Voß

Im Folgenden dokumentieren wir die Rede von Reinhard Voß, Generalsekretär von pax christi, auf der Auftaktkundgebung am Breitscheidplatz.

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
sehr geehrte Damen und Herren!

Am 10.10.1981 haben viele von uns im Bonner Hofgarten für Frieden und Abrüstung demonstriert und eine neuen Friedensbewegung begründet. Auch pax christi, für die ich hier stehe, weitete ihre langjährige Versöhnungsarbeit aus und beteiligt sich seither aktiv an Abrüstungs-Kampagnen und am Aufbau neuer Ziviler Friedensdienste.

Heute ist das gesellschaftliche Bündnis gegen den Krieg so stark wie damals - ja noch stärker. Immer deutlicher wird immer mehr Menschen, dass Krieg keine Zukunft haben darf und keine friedliche Zukunft schaffen kann! Krieg ist historisch überholt. Er muss abgelöst werden durch eine neue Weltinnenpolitik im Rahmen der UNO mit rechtlichen Standards, die polizeilich und juristisch, aber nicht mehr - nie mehr, auch nicht als "letztes Mittel" - kriegerisch durchgesetzt werden.

Der geplante Irakkrieg unter Führung der USA und Großbritanniens - und weitere geplante Kriege - gehen angeblich gegen den Terror, in Wirklichkeit viel mehr um Machtausweitung und Rohstoffsicherung. Diese Kriege sind völkerrechtlich und ethisch unverantwortlich. Ein Präventivkrieg gegen den Irak ist "illegal, unmoralisch und nicht zweckdienlich", hat pax christi letzte Woche gewarnt. Aber auch mit mehrheitlicher Billigung des UN-Sicherheitsrates wäre er weder ethisch zu rechtfertigen noch sachlich zu begründen. Dieser Krieg würde nicht mehr Frieden und Demokratie schaffen, sondern mehr Angst, mehr Terror, mehr Rüstung, mehr Massenvernichtungsmittel, mehr Spaltung in der Welt. Auch Saddam Husseins Diktatur kann anders überwunden werden als durch Krieg - für Dutzende ähnlicher Staaten gilt dasselbe!

Unrecht und Ungerechtigkeit werden nicht durch Krieg überwunden, sondern durch geduldige politische Arbeit, durch Proteste und Friedensdienste, durch Verhandlungen und Konferenzen. "Wandel durch Annäherung" hat Europas Spaltung überwinden helfen. Und die Friedensbewegungen auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs, der auch Berlin durchteilte, haben Vertrauen aufgebaut und eine gewaltfreie Revolution der Verhältnisse ermöglicht. Vergessen wir das nicht!

Wir brauchen eine Stärkung der UNO - und keine Hegemonialpolitik!
Wir brauchen eine verstärkte Abrüstung - aber doch nicht durch Krieg, welch ein Widerspruch in sich! Und welch eine Lüge, wo doch die USA ihren Militäretat 2003 auf fast 400 Mrd. Dollar erhöht haben!
Wir brauchen eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen und Mittleren Osten, aber doch keinen Krieg, der den geschundenen und verängstigten Völkern - besonders im Irak, in Israel und in Palästina - nicht helfen kann.
Wir streiten und arbeiten nicht mehr, nie mehr für den Krieg, sondern für einen gerechten Frieden in der Welt.

Ich grüße Sie abschließend und aufmunternd mit den Worten unseres pax christi-Präsidenten, Bischof Heinz Josef Algermissen aus Fulda, der heute 60 Jahre alt wird:
"Wie Sie alle, die Sie sich heute zu einer großen Kundgebung für den Frieden in Berlin versammelt haben, und mit Papst Johannes Paul II. bin ich der Meinung, dass der Friede nicht durch militärische Gewalt herbeigeführt werden kann. Ich bin so vermessen, an das Jesus-Wort zu glauben: "Alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen (Mt 26,52)".
Mein Glaube und auch meine Vernunft sagen mir, dass längst nicht alle politischen Mittel ausgeschöpft sind, um einen Krieg im Irak zu vermeiden. Daher sind alle Verantwortlichen nun aufgefordert, diesen Krieg zu verhindern. Wir alle dürfen es nicht zulassen, dass sich die Menschen an den Gedanken eines unvermeidbaren Krieges im Irak gewöhnen. Der internationale Druck auf das Regime des Saddam Hussein ist gewiss auch ohne Krieg möglich. Ich hoffe, dass die Großdemonstration in Berlin für den Frieden im Irak dazu beiträgt, dass die politisch Verantwortlichen umdenken, und wünsche allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern an der Demonstration Gottes Segen."



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