Gratulation! Freie Heide siegt gegen Scharping
Bundeswehr darf Kyritz-Ruppiner Heide nicht als Bombenabwurfplatz nutzen
Die Bundeswehr darf den Bombenabwurfplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide im Norden Brandenburgs –
bekannt als „Bombodrom“ – vorerst nicht nutzen. Das Bundesverwaltungsgericht in Berlin bestätigte am Donnerstag ein
entsprechendes Urteil des brandenburgischen Oberverwaltungsgericht vom März 1999 und ließ eine Revision nicht zu.
Geklagt hatten zwei Gemeinden, deren Flächen zum Teil auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz der sowjetischen
Streitkräfte liegen.
Nicht gefolgt ist das Gericht der Auffassung der Vorinstanz, wonach es keine gesetzliche Grundlage für die weitere
militärische Nutzung des 143 Quadratkilometer großen Geländes gebe. Die Rechtsgrundlage sei mit den Artikeln 8, 19
und 21 des Einigungsvertrags gegeben. Sollte die Bundeswehr weiter die Absicht haben, den Platz militärisch zu nutzen,
so müsse sie ein Planungsverfahren einleiten. Die Gemeinden müssten einbezogen werden. Die Anhörungen dürften
nicht allein „werbenden Charakter“ haben, wie es in der Vergangenheit der Fall gewesen sei. Kein Recht räumte das
Gericht der Bundeswehr ein, jene Flächen zu nutzen, die den Gemeinden gehören und teilweise auf dem Gelände des
Schießplatzes liegen. Dazu müsste sie die Flächen erst erwerben.
Aus: Süddeutsche Zeitung, 15. Dezember 2000
Das Bombodrom
Informationen im Telegrammstil-
Seit Ende der 40er-Jahre nutzte die Rote Armee die
Kyritz-Ruppiner Heide als militärisches Übungsgelände.
-
Anfang der 60er-Jahre begann die sowjetische Luftwaffe das
14.200 Hektar große Areal als Übungsplatz für
Bombenabwürfe zu verwenden. Bis zu 450 Einsätze pro Tag
wurden geflogen.
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Die Bundeswehr übernahm das Areal im September 1993 von
den GUS-Streitkräften. Nach ihren Plänen sollten hier jährlich
bis zu 3.000 Übungsflüge - auch im Tiefflug - absolviert
werden.
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1999. Das Oberverwaltungsgericht Brandenburg in
Frankfurt (Oder) untersagt der Bundeswehr die Nutzung und
gibt den Klagen von Gemeinden, Privatleuten und einer
Kirchengemeinde in Teilen Recht, die Flächen zurückgefordert
hatten. Die Bundesrepublik legt Revision ein.
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November 2000. Das Bundesverwaltungsgericht fällt noch
keine Entscheidung. Die Bundeswehr argumentiert, ihre Befugnis
ergebe sich aus dem Einigungsvertrag.
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Dezember 2000. Das Bundesverwaltungsgericht untersagt die
derzeitige militärische Nutzung. Es weist aber darauf hin,
dass die Bundeswehr die Möglichkeit hat, Anhörungen der
Anwohner nachzuholen, wenn das bisherige Konzept für den
Truppenübungsplatz aufrechterhalten werden soll.
Pressestimmen
Platzverweis für Scharping
Bundesverwaltungsgericht untersagt Bombodrom in Wittstock. Von Rainer
Balcerowiak
Das von der Bundeswehr 1993 besetzte Gelände südlich von Wittstock in der Kyritzer
Heide darf vorerst nicht militärisch genutzt werden. Kurz vor zehn Uhr verkündete der
Vorsitzende Richter beim Bundesverwaltungsgericht in Berlin, Dr. Günter Gaentzsch, am
Donnerstag, daß das Revisionsbegehren der Bundeswehr gegen ein entsprechendes
Urteil des Oberverwaltungsgerichtes in Frankfurt/Oder zurückgewiesen wird. Das Urteil
ist rechtskräftig.
