Mugabe im Parlament erstmals ohne Mehrheit
Simbabwes Opposition erhält Sprecherposten / Machtfrage ungelöst
Von Georg Krase *
In Simbabwe wurde gestern (25. August) das Parlament eröffnet – erstmals seit der Unabhängigkeit unter Vorsitz eines Oppositionspolitikers.
Staatspräsident Robert Mugabe fuhr wie seit mehr als 20 Jahren im traditionellen Rolls Royce am
zweistöckigen Parlamentsgebäude im Zentrum Harares vor. Doch dort war alles anders, Mugabes
ZANU-PF verfügt nicht mehr über die Mehrheit im Parlament. Den Platz des Speakers, des
Parlamentspräsidenten unter der Statue eines Leoparden nahm Lovemore Moyo von der Bewegung
für demokratischen Wandel (MDC) ein. Seine Wahl am Montag war eine Überraschung, denn er
erhielt neben den Stimmen der MDC-Mehrheitsfraktion auch die der Mehrzahl der abgespaltenen
MDC-Fraktion unter Arthur Mutambara. Offenbar stimmten in der geheimen Abstimmung sogar
Abgeordnete der ZANU-PF für Moyo. Die MDC-Anhänger unter Morgan Tsvangirai brachen danach
in Jubel aus, sangen und tanzten.
Moyos Wahl könnte den Anfang einer Machtteilung zwischen ZANU-PF und MDC im Lande
signalisieren. Der Parlamentspräsident ist eine politische Schlüsselposition im Lande, der sich zwar
neutral verhalten sollte, aber bei kontroversen Debatten einflussreich sein kann. Im Parlament
verfügt die MDC unter Tsvangirai mit 100 Abgeordneten nur über einen Vertreter mehr als die ZANUPF,
Zünglein an der Waage sind die zehn Abgeordneten des MDC-Flügels unter Mutambara. Die
ZANU-PF kontrolliert lediglich den weniger einflussreichen Senat, der allerdings Gesetze nach ihrer
Verabschiedung im Parlament blockieren kann.
Dennoch gehen Beobachter davon aus, dass die Mehrheit beider MDC-Flügel im Parlament dessen
Kontrollfunktion gegenüber der Exekutive deutlich stärken wird. Lovemore Moyo verkündete denn
auch, das Parlament werde nicht länger nur die Politik des Präsidenten absegnen.
Seit dem gescheiterten Versuch der Regionalorganisation SADC, auf ihrem Gipfel vor zehn Tagen in
Johannesburg, Mugabe und Tsvangirai zur Bildung einer Übergangsregierung zu bewegen, sind
deren Gespräche ausgesetzt. Streitpunkt der Kontrahenten war die Machtteilung zwischen ihnen.
Mugabe sollte Präsident, Tsvangirai Ministerpräsident werden, doch über ihre konkreten Befugnisse
gab es keine Einigung.
Tsvangirai zog seine bereits gegebene Zusage zurück, weil er mehr Macht wollte. Er rechnet vor
allem auf Unterstützung des Westens, wo man substanzielle Wirtschaftshilfe nur an ein Simbabwe
ohne Mugabe geben will. Tsvangirais erneutes Pokern stieß bei afrikanischen Politikern, um deren
Unterstützung er bemüht ist, auf wenig Verständnis – dort will man endlich eine Lösung.
Eine Machtteilung in der Übergangsregierung entspricht dem derzeitigen Kräfteverhältnis in
Simbabwe. Der gestrigen Parlamentseröffnung soll die Bildung einer Regierung durch Präsident
Mugabe folgen, an der beide MDC-Fraktionen beteiligt werden. Beobachter gehen dabei von einem
Kompromiss aus, die Wahl des MDC-Parlamentspräsidenten hat gezeigt, dass Fortschritte auf dem
Weg zu einem demokratischen Simbabwe möglich sind. Tsvangirai muss aufpassen, dass er mit
einer totalen Verweigerung nicht seinem Gegner Mugabe in die Hände arbeitet.
* Aus: Neues Deutschland, 27. August 2008
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