Streit in Kuwaits Herrscherfamilie
Ministerpräsident bietet Emir den Rücktritt an
Von Karin Leukefeld *
Ein neuer Konflikt zwischen Regierung und Parlament hat das Scheichtum Kuwait in eine politische Krise gestürzt.
Drei von 50 Abgeordneten des kuwaitischen Parlaments verlangten am Dienstag (25. November) eine Befragung
von Ministerpräsident Scheich Nasser Mohammed al-Ahmad al-Sabah. Der aber verweigerte sich
und verließ samt seinen Ministern demonstrativ das Parlament. Beim Emir von Kuwait, Scheich
Sabah al-Ahmad al-Dschabir al-Sabah, der auch sein Onkel ist, reichte der Regierungschef sein
Rücktrittsgesuch ein.
Entzündet hatte sich der Streit an der Einreise eines schiitischen Geistlichen aus Iran, über den in
Kuwait eigentlich ein Aufenthaltsverbot verhängt war. Der Regierungschef hatte dem Würdenträger
jedoch persönlich die Einreise genehmigt. Das brachte die drei Abgeordneten, die der dogmatischislamischen
Sekte der Wahhabiten angehören und Schiiten als »Ungläubige« betrachten, in Rage.
Doch unabhängig von diesem scheinbar rein religiösen Streit ist der Unmut über die
Regierungsführung des Scheichs groß. Nasser Mohammed al-Ahmad al-Sabah war erst im Februar
2006 ins Amt gekommen und hatte seine Regierung wegen verschiedener Auseinandersetzungen
mit dem Parlament bereits mehrmals umgebildet. Man wirft dem Premierminister vor, dass in seiner
Amtszeit Korruption und Vetternwirtschaft zugenommen haben. Außerdem betreibe er eine falsche
Wirtschaftspolitik, die das Land trotz seines Ölreichtums – Kuwait fördert täglich 2,4 Millionen Barrel
Öl – in eine Krise geführt habe. Wegen des Fallens der Ölpreise und der internationale Finanzkrise
haben sich die Einnahmen Kuwaits deutlich verringert.
Der Emir hat inzwischen die Entscheidung über das Rücktrittsgesuch seines Neffen »auf später
verschoben«, wie ein Sprecher des Palastes mitteilte. Das Staatsoberhaupt habe die Regierung
aufgefordert, ihre Amtsgeschäfte fortzuführen. Sollte der Emir den Rücktritt des Regierungschefs
annehmen, kann er entweder ein neues Kabinett berufen oder das Parlament auflösen und
Neuwahlen ausschreiben. Allerdings kann er auch das Parlament auflösen, die Verfassung außer
Kraft setzen und allein regieren. Das war bereits 1976 (für fünf Jahre) und 1986 (für sechs Jahre)
der Fall. Sollten vorgezogene Wahlen ausgeschrieben werden, wäre es das dritte Mal innerhalb von
drei Jahren. Das derzeitige Parlament amtiert erst seit Mai.
Es ist nicht die erste Krise, die das Scheichtum erschüttert. Abgeordnete machen einen Dauerstreit
innerhalb des Sabah-Clans dafür verantwortlich, der Kuwait seit mehr als 250 Jahren dominiert und
seit der Unabhängigkeitserklärung 1961 auch regiert. Der Clan stellt Emir, Kronprinz und
Ministerpräsident und kontrolliert Schlüsselministerien wie das Verteidigungs-, das Innen-, das
Außen- und das Informationsressort.
Der Abgeordnete Adel al-Saraawi glaubt, der Regierungschef habe »keinen Streit mit dem
Parlament, er hat Streit mit einigen aus der herrschenden Familie«. Laut dem Abgeordneten
Hussein al-Qallaf wurde der Antrag auf Befragung des Ministerpräsidenten im Auftrag von
Mitgliedern der herrschenden Familie eingebracht. Ähnlich äußerte sich auch der Abgeordnete
Nasser al-Duwailah. Er kritisierte seine Kollegen dafür, dass sie sich von Mitgliedern der
Herrscherfamilie dafür benutzen lassen, »um Spannungen zu schaffen«. Dahinter stehe der Wunsch
einiger Sabahs, »die Verfassung außer Kraft zu setzen und die Demokratie zu beenden«.
* Aus: Neues Deutschland, 27. November 2008
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