In der mündlichen Urteilsbegründung wurde der Bundeswehr zwar zugestanden, daß sie
laut Einigungsvertrag das Recht hat, die Liegenschaften, die von der Gruppe der
Sowjetischen Streitkräfte in der DDR militärisch genutzt wurden, zu übernehmen; jedoch
seien in diesem Fall die »materiell-rechtlichen Belange« der von dem
Truppenübungsplatz betroffenen Gemeinden gröblich mißachtet worden. Weder habe es
eine angemessene Anhörung der Betroffenen noch eine nachvollziehbare
Lastenabwägung zwischen den Bedürfnissen der Bundeswehr und den Belastungen der
Anwohner gegeben.
Während die zahlreich angereisten Mitglieder und Unterstützer der »Bürgerinitiative
Freie Heide« eine spontane Siegesdemonstration in der Westberliner Innenstadt
veranstalteten, mußte die ebenfalls anwesende »Initiative pro Bundeswehr« ihre
vorbereitete Presseerklärung (»Es ist vollbracht - Wittstock wird Garnisonsstadt«)
wieder einpacken. Fritz Bethge von der Bundeswehr- Standortverwaltung in der Region
äußerte nach dem Urteil spontan, daß nunmehr Entlassungen von Zivilbeschäftigten
unumgänglich seien.
Der Rechtsanwalt der klagenden Gemeinden Rossow und Schweinrich, Reiner Geulen,
wertete das Urteil in einer direkt nach der Urteilsverkündung anberaumten
Pressekonferenz als »vollen Erfolg« und »einen Sieg für die Region und für den
Rechtsstaat«. Geulen betonte, daß die Bundeswehr den Platz sofort räumen müsse, da
es keine Rechtsmittel gegen das Urteil mehr gebe. Eine entsprechende Aufforderung
wird dem Verteidigungsministerium am heutigen Freitag zugehen. Der Anwalt will der
Bundeswehr eine Frist bis zum 23. Dezember einräumen und »höflich darauf hinweisen«,
daß das Urteil des obersten Gerichtes auch zwangsvollstreckbar sei. Er unterstrich
ferner, daß nach seiner Auffassung die Bundeswehr für die Altlastensanierung auf einem
Teil des Areals verantwortlich sei. Die Möglichkeit, daß die Bundeswehr die vom
Gericht bemängelte Vorgehensweise in einem neuen Verfahren korrigieren und somit
doch noch eine militärische Nutzung erreichen könnte, schätzte Geulen als »äußerst
unrealistisch« ein. Entsprechende Verfahren würden »viele, viele Jahre dauern«.
Außerdem habe die Bundeswehr bei der Besitzzuordnung des das Gelände
durchziehenden Wegenetzes »schwere, kaum zu reparierende Formfehler« begangen,
was ihre juristischen Möglichkeiten weiter einschränken würde. Der Landkreis
Ostprignitz-Ruppin und die betroffenen Gemeinden würden ihre wiedergewonnene
Planungshoheit jetzt »zügig nutzen«, um das Gelände einer dauernden zivilen Nutzung mit
sanftem Tourismus und einem Windpark zuzuführen, ergänzte auch der anwesende
Landrat Christian Gilde.
Dennoch will man wachsam bleiben. Den Prozeßkostenfonds, der durch den Sieg vor
dem obersten Gericht gut gefüllt bleibt, will man nicht auflösen, um für eventuelle weitere
Auseinandersetzungen gewappnet zu sein. Und auch der traditionelle Neujahrsmarsch
»Für eine freie Heide« soll wie gewohnt stattfinden. Treffpunkt ist am 1. Januar um 14
Uhr an der Kirche in Schweinrich.
Aus: junge welt, 15. Dezember 2000
"Bombodrom" entschärft
Spätes Recht für die Bürger
Erst warf die Rote Armee jahrzehntelang ihre Bomben über der Wittstocker Heide ab,
dann folgte die Bundeswehr. Die Interessen und Rechte der Bevölkerung wurden
einfach überrollt von den Strategen der Bonner Hardthöhe. Die ehemaligen DDR-Bürger
durften seit 1993 eine arrogante Kontinuität der Willkür erleben, die sie von den
abgezogenen "Befreiern" kannten. Das Bundesverteidigungsministerium hat ignoriert,
dass mit dem Einigungsvertrag auch östlich der Elbe die demokratischen Spielregeln
gelten. In den Umlandgemeinden ist durch die Bombenabwürfe der Bundeswehr
deswegen mehr zerstört worden als nur ein wenig Natur. Der Spruch der obersten
Verwaltungsrichter kann helfen, bei den Menschen der Region den Glauben an den
Rechtsstaat zu stärken. Und die Bundeswehr muss überlegen, ob ein "Bombodrom"
noch in die Zeit und in die dicht besiedelte Bundesrepublik passt. Weil
Verteidigungsminister Scharping wegen der Verkleinerung der Bundeswehr bis zu 50
Standorte schließen muss, mag die Entscheidung leichter fallen.
