Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters,
Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.
Zeitungsanzeige in der Frankfurter Rundschau: "Ich bekenne"
"Ich habe mich gewehrt, habe protestiert und demonstriert"
Am 7. Februar 2001 erschien in der Frankfurter Rundschau eine von Jürgen Harrer (papyrossa Verlag) initiierte Anzeige, mit der die stark verkürzte öffentliche Diskussion über die "68er" ein wenig zurecht gerückt wird. Die Studentenbewegung Ende der 60er Jahre und die davon ausgehenden Demokratisierungsversuche von Ökonomie, Staat und Gesellschaft, insbesondere von Schule und Hochschule, waren mehr als die mediengerechte Präsentation einiger Events aus dem so genannten Häuser- und Straßenkampf jener Jahre.
Wir dokumentieren den Aufruf - für den wir an dieser Stelle auch schon geworben hatten - im Wortlaut, allerdings ohne die ca. 200 Unterzeichner/innen, unter denen sich so mancher bekannte Name aus der linken "Szene" findet. Eine wirklich angenehme Gesellschaft.
Ich bekenne
Ich habe mich gewehrt, habe protestiert und demonstriert ...
Nach der Erschießung von Benno Ohnesorg bin ich gegen Polizeigewalt auf die
Straße gegangen. Als in Vietnam Menschen verbrannten, als die
Notstandsgesetze
durchgepeitscht wurden, als Nazis wieder in Landtage und Gemeindeparlamente
einzogen, als die Pogromhetze der Springerpresse gegen die aufbegehrenden
Studenten im Mordanschlag auf Rudi Dutschke gipfelte, habe ich mich auch von
Polizeiknüppeln, Hunden und Wasserwerfern nicht davon abhalten lassen, mein
Demonstrationsrecht wahrzunehmen. Ich habe die Enteignung Springers
gefordert und
die Auslieferung der Bild-Zeitung behindert. Über Beate Klarsfelds Ohrfeige
habe
ich klammheimliche Freude empfunden und mich über den Marinerichter und
furchtbaren Juristen, den baden württembergischen Ministerpräsidenten
Filbinger
empört. Ich habe mich öffentlich gegen die Berufsverbote ausgesprochen, bin
eingetreten für die Freiheit von Angela Davis und Nelson Mandela, habe mich
gegen
die Franco-Diktatur in Spanien, gegen die Militärjunta in Griechenland und
den
Faschistenputsch in Chile gewandt und mich mit ihren Opfern solidarisiert.
Als im
"deutschen Herbst" elementare Grundrechte außer Kraft gesetzt wurden, habe
ich
die Drohung mit dem Polizeistaat nicht schweigend hingenommen.
Heute versuche ich, mich den Neonazis in den Weg zu stellen, während ihre
Aufmärsche von Polizei durchgesetzt werden. Ich lasse mir nicht den Mund
verbieten gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, auch wenn sie von Staats
wegen gefördert werden. Ich habe mich gegen den Angriffskrieg auf
Jugoslawien
engagiert, auch wenn Ex-Spontis ihn mitzuverantworten haben. Ich habe mich
entschieden dagegen gewandt, daß sich führende Politiker der Bundesrepublik
Deutschland an diesem Bruch von Völkerrecht und Grundgesetz beteiligten.
Hiermit
fordere ich alle Mitglieder der gegenwärtigen Bundesregierung sowie alle im
Bundestag vertretenen Parteien auf, sich klar und eindeutig von derartiger
Gewaltanwendung zu distanzieren und für die Zukunft allen nach nationalem
und
internationalem Recht illegalen Gewaltaktionen zu entsagen.
Zur Seite "Aktuelles"
Zurück zur Homepage