Alte Konflikte in Jemen neu entflammt
Unterentwicklung bleibt erste Ursache
Von Karin Leukefeld *
Während die EU-Kommission am Montag (26. Juli) eine Finanzhilfe von zehn
Millionen Euro für humanitäre
Nothilfe in Jemen bewilligt hat, sind bei Kämpfen im Land mehr als 70
Personen getötet worden.
Die Hilfsgelder sollen Flüchtlingen und Vertriebenen zugute kommen,
darunter sowohl
Bootsflüchtlinge aus Afrika als auch mehr als 100 000 jemenitische
Inlandsvertriebene, die zwischen
August 2009 und Februar 2010 vor Kämpfen in Nordjemen flohen.
Die jemenitische Nachrichtenagentur SABA berichtete, dass in der
Umgebung der Ölfelder von Al-
Ukla (Provinz Schabwa im Südosten des Landes) sechs Soldaten und drei
angebliche Al-Qaida-
Kämpfer getötet worden seien. Die Armee habe einen Angriff auf das
Ölfeld des österreichischen
Energiekonzerns OMV abgewehrt. Aus der Zentrale des Konzerns in Wien
hieß es, man habe
»keine Indikationen, dass es sich um einen direkten Angriff auf die OMV
gehandelt hat«. Ziel des
Angriffs war Beobachtern zufolge ein Armeestützpunkt in der Nähe der
Ölfelder, die von Soldaten
geschützt werden.
Die Regierung von Präsident Ali Abdullah Saleh hat den Kampf gegen Al
Qaida in den vergangenen
Monaten verstärkt, nachdem westliche Politiker und Terrorexperten
beklagt hatten, die Organisation
habe militärische Ausbildungslager in Jemens Stammesgebieten und plane
dort Anschläge auf Ziele
in anderen Staaten. Das jemenitische Militär wird von US-amerikanischen
Militärberatern unterstützt,
westliche Staaten und der Golfkooperationsrat haben finanzielle Hilfe
zugesagt.
Präsident Saleh, der das arabische Land seit 32 Jahren regiert, steht
das Wasser bis zum Hals. Im
Süden hat wegen politischer und wirtschaftlicher Vernachlässigung durch
die Zentralregierung eine
Unabhängigkeitsbewegung enormen Zulauf. Die Region war von 1967 bis 1990 als
Volksdemokratische Republik Jemen ein unabhängiger, sozialistisch
orientierter Staat.
Verlustreiche Kämpfe ereignen sich auch in der nordjemenitischen Provinz
Sa'ada. Dort war im
Februar ein monatelanger Krieg zwischen Kämpfern der Houthi, dem
militanten Arm der schiitischen
Sekte der Zaiditen, auf der einen und jemenitischen Truppen,
regierungsnahen sunnitischen
Stämmen und saudischer Armee auf der anderen Seite zu Ende gegangen. Im
Nachrichtensender
»Al Alam« machte der Generalsekretär der Al-Haq-Partei, Hassan Zaid,
Saudi-Arabien für die
Spannungen in der Provinz mitverantwortlich. Lokale Stämme erhielten
seit dem Sturz der
Monarchie in Jemen 1962 Unterstützung von Saudi-Arabien, das sich damit
seinen Einfluss sichern
wolle. Zudem akzeptiere Saudi-Arabien die Vermittlung Katars nicht, das
zuletzt 2007 einen
Waffenstillstand zwischen der Houthi-Bewegung und der Regierung
ausgehandelt hatte. Kürzlich
hatte Katar Jemen angeboten, sich auch in den Konflikt mit der
südjemenitischen
Unabhängigkeitsbewegung einzuschalten.
Die anhaltende Unruhe im Norden Jemens hat ihre Ursache vor allem in der
wirtschaftlichen
Unterentwicklung der Region. Aber auch die Rivalitäten zwischen dem
schiitischen Iran und dem
sunnitischen Saudi-Arabien spielen eine Rolle. In ihrem Streben um
regionale Vorherrschaft spielen
beide bei der Suche nach Verbündeten auch die religiöse Karte.
* Aus: Neues Deutschland, 28. Juli 2010
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