Aus: Der Tagesspiegel, 15. Dezember 2000
Trügerische Ruhe auf der Heide
Der Bund ist immer noch Eigentümer des Geländes. Mit
seiner Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht ihm
nur bestimmte Nutzungen untersagt
von CHRISTAN RATH
Die Bundeswehr darf den Bombenabwurfplatz Wittstock in
Nordbrandenburg einstweilen nicht nutzen. Dies hat gestern das
Bundesverwaltungsgericht in Berlin nach jahrelangem
Rechtsstreit in letzter Instanz festgestellt. Wenn die Bundeswehr
an Wittstock festhält, müsste sie jetzt ein umfangreiches
Planungsverfahren einleiten. Ob das Interesse an der Kyritzer
Heide so groß ist, weiß das Verteidigungsministerium heute
selbst noch nicht.
Aus Sicht der Bundeswehr fiel die gestrige Entscheidung
allerdings noch glimpflich aus. Das Bundesverwaltungsgericht sah
zumindest eine gesetzliche Grundlage für die Weiternutzung des
ehemals russischen Bombenabwurfplatzes. Der Einigungsvertrag
erlaube es, so der Vorsitzende Richter Günter Gaentzsch, das
Gelände "für Zwecke der Bundeswehr" weiter zu nutzen. Die
Vorinstanz, das OVG Frankfurt (Oder), hatte dies noch
bestritten. Nach seiner Ansicht habe der Bund als Folge des
Einigungsvertrages lediglich das Eigentum an den umstrittenen
Flächen übernommen.
Die Bundeswehr ist nun also nicht darauf angewiesen, dass der
Bundestag die Gesetzeslage in ihrem Sinne nachbessert. Ob sich
Rot-Grün dazu hätte durchringen können, wäre auch fraglich
gewesen. Die Grünen sind gegen das Projekt, die SPD ist
gespalten und nicht einmal Verteidigungsminister Rudolf
Scharping (SPD), ein ehemaliger Wittstock-Gegner, hatte sich
klar zu den Plänen seiner Luftwaffe bekannt. Nach dem Urteil
muss die Bundeswehr nun aber immerhin eine "planerische
Entscheidung" treffen, bevor sie mit der Nutzung der Wittstocker
Heide beginnen kann. Zuerst muss sie dabei die umliegenden
Gemeinden anhören. Anschließend muss die Bundeswehr die so
ermittelten Belange der Gemeinden gegen die
"verteidigungspolitischen Interessen der Bundesrepublik"
abwägen. Wegen des militärischen Bezugs der Planung ist diese
Abwägung nur bedingt gerichtlich überprüfbar. Mit etwas langem
Atem könnte die Bundeswehr also in einigen Jahren wohl doch
mit der Nutzung der Wittstocker Heide beginnen. Die Frage ist
nur: Will sie das überhaupt noch? Im Verteidigungsministerium
äußerte man sich gestern äußerst zurückhaltend: "Im Januar
werden wir unsere Standortplanungen bekannt geben."
Wittstock ist also nur noch ein Mosaikstein in der derzeitigen
großen Bundeswehrreform.
Die weitere Verzögerung durch das gestrige Urteil könnte aus
Scharpings Sicht durchaus gegen die Kyritzer Heide sprechen.
Neben der Anhörung der Gemeinden müssten mit Hilfe des
Landbeschaffungsgesetzes auch noch die Wege durch die Heide,
die derzeit den Kommunen gehören, enteignet werden.
Außerdem sind naturschutzrechtliche Fragen bislang kaum
geklärt. Vieles spricht also für einen Verzicht auf Wittstock.
Wenn es nach Kläger-Anwalt Reiner Geulen geht, müsste die
Bundeswehr das Gelände sogar schon bis Weihnachten räumen.
