Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Wort zum Sonntag

Nachfolgend ein mutiges "Wort zum Sonntag" vom 13. November 1999, gesprochen von der evangelischen Theologin Mechthild Werner
Schwerter zu Pflugscharen

Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen... Kein Volk wird wider das andere das Schwert erheben und sie werden nicht mehr lernen, Krieg zuführen. Eine Vision der Bibel: Kein Mensch hält mehr eine Waffe in der Hand - kein Schwert mehr, nur noch den Pflug. Die Felder werden bestellt und Frieden wächst. Was für ein Traum.
Die Wirklichkeit sieht anders aus. Gerade lief ein Film über Stalingrad: Glocken zu Granaten hieß es da, im zweiten Weltkrieg. Seit jeher wurde Friedensgerät zu Kriegswerkzeug. Pflugscharen zu Schwertern. Felder zu Schlachtfeldern. Und Geistliche nicht selten zu Feldgeistlichen, die die Schwerter segneten, ihrer eigenen Vision misstrauten.

Der Volkstrauertag morgen erinnert an die Kriege, die von deutschem Boden ausgingen - an die Toten - besonders an die, die im Feld "gefallen" sind. Gefallen, als wären sie gestolpert und wurden doch erschossen, zerfetzt, verstümmelt. Seit Kain seinen Bruder erschlug, immer wieder: Felder mit Blut getränkt. Massengräber in der Erde, Minen darunter. Und die Felder liegen brach. Nicht nur in Tschetschenien.

Die Völker werden nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Was für eine Vision. Die Kinder der Welt lernen das Friedenshandwerk. Doch wer bringt es ihnen bei? "Setz dich durch, schlag zurück, hau drauf! " So rufen manche Eltern ihren Kleinen im Sandkasten zu. Dazu der tägliche kill und overkill in Fernsehen und Computerspielen. Jugendliche wie der Junge in Reichenhall sind so gewaltbereit wie die Erwachsenenwelt. Und die lehrt sie, andere aus dem Feld zu schlagen - von der Schule bis in den Beruf.

Auch die Politik setzt auf Gewalt. Als letztes Mittel, heißt es. Wie im Kosovo. Gewalt wurde gegen Gewalt gesät, doch Frieden ist nicht gewachsen. Jetzt ist das zerstörte Feld wieder den Diplomaten und Blauhelmen überlassen. Und den Friedensdiensten. Gruppen wie Pax Christi, die im Zeichen der Pflugscharen arbeiten. Sie bringen Feinde zusammen. Menschen, die sich vor lauter Hass nicht in die Augen sehen können, lernen, einander anzusehen, zuzuhören und vielleicht sogar zu verstehen. Sie lernen, Aggressionen auszuleben, ohne auf den anderen loszugehen. Das geht. Auch wenn es schwer ist und nicht immer gelingt. Viele Pflänzchen der Versöhnung werden wieder zertreten. Aber dennoch pflügen die peaceworker in vielen Ländern beständig weiter am Frieden. Und nur so wächst er - langsam, aber sicher.

Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und sie werden nicht mehr lernen, Krieg zu führen.
Was für eine Vision. Eines Tages, so verspricht uns der Gott der Bibel, wird Frieden sein.
Diese Aussicht kann die Wirklichkeit verändern. Könnte nicht gerade unser Land mit dieser Vision ins nächste Jahrtausend gehen? Diesmal ein "einig Vaterland" ohne Waffen, ohne Wehrdienst, nur mit zivilem Friedensdienst. Ich sehe es vor mir: Wie die peaceworker üben wir uns im Vermitteln, schulen unsere Kinder im Nachgeben und Zuhören. Wir rackern uns ab am Frieden, ackern, damit jedes Volk sein Recht und sein Brot bekommt. So kann wahr werden, was auch am Hauptgebäude der Vereinten Nationen steht:
Schwerter zu Pflugscharen.
Davon träumt alle Welt: Dass unsere Kinder und Kindeskinder eines Tages das Kriegführen verlernen.