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Frauen in die Bundeswehr - Es bleibt beim Nein

Verabschiedet vom Bundesausschuss Friedensratschlag am 30. Januar 2000. Als Grundlage diente eine Erklärung des Bezirksfrauenausschusses der IG Metall Baden Württemberg

Die Friedensbewegung tritt - zusammen mit anderen gesellschaftlichen Gruppen - für die Gleichberechtigung und Gleichstellung von Frauen und Männern ein. Alle Stellen und Berufe im öffentlichen Dienst und der privaten Wirtschaft - eingeschlossen die in qualifizierten technischen Bereichen sollen in allen Hierarchiestufen mindestens zu 50 % von Frauen besetzt werden.

Aber wir lehnen es ab, Frauen auch im Wachdienst - "also auch mit der Waffe" in der Bundeswehr einzusetzen. Denn es geht bei diesem Vorstoß von Minister Scharping nach dem nun erfolgten Urteil des Europäischen Gerichtshofes in Luxemburg nicht um Gleichstellung oder Gleichberechtigung von Frauen. Zwei andere Dinge sollen vielmehr vorangetrieben werden,
  • die Militarisierung der Gesellschaft und
  • die Idee eines sozialen Billig-Jahres für Alle.


Die Militarisierung der Gesellschaft

Hintergrund ist die neue Weltmachtrolle, in die die alte und neue Bundesregierung unser Land bringen will. Ihrer Meinung nach gehört dazu die Militarisierung der Außenpolitik. Dazu wiederum gehöre eine Bundeswehr, die überall auf der Welt schnell eingreifen kann, um unsere Märkte und Rohstoffbasen zu verteidigen. "Wir befinden uns am Beginn einer neuen Phase deutscher Außenpolitik, die ich die Globalisierung deutscher Außenpolitik nennen möchte. ... Wenn alle anderen Mittel versagt haben, müssen wir bereit sein, militärische Macht einzusetzen" (Roman Herzog vor der Gesellschaft für Auswärtige Politik, 1996). Hindernis auf diesem Weg ist die Kriegsunwilligkeit der deutschen Bevölkerung. Immer noch müssen Kriegseinsätze der Bundeswehr wie z.B. in Jugoslawien als "humanitäre Einsätze" für Menschenrechte ausgegeben werden. Die Verweigerungsrate der jungen Männer ist nach wie vor hoch.

Wir sind nicht der Meinung, dass es der "Natur und Bestimmung" der Frau widerspricht, eine Maschine zu bedienen, auch nicht eine Maschine, deren einziger Zweck es ist, zu töten. Wir sind eher der Meinung, dass es der "Natur und Bestimmung" jedes Menschen widerspricht, eine Waffe in die Hand zu nehmen, um damit andere Menschen zu töten.

Auch halten wir die Bundeswehr für überflüssig, weil spätestens nach dem Ende der Systemkonkurrenz eine Verteidigungsarmee nicht mehr gebraucht wird und eine Angriffsarmee völkerrechtlich nicht erlaubt ist. Wir sehen aber, dass die Bundesregierung sich die Option schaffen will, in anderen Ländern an- und einzugreifen. Deswegen sind wir gegen die Bundeswehr, deswegen sind wir gegen Soldaten und gegen Soldatinnen. Zur "Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt", wie es in den immer noch gültigen Verteidigungspolitischen Richtlinien von 1992 heißt, ist eine Bundeswehr auch nicht nötig.

Wir wollen nicht, dass in diesem Land noch mehr Menschen zum Töten ausgebildet werden. Es ist keine Gleichberechtigung und keine Gleichstellung, wenn Frauen auf Kommando von anderen töten müssen. Das Wort "Dienst" sagt aus, wie weit den Frauen eine verantwortliche Position zugebilligt wird. Außerdem fehlt uns das Verständnis dafür, dass es z.B. für Frauen in den USA ein "Fortschritt" gewesen sein soll, sich an den Kriegen in Korea, Vietnam, El Salvador, Grenada, auf den Philippinen und am Golf beteiligt zu haben.

Soziales Billig-Jahr für alle

Entsprechend der neuen Außenpolitik wird die Bundeswehr zur Zeit umgerüstet. Ihr Schwerpunkt sollen schnelle Eingreiftruppen werden, die "hinter den feindlichen Linien" agieren sollen. Dafür eignet sich ein Berufsheer besser als eine Wehrdienstarmee. Aus Sicht von Teilen der Bundesregierung und der Hardthöhe müsste die allgemeine Wehrpflicht abgeschafft und ein aus "Freiwilligen" bestehendes Berufsheer eingerichtet werden. Das führt zu einem neuen Problem: Es gibt dann keine "billigen" Wehrdienstverweigerer mehr, die "für `n Appel und `n Ei" soziale Dienste überall dort leisten, wo tarifgerecht bezahlte Fachkräfte abgebaut wurden. Hat man keine Zivildienstleistenden mehr für diese Arbeiten, muss man etwas Neues schaffen. Die Lösung: Das "Soziale Jahr" für Alle! Die Einführung einer allgemeinen militärischen und sozialen Dienstpflicht für Männer und Frauen wurde bereits im September 1991 auf dem "Fürstenfeldbrucker Symposium für Führungskräfte aus Bundeswehr und Wirtschaft" - veranstaltet von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Bundeswehr - gefordert.

In unserem Interesse ist: Kein Militär auf der Welt

Militär ist ein Instrument der Unterdrückung, der Zerstörung von Menschen und der Natur und dient der Aufrechterhaltung von Machtinteressen. Brutale Unterdrückung der Frau von sexueller Nötigung bis zu Vergewaltigung sind in der amerikanischen Armee gang und gäbe.

Hierzulande ist die Situation der Frauen von vielfältigen Diskriminierungen geprägt. Frauen stehen an der Spitze der Arbeitslosen, sie finden sich am unteren Ende der Lohn- und Gehaltsskala. Sie haben die schlechtesten Aufstiegschancen und die geringsten Qualifizierungsmaßnahmen. Ihnen stehen überwiegend die am niedrigsten bezahlten Ausbildungsplätze offen. Frauen sind die Ärmsten im Land. Sie stellen den größten Teil der Sozialhilfeempfänger/innen. Sie haben die niedrigsten Renten. Frauendiskriminierung, Sexismus und Gewalt gegen Frauen gehören nach wie vor zum Bild dieser Gesellschaft.

Wer Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern herstellen will, müsste sich zuallererst dafür einsetzen diese Ungerechtigkeiten abzuschaffen. Weniger Gewalt in der Gesellschaft, Frieden und die Verbesserung der Lebensqualität für alle Menschen sind unsere Ziele. Sie sind nicht dadurch zu erreichen, dass nun auch für Frauen der "Dienst an der Waffe" ermöglicht wird. Auf Kommando zu töten, gehört nicht zu den Errungenschaften der Zivilisation.

Aus all diesen Gründen spricht sich der Bundesausschuss Friedensratschlag auch gegen eine Wehrpflicht für Frauen aus. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes beseitigt ein Beschäftigungsverbot für Frauen. Es darf aber nicht dazu genutzt werden, Frauen "an die Waffen zu drängen". Frauen geht es nicht um den Dienst in Kampfeinheiten, sondern um vielseitige, interessante und auch technisch anspruchsvolle Arbeitsplätze.

Wir wollen keinen Dienst an der Waffe - weder für Frauen noch für Männer.

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