Sie soll mit allen Soldaten abziehen und auch "Absperrungen,
Zäune und Sperrschilder" abbauen. Notfalls will Geulen die
"Vollstreckung" des Urteils in einem neuen Gerichtsverfahren
durchsetzen. Allerdings ist der Bund immer noch Eigentümer des
Geländes und das Bundesverwaltungsgericht hat ihm schließlich
nur bestimmte Nutzungen untersagt.
Aus: taz, 15. Dezember 2000
Kleine Feier statt großem Fest
Die Prignitzer Bürgerinitiative Freie Heide freut sich
vorsichtig über das Urteil
Nach der Verhandlung gab es "Kleine Bomber".
Zu deren Vernichtung wurde praktischerweise Sekt gereicht -
die Kekse rutschten so einfach besser. "Jetzt genießen wir erst
mal den Erfolg", freute sich Helmuth Schönberg, Vorsitzender
der Bürgerinitiative Freie Heide. Das große Fest aber blieb aus.
Noch ist die Heide nicht frei.
Anfang der 90er Jahre atmeten die Menschen in der Ostprignitz
auf: Mit dem Abzug der Roten Armee herrschte erstmals seit 40
Jahren wieder Stille über der Ruppiner Heide. Ein kurzes
Aufatmen. Die Nachricht, dass die Bundeswehr die russische
Tradition fortsetzen will, schreckte die Prignitzer auf.
Wiederstand organisierte sich und wuchs. Knapp 100.000
Menschen kamen zu den über 60 Protestwanderungen.
Alternative Nobelpreisträger, Wissenschaftler, Politiker - immer
wieder erhielt die in der Grünen Liga organisierte Bürgerinitiative
prominente Unterstützung. Sogar Kanzlerkandidaten beteiligten
sich. Das war im Sommer 1994. Damals wanderte sich Rudolf
Scharping medienwirksam seinen Protest von der Seele. Er
beließ es nicht beim Schimpfen "auf die da oben". Ganz
staatsmännisch versprach Scharping der Protestschar: "Wenn
neue Mehrheiten in Bundestag und Regierung geschaffen
werden, dann wird das hier nicht mehr Truppenübungsplatz
sein." Und kündigte für diesen Fall ein großes Fest an.
Fünfzeilig fiel die Stellungnahme von Scharpings Ministerium
gestern aus. Man werde das Urteil auswerten, um "im Einzelnen
zu prüfen, welche Nutzungsmöglichkeiten der Bundeswehr"
verbleiben. "Das Gericht hat Scharping jetzt die Chance
gegeben, sich mit Anstand aus der Sache zu verabschieden",
erklärt Helmuth Schönberg von der BI. Im Sommer hatte
Staatssekretär Walter Kolbow der Freien Heide erklärt, die
Bundeswehr würde sich zurückziehen, sollte sie den Prozess
verlieren.
Allerdings ist man mit derlei Zusagen inzwischen vorsichtig.
Deshalb wurden gestern zu Keksen und Sekt auch Flyer
gereicht: Heraus zur 68. Protestwanderung am 1. Januar. Als
schönen Nebeneffekt des Urteils bewertete Katrin Kusche,
Bundesgeschäftsführerin der Grünen Liga, "dass nicht wir,
sondern die Bundeswehr die Kosten des Verfahrens tragen
muss". Schließlich will man bald ein großes Fest feiern.
NICK
REIMER
Aus: taz, 15. Dezember 2000
Nach dem Stopp der Schießübungen knallten die
Sektkorken
Bundeswehr darf "Bombodrom" vorerst nicht nutzen, aber
Bundesverwaltungsgericht hält Besitz des Geländes für
rechtmäßig
Von Karl-Heinz Baum (Berlin)
...
Vor dem Gerichtssaal knallten die Sektkorken. "Warten Sie erst die Begründung
ab, bevor Sie jubeln", mahnte der Vorsitzende des 4. Senats am
Bundesverwaltungsgericht, Günter Gentzsch. Zu spät. Die Bürgerinitiative "Freie
Heide" feierte bereits. Auf den ersten Blick haben die betroffenen Gemeinden
Schweinrich und Rossow gegen die Bundesrepublik Deutschland gesiegt. Der
Bund muss auch sämtliche Verfahrenskosten tragen.
Der Anwalt der Gemeinden, Rainer Geulen, zeigte sich "definitiv sicher", dass das
Urteil das Ende aller Pläne der Bundeswehr sein wird, das "Bombodrom" als einen
Luft-Boden-Schießplatz in Nachfolge des sowjetischen Bombenabwurfplatzes zu
unterhalten, wenn auch in verringerter Form und ohne scharfe Munition. Für ihn ist
der Richterspruch "ein großer Sieg für die Menschen, die seit Jahren gegen die
Bundeswehrpläne ankämpfen und auch den sowjetischen Schießplatz ablehnten".
Er forderte Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) auf, die
Bundeswehr möge noch vor Weihnachten das 130 Quadratkilometer große
Gelände räumen.
Auch Geulen weiß, dass das Urteil verschiedene Facetten hat. Denn die
Begründung unterer Instanzen, die Bundeswehr sei nicht rechtmäßig auf dem
Gelände, ließen die obersten Richter nicht gelten. Dafür habe der Einigungsvertrag
sehr wohl die Grundlagen geschaffen. Die Bundesregierung habe aber gleichwohl
einen Fehler gemacht: Über das neue Nutzungskonzept für Truppenübungsplätze,
1992 aufgestellt, seien die Gemeinden "zu kurzfristig informiert" worden. Die
Regierung habe den Kommunen zugleich "nicht ausreichend Gelegenheit gegeben,
ihre Belange einzubringen". Der Bund "hat die Planungshoheit der Gemeinden zu
beachten", befand Richter Gentzsch.
Das könnte die Bundeswehr wohl relativ schnell nachholen, ein anderer Fehler, auf
den Gentzsch auch verwies, könnte nicht so schnell beseitigt werden. Der Bund
hat 1995 im Rahmen von geltend gemachten Rückübertragungsansprüchen von
Teilen des sowjetischen Schießplatzes betroffenen Gemeinden das Eigentum an
Wegen durch das Gelände zurückgegeben. Eine Rücknahme dieser
Entscheidungen wäre zwei Jahre lang möglich gewesen, ist aber bisher nicht
geschehen: Mit Krokodilstränen findet Anwalt Geulen, das sei "eine wahre Tragödie
für die Bundeswehr"; inzwischen seien die Wege Eigentum der Gemeinden. (Az.:
BverwG 4 C 12 und 13/99)
...
Aus: Frankfurter Rundschau, 15. Dezember 2000
Aus der FR stammt auch der folgende Kommentar zum Urteil:
Bomben, Biotope, Bürgermeister
Wer die Weltläufte in diesen Zeiten nach den Kategorien Sieg und Niederlage
beurteilt, der wird zu dem Schluss kommen: Der 14.Dezember 2000 war kein guter
Tag für Rudolf Scharping. Erst sickerte eine "Giftliste" aus seinem Ministerium
durch, wonach 40 Bundeswehrstandorte komplett dichtgemacht und 39 weitere in
ihrem Umfang erheblich reduziert werden sollen - 0:1. Und dann verhängte das
Bundesverwaltungsgericht auch noch einen Schießstopp für das so genannte
Bombodrom in der Wittstocker Heide - 0:2.
Beides hat miteinander nicht unbedingt etwas zu tun, es sei denn, man nähme es
als Beleg für die grundsätzlichen Schwierigkeiten, einen Militärapparat mit allen
seinen Risiken und Nebenwirkungen in eine Zivilgesellschaft einzupassen. Wer das
tut, der wird in den nächsten Wochen ganz erstaunliche Reaktionen einfangen
können: Dort nämlich, wo die Bundeswehr nicht gegen die
"Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie" für das europäische Biotop-Netz (ja, die gibt's)
anbombt, wird sie vornehmlich als Wirtschaftsfaktor wahrgenommen. Kein
Bürgermeister, kein Landrat, dem nicht sofort das Heulen und Zähneklappern
kommt, sollte das Militär ausgerechnet in seinem Beritt abziehen müssen. Einige
aber wird es treffen müssen. Wen? Dazu wäre ein schlüssiger, an
Wirtschaftlichkeit orientierter Kriterienkatalog notwendig. Scharping hat den nicht,
nicht mal die Daten. Stattdessen liefert der Minister ein Konvolut von Kriterien, das
eines ganz sicher verhindert: Die Plausibilität der Entscheidung im Einzelfall.
Es wird Geschacher geben. Und gebombt? Wird nun woanders.
Axel Vornbäumen
Aus: Frankfurter Rundschau, 15. Dezember 2000
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